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DER
PHARMACIE.
Eine Zeitschrift
des
allgemeinen deutschen Apotheker- Vereins.
$htijrilmtg jlnrMrnitelilimiL
Herausgegeben
von
I<. Bley und II. IiUfHvig-
*■ . ^ *-»
XV. Jahrgang.
HANNOVER.
Im Verlage der Hahn'schen Hofbuchhandlung.
186 5.
DER
PHARMACIE.
fZ3>
Zweite Reihe. CXXIH. Band.
Der ganzen Folge CLXXIIL Band.
172 -
Unter Mitwirkung der Herren
Beier, Boehnke- Reich, Geuther, Hallier^ Hörn, Landerer, Löhr,
Müdlcr, Meurer, Schlienkamp, Schnitze, Spengler
heraus gegeben
von
Ii. Bley urfcNM. Iiiidwig.
Bm .?■ itscltcrliclrsclies Vereins jähr.
59
HANNOVER.
Im Verlage der Halm'sehen llofbuchhandlung.
1 8 G 5.
•W-
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Inhaltsanzeige.
Erstes und zweites Heft.
I. Physik, Chemie und praktische Pharmacie. Seite
Ueber die Reinigung des Honigs: von Hermann Ludwig.. 1
Ueber die Formeln der Harze der Benzoe; von H. Ludwig 21
Ueber das Verhalten des Siliciumcalciums und Siliciummagne-
siums zu Stickgas und über die Oxydationsstufen des Sili-
ciums: von A. Geuther 24
Ueber das Nitroglycerin 35
Einige Reactiousversuche auf Alkaloide und Bitterstoffe; von
Dr. Schlienkamp 40
Notizen über die Farben der Alten: von Dr. X. Landerer.. 42
Notiz über Magnesit aus Euböa: von Demselben 47
Ueber eine Hyoscyamus-Vergiftung: von Demselben 48
Ueber ein Volksheilmittel: von Demselben 49
Ueber französische und italienische Geheimmittel ; von Dem-
selben 50
Ueber eine eigentümliche Geruchsentwickelung; von Demselben 53
Notiz über Weintrester-Bäder 54
Die erste preussische Pharmakopoe 55
II. Naturgeschichte und Pharmakognosie.
Die Cultur der China auf Java; von Dr. H. B oehn ke-Reich
in Regenwalde 59
Ueber das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit: von
Dr. Beicr, erstem Assistenten am Tharander Laboratorium 86
Die neueste Bestimmung der Entfernung der Erde von der
Sonne von J. II. M iL d 1 c r 102
Ueber Cypcrus- Wurzeln; von Dr. X. Landerer 108
Pancratium maritimum ; von Demselben 109
Ueber die Knidosis oder Urticatio im Oriente: von Demselben 110
Ueber Erigeron viscosum; von Demselben 111
III. Monatsbericht.
Analyse des Mineralwassers von Dinan S. 11. 'J. — Lithion und
Strontian im Rheiuwasser, aber weder Baryum, Cäsium,
vi InJiattsanzfige.
Seite
noch Rubidium 116. — Verbrennungen mit Flusssäure 117.
— Fabrikationsmethode für Soda, Chlor, Schwefelsäure und
Salzsäure 117. ^* Schwefelbestimmung 119. — Ueber einen
angeblichen löslichen Jodschwefel. 119. — Reinigung der
käuflichen Schwefelsäure von Arsenik und von salpetrigen
Verbindungen 119. — Reinigung der Schwefelsäure 121. —
Nachweis unterschwefligsaurer Salze 121. — Phosphorspec-
trum 122. — Phosphorsesquisulfid 122. — Erfindung des
Verkokens 124. — Schwefelkohlenstoff 124. — Einfluss des
Schwefelkohlenstoffs auf die Gesundheit 125. — Eigenschaf-
ten der Kieselsäure und anderer analoger Colloide 125. —
Werthbestimmung der Pottaschesorten des Handels und
Analysen derselben 133. — Aetznatron 139. — Neue An-
wendungen des Bronikaliums 139. — Darstellung von Brom-
kalium, -Lithium, -Calcium und -Magnium 139. — Fluor-
silicium- Fluorlithium 141. — Löslichkeit des schwefelsau-
ren Barytes, Strontians und Kalkes in Schwefelsäure 142.
— Darstellung des Magniums 142. — Feuerfeste Steine aus
Magnesit 143. — Alumiumbronze 143. — Ueber das Fär-
bende im Smaragd 143. — Vorkommen von Vanadin im
Roheisen von Wiltshire 144. — Optische Unterscheidung
der Manganoxyd- und der Uebermangansäure- Verbindun-
gen 145. — Neue grüne Farbe aus mangansaurem Baryt 146.
— Passivität der Metalle 147. — Analyse eines Meteo-
riten 153. — Ueber einen Magnetberg 154. — Entfernung
des Phosphors aus Gusseisen 154. — Genaue Bestimmung
des Eisens 155. — Zusammensetzung des phosphorsauren
Eisenoxyds 156. — Nitrocyankobalt 157. — Zahnkitt aus
Zinkoxyd und Zinkchlorid 157. — Darstellung des Jodcad-
miums 158. — Indium 158. — Spectrum des Thalliums 161.
Thallion-Eisenoxyd- Alaun 163. — Giftigkeit des Thalliums
163. — Einfluss des Wasserdampfes auf metallisches Blei
und auf Legirungen von Blei und Zinn 164. — Basisch-
salpetersaures Wismuthoxyd als Desinfectionsmittel 164. —
Reaction auf Antimon 164. — Eigenschaften des auf elek-
trischem Wege niedergeschlagenen Antimons 165. — Flam-
menreaction auf Kupfer 166. — Löthrohrreaction auf
Kupfer 166. — Schwefelkupfer- Schwefelammonium 167. —
Quecksilberproduction der Erde 168. — Vorkommen von me-
tallischem Quecksilber im Emmenthaler Käse 168. — Metal-
lisches Quecksilber in Lintorf bei Ratingen 169. — Re-
duction des Chlorsilbers auf nassem Wege 169. — Kalte
Versilberung des Glases 169. — Versilberung des Glases
auf kaltem Wege 170. — Glasversilberung 172. — Methode
Inhaltsanzeige. VII
Seite
zur Gewinnung der Metalle aus den Platinrückständen 173.
— Cyanphosphor 175. — Cyancarbamid und Dicyansäure
176. — Gefahren des Cyankaliums für Photographen 177.
Schwefligsaures Trichlormethyl-Chlorür und physiologische
Wirkungsweise desselben 177. — Formamid 178. — Alko-
holgährung 178. — Quantitative Bestimmung von Zucker,
Dextrin und Alkohol im Biere 181. — Einfaches Verfah-
ren, geringe Mengen von Alkohol in Flüssigkeiten nachzu-
weisen 181. — Reagens zur Entdeckung von Ruukelriiben-
alkohol 182. — Concentrirte Gummilösung rasch zu be-
reiten 182.
IV. Literatur und Kritik . 183
Bibliographischer Anzeiger 189
Erklärung 192
*-~
Drittes Heft,
I. Physik, Chemie und praktische Pharmacie.
Darstellung eines eiweisshaltigen Fleisch -Extractes auf Grund-
lage des kalten Fleisch- Aufgusses nach Lieb ig vom Jahre
1854; von Dr. med. W. Hörn in Bremen 193
Ueber die Einwirkung von salpetrigsaurem Kali auf salzsaures
Triäthylamin ; von A. Geuther 200
Ueber die wahrscheinliche Natur der aus den Monocyansäuren
durch Alkalien entstehenden Säuren ; von Demselben .... 202
Ueber schwefligsaure Kobalt -Alkalisalze und die Löslichkeit
des Kobaltoxydhydrats in concentrirter Kali- oder Natron-
lauge; von W. Schultze 20Ö
II. Naturgeschichte und Pharmakognosie.
Einiges über die physiologische Wirkung des Emser Wassers;
von Hofrath Dr. L. Spengler zu Bad Ems 218
Kin Besuch im Zoophyten- Hause des zoologischen Gartens in
London 222
Aus dem botanischen Garten zu Breslau 231
Pharmakologische Notizen; von Dr. X. Landerer ... 234
Notiz über Papyrus antiqaomm ; von Demselben 238
Notiz ober Agnat Castus; von Demselben 240
Zu Volk.sheilmitteln im Oriente; von Demselben 241
vm Inhaltsanzeige,
Seite
III. Monatsbericht.
Apparat zur Bestimmung des Alkoholgehalts im Wein, Bier,
Most u. s. w. S. 242. — Wirkung der Alkohole auf zusam-
mengesetzte Aether 243. — Verhalten des Alkohols im Or-
ganismus 245. — Weiugährung 246. 248. — Fabrikation
des Vin de Pelle 248. — Champagner -Fabrikation in Un-
garn 250. — Bouquet der Weine 252. — Ueber die in den
Weinen enthaltenen Aetherarten und einige Veränderun-
gen derselben 252. — Bestimmung des Weinsteins, der
Weinsäure und des Kalis in Weinen 254. — Krankheiten
des Weines 257. — Einfaches Verfahren, echten Rothwein
von künstlich gefärbtem zu unterscheiden 260. — Steinerne
Weinfässer 261. — Unterscheidung des echten Cognacs
von sogen. Facon-Cognac 262. — Essigsäure als Product
der weinigen Gahrung 262. — Essiggährung und alkoho-
lische Verbrennung 263. — Menge der in dem Branntwein
und Weinessig enthaltenen Aether 264. — Bestimmung
des Essigsäuregehalts im Weinessig 265. ; — Verhalten von
Acetylen zu Brom 266. — Wirkung von Jod und Jod-
wasserstoffsäure auf Acetylen 266. — Leichte Darstellungs-
methode für Zinkäthyl 267. — Einwirkung von Brom und
Jod auf Allylen 269. — Dihydrat des Diallyls 270. — Ein-
wirkung des Natriums auf Valeraldehyd 271. — Darstel-
lung der Valeriansäure 272. — Valerylen 273. — Vorkom-
men von Capronsäure in den Blüthen von Satyrium hirci-
nura 274. — Die Hyperoxyde der Radicale organischer
Säuren 274. — Prüfung fetter Oele 275. — Verhüten des
Ranzigwerdens der Fette 276. — Fett der Gerste 277. —
Darstellung der Fettsäuren zur Kerzenfabrikation und Fa-
brikation der Seife 278. — Glycerin zur Extraction und
Conservation von Aromen 280. — Kirschlorbeerwasser 281.
— Synthese des Benzoylchlorürs und der Benzoesäure 282.
— Perubalsam 283. — Reduction der salicyligen Säure zu
Saligenin 284. — Nitrodracylsäure 284. — Trinitrocressol
und Chrysanissäure 285. — Chemische Untersuchung des
Muskatnussbalsams 286.
IV. Literatur und Kritik 287
Bibliographischer Anzeiger 292
ARCHIV DERJTOMACIE.
CLXXIII. Bandes erstes und zweites Heft.
I. Physik, Chemie und praktische
Pharmaeie.
Deber die Reinigung des Honigs;
von
Hermann Ludwig.
JJer Honig wird von den Bienen aus dem Nectar
der Blumen bereitet, indem sie diese aufgesaugten Süs-
sigkeiten in der sogenannten Honigblase, einer kropf-
artigen Erweiterung der Speiseröhre verarbeiten und
durch den Mund in die erbauten Wachszellen wieder
ablegen.
Während der Nectar vorzugsweise gemeinen Zucker
(sogenannten Rohrzucker, von der Formel C^ID'O 11 oder
C 24 H 22 22 ) enthält, findet sich im frischen Honig vor-
züglich ein Gemenge von überschüssigem Syrupzucker
(sogenanntem Fruchtzucker oder Linksfruchtzucker =
C ,2 H ,2 12 ) und Krümelzucker (sogen. Traubenzucker oder
Rechtstraubenzucker = C» 2 H» 2 12 + 2HO), mit Resten
von gemeinem Zucker, die jedoch bald verschwinden (in-
dem sie intervertirt werden).
Ein von den genossenen Pflanzensäften abhängiges
Aroma gehört ferner zu den wesentlichen Bestandteilen
des Honigs.
Im unreineren Zustande enthält der Honig Farbstoff,
dessen Natur noch nicht ermittelt ist; eine oder melire
stickstoffhaltige Substanzen, die bald als Eiweiss, bald
als Case'i'n, bald als Leim bezeichnet werden ; eine oder
Arch. d. Pharm. CLXXIII. Bdi. 1 . u. 2. Hft. 1
2 Ludwig,
mehre Säuren, unter denen namentlich Milchsäure im
gegohrenen Honig sicher nachgewiesen ist. (Nach Phos-
phorsäure ist im Honig noch nicht gesucht worden.)
Köhnke beobachtete zuerst den Milchsäuregehalt im
Honig, Guilbert und Voget einen Mannitgehalt des-
selben und Proust einen Gehalt an Gummi und Wachs.
Schon Beaume und Cavezzali fanden im Honig
etwas wahren Zucker. Nach So üb ei ran findet sich der
Rohrzucker häufiger im flüssigen Honig, wie er in den
Zellen vorkommt, als in dem ausgelassenen Honig, in
welchem er beim Aufbewahren fast ganz verschwindet.
Dubrunfaut erkannte zuerst die Umwandlung des
Rohrzuckers im Honig durch das stickstoffhaltige Fer-
ment desselben in Syrap- und Krümelzucker (welches
Gemenge man gewöhnlich als Invertzucker bezeichnet).
Dierbach lieferte 1841 (im 76. Bande des Archivs
der Pharm.) eine lesenswerthe Abhandlung über das Ge-
schichtliche des Honigs.
Ueber die bitteren, scharfen und giftigen Bestand-
teile manches Honigs ist viel geschrieben, viel gefabelt,
aber noch wenig Genaues gearbeitet worden. Am berüch-
tigtsten ist jener Honig geworden, nach dessen Genüsse
nach dem Berichte des Xenophon jene 10,000 Griechen
auf ihrem Rückzuge aus Persien am Pontus erkrankten.
Man sieht Azalea pontica oder auch Rhododendron pon-
ticum als die Pflanze an, von welcher solcher schädlicher
Honig gesammelt werde. Der britische Reisende Keith
Ab bot erwähnt in einem Briefe an den Secretair der
zoologischen Gesellschaft in London (im Athenäum, April
1835) des Honigs von Trapezunt, den er auch von Aza-
lea pontica ableitet, die dort häufig wachse und den herr-
lichsten Geruch verbreite. Die Wirkung desselben sei
ganz so, wie sie Xenophon beschrieben, wie sie Herr
Abbot auch an sich selbst erfuhr. Geniesse man davon
nur wenig, so erfolge heftiges Kopfweh und Erbrechen,
mit einem Zustande von Trunkenheit; wurde mehr davon
Reinigung des Honigs. 3
genossen, so erfolgte Besinnungslosigkeit und ein mehre
Stunden lang dauerndes Unvermögen, sich zu bewegen.
In Nordamerika hält man (nach Bar ton) die aus
den Arten von Azalea und Andromeda, namentlich An-
dromeda mariana (Leucothoe inariana) gesammelten Honig-
sorten für gefährlich. In New -York erkrankten 1852
zwei Familien in Folge des Genusses eines Honigs, den
die Bienen wahrscheinlich aus einer narkotischen Pflanze
gesogen hatten. Sein Genuss verursachte im Schlünde
ein prickelndes und brennendes Gefühl, starken Ekel,
verbunden mit heftiger Affection der Augen. Einige
Personen erbrachen sich heftig, eine derselben erblindete
vollständig. In den andern Fällen verschwanden die
Symptome vollständig nach 10 — 12 Stunden.
A. St. Hilaire (Arch. der Pharm. 1826) beobachtete
auf seiner Reise in Brasilien, dass der Honig einer da-
selbst Lecheguana genannten Wespenart, welchen er mit
einem seiner Begleiter genossen hatte, die bedenklichsten
Zufälle hervorbrachte. Er vermuthete, dass diese Wespen
den Nectar der Paullinia australis gesammelt hatten.
Am meisten Beachtung verdieut die Nachricht von
S eri nge (im Muste helvetique), nach welcher zwei Schwei-
zer Hirten durch Honig, der von Aconitum Napellus und
A. Lycoctonum herrührte, vergiftet wurden.
Nach dein Zeugnisse Friedriche v. Tschudi (in
seinem Thierleben der Alpcnwelt, 1856) ist der Honig
der Erdhummeln, von Eisenhüten, Ranunkeln und Ger-
mern ( Veratrwu) gesammelt, nicht selten sehr giftig. Hir-
tenknaben, beerensuchende Kinder und Wildheuer haben
schon allzu oft den flüchtigen Genuss dieses verführeri-
schen Labsals mit dem Leben bezahlt. In Uri vergiftete
der Genuss des Moosliunnnelhonigs drei Wildheuer, von
denen nur zwei durch ärztliche Behandlung gerettet wer-
den konnten. (Tschudi.)
Nach Sprengel ist der Honig von Mduuitlius major
schädlich, berauschend und betäubend.
Wie < '< in e i i n (in seiner Flora bcn berichtet;
1*
4 Ludwig,
sind die Blumen von Daphne mezereum den Bienen ge-
fährlich, ja tödtlich. Die Bitterkeit und Schärfe des sar-
dinischen Honigs soll von Daphne Cneorum und die des
corsischen Honigs von Nerium Oleander herrühren.
Als die Franzosen im Jahre 1807 die hohen und
steilen Gebirge, die Spanien von Portugal trennen, durch-
zogen und die Armee grossen Mangel an Lebensmitteln
litt, assen viele Soldaten Honig von wilden Bienen, der
in jenen Gebirgen in Menge gefunden wird; dieser ver-
anlasste so heftige Durchfälle, dass viele diesen Zufällen
erlagen. Leider haben die Aerzte, welche die Armee
begleiteten, nichts über die Pflanzen mitgetheilt, von de-
nen die Bienen jenen drastisch wirkenden Honig ein-
gesammelt haben mochten.
Wenn man sich erinnert, dass bei der Spaltung des
Amygdalins neben Zucker auch blausäurehaltiges Bitter-
mandelöl entsteht, und dass das ungemein giftige Digi-
talin unter seinen Spaltungsproducten auch Zucker ent-
hält, so hat das Zusammenvorkommen von Pflanzengiften
mit Nectarzucker in gewissen Blüthen und ihr Uebergang
in den daraus gesammelten Honig nichts Auffälliges.
Auch das alkaloidische Solanin spaltet sich bekanntlich
in Zucker und ein neues Alkaloid, das Solanidin.
Zum Schluss dieser geschichtlichen Einleitung möge
die Erzählung des Claudius Galenus aus Pergamus
(131 — 200 n. Chr. Geb.) ihre Stelle finden, dass sein Vater
einst einen Vorrath des besten atheniensischen Honigs
gehabt habe, der mit der Zeit so bitter geworden sei,
wie der von Pontus, wo ihn die Bienen vom Wermuth
einsammelten.
Sorten des Honigs.
Nach der Jahreszeit des Einsammelns unter-
scheidet man Frühlings-, Sommer- und Herbsthonig.
Nach der Nahrung der Bienen:
Lindenblüthhonig oder Lippitzhonig. Von ihm
sagt Valerius Cordus: Suavissimum tum gustu, tum
Reinigung des Honigs. 5
olfactu e Prussia, Livonia et Lithuania allatum mel quod
fere solis Tiliae floribus apes colligunt ;
Esparsetthonig, bräunlich, von Hedysarum Ono-
brychis ;
Buch weizenhonig, bräunlich-grün, von Polygonum
Fagopyrum;
Haidehonig, von Calluna vulgaris ;
Rosmarinhonig von Narbonne, Lavendelhonig
der Provence, Melissenhonig von Mingrelien ;
Rosenhonig, von wilden Rosensträuchern in Euböa
(Landerer);
Thymianhonig aus Attika, nicht von Thymus-
Arten, sondern von Satureja capitata; diese Pflanze lie-
fert die köstlichste alier Honigsorten (Di erb ach).
Nach den Ländern:
Deutscher Honig, so aus Holstein (hellbraun), Lü-
neburg, Franken, vom Oberrhein, aus Steyermark.
Friesischer Honig, sehr weiss.
Französischer, aus der Bretagne, Champagne, Nor-
mandie, Picardie und Provence.
Spanischer, weiss; von den Balearen, aus Valencia.
Italienischer, römischer, solcher von Bormia.
Malteser, rosenroth, flüssig.
Dalmatischer und istrischer.
G r i e ch i s ch e r , attischer (Mel atticum primatum tenet.
Plinim.)
Krimischer Honig.
Ungarischer (weiss, gelb bis braun).
Polnischer, nordamerikanischer und Ila-
vannahonig, Insel Cuba.
Die arzn ei liehe Anwendung des Honigs ist
uralt. Hippokratcs (460—377 vor Chr. Geb.) benutzte
Honigwasser und Sauerhonig (Oaymdi), d.i. ein Gemisch
aus Honig, Essig und Wasser als innerliches Mittel.
Dioscorides (um 50 n. Chr. Geb.) erwähnt schon
des abgeschäumten Honigs: Crudum tarnen ventrem in-
6 Ludwig,
flat et tussim irritat, quare despumatum utendum est.
Primas habet vorn um.
Die Würtemberger Pharmakopoe von 1754 lässt Mel
despumatum simplex also bereiten :
Rec. Mellis libras quatuor,
Aquae fontanae uncias octo
Ebulliant, despumentur et per pannum colatum mel
servetur.
Hier ist also auf 6 Theile Honig nur 1 Theil Wasser
vorgeschrieben.
Eine ähnliche einfache Vorschrift giebt der Hambur-
ger Codex von 1845; das spec. Gewicht des Mel despu-
matum soll nach demselben == 1,300 sein.
Pharmacopoea hadensis von 1841 hat gleiche Theile
Honig und Wasser. Geiger löst den Honig in 2 bis
3 Theiien Wasser kalt, lässt an einem kühlen Orte ab-
setzen, filtrirt und dampft im Wasserbade ein. So be-
halte der Honig seine natürliche Farbe, seinen Geruch
und seine Süssigkeit. Ihm folgt das Handwörterbuch
der Chemie von Liebig, Poggendorff und Wo hl er
1849 (Bd. IV. S. 911).
Das Ausschmelzen des Honigs aus den Wa-
ben beschreibt Apotheker Zier; es solle bei 30 — 35° R.
geschehen (das Wachs, das gelbe, schmilzt erst bei 61°,8
Celsius). 150 Pfd. W r abenhonig lieferten ihm 110 Pfd.
Jungfernhonig, dazu noch 20 Pfd. gereinigten Honig {Mel
despumatum) und 5 Pfd. schönes Wachs. (Arch. der Ph.
1829; Bd. 28.)
Während der abgeschäumte Honig gewöhnlich durch
wollene Spitzbeutel geseiht wird, filtrirt ihn Silier in
Petersburg (1842) durch reinen ausgewaschenen Sand,
der auf starken leinenen Seihetüchern ausgebreitet wird.
Andre, Provisor der Gröbziger Apotheke {Archiv
der Pharm. 1842. Bd. 79. S. 368) mengt den Brei von
Fliesspapier und Wasser zu dem gekochten Gemisch aus
gleichen Theiien Honig und Wasser, rührt gut um, lässt
erkalten und filtrirt.
Reinigung des Honigs. 7
L. Bley bestätigt die schöne Beschaffenheit des nach
Andre's Methode gereinigten Honigs, ebenso Hirsch-
berg in Sondershausen und Alb recht Overbeck in
Lemgo (1850).
Das dazu benutzte Fliesspapier muss weiss, rein und
frei von Metallen sein. Herr C. Framm aus Wismar
untersuchte 1862 in meinem Laboratorium ein graues
Packpapier auf solche Verunreinigungen und fand darin
viel Arsenik, Kupfer und Blei, so wie Spuren von Ko-
balt. Solches Papier musste eingestampfte Tapeten, die
mit Schweinfurtergrün, Bleifarben, Smalte etc. gefärbt
waren, enthalten.
C. Rump {Archiv der Pharm. 1842. Bd. 82. S.213)
empfiehlt, frischen Honig zur Reinigung anzuwenden, da
der Honig mit dem Alter (und zwar schon im zweiten
Jahre) in Folge beginnender Vermoderung sich bräun«.
Rump erklärt sich gegen die Anwendung der Abschnitzel
von Papierfiltern zum Honigklären, als gar zu unpharma-
ceutisch. Er denkt dabei wohl an den manchmal sehr
unsaubern Schnitzelkasten in der Officin, der ausser Pa-
pierschnitzeln auch Lederschnitzel etc. enthält. Einen
solchen hat Andre wohl nicht im Sinne gehabt.
Lesenswerth ist die mit vieler Sachkenntniss ge-
schriebene Abhandlung von Otto Köhnke in Garding
(im 94. Bde. des Archivs der Pharm., 1845). Nach ihm
geben die jungen Bienen weissen Honig, ältere Bie-
nen hingegen, deren Nahrung den Blüthen des Buchwei-
zens, der Haidekräuter und Zapfenbäume entstammt, geben
braunen Honig. Grosse Wärme beim Auslassen und zu
starkes Pressen liefern unter allen Umständen einen theil-
weise veränderten braunen Honig, von im Schlünde
kratzendem Geschmack, weni^ fest und wenig haltbar.
Spec. Gewicht des Honigs nach Köhnke:
1,415 — 1,42?, Honig von älteren Bienen (Buchweizen-
blüthe), erhärtete nach 4 — 6 Wochen.
1,425 — 1,429, Honig von jungen Bienen, blassgelb bis
hochgelb, erhärtete nach 3 — 4 Wochen.
8 Ludwig,
1,422 — 1,430, Haidehonig von älteren Bienen) härter als
1,425 — 1,434, desgl. von jungen Bienen ider vorige.
1,435 — 1,440, Marschhonig (Rapsblüthe, Klee, Vicia Faba)
letzterer fast weiss, erhärtete nach 6 — 8 Tagen
und hatte dann das Ansehen des Ochsentalgs.
Die Aufbewahrung des Honigs geschehe in kleinen
hölzernen Gebinden, nicht in irdenen Gefässen, die bei
Krystallisation des Honigs leicht zersprengt werden.
Nicht jedem Honig ist nach Köhnke's Erfahrung-
freie Säure eigen. Der aus mehr denn 50 Bienenstöcken
frisch abgelaufene, fast farblose Marschhonig, mit sorg-
fältigst bereitetem Lackmuspapier untersucht, ergab keine
saure Reaction.
Bienenstöcke, zur Tödtung der Bienen, wie es häu-
fig geschieht, mit brennendem Schwefel durchräuchert,
geben selbstverständlich einen sauer reagirenden Honig.
In feuchter Luft zerfliesst der Honig, wird breiartig,
schleimig, erleidet die Milchsäuregährung und nimmt in
Folge dessen saure Reaction an. Mit Kalkmilch gesät-
tigt entwickelt er dann Ammoniak. Nun mit Hefe ver-
setzt, gähren gelassen und die gegohrene Flüssigkeit ein-
gedampft, liefert sie milchsauren Kalk in Krystallen.
In dem flockigen Bodensatze, den man erhält, wenn
man mit Wasser verdünnten Honig nach dem Zusätze
von etwas Kalilauge kocht, dann mit Essigsäure ansäuert,
findet sich nach Köhnke Case'in. Ein gut gereinigtes
Mel despumatum muss das spec. Gewicht von 1,30 be-
sitzen und bei -f- 8 bis 10<> C. nach längerem Stehen über
l l$ seines Volumens reinen Krümelzucker krystallinisch
absetzen. (Köhnke.)
Auf die Wichtigkeit des spec. Gewichts zur Erken-
nung der Güte des Honigs machten schon in den Jahren
1833, 1834 und 1835 Völter und Zeller aufmerksam.
Beim Einkauf des Honigs giebt das spec. Gewicht des-
selben ein gutes Mittel ab, den Wassergehalt desselben
zu entdecken und zu bestimmen, ob er fest werde und
haltbar sei. Als Normalgewicht betrachten sie die beob
Reinigung des Honigs. 9
achteten spec. Gewichte 1 ; 433 — 1,434. Auch noch bei
einem spec. Gew. von 1,430 bis herab auf 1,413 werde
der Honig noch bald fest und körnig. Dagegen sei ein
Honig mit 1,400 bis 1,390 herab schon zum Verderben
geneigt, werde im Winter nicht mehr recht fest, im Som-
mer bald schaumig, säuerlich und gehe in Gährung über.
(Pharmac. Centralbl. 1834 u. 1835.)
Ed. Rebling, Apotheker in Langensalza (Arch. der
Pharm. 1851, Bd. 118. S.288; 1858, Bd. 143. S. 282 u. Bd.
144. S. 279) erhielt Krystalle von gemeinem Zucker (Rohr-
zucker) aus dem Nectar folgender Blumen: Antirrhinum
majuSy Asclepias carnosa, Linaria vulgaris, Gloxinia, Pia-
tanthera bifolia, Salvia pratensis, Stachys palustris, Sym-
phytum officinale und Trifolium alpestre. (Mehre Exem-
plare solcher Nectarcandiskrystalle, ein Geschenk des
Herrn Rebling, bewahre ich noch heute in der chemi-
schen Sammlung meines Instituts.) Der Nectar der Lin-
denblüthen wollte nicht krystallisiren und der Honig gab
nur Krümelzuckerkrystalle. Nur ein ganz vortrefflicher
Honig aus der Gegend von Langensalza gab scharfkantige,
gut ausgebildete Rohrzuckerkrystalle.
Nach Rebling ist der Ausdruck: „die Bienen sam-
meln Honig" ungenau; sie sammeln vielmehr den flüs-
sigen Nectar der Blumen und in demselben vorzugs-
weise gemeinen Zucker, verwandeln diesen in der Honig-
blase durch Einwirkung der thierischen Wärme, des Ei-
weissstoffs und der Milchsäure, welche der thierische
Organismus in der Blase erzeugt, in das Gemenge von
Krümelzucker, Syrupzucker etc., was wir Honig nennen.
Nur während der Blüthe, d. h. während des Actes der
Befruchtung scheiden die Pflanzen Süssigkeit in den Nec-
tarien ab, weder vorher, noch nachher. Der flüssige
tar enthält gegen 12 — 14 Proc. Zucker. Die Kry-
stalle des Krümelzuckers sind theils Nadeln, theils rhom-
bische sechnseitige Tafeln.
Nach Rebling reagirt schon der in den Zellen be-
findliche Honig, so wie der beste Jungfernhonig, stets
10 Ludwig,
sauer*). Der beste thüringische Landhonig enthält 1
Promille, mittlerer Cubahonig 2 Promille dieser freien
Säure. Bei der Destillation aus Glasgefässen enthielt das
Destillat nur wenig Essigsäure und Buttersäure, der
grösste Theil der Säure blieb im Rückstande und bestand
aus Milchsäure.
Eine weitere Verunreinigung des Honigs ist das Ei-
weiss, von welchem Rebling 1 l 6 Gran in 1 Unze Ho-
nig oder 0,35 Promille Eiweiss fand. Ein jeder Honig
enthält noch etwas Wachs, welches demselben seinen
specirischen Geruch mittheilt, der gar nicht so flüchtig
ist, als man insgemein annimmt. Endlich findet sich im
Honig etwas Blumen staub, den die Bienen als Hös-
chen eintragen. Bester Honig enthält davon gegen 0,41
Procent. Aus einem mit 3 bis 4 Theilen Wasser ver-
dünnten Honig scheidet sich der Pollen ab und ist im
Bodensatze durch das Mikroskop zu erkennen. Rebling
zweifelt an der Existenz giftigen Honigs (nach dem oben
Gesagten wohl mit Unrecht).
Zu den im Obigen mitgetheilten Reinigungsmethoden
des Honigs: I. Durch einfache Behandlung mit
kaltem oder mit heissem Wasser, kommen noch die
folgenden, bei denen mancherlei Zusätze gemacht werden:
II. Die Reinigung mit Eiweiss.
Sie wird empfohlen: 1) vom Apotheker Funcke in
Linz am Rhein (Arch. der Pharm. 1824, Bd. 7. S. 215).
*) Hinsichtlich der Reaction des frischen Honigs bin ich nicht
der Ansicht des Herrn Rebling, sondern muss derjenigen
des Herrn Köhnke beistimmen. Frischer Jungbienenhonig,
welcher mir am 10. August 1864 von meinem Bruder Fried-
rich Ludwig aus Greussen gesendet wurde (noch in den
Waben befindlicher, von seinen eigenen Bienen gesammelter)
war fast farblos, reagirte in kalt bereiteter wässeriger Lösung
gegen empfindliches Lackmuspapier neutral, gab beim Kochen
keine Gerinnung, keine Trübung mit Gerbsäure, Salpetersäure,
AgO, NO 5 — BaCl und Bleiessig. Nur mit einer bis zur
Farblosigkeit verdünnten Eisenchloridlösung färbte er sich
gelb. H. Ludwig.
Reinigung des Honigs. 11
Man vermengt den Honig mit dem Eiweiss, bringt
ihn in Fässer oder Holzkübel, leitet aus einer Destillir-
blase Wasserdampf hinein, schäumt ab und lässt im Fasse
klären.
2) Veling, Apotheker in Hillesheim (Archiv der
Pharm. 1844, Bd. 90. S. 155) nimmt 1 Eiweiss auf 5 Pfd.
Honig, der mit etwas Wasser verdünnt ist; nach dem
Aufkochen und Abschäumen kommt die Flüssigkeit in
ein aufrecht stehendes Fässchen, mit Hahn 2 bis 3 Zoll
über dem Boden, bleibt darin im Keller 6 bis 8 Wochen
ruhig stehen, nach welcher Zeit sich alle Unreinigkeiten
abgelagert haben.
3) Brunner in Gnesen (Arch. der Pharm. 1856, Bd.
135. S. 20) nimmt gleiche Theile Honig und Wasser und
auf 1 Ctr. Honig das Weisse von 30 bis 40 Eiern. Mel
americanum über Lübeck bezogen erklärt er für anwend-
bar. {Pharm, boruss. ed. VII. sagt bekanntlich: rejicia-
tur, quod ex America ad nos adfertur; die Hannoversche
Pharmakopoe 1861 führt nur an, dass man im Handel
Landhonig und westindischen oder Cubahonig unter-
scheide; letzterer sei gemeiniglich weisser und weniger
aromatisch). Auch Brunner empfiehlt die Aufbewah-
rung des Mel despumatum in einem Fässchen mit hölzer-
nem Krahn.
4) Ernst Ungewitter, Apotheker zu Breisig am
Rhein (Arch. der Pharm. 1857, Bd. 142. S. 298) nimmt auf
1 Th. Honig !/ 3 bis */ 2 Th. Wasser, setzt eine entspre-
chende Menge von zu Schaum geschlagenem Eiweiss zu ;
kocht ohne Umrühren nur einmal auf und colirt. Alles
Eindampfen muss vermieden werden, wenn der Honig
seine Eigentümlichkeit behalten soll.
5) Pharmacopoea Kniversalis von Geiger und Mohr
(1845). Sie lässt auf 12 Pfd. guten rohen Honig 4 Pfd.
Wasser und das zu Schaum geschlagene Weisse von 4
Hühnereiern nehmen. Die Arbeit geschieht im Zinn-
kessel, diM Filtriren durch ein wollenes Colatorium. Das
Präparat soll hellgelb sein, nicht braun, nicht branstig
12 fc Ludiuig,
schmecken, nicht sauer reagiren. ■ Würde die Säure des
Honigs mit Kreide abgestumpft, so wirke das Präparat
wegen gebildeten milchsauren Kalks abführend.
6) Die Pharmakopoe für das Königreich Han-
nover (1861) schreibt vor: 24 Unzen rohen Honig, 48
Unzen Wasser und 1 Eiweiss kalt zu mischen, im ver-
zinnten Kessel aufzukochen und bis zur Klärung gelinde
sieden zu lassen, durch ein wollenes Colatorium zu sei-
hen und im Wasserbade zur dünnen Syrupsconsistenz ab-
zudampfen. Met despumatum solle hellgelb bis hellbräun-
lich sein und mit Wasser gemischt sich nicht trüben.
7) Theodor Wilhelm Chr. Martius, Apotheker
in Erlangen (Buchner's Repert. 1835) kochte 1 Th. Land-
honig mit 4 Th. Wasser, fügte für jede 4 Pfd. Honig 1
zu Schaum geschlagenes Eiweiss hinzu, Hess 12 Stunden
absetzen, filtrirte, ohne den flockigen schleimigen Satz
aufzurühren, durch wollene Colatorien und dampfte ein.
8) Apotheker Schmidt zu Ebern (Buchner's Repert.
1836) findet 4 Th. Wasser auf 1 Th. Honig zu viel; man
habe dann zu lange abzudampfen.
9) Auch Blut ist zur Reinigung des Honigs empfoh-
len worden wegen seines Eiweissgehalts, hat aber wohl
wenig Anwendung gefunden.
III. Reinigung mit Pflanzenkohle.
1) Gustav Cerutti (Berl. Jahrb. Bd. 22. S. 366)
nimmt auf 30 Pfd. Honig 30 Pfd. Wasser, 3 Pfd. gröb-
lich gestossene, vom Staub befreite Holzkohle und das
zu Schaum geschlagene Weisse von 24 Eiern und nach
dem Aufkochen und Abschäumen nochmals 12 Eiweiss
u. s. w. (!)
2) Dr. Geiseler (Arch. der Pharm. 1840, Bd. 83.
S. 226) nimmt gleiche Theile Wasser und Honig und für
jede 2 Pfund des letzteren 1 Unze gröblich gepulverte
Holzkohle.
3) Die 6te Ausgabe der Preuss. Pharmako-
poe (1846) und auch die 7te (1862) schreibt die Pflan-
Reinigung des Honigs. 13
zenkohle zur Honigreinigung vor. Auf 50 Th. besten
rohen Honig sind 100 Th. gemeinen Wassers und 1 Th.
frisch geglühter, gröblich gepulverter, von ihrem feinen
Pulver befreiter Holzkohle zu nehmen. Das Gemisch aus
Honig und Wasser wird im Zinnkessel eine Stunde lang
unter Vermeidung des Aufwallens fast auf 100° C. erhitzt,
in einem irdenen Gefässe über Nacht an einem kalten
Orte stehen gelassen, die Kohlenstückchen nun zugemischt,
die Flüssigkeit durch einen wollenen Spitzbeutel filtrirt,
das Filtrat im Dampfbade zur Syrupdicke gebracht und
nochmals colirt.
E. G. Hornung und L. F. Bley (Arch. der Pharm.
1847, Bd. 50. S. 44) finden keinen triftigen Grund, wes-
halb die Preuss. Pharmakopoe (6te Aufl.) den Havanna-
honig verwerfe. Bekanntlich verwirft auch Ed. VII. die-
ser Pharmakopoe solchen Honig.
Apotheker und Medicinal -Assessor Wilms in Mün-
ster (Arch. der Pharm. 1855, Bd. 133. S. 154) empfiehlt
und giebt an citirter Stelle die Abbildung eines Syrup-
probers (ein birnförmiges kurzspindeliges Aräometer aus
Glas mit eingeschmolzenem Bleischrot), um Mel despuma-
tum zum richtigen spec. Gewicht von 1,293 bei 14° R.
zu bringen.
4) Apotheker Krauthausen in Epe (Arch. d. Pharm.
1857, Bd. 139. S. 42) benutzt bei 16 Pfd. Honig und
20 Pfd. Wasser 2 Unzen gröblich gepulverter Lindenholz-
kohle, da Meilerkohlen von hartem Holze keine genü-
gende Klärung bewirken.
Sowohl Krauthausen als Wilms geben ihre Aus-
beuten an Mel despumatum an den citirten Orten an; sie
beträgt bald etwas weniger, bald etwas mehr als die zur
Reinigung genommene Menge des rohen Honigs.
IV. Reinigung mit Thierkohle.
1) Sie wurde zuerst von Bartholomäus Tromms-
dor ff (N.Journ. der Pharm. 1824) empfohlen. 20 Pfund
brauner Ilaidehonig, eben so viel Wasser und 1 Pfund
14: Ludioig,
gepulverte Thierkohle werden 2 Stunden lang gelinde
gekocht und die Flüssigkeit durch wollene Spitzbeutel ge-
seiht. Zur Entfernung einzelner feiner Kohlentheilchen
wird mittelst des Weissen von 2 Eiern geklärt.
2) C. M. van Dyck, Apotheker in Utrecht (Arch.
der Pharm. Bd. 14. S. 129; sodann Arch. der Pharm. 1841,
Bd. 76. S. 225) nimmt auf 1 Th. Honig 2 Th. Wasser
und J / 4 Th. Beinschwarz. Der braune Honig verliert sei-
nen unangenehmen Geschmack und Geruch und wird
citronengelb.
3) Münch (Jahrb. für prakt. Pharm. VIII. pag. 237,
daraus im Arch. der Pharm. 1845, Bd. 91. S. 188) nahm
auf 17 Pfd. Honig 7 Pfd. Wasser, 1 Pfd. Ebur ustum und
6 Eiweiss. Er erhielt so 17 — 18 Pfd. krystallhelles Mel
despumatum von starkem Honiggeruch und weingelber
Farbe.
Die Redaction des Archivs (Bley und Wacken-
roder) bemerkt hierzu, dass man eine Prüfung eines so
gereinigten Honigs auf Gehalt an phosphorsaurem Kalk
nicht unterlassen solle.
4) Otto Köhnke (in der citirten Abhandlung aus
dem Jahre 1845) nimmt auf 10 Pfd. Honig 5 Pfd. Was-
ser und 1 Pfd. Thierkohle in erbsengrossen Stücken, vom
feinen Pulver sorgfältigst getrennt, erwärmt bei 50 — 60°
Gels. 24 — 36 Stunden lang, erhitzt dann 1 — 2 Minuten
lang zum Sieden, giesst aus dem kupfernen, gut verzinn-
ten Kessel in ein irdenes Gefass, stellt 6 — 8 Tage bei
Seite, giesst das Klare durch ein wollenes Colatorium,
mit der Vorsicht, den Bodensatz nicht aufzurühren. Zur
Prüfung giesst man 1 — 2 Drachmen des Präparats in
4 — 6 Unzen Wasser ; gut gereinigtes Mel despumatum
wird sich damit ohne Trübung mischen und keine Flocken
absetzen.
5) Dr. Friedrich Mohr (Commentar zur Preuss.
Pharmakopoe, 1854) hält die Behandlung des Honigs mit
Holzkohle, Blutkohle oder Knochenkohle für zwecklos,
da die Entfärbung des Honigs dadurch nur unbedeutend
Reinigung des Honigs. 15
und die Entfernung des Geruchs eine Zerstörung einer
seiner wesentlichsten innewohnenden Eigenschaften sei.
6) Wilms (Arch. der Pharm. 1855, Bd. 133. S. 155;
1857, Bd. 139. S. 40) wendet bei Honig, der nach der
gewöhnlichen Methode mit Holzkohle nicht klar werden
will, auf 10 Pfd. des Honigs 1 — 2 Unzen gröblich gepul-
verte Thierkohle (Knochenkohle, wie sie zur Zuckerraf-
finerie verwendet wird) mit gutem Erfolge an.
V. Reinigung mit Gerbsäure oder Galläpfeln.
1) Die Reinigung des Honigs durch Galläpfelaufguss
empfahl zuerst Menegazzi.
2) Cenedella fand bei Wiederholung von Mene-
gazzi 's Versuchen, dass dieses Mittel unzweckmässig sei,
indem Antheile von Gerbstoff und Gallussäure im Honig
bleiben, wodurch dieser die Fähigkeit erhalte, Arznei-
mittel, welche Brechweinstein enthalten, zu zersetzen.
(Journ. deChim.med. Sptbr. 1832. p.568; Centralbl. 1832,
p. 749; Arch. der Pharm. 1841, Bd. 76. S. 227.)
3) Apotheker "Strauch in Petersburg vertheidigt
(Jahresbericht der pharmac. Gesellschaft zu St. Petersburg
1836, S. 47; Centralblatt 1837, S. 629) Menegazzi's Me-
thode. Auf 40 Pfd. Honig nimmt er 80 Pfd. Wasser
und 3 Drachmen gestossene Galläpfel, lässt aufwallen,
dann erkalten. Die Unreinigkeiten sitzen alsdann als
Flocken am Boden. Man dampft die klar abgegossene
Flüssigkeit im Wasserbade ein. Falls noch etwas Gerb-
säure im Honig zurückgeblieben sein sollte, so müsse
man etwas Leimlösung hinzufügen, die dann das über-
schüssige Tannin fälle. Auch narkotische und giftige
Stoffe würden dabei durch den Gerbstoff gefällt. (Ein
sehr glücklicher Gedanke. Ludwig.)
4) Apotheker F. E. Schultz in Rehna (Archiv der
Pharm. 1863, Bd. 124. S. 113) nimmt auf 8 Pfd. Mel cru-
dum und 6 Pfd, RegenWMBer l/ a Unze gröblich gestos-
sene Galläpfel.
16 Ludwig j
5) Dr. Fr. Mohr (Commentar 1854) schreibt auf
2 Pfd. Landhonig 3 Pfd. Wasser und 1 — 1 */ 3 Scrupel
feines Galläpfelpulver vor.
6) Wilms macht (1855 und 1857, Arch. der Pharm.
P>d. 139. S. 39) mit Recht darauf aufmerksam, dass bei
aller Unschädlichkeit weder der von Dr. Fr. Mohr und
Andern empfohlene Gerbstoff, noch der von Ho ff mann
(Notizen 1855, No. I. S. 13) empfohlene Leim in den ge-
reinigten Honig gehöre, da bei aller Vorsicht ein Ueber-
schuss des einen, wie des andern kaum vermieden wer-
den könne. Wilms hat bei Apothekenrevisionen gefun-
den, dass der mit Tannin gereinigte Honig in der Regel
mit Eisensalzen Tinten -Reaction gebe. (Auch mir ist
bei mancher Revision ein solcher gerbsäurehaltiger Honig
vorgekommen. Ludwig.)
Nach Wilms ist es -nicht schwer, Honig zu finden,
dessen Lösung erhitzt und filtrirt, durch Gerbsäure nicht
gefällt wird, der also frei von sogenanntem Case'in ist.
(Der von freien Stücken aus den Waben geflossene
Honig giebt überhaupt mit Tannin keinen Niederschlag.
Ludwig.)
Der durch schwaches Erwärmen und gelindes Pres-
sen gewonnene Honig giebt mit Tannin nur schwache
Fällung.
Nach Wilms muss der vielbesprochene sogenannte
natürliche Leimgehalt des Honigs dem thierischen Safte der
in den Waben noch befindlichen Bienenlarven zugeschrie-
ben werden. Schlecht filtrirender Honig ist immer durch
warmes und starkes Pressen erhalten. Neutral reagiren-
der Honig wird nach ihm durch Thierkohle nicht kalk-
haltig.
7) Apoth. Hoff mann in Crefeld (Arch. der Pharm.
1856, Bd. 137. S. 151) giebt zu, dass der nach Mohr mit
Gerbsäure gereinigte Honig häufig auf Eisensalze reagire.
Deshalb versuchte er, die Gerbsäure mit Leim zu fällen,
und mit günstigem Erfolge.
Hoffmann empfiehlt Mohr's Hochdruck-Colatorium
Reinigung des Honigs. 17
(eine Verbindung des Spitzbeutels mit der Real'schen
Presse), ausserdem noch den Andre'schen Papierbrei.
Mohr empfahl ausser seinem Hochdruckülter das Du-
blanc'sche Schnellfilter oder ein gewöhnliches Faltenfil-
trum aus ganzen Bogen eines weissen, leicht durchlassen-
den Papiers. Wilms stellt den Nutzen des Hochdruck-
filters nicht in Abrede, erklärt aber, nie zu complicirte-
ren Geräthen zu greifen, wenn er mit einfachen Mitteln
denselben Zweck eben so leicht und vollständig erreichen
könne.
VI. Reinigung durch Leim allein.
Eine solche empfahl Widemann (Buchner's Repert.
1835, Bd. IV. S. 239). 12 Pfd. roher Honig, eben so viel
Wasser und r 2 Quentchen in kleine Stücken zerschnit-
tene Hausenblase, welche zuvor über Nacht in etwas
Wasser eingeweicht worden ist, werden einige Zeit stark
gekocht, abgeschäumt und colirt. Auch mit Caragheen-
algen hat man versucht, den Honig „zu reinigen".
VII. Reinigung durch kohlensauren Kalk.
Apotheker Schmidt in Ebern (Buchner's Rep. 1836,
Bd. VI. S. 94) lässt 9 Pfd. (bürgerl. Gew.) rohen Honig,
3 — 3^2 Pfd. Wasser und 9 Unzen nicht zu fein gepul-
verte Eierschalen (statt deren auch Knochenkohle dienen
könne) wegen des starken Schäumens in einem geräumi-
gen Kessel bei gelindem Feuer kochen. Das Colirte
wird mit dem Weissen von 3 — 4 Eiern geklärt. Kreide
sei wegen feiner Zertheilung hierzu untauglich.
Solcher Honig gab mit Oxalsäure nur geringe Trü-
bung. (Es fehlt nur noch das Eigelb, dann hat man die
ganzen Eier als Reinigungsmittel!)
VIII. Reinigung durch Kalkwasser.
Einer solchen redet Rebling (Arch. der Pharm. 1858,
VA. U3. S. 282 und Bd. 111. S. 279) das Wort und zwar in
Verbindung mit Gerbsäure angewendet. Auf 1 Pfd. Honig a
W> Unzen 1 Pfd. gewöhnliches kalkhaltiges Brunnenwasser
Arch. d. Pharm. CLXXIII. Bdfl. l.u.2. HfU 2
18 Ludwig,
und 4 Gran feingepulverten Gallus. In die kochende
Mischung giebt man so viel Kalkwasser, dass die Säure
abgestumpft wird (auf 1 Unze Honig etwa */ 2 Unze Kalk-
wasser). Ein Ueberschuss des Kalkwassers verändere
die Zuckerarten des Honigs und sei zu vermeiden.
IX. Reinigung mittelst Magnesia carbonica.
Apotheker Jonas in Eilenburg empfahl (im Archiv
der Pharm., 1845, Bd. 92, S. 132) eine solche für ame-
rikanischen Honig und benutzte nebenbei auch gepul-
verte Holzkohle.
X. Reinigung mittelst Säuren.
1. Französische Pharmaceuten haben sich der Sal-
petersäure bedient, um das Eiweiss des Honigs abzuson-
dern (Dierbach, Arch. der Pharm. 1841, Bd. 76. S.228).
2. Funcke, Apotheker zu Linz am Rhein (Arch. d.
Pharm. 1824.) behandelte Honig versuchsweise mit ver-
dünnter Schwefelsäure (wie man bei der Bereitung des
Stärkezuckers verfährt). Der Honig wurde dabei noch
mehr zersetzt (brauner gefärbt) als beim Kochen für sich,
aber er wurde süsser.
3. Durch schwefligsaures Gas wird nach Funcke
der Honig gleich dem Birnensaft zerstört und behält den
schwefligen Geruch bei.
Darf ich schliesslich meine eigene Ansicht ausspre-
chen, so geht diese dahin, zur Bereitung des zu medi-
cinischen Zwecken dienenden Mel despumatum nur des
besten Landhonigs sich zu bedienen, denselben mit
wenigstens gleichen Theilen des reinsten Quellwas-
sers, was am Orte ist, bei Siedehitze aufzulösen, die
kurze Zeit gelinde im Sieden erhaltene Flüssigkeit ab-
zuschäumen, in ein passendes hohes Gefäss zu giessen,
darin bei Kellertemperatur zugedeckt so lange stehen zu
lassen, bis sie sich völlig geklärt hat, dann vom Boden-
satze abzugiessen und diesen noch auf ein Filter zu
bringen (nöthigenfalls vorher noch etwas mit Wasser zu
Reinigung des Honigs. 19
verdünnen). Sämmtliche Flüssigkeiten werden im Was-
serbade zur gehörigen Consistenz gebracht. Die eiweiss-
artigen Stoffe des Honigs werden hierdurch zum Gerinnen
gebracht und setzen sich in der nicht zu dünnen Flüssig-
keit in kurzer Zeit als feiner Schlamm zu Boden, der die
Filter verstopfen würde, wollte man ihn gleich anfangs
auf dieselben bringen. Dieser Schlamm schliesst die etwa
vorhandenen Wachstheilchen und Pollenkörnchen in sich
ein. Eine Gährung der süssen Flüssigkeit hat man nicht
zu befürchten, wenn die Temperatur 10° C. nicht übersteigt.
Will man obendrein mittelst Eiweiss klären, so kann
dagegen nichts eingewendet werden, da dieses nur sehr
wenig beträgt im Verhältniss zum Honig und die Men-
gen freien Alkalis und Kochsalzes des Eiweisses gegen
die Bestandtheile des Quellwassers verschwinden, dessen
geringer Kalkgehalt hier ebenfalls ohne Nachtheil sein
wird.
Anders ist es schon mit dem Zusatz von Blut, we-
gen dessen grösseren Salzgehaltes.
Der Zusatz von Kalkwasser ist ganz verwerflich,
weil die beiden Zuckerarten des Honigs (sowohl der Krü-
mel- als der Syrupzucker) unter Einfluss freier Alkalien
und Erdalkalien eine Veränderung, ähnlich der bei der
Röstung erleiden, die sich durch Entwickelung eines brenz-
lichen Geruches und Bildung brauner, bitter schmecken-
der Producte zu erkennen giebt. Der gleiche Vorwurf
trifft selbst die Magnesia, welche obendrein dem Honig
ihre eigenen medicinischen Wirkungen verleihen muss.
Die Thierkohle enthält neben dem phosphorsauren
Kalk auch etwas kohlensauren Kalk, gewisse Mengen von
phosphorsaurem Natron und Kochsalz, abgesehen von sonsti-
gen Unreinigkeiten des sogen. Ebur ugtum. Die von der
vinnung des Zuckers aus Kunkelrüben hergenommenen
Analogien der Anwendung des Kalks und der Knochen-
kohle passen nicht auf den Honig, denn während die
Lösung des gewöhnlichen Zuckers durch Kalk nicht ver-
ändert, durch Thierkohle aber entfärbt wird, erleidet der
2*
20 Ludwig, Reinigung des Honigs.
Zucker des Honigs durch Kalk eine Veränderung und
der Honig selbst durch Thierkohle eine Entfärbung, die
gar nicht zum Wesen der Honigreinigung gehört.
Der Gerbsäure ist sehr das Wort geredet worden
und sie verdient es auch, dass man sie beachte, da sie
ein allgemeines Fällungsmittel von Eiweißsstoffen (Albu-
min, Case'in), Leimstoffen, Alkaloiden, Bitterstoffen etc.
ist. Man sollte sie aber nur als reines Tannin und nicht
in Form von Galläpfeln anwenden, weil diese auch Gal-
lussäure, Extractivstoffe etc. enthalten, welche ihrerseits
den Honig verunreinigen, wenn selbst alle Gerbsäure
wieder abgeschieden worden wäre. So lange die gesetz-
lichen Vorschriften darüber schweigen, gehört aber die-
ser Zusatz zu den bedenklichen, weil für den Fall eines
Rückhalts an Gerbsäure Eisenmixturen mit solchem Ho-
nig sich schwärzen, Brechweinsteingemische sich zer-
setzen etc. Durch Leim den Gerbsäuregehalt wieder zu
entfernen, heisst die Kirche ums Dorf tragen, indem man
erst die Leimstoffe entfernt, um sie später wieder hinein-
zubringen. Doch gebe ich zu, dass es Künstler giebt,
die solche Reinigung auf die Spitze treiben können. Was
der Leim allein aus dem Honig abscheiden soll, ist mir
nicht klar geworden.
Die geringe Menge von Pflanzenkohle, welche zur
officinellen Reinigung des Honigs vorgeschrieben, ist ziem-
lich unbedenklich, was die Entfernung der Geruchsprin-
cipien desselben betrifft; in der Theorie jedoch bleibt ihr
Zusatz verwerflich, weil gerade der Geruch eines treff-
lichen Honigs etwas Wesentliches auch bei einem „ge-
reinigten" Honig ausmacht.
Die sogenannten Reinigungen des Honigs mit Säuren
habe ich bloss des historischen Interesses wegen erwähnt;
für die Praxis bleiben sie bedeutungslos oder geradezu
verwerflich.
Anwendung der Abfälle von der Honigreinigung.
Brandes schlug vor, die Schaumabfälle und den
schlammigen Absatz zur Essigbereitung anzuwenden ;
Ludwig, die Harze der Benzoe. 22
Helmts empfahl sie zur Weingeistgewinnung und Funcke
den kohlenhaltigen Schaum zur Bereitung von Stiefelwichse
(in gleicher Weise, wie Dr. Fr. Mohr den Syru-pus liol-
landicus; vergl. dessen Commentar zur preüss. Pharm.
2. Aufl. 2. Bd. S. 357).
Ueber die Prüfung des Honigs hat Lassaigne
(Journ. de Chim. med., 1844; daraus im Arch. der Pharm.
1846, Bd. 95. S. 63) Angaben gemacht. Man behandelt
denselben mit starkem Weingeist ; beigemischter Leim oder
Dextrin, Pflanzenschleim, Stärkemehl und gewöhnliches
Mehl bleiben ungelöst. Zusatz von Stärkezucker erkennt
man an der gleichzeitigen Anwesenheit von Gyps, von
welchem namentlich der dextrinhaltige rohe Stärkezucker-
syrup selten völlig befreit worden ist. Auf einen Kupfer-
gehalt des Honigs hat man ebenfalls zu prüfen, besonders
dann, wenn solcher Honig zur Fütterung von Bienen ver-
wendet werden soll.
Ueber die Formeln der Harze der Benzoe;
von
H. Ludwig.
Die Benzoe, Resina henzoes, wird von dem auf
Borneo, Java und Sumatra wachsenden Baume Styrax
Benzoin gewonnen, aus dessen Stamme und Aesten sie
balsamartig ausfliesst und später erhärtet. Sie gelangt
in grossen spröden Harzstücken zu uns, deren Bruch ein
Gemenge von braunen, rothen und weissen Körnern zeigt,
die zuweilen mandelartig erscheinen (Benzoe amygdaloi-
des). Auf dem Bruch ist die Benzoe fettglänzend.
Spec. Gew. 1,063 bis 1,002. Sie riecht beim Zerstossen
vanilleähnlich, schmeckt scharf balsamisch und löst sich
mit Hinterlassung von etwa beigemengten Rindenstückchen
in Alkohol.
Als Bestandteile der Benzoe kennt man 4 verschie-
dene Harze, ferner Benzoesäure (nach Kopp gegen 14 Proc,
nach Stoltze gegen 18 Proc), zuweilen etwas Zimmt-
22 Ludwig,
säure (Kolbe), etwas Extractivstoff und Spuren äthe-
rischen Oeles. Kocht man nach Unverdorben fein
gepulverte Benzoe mit überschüssigem kohlensauren Kali
und Wasser, so lösen sich Benzoesäure und ein kleiner
Theil Harz (Gammaharz). Salzsäure fällt beide aus die-
ser Lösung, kochendes Wasser entzieht dem Niederschlag
die Benzoesäure und lässt das Gammaharz zurück; das-
selbe ist schwach elektro-negativ.
Der in wässerigem kohlensauren Kali unlösliche Theil
der Benzoe giebt an Aether das Hauptharz (das Alpha-
harz) ab, während ein nur im Weingeist lösliches Harz
(das Betaharz) zurückbleibt. Beide Harze sind in Am-
moniak unlöslich, aber löslich in Aetzkalilauge. Die
Menge des Alphaharzes beträgt nach E. Kopp 48 bis
52 Proc, die des Betaharzes 25 bis 28 Proc, die des
Gammaharzes nur 3 bis 3,5 Proc. Ausserdem rindet sich
nach ihm noch ein Deltaharz von brauner Farbe zu 0,5
bis 0,8 Procent in der Benzoe.
Das Alphabenzoeharz, durch längeres Erhitzen von
anhängendem Aether und ätherischem Oel befreit, ent-
hält nach Mulder und van der Vliet C = 72,77 bis
72,96, H = 6,88 bis 7,25 und O = 19,79 bis 20,35 Pro-
cent, woraus sie die Formel C 70 H 42 O 14 entwickeln, welche
auch == C30H21O5 -f OOH2109 geschrieben werden kann,
d. h. als eine Verbindung von Betaharz C 40 H 21 O 9 mit
Gammaharz C 30 H 21 O 5 . Kocht man nämlich nach van der
Vliet die Benzoe hinreichend lange und wiederholt mit
wässerigem kohlensauren Kali, so erhält man zuletzt kein
durch Aether aus den ungelösten Rückständen anzieh-
bares Alphaharz mehr, während dafür grössere Mengen
von Betaharz unlöslich geblieben sind und Gammaharz
in Lösung gegangen ist.
Das Betaharz enthält nach Mulder C = 72,77, H
= 6,88 und O = 20,35 Procent, nach van der Vliet
71,50 bis 72,15 Proc. C., 6,24 bis 6,73 Proc. H und
21,61 bis 22,15 Proc. O.
Das Gammaharz enthält nach Mulder C = 75,17,
die Harze der Benzoe. 23
H = 8,57 und O = 16,26 Procent und nach van der
Vliet C = 75,01 bis 75,16, H = 8,35 bis 8,54 und
O = 16,45 bis 16,49 Procent.
Nach Johnston hat das durch Kochen mit kohlen-
saurem Kali und Wasser von Benzoesäure und löslichem
Harz befreite, mit Wasser gewaschene und durch Be-
handlung mit Salzsäure, Essigsäure und Wasser gerei-
nigte ßenzoeharz die Formel C 4 0H 24 O 8 .
Wird die Benzoe mit Aetzkalk und Wasser gekocht,
so löst sich neben Benzoesäure auch ein Harz mit gel-
ber Farbe, dessen Formel C 40 H 30 O 7 , während ein pur-
purfarbener Harzkalk ungelöst bleibt, dessen Harz, nach
Abscheidung durch Salzsäure, Lösen in Alkohol und
Abdampfen isolirt = C 40 H 25 O 9 , stark getrocknet —
C40R24O9 ist.
Durch weingeistiges Kali trennte Johnston das
käufliche Benzoeharz in ein Harz = C 40 H 22 O 9 und ein
solches = C 40 H 30 O 7 ; durch weingeistige Bleizuckerlösung
in das Harz C 4 <>H 22 9 und ein Harz = C^H^O™.
Nach E. Kopp liefert die Benzoe mit Salpetersäure
behandelt Benzoesäure, Bittermandelöl, Blausäure, Pikrin-
salpetersäure und gelbes bis weisses Pulver, das bei der
Destillation Benzoesäure giebt. Mit chromsaurem Kali
und Schwefelsäure destillirt, giebt die Benzoe Bitter-
mandelöl, Benzoesäure, Ameisensäure und Kohlensäure.
Bei der trocknen Destillation der Benzoe erhält man
Phenol, Benzoesäure und Wasser.
Mit concentrirter Schwefelsäure behandelt, giebt die
Benzoe: 1) eine gepaarte Schwefelsäure, die mit Kalk
und Baryt lösliche Salze bildet ; 2) ein schön rothes Harz
und 3) ein braunes Harz. (E. Kopp.)
Fremy fand im nach dem Verfahren von Unver-
dorben gereinigten Benzoüharz C == 71,2, H = 6,5
und O = 22,3, d. h. nahe dieselben Zahlen wie für Tolu-
harz und Perubalsamharz. Das gereinigte Harz aus Tolu-
balsam enthält nach Fr6my C = 70,8, H = 6,1 und
24 Geuther,
O = 23,1. Es färbt sich mit Schwefelsäure, was ganz
charakteristisch ist, schon roth.
Das Perubalsamharz enthält C = 71,82, H = 6,78
und = 21,40. Fremy stellt für dieses Harz die For-
mel C54H30CM2 auf.
Die Fremy 'sehen Zahlen nähern sich den von Mul-
der und van der Vliet für das Betaharz gefundenen.
Für letzteres berechne ich die Formel C 28 H l4 6 , welche
C = 73, H = 6 und O = 21 Proc. verlangt. Dem
Gammaharz gebe ich die Formel C 36 H 24 6 , welche C =
75,0, H = 8,3 und O =16,7 verlangt. Das Alphaharz
endlich betrachte ich als GSSRMO* + 3C28H"06 =
Ci20H66()24 ; welche Formel C = 72,0, H=6,6 und =
21,2 Proc. verlangt. Durch Oxydation entständen aus
C28H140 2 Aeq. Benzoesäure = C^R^O* und aus
C36H2406 2 Aeq. Zimmtsäure = C36H160S. Diese An,
sieht stimmt mit dem Vorkommen von Zimmtsäure in
mancher Benzoe und mit dem Auftreten von Bitterman-
delöl unter den Oxydationsproducten des Benzoeharzes.
Kopp 's Alphatoluharz = C 36 H ,9 8 ist wohl rich-
tiger = C36H18 08 und sein Betatoluharz = C36H20O«>
anzunehmen.
Ueber das Verhalten des Siliciumcalciums und Sili-
ciummagnesiums zu Stickgas und über die
Ozydationsstufen des Siliciums;
von
A. Geuther.
Man weiss durch die Untersuchungen von Wohl er
und Deville über das Silicium, dass dieses Metalloid
im Stande ist, sich in hoher Temperatur mit dem Stick-
stoff zu vereinigen; man weiss ferner durch Versuche,
welche von Briegleb und mir angestellt wurden, dass
Verhalten des Silicium Calciums zu Stickgas etc. 25
unter den Metallen vor allem das Magnesium ausgezeich-
net ist durch die Leichtigkeit, mit der es sich in Stick-
stoffmagnesium verwandeln lässt. Es schien mir der
Mühe werth, zu ermitteln, wie Siliciummetalle sich dem
Stickstoff gegenüber verhalten, zumal wenn das Silicium
ein dem Kohlenstoff wirklich so chemisch ähnlicher Kör-
per ist, wie man häufig annimmt, sich die Bildung von
den Cyanmetallen analogen Verbindungen dabei erwar-
ten Hess.
Es schien mir für diese Versuche zunächst zweck-
mässig, die Temperatur zu bestimmen, bei welcher Sili-
cium für sich mit dem Stickstoff die Verbindung eingeht.
Dabei zeigte sich, dass ersteres im Stickgasstrome wenig-
stens bis nahe zu seinem Schmelzpuncte (der nach De-
ville zwischen dem des Gusseisens und Stahls liegt)
erhitzt werden muss, ehe Stickstoffsilicium entsteht. Es
wurde nur wenig der Verbindung gebildet, während das
meiste Silicium zu Kügelchen geschmolzen sich vorfand.
Ein Theil des Stickstoffsiliciums hatte sich bei dieser ho-
hen Temperatur im Gasstrome verflüchtigt und überzog
das Porcellanrohr in einer dünnen, matt roth und bläu-
lich schimmernden Lage.
Nach dieser Erfahrung glaubte ich zunächst das
Siliciumcalcium, als die Verbindung eines nicht flüch-
tigen Metalls mit Silicium, der Einwirkung des Stick-
gases aussetzen zu müssen. Es wurde bis zur starken
Hellrothgluth mehrere Stunden geheizt. Das Gewicht
der Substanz hatte sich nur um 5,2 Proc. vermehrt, ihr
Aussehen war nur oberflächlich verändert schwarz ge-
worden, der grösste Theil unverändert geblieben, wie
sein Verhalten zu concentrirter Salzsäure zeigte, womit
gelbes Siliciumoxyd entstand. Die schwarze Farbe der
Oberfläche rührte von frei gewordenem Silicium her,
während das Calcium sich mit dem Stickstoff vereinigt
haben musste. Diese schwarze Masse entwickelte mit
Kalihydrat geschmolzen Ammoniak.
Trotz dieser ungünstigen Resultate hielt ich es doch
26 Geuther,
für nöthig, auch das Siliciummagnesium der Ein-
wirkung des Stickgases auszusetzen, von der Leichtig-
keit, mit der das Magnesium den Stickstoff bindet, mir
bessere Erfolge versprechend. Das Resultat des Ver-
suches war ein ganz ähnliches, wie das des vorigen, das
ganze Siliciummagnesium war zersetzt worden, das Mag-
nesium hatte Stickstoffmagnesium gebildet, das Silicium
war als solches abgeschieden worden.
Diese Versuche scheinen mir nur zu bestätigen, was
Wöhler und Deville bei Gelegenheit ihrer Unter-
suchung über das Bor ausgesprochen haben, dass das
Silicium dem Kohlenstoff weniger nahe steht, als das Bor.
Das zu dem obigen Versuche verwandte Silicium-
magnesium habe ich nach einer neuen Methode darge-
stellt, welche erlaubt, diese schon krystallisirte Verbin-
dung in reinem Zustande und in grösserer Menge zu
erhalten. Ich habe auch bei dieser Gelegenheit seine
Zusammensetzung und sein Verhalten zu Salzsäure näher
untersucht.
Wöhler hatte bereits bei der Darstellung der zur Sili-
ciumwasserstoff- Darstellung dienenden Schlacke schwarze
Metallkügelchen beobachtet, die sehr lebhaft mit Säuren
Kieselvvasserstoff entwickelten, unter gleichzeitiger Bil-
dung eines weissen Siliciumoxyds. Da an einigen der-
selben noch weisses Magnesium sichtbar war, so wurden
dieselben mit Salmiaklösung behandelt, welche dieses un-
ter Zurücklassung octaedrisch krystallisirten Silicium-
magnesiums entfernte. Ich habe zunächst versucht, durch
Zusammenschmelzen von Magnesiummetall und Silicium
unter einer Decke von Kochsalz diese Verbindung zu
erhalten, indess ohne Erfolg. So verschieden auch die
Temperaturen und die Mengen des angewandten Fluss-
mittels waren, beide Substanzen fanden sich immer wieder
getrennt vor, das Silicium auf dem Boden, das Magne-
sium darüber. Anders war das Resultat, als ich an Stelle
des Siliciums Kieselfluornatrium anwandte. Das Magne-
sium reducirt sehr leicht Silicium und dieses vereinigt
Verhalten des Siliciumcalciums zu Stickgas etc. 27
sich offenbar in Folge der dabei erzeugten hohen Tem-
peratur mit ersterem zu der Verbindung. Die bei der
Reduction eintretende Hitze ist so bedeutend, dass man
nur geringe Mengen Metall auf einmal anwenden darf,
will man nicht Gefahr laufen, dass der ganze Inhalt des
Tiegels herausgeschleudert werde. Am zweckmässigsten
verfährt man auf folgende Weise. Man bringt auf den
Boden eines kleinen hessischen Tiegels etwas geschmol-
zenes Kochsalz in Pulverform, schüttet darauf etwa die
Hälfte eines innigen Gemisches aus 7 Grm. Kieselfluor-
natrium und 2 1 /2 Grm. vorher geschmolzenen Kochsalzes,
legt darauf 2'/ 2 Grm. Magnesium in einem oder mehre-
ren grosseren Stücken und schüttet nun das übrige Ge-
misch zu. Dasselbe häuft man um das Magnesium her-
um so auf, dass letzteres ganz davon bedeckt wird, und
füllt den dadurch an der Tiegelwand entstehenden Zwi-
schenraum mit Kochsalzpulver aus, mit dem man eben-
falls das Ganze noch in geringer Lage bedeckt. Nach-
dem der so bis zur Hälfte etwa gefüllte Tiegel in einen
vorher mit glühenden Kohlen versehenen Windofen ge-
bracht ist, giebt man rasches Feuer. Wenn das Reac-
tionsgeräusch vorüber ist, lässt man den Tiegel noch 5
bis 8 Minuten im Ofen und rührt schliesslich, nach sei-
ner Herausnahme, mit einem thönernen Pfeifenstiel kurze
Zeit und vorsichtig um, bedeckt erkalten lassend. Nicht
selten ereignet es sich hierbei, dass von der Magnesium-
kugel aus sich über die Kochsalzdecke eine traubenför-
mige Masse erhebt, die aus drei Schichten besteht, einer
dicken äusseren weissen von Magnesia, einer geringe-
ren mittleren gelben von Stickstoffmagnesium und einer
geringsten innern dunklen von Silicium. Das Auftreten
des Stickstoffmagnesiums als Verbrennungsproduct des
Metalls bei beschränktem Luftzutritt ist gewiss erwäh-
nenswert!). Nach dem Zerschlagen des Tiegels findet
man gewöhnlich einen einzigen Regulus mehr oder weni-
ger mit Siliciummagnesium beladen. Derselbe wird nun,
nachdem er von allen Schlackentheilen gereinigt ist, mit
28 Geuther,
einer verdünnten Salmiaklösung behandelt. Die von der
äussern Schichte herstammenden Krystalle werden als
weniger rein besonders gesammelt. Da der Salmiak so-
wohl, als das bei der Auflösung entstehende Ammoniak
auf die Verbindung ebenfalls, wenngleich langsamer, ver-
ändernd einwirken, so müssen die vom Regulus abgefal-
lenen Krystalle von Zeit zu Zeit aus der Flüssigkeit ent-
fernt werden. Nach wiederholtem Abwaschen mit rei-
nem Wasser werden sie in gelinder Wärme getrocknet.
Der Ueberzug von Kieselsäure, den sie haben, kann, da
ihnen eine bedeutende Härte eigenthümlich ist, auf me-
chanische Weise, durch wiederholtes Reiben mit dem
Finger auf einem glatten Papier und Abschlämmen des
weissen Pulvers, vollkommen entfernt werden. Die Aus-
beute beträgt im günstigsten Falle 10 Proc. vom ange-
wandten Magnesium.
Es sind bleigraue, wahrscheinlich reguläre, Octaeder,
die im Wasser rasch zu Boden sinken, damit langsam,
vorzüglich anfangs und in der Wärme, schwach Wasser-
stofFgas entwickeln und durch Salmiaklösung, rascher beim
Erhitzen, in weisse Kieselsäure verwandelt werden. Von
verdünnter Salzsäure werden sie schon in der Kälte
leicht, unter Entwickelung von Wasserstoff und Silicium-
wasserstoff, in ein weisses Siliciumoxyd verwandelt. Ihre
Zusammensetzung entspricht nach vier wohl übereinstim-
menden Analysen der Formel: Mg 5 Si 2 (Si = 21).
Wohl er hat die ihm früher zu Gebote stehende
geringe Menge dieser Verbindung gleichfalls analysirt
und dafür die Formel: Mg 2 Si gefunden, indess kann, da
„so lange mit Salmiaklösung behandelt worden war, als
der Rückstand noch Wasserstoff entwickelte", und da
eine Reinigung derselben von dem Kieselsäure-Ueberzug
nicht vorgenommen worden war, das damals analysirte
Product nicht vollkommen rein gewesen sein. Der ge-
ringere Magnesium- und erhöhte Siliciumgehalt, den die
Analyse ergeben hat, spricht ganz dafür.
Die Entstehung eines weissen Siliciumoxyds
Verhalten des Silicium Calciums zu Stickgas etc. 29
aus Silicium magnesium durch Salzsäure neben Was-
serstoff und Silicium Wasserstoff ist von Wo hier beob-
achtet worden. Ich habe dieses Siliciumoxyd einer nä-
heren Untersuchung unterworfen. Die Darstellung ge-
schah in einer Wasserstoffgas-Atmosphäre, die durch einen
dauernden Strom dieses Gases erzeugt wurde; die dabei
auftretende Erwärmung wurde durch Abkühlung mit kal-
tem Wasser verhütet.
Das so erhaltene Siliciumoxyd ist, bei Anwendung
von reinem Siliciummagnesium, vollkommen weiss, hat
die octaedrische Gestalt dieses letzteren völlig beibehal-
ten und ist durchsichtig. Es besitzt alle von Wöhler
für weisses Siliciumoxyd angegebenen Eigenschaften, es
entwickelt mit Alkalien schäumend Wasserstoffgas, es
wird bei stärkerem Erhitzen in der Luft unter Entzün-
dung zu Kieselsäure und braunem Silicium, es liefert
beim vorsichtigen Erhitzen in einer Wasserstoffatmosphäre
ein an der Luft rauchendes Gas, mit salpetersaurem Sil-
beroxyd übergössen, wird es sogleich braunschwarz. Es
verträgt eine ziemlich hohe Temperatur ohne Verände-
rung, wird, wie das Silicon, selbst beim Kochen mit rau-
chender Salpetersäure, wenn überhaupt, nur langsam oxy-
dirt und von kochender concentrirter Schwefelsäure nicht
verändert.
Analysen solchen von verschiedenen Bereitungswei-
sen herstammenden Oxyds, welche von Herrn Dr. Als-
berg ausgeführt wurden und bei denen dasselbe im
Röhrchen über Schwefelsäure im leeren Räume bis zum
constanten Gewicht getrocknet worden war, hatten 48,3
Procent Silicium und 1,9 bis 1,8 Procent Wasserstoff er-
geben. Während derselben hatte sich die ausserordent-
lich hygroskopische Natur des Siliciumoxyds mehrfach
gezeigt, ebenso hatte sich bei einer andern Darstellung
desselben ergeben, bei welcher es eine Nacht über mit
dem sauren Wasser zusammengeblieben war, dass seine
Zusammensetzung sich unter Abnahme des Silicium- und
Wasserstoffgehalts geändert hatte, so wie dass es ohne
30 Geuiher,
Veränderung über 130° in der Luft erhitzt werden könne,
welche Eigenschaft auch Wohl er für das aus dem Sili-
ciumchlorür erhaltene Oxyd gefunden hatte, das eine
Temperatur bis 300° ohne Veränderung verträgt.
Alle diese Erfahrungen wurden bei der Darstellung
und Analyse einer neuen Oxydmenge aus einem vollkom-
men reinen Siliciummagnesium sorgfältig verwerthet. Wäh-
rend der Darstellung war jede Erwärmung über 0° durch
stetes Abkühlen mit Eiswasser vermieden worden, die
Darstellung war nach etwa 4 Stunden vollendet, es wurde
sogleich, nachdem der vorhandene Schaum gesondert wor-
den war, abflitrirt, mit eiskaltem Wasser ausgewaschen,
gelinde zwischen Papier gepresst und unter der Luft-
pumpe über Schwefelsäure in der Kälte und bei Ab-
schluss des Lichtes getrocknet. Das Oxyd war blen-
dend weiss.
Die Analyse ergab 50,5 Proc. Silicium und 1,5 Proc.
Wasserstoff. Das Oxyd entwickelte beim Behandeln mit
Kalilauge 2,4 Proc. Wasserstoff.
Daraus leitet sich für dasselbe die einfache Formel:
2Si0 2 , HO ab*), welche verlangt: 50,6 Proc. Silicium,
1,2 Proc. Wasserstoff und 2,4 Proc. beim Uebergang in
Kieselsäure sich entwickelndes Wasserstoffgas.
Obschon die Resultate der früheren Analysen be-
stimmt auf das Hydrat eines Siliciumbioxyds hin-
wiesen, und nur zweifelhaft lassen konnten, ob die For-
mel: 3Si02, 2 HO oder 4 Si02, 3 HO sei, so hat die
letzte von reinster Substanz diesen Zweifel ganz be-
seitigt.
Es entsteht nun die Frage: in welchem Zusammen-
hange steht dieses Oxyd mit dem von Wohl er auf zwei
verschiedene Weisen erhaltenen weissen Oxyd und wie
verhält es sich mit der Identität dieser beiden, also des
aus dem Chlorür und des aus dem sogen. Silicon erhal-
*) Si3 04,HO (wenn Si = 14 und Kieselerde = SiO*).
H. Ludwig.
Verhalten des Siuctmncalciums zu Stickgas etc. 31
tenen, welche Wo hier anzunehmen geneigt ist? Dass
von einer Gleichheit unseres Oxyds mit dem von Wo li-
ier aus dem Silicon erhaltenen und Leucon genannten
Oxyde keine Rede sein kann, erhellt aus den verschie-
denen Silicium- und Wasserstoffgehalt der beiden, trotz
des analogen Verhaltens. In letzterem allein liegt aber
kein genügender Beweis ihrer Identität. So wenig wie
unser Oxyd und das Leucon in ihrem chemischen Ver-
halten sich unterscheiden, unterscheiden sich auch das
Silicon und das Leucon. Hätte ersteres nicht eine orange
Farbe, sondern sähe gleichfalls weiss aus, so würde dar-
aus doch keineswegs zu folgern sein, dass das Oxyd mit
dem höchsten Siliciumgehalt die einzige bestimmte nie-
drigere Oxydationsstufe des Siliciums und die andern
nur Gemische derselben mit Kieselsäure seien, wie das
factisch auch gar nicht der Fall ist. Eine Probe ist es,
welche solche, in ihrem Verhalten nur dem Grade nach
verschiedene Oxydationsstufen, abgesehen von ihrer ein-
fachen Zusammensetzung, bestehen müssen, die nämlich,
dass sie mit der gleichen Zusammensetzung auf ganz
verschiedene Weise, aus verschiedenen Verbindungen un-
ter Umständen, welche keine Zersetzung bedingen, ent-
stehen. Und das ist mit unserem Oxyd und dem von
Wohl er bei der Einwirkung von Chlorwasserstoff beob-
achteten der Fall, wenigstens was den Gehalt des am
genauesten zu bestimmenden Elementes, des Siliciums,
anlangt. Trotz des bedeutend differirenden Wasserstoffs,
circa 1 Proc, bin ich doch nicht zweifelhaft zu erklären,
dass diese beiden letzteren Oxyde identisch
sind und dass das aus dem Silicon entstehende Oxyd,
das Leucon, mit dem aus Chlorür entstandenen nicht
identisch ist. Die Differenz im Wasserstoff betreffend,
so glaube ich dieselbe auf die hygroskopische Natur der
Substanz rechnen zu müssen. Aus den Mittheilungen
Wöhler's geht nicht genau hervor, ob die zur Wasser-
BtoffbeHtimmung verwandte Menge auch bei 150° getrock-
net wurde, wie die zur Siliciumbcstimmung verwandte,
32 Geuther,
und selbst wenn das geschehen wäre, so bleibt es doch
ganz zweifelhaft, ob diese Menge, ohne erst wieder mit
feuchter Luft zusammenzukommen, in das Verbrennungs-
.rohr gebracht worden ist. Die grosse Uebereinstimmung
im gefundenen Wasserstoff zeigt nur, dass alle Bestim-
mungen unter gleichen Umständen vorgenommen wurden.
Die von Wo hl er früher für das betreffende Oxyd auf-
gestellte Formel: Si 2 3 , 2 HO unterscheidet sich von der
unsrigen: Si 2 4 HO nur durch ein Mehr von 1 Mgt.
Wasserstoff, was in Bezug auf den Siliciumgehalt nur
einen geringen Unterschied zu Gunsten unserer Formel
bedingt. Aendert man die von Wohle r für die Haloid-
verbindungen aufgestellten Formeln eben so entsprechend
um, so bekommt man in Bezug auf das Silicium die
gleichen und nur in Bezug auf den Salzbildner etwas
verschiedene Werthe, welche mit den gefundenen gleich-
falls besser übereinstimmen.
Dass in dem aus Silicium mit Chlorwasserstoff erhal-
tenen Oxyd eine reine Verbindung der Hauptsache nach
vorliegt und kein Gemenge aus dem siliciumreicheren
Leucon und Kieselsäure, scheint mir hervorzugehen 1)
aus der Constanz der Zusammensetzung überhaupt, 2) aus
der Thatsache, dass das trockne Product bis auf 300°
ohne Gewichtsveränderung erhitzt werden kann, wäh-
rend es doch, wenn kieselsäurehaltig, dieselbe als Hydrat
beigemengt enthalten und dann nothwendig einen Was-
serverlust ergeben müsste, und 3) aus der ihm ganz ent-
sprechenden Zusammensetzung der Chlor-, Brom- und
Jod Verbindungen (ein Siliciumtrijodid ist noch gar nicht
bekannt).
Mag man nun dieser Ansicht beipflichten oder nicht,
für das aus dem Siliciummagnesium dargestellte und sei-
ner Zusammensetzung nach als Siliciumbioxydhydrat ge-
nau bestimmte Oxyd ist das gleichgültig.
Was ist nun aber das Leucon Wöhler's? Diese
Frage ist schon von Th. Sehe er er hinreichend beant-
Verhalten des Siliciumcalciums zu Stickgas etc. 33
wortet worden, es ist S i li c iu mm ono xy dhydr at :
SiO, HO.
Ob ein diesem entsprechendes Chlorür existirt, ist
nicht mit Sicherheit ausgemacht; man kann vermuthen,
dass gewisse Beobachtungen Wohl er 's, die ein flüch-
tiges Chlorür voraussetzen lassen, welches ein an Sili-
cium reicheres Oxyd liefert, dahin zu deuten sind. Die
Annahme, dass eine nach der Formel: SiCl, HCl zusam-
mengesetzte Verbindung flüchtiger sei, als eine von der
Formel : 2 Si Cl 2 , H Cl, hat gewiss nichts Auffallendes.
Es fragt sich nun noch endlich: als was ist das Si-
licon anzusehen*, lässt sich für dieses siliciumreichste
Oxyd nicht auch eine einfache Formel finden? Ich
denke, es hat dies ebenfalls keine Schwierigkeit. Vom
Silicon liegen ziemlich abweichende Analysen vor. Da
jede Veränderung, welche dasselbe erleidet, seinen Sili-
ciumgehalt vermindert und seinen Wasserstoffgehalt er-
höht, so werden nothwendig diejenigen Analysen, welche
den höchsten Siliciumgehalt ergeben haben, als seine
Zusammensetzung am genauesten wiedergebend, zu be-
trachten sein. Leider fehlen gerade von diesen Wasser-
stoffbestimmungen. Dass letztere, zumal die Substanz
ein Trocknen in der Wärme nicht zu vertragen scheint,
etwas höher ausgefallen sein werden, glaube ich eben-
falls annehmen zu können. In Berücksichtigung dieser
Verhältnisse scheint es mir, dass dem Silicon die ein-
fache Formel: Si 2 0, HO beigelegt werden müsse, welche
71,2 Proc. Silicium und 1,7 Proc. Wasserstoff verlangt.
Bei ihrem Uebergang in Kieselsäure müssen 8,5 Proc.
Wasserstoff entwickelt werden. Gefunden wurden : 70,75
Proc. Silicium, 2,4 Proc. Wasserstoff und beim Ueber-
ganz in Kieselsäure 8,7 und 8,9 Proc. entwickeltes Was-
serstoffgas.
Ob auch diesem Siliciu msemioxy dhy drat ein
T'hlorür entspricht, ist ungewiss. Man könnte das von
Wo hier gleichfalls beobachtete Chlorür vom Siedepunct
über 90°, dessen Dampf mit Sauerstoff gemengt beim
Arch. d. Pharm. CLXXII1. Bdfl. 1. u. 2. Hft. 3
34 Geuther, Verhalten des Siliciumcalciums zu Stickgas etc.
Erhitzen sich entzündet unter Abscheidung von sehr viel
Silicium, als die ihm entsprechende Verbindung betrach-
ten. So haben wir also in dem Silicon, dem Leu-
con, dem Oxyd aus Sliciummagnesium und der
Kieselsäure eine vollkommene, ganz einfache Oxy-
dationsreihe des Siliciums :
Si20; SiO; Si02; Si03;
welche die Frage über die Zusammensetzung der Kiesel-
säure, oder richtiger die über das Mischungsgewicht des
Siliciums nicht mehr zweifelhaft lässt. Bei Annahme
von Si=14 würde diese Oxydationsreihe zu:
Si30; Si302; Si304; Si02.
Werfen wir nun schliesslich noch einen Blick auf
die Umsetzung des Siliciummagnesiums mit Chlorwasser-
stofFsäure. Aus der Analyse des Siliciummagnesiums
ergiebt sich, dass nur 2 3 vom Siliciumgehalt zur Bil-
dung von Siliciumoxyd Veranlassung geben und */ 3 als
Siliciumwasserstoff sich verflüchtigt. Da nun die Zusam-
mensetzung der Verbindung Mg 5 Si 2 und diejenige des
Oxyds Si 2 4 , HO ist, so entsteht die Frage, warum denn
überhaupt nicht der ganze Siliciumgehalt zu Oxyd, un-
ter Entwickelung bloss von Wasserstoffgas, wird. Es
scheint mir dies nur durch folgende zwei Vorausetzun-
gen einfach erklärlich, nämlich 1) dass der Siliciumwas-
serstoff die Zusammensetzung H 3 Si 2 habe, und 2) dass
sich unser Siliciummagnesium wie eine Verbindung von
Mg3Si und Mg3Si2 verhält (3 Mg5Si2 = 4 Mg3Si -f
Mg 3 Si 2 ). Die Verbindung Mg 3 Si würde durch Um-
setzung das Oxyd und den Wasserstoff, die Verbindung
Mg 3 Si 2 den Siliciumwasserstoff liefern. Nach den bis
jetzt vorliegenden Erfahrungen wird es schwer sein, die
Verbindung, welche durch Umsetzung nur Siliciumwas-
serstoff liefert, für sich zu erhalten, obwohl so viel fest-
steht, dass sie siliciumreicher sein muss als unser Sili-
ciummagnesium; eben deshalb aber wird jede Beobach-
tung oder jeder indirecte Schluss, welche einen Finger-
lieber das Nitroglycerin. 35
zeig für die Zusammensetzung des Siliciumwasserstoff-
gases geben können, sorgfältig zu verzeichnen sein.
Jena, den 24. Februar 1865 *).
Deber das Nitroglycerin.
(Aus dem Hamburger Gewerbeblatt.)
Bereits in No. 17. des Hamburger Gewerbeblattes
wird in dem Artikel „Explodirende Stoffe", S. 35, Zeile 6,
des Glycerins erwähnt, das bei der Behandlung mit con-
centrirter Salpetersäure und rauchender Schwefelsäure in
eine explodirbare Substanz verwandelt wird, die man Glo-
noin genannt hat. Dasselbe ist eine hellgelbe Ölartige Flüs-
sigkeit von 1,6 spec. Gew., löst sich nicht in Wasser, wohl
aber in Alkohol oder Aether. Beim Erhitzen explodirt das
Glonoin ausserordentlich heftig, innerlich genommen wirkt
es sehr giftig. In No. 27. desselben Blattes wurde
unter Miscellen von dem Glycerin als explodirender Flüs-
sigkeit gesprochen, die vortreffliche Resultate bei Felsen-
sprengungen ergeben hatte.
Wir sind heute durch nähere Mittheilungen in den
Stand gesetzt, Weiteres über das Glonoin, „Nitroglycerin"
genannt, unsern Lesern zu geben.
Der schwedische Ingenieur Nobel hat die Erfin-
dung gemacht, Nitroglycerin (Sprengöl) zur Sprengung
in Bergwerken, Tunnels, Steinbrüchen etc. anzuwenden.
Die besonderen Eigenschaften des Sprengöls und
das Verhalten bei der praktischen Anwendung desselben,
die Kosten etc., sind uns vom Erfinder zugekommen, der
zum Theil in den Feldspathgruben auf Stora-Rönsholmen,
in den Granitbrüchen auf Uufwudstadt und Tyskbagare-
bergen, alle in der Nahe von Stockholm, so wie auf an-
dern Stellen in Schweden seine Erfindung erprobt und
constatirt hat.
Das Sprengj}] lässt sich ohne Gewichtsverlust belie-
*) Wöhler'b Silicon k;irm auch als H 2 Si 2 -j Si 2 3 , dessen L«'u-
con alsIRSiM - SiW -j- HO u.Oeuther's Si li ciumoxy d als 8PCH
betrachtet werden (wobei üi = 14 u. Kieselerde — SiO 2 ). 11. Ludwig.
3*
36 lieber das Nitroglycerin.
big lange aufbewahren; ein Quantum 8 Jahre lang auf-
bewahrt, zeigte weder Gewichtsverlust, noch Verringe-
rung der Qualität.
Es lässt sich ohne Explosion anzünden, ist also nicht
feuergefährlich, wie gewöhnliches Pulver, und kann mit
einem Schwefelholz oder Pulverdraht, ja sogar mit einem
glühenden Eisen in Berührung gebracht werden, ohne dass
es explodirt, sondern nur sich langsam zersetzt. Ein einzi-
ger Tropfen aber detonirt (verpufft) mit der grössten
Heftigkeit durch den Schlag eines Hammers. Versuche
haben jedoch erwiesen, dass nur diejenigen mit Nitro-
glycerin besprengten Theile detonirten, welche vom Ham-
mer beim Schlage berührt wurden.
Die Explosion des Nitroglycerins bei Sprengungen
wird durch einen kleinen Pulverzünder bewerkstelligt,
auf dessen Construction und Anbringung das Geheimniss
des Erfinders beruht. Ohne diesen Pulverzünder kann
man z. B. die Hälfte eines Bohrloches mit Sprengöl und
die andere Hälfte mit Pulver füllen, letzteres entzünden,
und es wird doch in den meisten Fällen keine andere
Explosion als die des Pulvers statt finden.
Die Kraft, die durch die Explosion des Sprengpul-
vers hervorgebracht wird, gegen die Kraft des explodi-
renden Pulvers, ist eine fünf- bis zehnfach grössere. Eine
genauere Feststellung hierüber wird durch eine Reihe
von Versuchen, die jetzt auf verschiedenen Stellen in
Schweden vorgenommen werden, präcisirt. Nach den
mit dem Sprengöl gemachten praktischen Erfahrungen,
u. A. auf Stora Rönsholmen, wird mit weniger als ! / 5 der
Gesammt-Bohrlänge der Sprenglöcher (also */ 5 der Kosten
an Arbeitslohn und Kosten für Schärfen und Verstählen
der Bohrer) derselbe Effect erreicht, als bei der Pulver-
sprengung. Dieser Effect steigert sich in manchen Fäl-
len bis auf das 15 fache der Pulversprengung. Eine auf
Störa Rönsholm ausgeführte Sprengung in theilweise zer-
klüftetem Granit, ergab folgendes Resultat: Tiefe des
Bohrloches 3 Ellen bei 1 Zoll Durchmesser, mit 2 1 / 2 Pfd.
Sprengöl geladen, trennte von der anstehenden Bergmauer
Ueber das Nitroglycerin. 37
eine Masse von circa 560 Cubikfuss, gleich einem Ge-
wicht von circa 1400 Centner schwedisch, wobei ein
Stück von circa 12 Cubikfuss oder 30 Centner wiegend
auf eine Entfernung von 55 Fuss fortgeschleudert wurde.
Das angegebene Minimum des Ersparnisses als Anhalt
genommen, ergiebt folgende Berechnung über den Nutzen,
wobei zu berücksichtigen ist, dass solche nach localen
Verhältnissen und Kosten, so wie hauptsächlich Dach der
Härte des zu bohrenden Gesteins, vielen Abänderungen
unterwerfen ist.
Bei besonders harten und zähen Erzen kostet an-
nähernd :
Beim Sprengen mit Pulver.
100 Ell. Bohrloch von 1" Durchm., pr. Elle 6 Sgr. 600 Sgr.
Schärfen und Vorstählen der Bohrer, ä l ] / 2 Sgr. 150 „
40 Pfd. Pulver, ä ?/ s Pfd. pr. Elle Bohrloch,
pr. Pfd. 6 Sgr 240
990 Sgr.
Dagegen wird dasselbe Quantum Gestein erzielt mit:
Beim Sprengen mit Sprengöl.
20 Ellen Bohrloch wie oben, pr. Elle 6 Sgr.... 120 Sgr.
Schärfen u. Stählen der Bohrer wie oben ä l 1 ^ Sgr. 30 „
15 Pfd. Sprengöl, ä 3/ 4 Pfd. pr. Elle Bohrloch,
pr. Pfd. 32 Sgr 480 „
630 Sgr.
Also Avance mit Sprengöl 360 „
oder Erspamiss circa 36 Proc.
Bei weicherem Gestein dagegen kostet:
Beim Sprengen mit Pulver.
100 Ellen Bohrloch von 1" Durchm., pr. Elle 4 Sgr. 400 Sgr.
Schärfen und Verstählen der Bohrer, ä 1 Sgr. .. 100 „
28 Pfd. Pulver, a Pfd. 6 Sgr 168 „
668 Sgr.
Dagegen wird dasselbe Quantum GesUin erzielt mit:
38 lieber das Nitroglycerin.
Sprengen mit Sprengöl.
20 Ell. Bohrloch wie vorhergehend, pr. Elle 4 Sgr. 80 Sgr.
Schärfen und Verstählen der Bohrer, a 1 Sgr. . . 20 „
10i/ 2 Pfd. Sprengöl, ä Pfd. 32 Sgr 336 ,
436 Sgr.
Also Ersparniss bei Sprengöl 232 „
oder circa 35 Proc.
Ais eine ganz besondere und günstige Eigenschaft
des Sprengöls ist dessen schleunige, so zu sagen unmit-
telbare Explosion hervorzuheben. Diese Eigenschaft,
welche die Anwendung desselben zu Geschützen etc. un-
möglich macht, da dieselben nicht genügend stark con-
struirt werden können, qualificirt sich dasselbe dagegen
ganz besonders zum Sprengen von Erzen etc., indem,
wie es die Erfahrung auch bewiesen hat, die Wirkung
in zerklüftetem Gestein eben so stark ist, wie in festem
Gestein; ein Umstand, welcher einem jeden Bergmann
und Ingenieur bei Pulversprengung als grosse Kosten
verursachend bekannt ist und wodurch allein das Spreng-
öl dem Pulver gegenüber von unschätzbarem Vortheil ist.
Diesem Umstände zufolge kann auch das Sprengöl
in losem Gestein, als Kalkstein etc., in erdigen Massen,
als Kreide, Thon etc., und selbst unter Anwendung be-
sonderer Patronen zur Aufsprengung resp. Auflockerung
von jeder Bodenart, somit auch des Bodens in den Gold-
feldern Californiens und Australiens verwendet werden.
Wenn dieser letzte Umstand ins Auge gefasst wird, so
ist ersichtlich, wie gerade in Californien und Australien,
wo* die Arbeitskraft so verhältnissmässig theuer ist, der
Nutzen des Sprengöls enorm sein muss.
Als eine indirecte Ersparniss, als grosser Vortheil ist
noch zu erwähnen, dass dieselben Quantitäten Gestein
mit geringerer Mannschaft bei gleichem Räume geschafft
werden können, so dass an kostbaren, oft nur zur Spren-
gung anzulegenden Schachtbauten gespart wird.
Bei Sprengungen unter Wasser ist das Sprengöl mit
Ueber das Nitroglycerin. 39
gleichem Vortheil zu benutzen und ist dessen Anwen-
dung bedeutend vereinfacht, da es in Folge seines grös-
seren specifischen Gewichts einfach durch eine Röhre in
das Loch hineingegossen wird, eine Vorladung nicht
braucht, um wie gewöhnlich durch den galvanischen Fun-
ken enzündet zu werden.
Was für eine wichtige Rolle das Sprengöl in der
Industrie noch einnehmen wird, sieht man daraus, wenn
man die grossartigen Sprengungen für Eisenbahnen, bei
Tunnels, Wasserbauten etc. ins Auge fasst und den Um-
stand in Betracht zieht, dass in den deutschen Zollver-
einsländern allein im Jahre 1862 4818 Gruben mit einem
Productions - Quantum von 471,773,227 Ctr. im Betriebe
waren, und dass beispielsweise bei den Philadelphia-
Wasserwerken 36,000 h\, bei dem Einschnitt in dem
Calton- Hügel bei Edinburg 12,000 fl. für eine einzige
Sprengladung bezahlt wurde, und dass selbst in gewöhn-
lichen Granitbrüchen die Ladung für einen einzigen Schuss
oft 36 fl. kostet (s. Knapp's Chem. Technologie, Bd. I.
S. 323). Beim Bau der Folkesstone Eisenbahn in Eng-
land im Jahre 1843 wurde der Rounddown Felsenvor-
sprung, 2400 Cubikklafter oder ein Gewicht von 1 Mil-
lion Tons enthaltend, durch Sprengung mit einem ein-
zigen Schusse entfernt. Es wurden hierzu 19,836 Pfd.
Pulver verbraucht (siehe Knapp I., S. 325).
Der Erfinder, Herr Ingenieur Nobel, hat bereits
Patent von der Königl. schwedischen Regierung erhalten
und sich nach England hingewandt, wo ihm bereits Aus-
sicht auf Erlangung des Patents für dort gegeben wurde.
Es wäre Schade, wenn nicht auch in Deutschland sich
Capitalisten finden würden, die diese wichtige Erfindung
in die Hand nehmen und für Deutschland ausbeuten wollten.
Die Red. des Hamburger Gewerbeblatts ist gern bereit,
jeder frankirten Anfrage Antwort und Auskunft betreffs
des oben erwähnten Artikels zu geben.
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zuerst roth, dann farblos;
erhitzt man die Flüssig-
keit, so kehrt die rothe
Farbe wieder.
bringt ohne andere Reac-
tion einen weissen Nie-
derschlag.
weisser Niederschlag, der
nach dem Eintrocknen
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X
42 Landerer,
Notizen über die Farben der Alten;
von
Dr. X. Lander er.
Die vielseitigen Ausgrabungen in und um Athen,
wodurch eine Menge von Statuen, Grab - Monumenten,
Reliefs und Vasen aufgefunden wurden, auf denen sich
noch Spuren von Farben finden, deren Zusammensetzung
die Archäologen kennen zu lernen wünschten, machten
auch in mir den Wunsch rege, dieselben zu untersuchen
und theile ich im Folgenden die Resultate meiner For-
schungen den Lesern dieser Zeitschrift mit.
Aus den Farben -Ueberresten auf den Monumenten
des Alterthums, auf Marmorstatuen, Grab -Monumenten,
auf den Giebeln der Tempel, auf Säulenschaften und be-
sonders auf den Vasen, die an Schönheit der Formen
und Feinheit bis jetzt unübertroffen da stehen, auf den
gefärbten Gläsern u. s. w. geht hervor, dass die alten
Hellenen verschiedene Farben kannten und benutzten,
Farben, die dem Zahne der Zeit, Tausenden von Jahren
unter dem Einflüsse der Atmosphäre widerstanden. Die
Farben sind mit einer Festigkeit aufgetragen, dass man
sie kaum mit eisernen Instrumenten davon abkratzen
kann. Dieselben sind theils Metall-, theils Erdfarben.
Dass die Hellenen sich auch vegetabilischer Farben be-
dienten, ist ebenfalls aus den Schriften der Alten zu er-
sehen, namentlich waren es die Maler der Ionischen
Schule, die sich brillanter Farben und eines lebhaften
Colorits bedienten, und diese Farben nannte man Colores
floridi, während die ersteren Colores austeri hiessen.
Unter diesen spielten Farben aus den Rosen, der Krapp-
wurzel, die man Eryihrodanon nannte, aus den See-Con-
chilien und Purpurschneckeu, der Porphyra der Alten,
aus dem aus Indien gebrachten Drachenblute, ja selbst
aus Indigo, eine Rolle. Dass solche organische Farben
sich nicht halten konnten, ist wohl einzusehen. Alle
diese Farben wurden theils mittelst eines Cements, der
über die Farben der Alten. 43
dem hydraulischen Kalke ähnliche Eigenschaften besass,
auf die Marmor- Gegenstände aufgetragen, worauf sie er-
härteten, was mit der Malerei al fresco, a tempera der
Gegenwart übereinzustimmen scheint. Ein anderes und
sehr häufiges Bindemittel für Farben waren Wachs -Fir-
nisse, vielleicht ein Punisches Wachs oder nach meinen
Untersuchungen ein Gemenge von Wachs und Mastix in
einem ätherischen Oele gelöst, vielleicht Ol. Terebinth.,
das man Ol. pissinum nannte. Werden manche solcher
auf Marmorstatuen befindlichen Farben im Platinlöffel-
chen bis zur völligen Zersetzung aller organischen Ueber-
reste erhitzt, so kann man den Geruch des zersetzten
Wachses oder Harzes noch deutlich wahrnehmen, so dass
über den Gehalt von Wachs in den Farben kein Zwei-
fel besteht.
Die Alten unterschieden drei Arten enkaustischer
Malerei :
1. Das blosse Einbrennen von Umrissen auf Elfen-
bein. 2. Das Auftragen von Wachsfarben verschiedener
Art auf Tafeln oder auf Wände mit Griffeln, womit ein
völliges Einschmelzen derselben durch Feuer verbunden
wurde. (Ceris pingere et picturam inurere.) 3. Das Be-
mahlen der Schiffe mit Pinseln, die in flüssiges, mit einer
Art Pech vermischtes Wachs getaucht werden, welches
der Aussenseite der Schiffe nicht nur einen Schmuck,
sondern zugleich auch einen Schutz gegen das Meerwas-
ser verschaffen sollte. (Plinius: Encausta pingendi duo
fuisse genera antiquitus constat, cera et in ebore, cestro
i. e. veruculo, donec classes pingi coepere.)
Ein anderes Bindemittel der Farben war auch das
Eiweiss und das Gummi arabicum, und diese dienten
namentlich zum Aufkleben des Goldes auf Thon- und
Marmorverzierungen. Die alten Egypter bedienten sich
auch des Gm. SarcocoUae, ob dieses jedoch den Hellenen
zu diesem Zwecke bekannt war, ist nicht zu ermitteln.
Was nun die Farben betrifft, die sich auf den an-
gegebenen Kunst -Monumenten befinden, so habe ich fol-
44 Landerer,
gende aufgefunden und untersucht. Als rothe Farben
künstlicher Zinnober, Kinnabari von den Alten genannt.
In den Laurischen Silberbergwerken sollen sich Queck-
silbererze gefunden haben, aus denen möglicher Weise
das Quecksilber ausgeschieden wurde. Kallias soll um
die 93. Olympiade der erste gewesen sein, welcher künst-
lichen Zinnober darstellte, und Zinnober in reinem Zu-
stande fand sich auf Vasen und auf Verzierungen von
Säulenschaften. Diesen Zinnober vermischten die Maler
auch mit andern röthlichen Farben, und in einer dem
Karmin oder Krapplack gleichen Farbe auf einem Grab-
male fand ich Zinnober dem Röthel beigemischt, um die
Farbe des letzteren zu erhöhen. Die Farbe des natür-
lichen Zinnobers konnte ich nirgends ermitteln.
Eine sehr häufig vorkommende röthliche Farbe ist
die eines thonhaltigen Eisensilicats und die im Alterthum
so hoch berühmte Sinopische oder Kappadocische Erde
war eine Art Ocher. Ein Kidias erfand um die 104te
Olympiade den Ocher in Roth umzuwandeln, wahrschein-
lich durch das Brennen, so dass derselbe eine Ochra oder
Ruhrica usta zu bereiten verstand.
Eine schöne rothe Farbe, die man Miltos nannte, wurde
von der Insel Zea ausgeführt, und auf einer Marmor-
platte findet sich der Tractat zwischen den Athenern und
der Insel Zea über die Abgabe und Ausfuhr dieser Farbe.
Da ich auf der Insel Zea im Hafen Bulkari Klumpen
von Lythargyritis und auch Stücke, die dem Minium an
Farbe glichen, fand, so glaube ich, dass diese Farbe das
Minium gewesen sei, denn Minium -Miltos findet sich als
rothe Farbe sehr häufig auf Vasen. Denkt man sich,
dass in den Laurischen Silberbergwerken Silber ausge-
schmolzen wurde und sich als Nebenproducte Molybditis,
Lythargyritis und Chrysitis fanden, so ist es nicht schwer
zu erklären, dass man aus diesen Bleioxyden durch Glü-
hen das Minium darzustellen erfunden hatte.
An gelben Farben waren die Alten sehr arm und
die aufgefundenen zeigen alle ein schmutziges Gelb. Zu
über die Farben der Alten. 45
solchen dienten den Alten die Ochra, die sie je nach
dem Gebrauche, um sie dunkler oder heller darzustellen,
mit Weiss vermischten, und in einer hellgelben isabell-
gelben Farbe auf einer Vase fand ich in derselben auch
das Psimithion, das Bleiweiss, beigemengt. Eine gelbe
Farbe, Sil genannt, soll aus den Laurischen Silbergwer-
ken gebracht worden sein, so dass zu vermuthen ist,
dass unter dem Namen Sil eine Bleifarbe zu verstehen
ist, welcher Art jedoch dieselbe war, ist mir nicht be-
kannt; waahrscheinlich war es ein gelbes Bleioxyd, das
mit dem Chrysitis der Alten übereinstimmen dürfte.
Als gelbe Farbe diente den Alten auch die Sanda-
racha des Aristoteles, und dieser Sandarak ist Auripig-
mentum. Im heutigen Griechenland fand sich bis jetzt
dieses Mineral nicht; unter den aufgefundenen Farben
konnte ich dieselbe nicht entdecken.
Sehr häufig fanden sich blaue und, jedoch seltener,
grüne Farben als Verzierungen auf Vasen und Marmor-
säulen. Alle diese blauen und grünen Farben sind Kupfer-
farben und das schone kostbare Coeruleum wurde aus
Alexandrien gebracht und aus Kupfer, Salpeter und Sand
zusammengeschmolzen. Eine aus Kupferbergwerken ge-
brachte blaue Farbe, Chrysocolla genannt, dürfte ein na-
türliches Kupfergrün oder Kupfer-Malachit gewesen und
theils aus Chalkis oder Cypern gebracht worden sein;
denn wie bekannt existirten in Chalkis grossartige Kupfer-
bergwerke, wovon die Stadt den Namen Chalkis, von
XoXxotj Kupfer, so wie auch aus Cypern das Cuprum
gebracht wurde. Eine kieselsäurehaltige Kupferfarbe
fand sich auf einem Grab -Monumente, das vor kurzer
Zeit auf dem Wege zur heiligen Triada bei Athen auf-
gefunden wurde. Dieses wahrscheinlich 2 — 3000 Jahre
im feuchten Erdreiche eingegrabene Monument zeigte an
?ielen Stellen eine schöne lasurblaue Farbe, welche die
Bewunderung alier Archäologen auf sich zog. Dieses
schöne, aus den besten Zeiten der Kunst stammende
Monument wurde auf der Akropolis aufgestellt und der
46 Landerer,
Einwirkung der Atmosphärilien ausgesetzt. Nach einigen
Wochen verbleichte das Blau und veränderte sich in
Grün, welche Farbe dasselbe jetzt zeigt. Die kupfer-
und wasserhaltige blaue Farbe verlor ihr Hydrat und
verwandelte sich so in ein wasserloses Kupfergrün. Auch
in andern blauen und grünen Farben konnte als färben-
der Bestandtheil Kupferoxyd aufgefunden werden.
Zu den weissen und schwarzen Farben wurde theils
vegetabilische, theils animalische Kohle verwendet, was
aus den Worten Elephantinon und Tryginon Melan her-
vorgeht. Das letztere wurde aus verbrannten Pflanzen,
das erstere aus verbranntem Elfenbein bereitet, und die-
ses letzteren bediente sich Apelles, um den Bildern einen
angenehmen Schatten, Atramentum tenue genannt, zu er-
theilen. Asphalt in Ol. pissiniim aufgelöst und aufThee-
vasen aufgetragen und eingebrannt, gab den schönen
schwarzen Firniss auf den Vasen.
Zu weissen Farben dienten zwei in ihrer Zusam-
mensetzung verschiedene Farben. Die Hauptfarbe war
die Mylische Erde, ein kieselhaltiger Thon von der Insel
Mylos oder Melas, Mylias genannt. Diese Farbe diente
für sich im reinen Zustande und zum Verdünnen von
andern Farben-, seltener wurde das Bleiweiss Psimithion,
angewandt, das ich sehr häufig auf Vasen gefunden habe.
Dasselbe wurde ausserdem in Stangen- und Plattenform
gegossen und diente als Schminke ; als solche findet man
es in den Gräbern der Frauen. Interessant war es mir,
das Bleiweiss in Form einer verhärteten Salbe wahr-
scheinlich in einer Balsambüchse, Myroiheka, zu finden,
in einem Grabe, das vielleicht einem Arzte angehört
haben dürfte, indem sich in demselben auch ein Spatel
und einige andere chirurgische Instrumente aus Kupfer
befanden.
Da sich auf verschiedenen Statuen auch vergoldete
Zierathen fanden, so füge ich noch einige Worte über
die Vergoldung bei. Die nach der Saraischen Schule
herrschende Weise der Verfertigung von Statuen durch
über Magnesit aus Euböa. 47
Hämmern blieb auch später bei Gold und Silber die
gewöhnliche, doch sagten Statuen aus edlen Metallen
mehr dem asiatischen als dem griechischen Geschmacke
zu. Auch die Vergoldung wurde erst dann bekannt, als
man dem Erze durch Mischung eine schöne Farbe zu
geben gelernt hatte. Der goldenen, theils gegossenen,
theils durch Hämmern verfertigten Statuen gab es in
Hellas eine Menge. Das Korinthische Erz wurde ver-
goldet und die Vergoldung in starken Blättern mittelst
Quecksilber oder nach Plutarch mit Hülfe von Reiben
aufgesetzt. Auf Marmor- und Thonvasen wurden die
Goldblätter mittelst Eiweiss aufgeklebt.
Notiz über Magnesit ans Euböa;
von
Demselben.
Dieses Mineral, das sich in ausgedehnten Lagern auf
der Insel Euböa findet und von dem in neuerer Zeit
wiederum Lager, die im Serpentinfels vorkommen, auf-
gefunden wurden, habe ich vor einiger Zeit erwähnt.
Dieser Magnesit wurde für Porcellanthon angesehen und
zur Bereitung von Thonwaaren nach England ausgeführt.
Da man nun sah, dass dieses Mineral Magnesit sei, so
kam man auf die Idee, dasselbe in England zur Berei-
tung von Magnesiasalzen zu verwenden, und alle im Han-
del vorkommenden Magnesiasalze sollen jetzt in England
für die ganze Welt aus dem Magnesit von Euböa berei-
tet werden, der sehr rein ist. Jedes Jahr gehen Tau-
sende von Centnern enthaltende Schiffsladungen davon
nach England, wo sich in verschiedenen Städten solche
Fabriken befinden. Die Zersetzung geschieht durch con-
centrirte Schwefelsäure in kolossalen bleiernen Gefässen.
Da man die Bemerkung gemacht hat, dass das sich ent-
wickelnde kohlensaure Gas sehr rein und vollkommen
geruchlos ist, so hat man angefangen, dasselbe zur Be-
48 Landerer, über eine Hyoscyamus -Vergiftung.
reitung von kohlensäurehaltigen Getränken und von künst-
lichem Champagner und brausenden Weinen zu verwen-
den und zieht diesen Magnesit andern kohlensauren Sal-
zen, die zu diesem Zwecke verwendet wurden, vor. Die
daraus in Menge dargestellte 'Magnesia alba wird in
den Kattunfabriken mit Amylum vermengt, um die
Baumwollengewebe stärker und weisser zu machen und
erweist sich zum Appretiren solcher Gegenstände sehr
nützlich. Ich untersuchte solche aus England kommende
Baumwollenstücke und fand sie in der That magnesia-
haltig. Dies ist eine neue Verwendung der Magnesia
alba. Ebenso ist durch englische Journale angekündigt,
dass man sich damit beschäftige, aus der Kohlensäure
dieses Minerals Leuchtgas und Magnesiametall zu erzeu-
gen. Auf welche Weise, ist zur Zeit noch unbekannt.
Jedenfalls ist dieses Mineral sehr wichtig geworden und
.wird zu den verschiedensten Zwecken verwendet.
Ueber eine Hyoscyamus -Vergiftung;
von
Demselben.
Da ich seit 10 Monaten in Folge einer Melancholie
an einer Nervöse des Kopfes und Unterleibes leide, die
mich oftmals in einen Zustand der völligen Verzweiflung
bringt, und alle möglichen Mittel nichts halfen, so nahm
ich meine Zuflucht zum Hyoscyamus. Ich bereitete mir
eine Auflösung von 10 Gr. Extr. Eyoscyami nigr. von der
ich im Laufe des Tages ungefähr 8 Gr. einnahm. Ich
hoffte durch diese Dosis Schlaf zu bekommen, da ich
in sechs Monaten kaum einige Stunden im wohlthätigen
Schlafe zugebracht habe. Kaum auf das Lager hinge-
streckt, wurde ich noch wachend von schrecklichen Träu-
men befallen, eine fürchterliche Unruhe, Angst mit Kälte
der Extremitäten, in denen sich Ziehen, Ameisenlaufen
fühlbar machten, zwangen mich ins Freie zu gehen und
Landerer, über ein Volksheilmittel. 49
in der Luft Hülfe zu suchen. Eine schnell vorüber-
gehende Manie stellte sich ein und nur grosse Willens-
stärke hielt mich zurück, nicht zu schreien. Schreck-
liche Gedanken tauchten auf und dieser traurige Zustand
dauerte gegen 4 bis 5 Stunden, verbunden mit Schmer-
zen im Unterleibe, die sodann ein Zittern der Extremi-
täten herbeiführten und mich von Neuem zwangen, aus-
gestreckt auf dem Bette Hülfe zu suchen. Kalte Um-
schläge auf den Kopf, kalte Limonade hatten keine Wir-
kung. Dieser traurige Vorfall lehrte mich, dass man mit
der Dosis eines guten Extr. Hyoscyami sehr vorsichtig
sein muss, und von diesem Augenblicke an wende ich
keine Narcotica mehr an und überlasse mich meinem
Schicksale.
Ueber ein Volksheilmittel;
von
Demselben.
Unter dem Namen Pharmakon verstanden die Alten
auch das Elaterium, Materion des Dioscorides, das wahr-
scheinlich das Extract aus der Eselsgurke oder Purpur-
gurke gewesen ist. Momordica Elaterium ist eine im
Oriente sehr häufig vorkommende Pflanze, die zur Frucht-
reife die Eigenschaft hat, aus den stacheligen, kleinen
Gurken ähnlichen Früchten den Samen und den darin
enthaltenen Saft mit grosser Gewalt herauszuschleudern.
Aus diesem Grunde nannten die Alten diese Pflanze
Elaterium, von elaterion, eine Feder, die durch ihre Ela-
sticität die Eigenschaft des Ausschnellens der Samen be-
sitzt. Der erhaltene Saft ist sehr scharf und kommt
derselbe ins Auge, so ist er im Stande heftige Augen-
entzündung zu verursachen, worüber im Oriente viele
Fälle existiren. Schon früher habe ich erwähnt, dass
das Aufschlügen des frischen Saftes durch die Nase den
Ausflu8s eines stark gefärbten Schleimes zur Folge hat
und man bei hartnäckigen Gelbsuchten zu diesem Mittel
Arch. (1. Pharm. CLXXIII.Bds. l.u.2.Hft. 4
60 Landerer,
seine Zuflucht nimmt. Aus der frischen Pflanze berei-
ten die Leute durch Kochen mit Oel ein gegen rheuma-
tische und arthritische Schmerzen heilkräftiges Oel oder
Salbe.
Dieses Ol. Momordicae Elaterii wird aus den frischen
Früchten, die vorher zu einer breiigen Masse zerquetscht
worden sind, mittelst Kochen mit Oel bereitet. Da der
Saft dieser Pflanze einen sehr bitteren Geschmack be-
sitzt, so nennt das Volk diese Früchte „bittere Gurken",
Picranguria, indem man die Gurken mit dem Namen
Anguria belegt. Von vielen Personen, die sich dieses
Oels gegen rheumatische Schmerzen bedient hatten, er-
hielt ich die Mittheilung, dass dasselbe ein sicheres Heil-
mittel sei.
Ueber französische und italienische Geheimmittel;
von
Demselben.
Wenn man in Athen, oder auch in Syra, Patras oder
Corfu in eine Apotheke eintritt, so sieht man gleich im
ersten Augenblicke grosse Kasten, in denen sich alle
Geheimmittel und Specialitäten aus Frankreich und Ita-
lien befinden und gleichsam zur Schau ausgestellt wer-
den. In der That ist die Stellung des Apothekers im
Orient sehr schwierig, indem derselbe gehalten ist, alle
möglichen Medicamente, die in Frankreich auftauchen,
auch im Oriente zu haben und sich aus Frankreich kom-
men zu lassen. Dies kommt daher, weil die meisten
Aerzte des Orients in Frankreich ihre Studien vervoll-
ständigten und diese mit allem Charlatanismus ausgestat-
teten Aerzte den meisten andern vorgezogen werden.
Da, wie es scheint, in Frankreich das Studium der Phar-
makologie und besonders der Receptirkunst sehr vernach-
lässigt wird, und die von dort kommenden Aerzte selten
Formulas medicas magistrales zusammensetzen, so neh-
über Geheimmittel. 51
men sie ihre Zuflucht zu den Formulas medicas dispen-
satoriales und namentlich zu den neu auftauchenden Mit-
teln. Diese in den meisten Apotheken sich findenden
Medicamente sind folgende :
Pilides de Blancard. — Pilulae e Jodureto. — Fer
reduit par Vhydrogene, mit einem kleinen Löffelchen,
um- dasselbe nach Belieben nehmen zu können. Das
Paquetchen kostet 2 Francs. Statt dieses echten Ferrum
hydrogenio reductum erhält man in den meisten Fällen
einen schlechten Aethiops martialis, den man sich selbst
bereiten, oder für wenige Groschen aus Deutschland ver-
schaffen könnte.
Granides de Digitaline — Gr. de JStrychnine — Gr.
d'Aconitine — Gr. d'Acetate de Morphine — Gr. de Sulfate de
Morphine und in neuester Zeit tauchten auch Granules
d'Arsenic und Gr. d 'Arseniate de Fer auf. Alle diese
Granules sind kleine Pillen oder auch eine Art Dragee
von verschiedenen Farben oder versilbert, deren jedes
1 Milligrm. dieser Medicam ente enthält. -
Sehr interessant sind die Capsules ä VEther sulfurique.
Dieses sind Capsulae gelatinosae, vollkommen rund, aus
2 Theilen bestehend, und in jeder Capsula sind ungefähr
10—15 Tropfen Aether sulfuric. enthalten. Wird dieses
dünne Medicament zufälliger Weise zerbissen, ehe man
die Capsula verschlucken kann, so fühlt man ein fürch-
terliches Brennen im Munde, so dass man gezwungen
ist, dasselbe auszuspucken und sich den Mund auszu-
waschen. Ein eben so unangenehmes Brennen im Magen
fühlt man, wenn die Caps, gelat. sich daselbst auflöst und
der Aether mit der Schleimmembran des Magens in un-
mittelbare Berührung kommt. Um diese Schmerzen zu
lindern, ist man genöthigt, sogleich Wasser nachzutrinken.
Ausser diesen linden sich Lotions gegen Herpes, In-
jectionen und Blennorrhöen — Capsules mit Matico —
Üyrop de Raijort — Sels de Likrone effercescentes und
Hunderte von ähnlichen (Jeheimmitteln, über die ein eige-
nes Werk existirt unter dem Titel: Catalogue raisonne
4*
52 Lander er,
des Specialites phamaceutiques par Ch. Le Perdriel, Phar-
macien, der sich durch Geheim mittel, die alle nach dem
Orient gesandt werden, ein Vermögen von mehreren Mil-
lionen erworben hat.
Unter den Namen Wermuth, Essence d'Absynthe, Ro-
soglio d'Äbsynthe, vielleicht auch unter dem Namen Eng-
lisches Bitter, kommen Tausende von Flaschen mit schö-
nen Vignetten und mit Stanniol -Kapseln versehen, aus
Frankreich nach allen Theilen des Orients, und Tau-
sende von Pfunden Sterling gehen von hier nach Frank-
reich, woher die Zuckerbäcker diese Rosoglios und Wer-
muthweine beziehen. Alle diese Wermuth-Rosoglios und
-Weine könnten von jedem Pharmaceuten in Deutsch-
land bereitet werden, aber wenn sie nicht aus Frank-
reich kommen, so werden sie nicht gut sein. Man will
und sucht im Oriente französische Producte. Dieser
Wermuthwein ist der aus den ältesten Hippokratischen
Zeiten stammende Absynthites — Oinos absynthites — den
sich die Leute in Griechenland gegen Magenschwäche
und andere Krankheiten bereiten. Auch die Osmanen
bereiten sich einen solchen Absynthwein unter dem Na-
men Pylino. Zu diesem Zwecke werfen sie frischen
Wermuth nach Gutdünken in den Weinmost, und nach-
dem derselbe ausgegohren und einige Minuten auf dem
Wermuth gestanden hat, wird der geklärte Wein abge-
zogen und in Flaschen gefüllt und dann unter diesem
Namen verkauft. Die Etymologie des Namens Absynthium
ist von seinem bittern Geschmack, a-iuvtD, nicht zu trin-
ken, nicht zu gemessen, so dass der Name eigentlich
Apinihion ist.
Andere Geheimmittel kommen auch aus Italien, so
dass sich Hunderte solcher Mittel finden, welche der im
Orient wohnende Apotheker für vieles Geld anzuschaffen
genöthigt ist.
über eine eigenthümlicke Geruchsentwickelung. 53
üeber eine eigentümliche Geruchsentwickelung;
von
Demselben.
Unter dem Namen Scherbet versteht man im Oriente
Confitüren, Syrupe der verschiedensten Art und Zusam-
mensetzung, um sich mittelst Wassers ein süsses Getränk
zum Löschen des Durstes zu bereiten. Unter dem Na-
men Bosa versteht man im Gegentheile Syrupe oder Ab-
kochungen von Honig mit Essig, säuerlich gewordene
Absude von Ceratonia siliqua, von Datteln etc., um sich
säuerliche Getränke zu bereiten. Weniger in Griechen-
land, als vielmehr in Alexandrien und Kairo, befinden
sich kleine Buden, in denen die Serbetzis (Händler, Aus-
schenker) diese Scherbets und Bosas verkaufen. Auf
einem kleinen Tische steht eine Menge Flaschen mit
Syrupen und Scherbets, mit Syrup. emxdsiv. aus Melonen-
kernen oder aus den Wurzeln von Cyperus esculentus, der
Manna der Orientalen, bereitet, um nach Wunsch so-
gleich entweder ein Scherbet oder ein Bosa bereiten zu
können. Mittelst einer eigenthümlichen Vorrichtung fällt
kaltes Wasser auf ein sich herumdrehendes Glas und
durch die stattfindende Verdunstungskälte wird das vor-
räthige Wasser immer kühl gehalten.
Unter den Scherbets findet sich eine Confitüre, die
aus Zucker mittelst des Absudes der Mandelschalen be-
reitet wird. Diese unnützen Schalen, namentlich die der
Krachmandeln aus Chios, die sehr zerbrechlich sind, wer-
den länge Zeit gekocht und in Folge dieses anhaltenden
Kochens entwickelt sich ein Geruch nach Vanille,
der mit der Zeit immer stärker hervortritt, besonders
wenn das Decoct mit dem zum Fluge gekochten Syrup
vermischt und gekocht wird. Diese Confitüre ähnelt an
Geruch und namentlich im Geschmack einer mit Vanille
bereiteten. Es wäre in der That interessant, zu ermit-
teln, aus welchen Bestandteilen dieser Mandelschalen
der vanilleähnliche Geruch sich zu bilden im Stande ist.
54 Landerer, über Weintrester- Bäder.
Ebenso eigenthümlich ist es, dass gesättigte Ab-
kochungen dieser Mandelschalen eine vorzügliche Wir-
kung gegen den Keuchhusten äussern und nach dem
Gebrauche derselben die Paroxismen milder auftreten
und der Husten allmälig nachlässt *).
Notiz über Weintrester -Bäder.
Tsimpura nennen die Griechen die Weinstrester, die
sich in Griechenland, als in einem Weinlande, in Menge
linden. Dieselben werden nur zur Destillation eines elen-
den Spiritus, den man Iraky nennt, verwendet und von
den Eigenthümern an die Destillateurs verkauft. Die-
selben zur Fabrikation von Cup. aceticum zu verwenden,
ist hier nicht bekannt und wird wohl noch lange Zeit
unbekannt bleiben. Die Rückstände sind ein schlechtes
Viehfutter für Schweine, und auch die Esel des classi-
schen Landes haben sich daran gewöhnt, in Ermangelung
von Disteln und andern Pflanzen die Weintrester zu fressen
und sich oft zu berauschen. Von vielen Patienten wer-
den die Rückstände zu Bädern verwendet und alle mine-
ralischen Bäder sollen diesen Tsimpura-Bädern bei arthri-
tischen Leiden an Wirkung nachstehen. Mehre mir be-
kannte Personen, die alle europäischen und griechischen
Bäder besucht und keine Hülfe gefunden hatten, nah-
men ihre Zuflucht zu diesen Weintrester - Bädern und
wurden dadurch völlig geheilt. Ein ganz gelähmter Mann,
der sich jede Woche 2 bis 3 Mal in die Weintrester
hineingrub und diese Kur einige Monate fortsetzte, wurde
von seiner Hemiplegie vollkommen geheilt.
X. Landerer.
*) Die Kerne der Hagebutten (von Rosa canina) geben mit
siedendem Wasser Übergossen einen Aufguss, der ebenfalls
vanilleartig riecht. H. Ludwig.
Die erste preussische Pharmakopoe. 55
Die erste preussische Pharmakopoe.
Schon gegen das Ende des 17ten Jahrhunderts hatte
der Kurfürst von Brandenburg sich mit dem Gedanken
einer Verbesserung des Medicinalwesens in seinen Landen
beschäftigt; derselbe war aber doch etwas, seiner könig-
lichen Gedanken wegen, in den Hintergrund gedrängt
worden. Als er jedoch König hiess, richtete er unter
andern auch sein Streben wieder auf Medicinalverbesse-
rungen: nächst Medicinaledict und Constitution bezeugt
dies das „Dispensatorium", oder wie man jetzt sagen
würde, die Pharmakopoe in erster Auflage.
So dankenswerth den damaligen Apothekern gewiss
dieses umfangreiche Werk in Grossfolio gewesen, welches
die allenthalben verstreuten Vorschriften sammelte und
ihnen eine Richtschnur bei den vielen sehr verwickelten
Präparaten wurde, so wenig können wir jetzt ein Lächeln
unterdrücken, wenn wir die oft gar zu haarsträubenden
Vorschriften zu Gesicht bekommen. Bei alledem finden
sich doch gar viele rationelle und gute Sachen darunter, ja
man kann sagen, im Allgemeinen ist das Urbild zu unserer
jetzigen siebenten Auflage der Pharmakopoe nicht ganz
zu verkennen. Dies sowohl, als auch viele jetzt noch,
obwohl seltener vorkommende Vorschriften und die Ab-
leitung vieler Namen, die jetzt noch gang und gäbe sind,
lassen es nicht ungerechtfertigt erscheinen, hier aus dem
Originale, das nicht Jedem zur Hand ist, Einiges mit-
zutheilen.
Dies Dispensatorium beginnt mit den verschiedenen
Acetum - Arten, zuerst mit Acetum bezoardicum.
Man darf sich bei den Bezoardischen Präparaten
überhaupt nicht denken, dass sie jenen jetzt fast fabel-
haft gewordenen Lapis bezoardicus enthielten, der in dem
Magen der wilden orientalischen Bezoarziege (Capra Aega-
grus)y der Gazelle {Antilope Dorcas) und des Lama (Llama
Auchenia) erbsen- bis eigross sich öfters absondert, viel-
mehr nennt das Collegium supremum medicum, welches
56 Die erste preussische Pharmakopoe.
das Dispensatorium verfasst hat, bezoardisch alles das,
wie allgemein üblich war, was aus verschiedenen Kräu-
tern, Wurzeln, Blumen, Harzen u. s. w. zusammengesetzt,
„für Alles" gut war.
Der bezoardische Essig enthält Wachholder und Lor-
beeren, Angelica, Diptam, Alant, Ostruthium, Pimpinell,
Tormentill, Baldrian, Vincetoxicum und Zittwerwurzel,
Rauten-, Salbei- und Scordiumblätter, Kalendel, La-
vendel, Melissen- und Rosenblüthen, Pomeranzen- und
Citronenschalen , gelbes Sandelholz, Nelken, Muskat-
blumen, Myrrhen- und Sassafrasholz, dies alles wird grob
gepulvert und mit Nelkenblumenessig in einem gut ge-
schlossenen Gefasse aufbewahrt.
Acetum prophylacticum besteht aus Angelica, Zitt-
wer- und Pestwurzel (einer Tussilaginee), Rauten-, Me-
lissen- und Scabiosenblättern, Kalendelblüthen, unrei-
fen Nüssen und Citronen, eine Nacht mit Essig digerirt
und früh Morgens bis zur Trockniss destillirt.
Acetum saturninum seu Lithargyrii. 1 Pfd. Bleiglätte
und 2 Pfd. Essig macerirt und das Klare zum äussern
Gebrauch aufbewahrt.
Aeris flores. Es giebt zwei Arten, die eine, die wir
zum Unterschiede die natürliche nennen, ist folgende: Die
vom Kupfer beim Ausschmelzen abspringenden Körner
werden mit Wasser, wenn sie noch warm sind, über-
gössen. Diese sind von den älteren Aerzten, ja sogar
von Hippokrates sehr hoch geschätzt und oft angewen-
det. Die andere, die künstliche, mit einem chemischen
Handgriff zu bereiten: Feinste Kupferfeile und Salmiak
(Limxttura Veneris et Sal Ammoniaci) werden 8 Tage lang
wenigstens digerirt, damit sich das Salz mit der Venus
verbinde (Sal Veneri jungatus) und dann mehrmals subli-
mirt, gelöst und durch lockeres Packpapier colirt {per
emporeticam coletur) und die so vom Salmiak befreiten
Blumen getrocknet.
Aes ustum. Alte Kupferspäne, Schwefel und Salz
streue man in ein Gefass, um das zu brennen. Die
Die erste preussische Pharmakopoe. 57
Augustiner schreiben das Brennen jedes einzelnen vor
und dann noch Waschen und Ausgüssen, Zwei ff er un-
tersagt dies.
Alois cornu philosophice praeparatum. Dies Brennen
nennt man unpassend philosophisch, sagt das Dispensa-
torium. Man hänge ein Stück Elennhorn oder irgend
ein anderes Hörn oder Knochen mit einem starken Fa-
den über eine kupferne Blase, aus der Spiritus oder spi-
rituoses Wasser, oder bloss Wasser destillirt wird, an
der Oeffnung auf, wo der Spiritus aufsteigt, um es im
Vorüberziehen zu durchdringen, um mit der Zeit alle
natürliche Feuchtigkeit ihm zu entziehen und zerreiblich
zu machen. Man kann es auch zwischen Steinen reiben,
oder auch durch Auskochen zerreiblich machen. — Dies
Alles ist wörtlich übersetzt, man staunt ob der Mühe!
Alumen tinctum Mynsichti. Man bereite es, wie es
der Verfasser wünscht, durch Lösen von Alaun mit Dra-
chenblut in genügender Menge Carduibenedictenkraut-
wasser und filtrirt es.
Das Schrecklichste und Ekelhafteste ist ein Amulet,
ein eigentlich so veraltetes Möbel, dass es kaum glaublich
ist, wie vor 1G0 Jahren noch derartiger Spuk getrieben
werden konnte in einem von dem obersten königlich
preussischen Medicinal-Oollegium erlassenen Gesetzbuche.
Wenn auch zu der Zeit und später noch Viele Gold
machen wollten, so thaten sie es doch bei verschlossenen
Thüren, hier aber wird der Aberglaube officinell, ja die
Vorschrift verstösst sogar gegen ein 1678 erlassenes Ver-
bot gegen Thierquälcrei:
Amuletum in peste Helmontii. Obgleich dies von Eini-
gen für nichts werth gehalten, hat es sich doch vielfach,
namentlich im ungarischen Kriege zwischen den Kaiser-
lichen und Rebellen, als die Pest fürchterlich wüthete,
durch vielfache Versuche der Aerzte bewährt, so dass es
jetzt den Triefäugigen und Barbieren schon bekannt ist,
wie das Sprüchwort sagt.
Man macht es aus grossen und alten Giftfröschen,
58 Die erste preussische Pharmakopoe.
die im Juni Nachmittags gefangen sein müssen, indem
man sie mit den Hinterbeinen am Heerde aufhängt über
einer mit Wachs bedeckten Schüssel, unter der man ein
Feuer anzündet. Nach drei Tagen hauchen die Kröten
eine scheussliche Luft aus und Geifer, wodurch allerlei
Gewürm, wie Fliegen herankommt, das auf dem Wachs
kleben bleibt und noch Geifer dazu ausrülpst. Wenn die
nun alle todt sind, röste man sie, zerreibe und mische
sie mit dem Geifer, den man fleissig zusammengekratzt,
und forme Rollen davon, etwa 1 Zoll lang, denen man,
wie Einige meinen, die Form einer Kröte geben muss.
Diese hänge man in Nesseltuch eingenäht an einem sei-
denen oder leinenen Faden so am Halse auf, dass sie an
der Herzgrube liege. Je länger man diese trägt und
anwendet, desto besser bleibt man vor der Pest bewahrt.
Anodinum minerale. Das kann man auf zweierlei
Art herstellen, einmal aus dem Crocus metallorum, dann
aus dem schweisstreibenden Spiessglanze, indem man das
Aussüsswasser eindampft. Manchen ist das wegen des noch
anhaftenden, Erbrechen bewirkenden Stoffs verdächtig.
Antidotus Mattlrioli. Ein mehr wunderliches als no-
thiges Heilmittel, was seltener geworden ist, seit Theriak
und Mithridat Geltung erlangt haben. Deshalb kann es
in unsern Apotheken und Verzeichnissen fehlen. Man
muss aber dem Publicum auch gegen die erfahrenen
Aerzte etwas zu Gute halten, der, der es bereiten will,
kann in der neuen Pharmakopoe der Augustiner es ein-
sehen, die ja doch alle Apotheker besitzen.
Ueber die nun folgenden Antimonpräparate berichten
wir, ebenso wie über die destillirten Wässer, deren Zahl
Legion ist, ein andermal, dann auch über die chemischen
Präparate, die des Interessanten namentlich viel bieten. .
H. L.
59
II. Naturgeschichte lind Pharma-
kognosie.
Die Cultur der China auf Java;
von
Dr. H. Boehnke-Re ich
in Regenwalde.
Viel und mit Bewunderung spricht man von den
Mönchen, die im 6. Jahrhundert unter Justinian durch
List die Seidenraupe von China nach Griechenland brach-
ten; viel von jenen Ereignissen, durch welche Ostindien
seinen Gewürzbaum, Arabien den Kaffee verlor, und ver-
gisst darüber culturhistorisch eben so bedeutende, wenn
nicht bedeutendere Momente, die unserer Zeit angehören:
so die Verpflanzung des Chinabaumes von Südamerika
nach Java. Dort sind es Dinge, die nur zur Befriedigung
eingebildeter Bedürfnisse dienen, und die wir eben so
gut entbehren könnten: hier handelt es sich um die
Erhaltung eines der wichtigsten Heilmittel, dessen Ver-
lust eine nicht auszufüllende Lücke in unsern Arzneischatz
reissen würde. Bekannt ist es, mit welchem Vandalis-
mus die südamerikanischen Cascarilleros das Einsammeln
der Chinarinde betreiben, und dass dadurch eine Verwü-
stung in dem Bestände der Chinabäume eingetreten ist,
welche schon vor Jahren die Besorgniss erregte, es möchte
in nicht gar zu ferner Zeit die Chinaconsumption die
Production weit übersteigen, letztere wohl ganz aufhören.
Eine forstwissenschaftliche Bewirtschaftung der China-
districte hätte nur im Interesse der südamerikanischen
Staaten gelegen, die ja den Chinabaum im Wappen führe ;
woher aber hätten Staaten, deren unaufhörliche politische
Wirren und Zänkereien sie an nichts Anderes denken
60 Boehnke - Reich,
lassen, Macht und Willen nehmen sollen, solches ernstlich
durchzuführen? Sie werden sich nicht beklagen dürfen,
wenn ihnen dieses herrliche Geschenk der Natur ganz
entrissen sein wird ; sie allein tragen die Schuld ! Bolivia
hat allerdings das Einsammeln der Chinarinde monopoli-
sirt und einer Gesellschaft pachtweise jedoch nur für ein
bestimmtes Rindenquantum überlassen. Was man nun
gesetzlich nicht nehmen durfte, eignete man sich auf
ungesetzlichen Schleichwegen zu und so ist nichts ge-
bessert.
Die folgenden Blätter erzählen die Unternehmungen
der holländischen Regierung, den Chinabaum nach Java
zu verpflanzen und von Südamerika unabhängig zu ma-
chen, theilweise nach dem Berichte des früheren General-
Gouverneurs von niederländisch Indien, R o ch u s e n. Nur
weniges ist hier noch vorauszuschicken. Die holländische
Regierung sandte zu dem genannten Zwecke eine Persön-
lichkeit ab, welche aber die gehegten Hoffnungen täuschte
und resultatlos mit der Erklärung zurückkehrte : das Un-
ternehmen sei unausführbar. Zum Glücke war dasselbe
schon zu weit gediehen, als dass man es wieder hätte
aufgeben können. Wieder einmal musste Deutschland
aushelfen, welches nur dafür geschaffen zu sein scheint,
für Andere die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Seit
1846 lebte in Düsseldorf der bekannte Gärtner und Bo-
taniker Hasskarl, der früher den botanischen Garten
von Buitenzorg *) auf Java dirigirt hatte, aber durch
*) Buitenzorg = Sanssouci eig. „ausser Sorge" ist das bei Bata-
via gelegene nächste hohe Land, und wurde deshalb schon
1745 vom Baron Im hoff, dem damaligen opperlandsvogt,
zum Bauplatz eines Sommerpalastes ausersehen. Die indische
Regierung bewilligte den Platz für immer den jedesmaligen
Gouverneuren, und jetzt ist ein reizendes Palais mit einem
botanischen Garten, wie er sich kaum in der Welt wiederfin-
det, dort entstanden. Letzterer wurde von dem General-Gou-
verneur Van der Capellen angelegt, aber schon Imhoff
gab dem ganzen Platze den Namen Buitenzorg, der früher
und auch jetzt noch von den Eingeborenen bogor genannt wird.
Cultur der China auf Java. 61
mancherlei Verhältnisse genöthigt, von diesem Posten zu-
rückgetreten war. Es war eine glänzende Genugthuung
für ihn, dass ein Land, welches ihm früher Unrecht ge-
than, später zur Ausführung seiner Pläne in ihm den
rechten Mann erkannte. Am 1. November 1852 reiste
er von Düsseldorf ab, wo er seine Familie einstweilen
zurückliess. Seine Reise und seine Erfolge sind der In-
halt der nächsten Seiten.
Zum Lohne für das glückliche Vollbringen ernannte
der König von. Holland Hasskarl zum Ritter des nie-
derländischen Löwenordens und später, als die Unter-
nehmung als gelungen betrachtet werden konnte, zum
Commandeur des luxemburgischen Ordens der Eichen-
krone. Es konnte dies nur ein geringer Ersatz für einen
Mann sein, der während der Ausführung seines Werkes
seine ganze Familie verloren hatte. Seine Frau und
vier Töchter fanden am 4. December 1854, als sie sich zu
dem unterdessen auf Java angelangten Gatten und Vater
begeben wollten, durch den Schiffbruch der „Hendrika"
mit 72 Personen noch an der holländischen Küste ihr
Grab. Dies trug wesentlich dazu bei, dass Hasskarl
durch Strapazen entkräftet, durch diese Trauerbotschaft
tief erschüttert im Juli 1856 nach Europa zurückkehren
musste. —
Unter der grossen Zahl von Arzneimitteln gegen
körperliche Leiden besitzt die Medicin zwei Specifica,
deren rationelle Anwendung eine Wohlthat für die Mensch-
heit ist: das Opium und die China oder genauer das
Chinin. Sie haben Beide das gemeinsam, dass sie
bis jetzt durch Surrogate nicht haben ersetzt werden
können.
Freilich stellt man in Egypten aus dem Safte einer
Art Hanf den unter dem Namen lladschy oder Chaschisch
bekannten Stoff dar, der einige Eigenschaften des Opiums
besitzt, dieses jedoch als Arzneimittel nicht vertreten
kann. Wahr ist es, dass man der China Arsenikpräparate
substituirt hat, oder aus der Rinde verschiedener Pflan-
6 2 Boehnke - Reich,
zenarten dargestellte Substanzen, wie aus der Weide,
dem Tulpenbaum, der Cardobenedictendistel, Rosskastanie,
Eiche, dem Andorn u. a. m. Angenommen, dass diese
tonisch wirken, vielleicht einige auch fieberwidrig, so
haben sie dennoch keine Wirksamkeit bei schweren und
bösartigen Tertiärfiebern, wo nur ein Chininsalz helfen kann.
Eine grosse Zahl Versuche von Gelehrten aller Län-
der, ein Ersatzmittel für die China zu finden, ist immer
ohne Erfolg gewesen, Beweis genug für die hohe Bedeu-
tung dieses Arzneimittels und zugleich eine Aufforderung,
der Menschheit dasselbe zu erhalten. Im Jahre 1850
setzte die pharmaceutische Gesellschaft zu Paris einen
Preis von 4000 Francs für denjenigen aus, dem es gelänge
auf chemischem Wege aus andern Pflanzen als die China
einen Stoff zu präpariren, der die therapeutischen Eigen-
schaften des Chinins hätte. Der französische Kriegs-
minister verdoppelte für das nächste Jahr die Summe:
das Problem ist bis heute ungelöst. Dasselbe mit dem-
selben ungünstigen Erfolge that die königliche Akademie
der Wissenschaften in Holland.
In Bezug auf die Anwendung der genannten beiden
Stoffe besteht jedoch ein bedeutender Unterschied. Das
Opium ist einerseits als Heilmittel in gewissen Krankhei-
ten unschätzbar, dient jedoch andererseits in viel grös-
serem Maassstabe als Luxus- und Gewohnheitsartikel.
Seine aufregenden Eigenschaften verheeren und zerstören
die physischen und schwächen die psychischen Kräfte
des Menschen. Wer sich dem Opiumgenusse hingegeben,
ist für immer Sklave desselben; um dieselben Wirkungen
zu erzielen, muss von Tage zu Tage die Dosis vergrös-
sert werden. Es ist dieses ein ungeheures Unglück für
ganz Asien, eine der Ursachen seiner Abhängigkeit von
Europa und Grund der fast durchgängigen geistigen Un-
fähigkeit seiner Bewohner. Der Missbrauch des Opiums
macht ausserdem für seine heilkräftige Wirkung das In-
dividuum unempfänglich.
Nicht so die China: sie dient nur als Heilmittel.
Cultur der China auf Java. 63
Ihr Verbrauch steigert sich jährlich, und obgleich keine
vollständige Statistik darüber existirt, so ist doch diese That-
sache bewiesen. Man sollte demnach auch eine gestei-
gerte Production erwarten. Dem ist aber nicht so, es
scheint im Gegentheile diese sich zu vermindern, und
man kann mit Recht fürchten, dass sie ganz unzulänglich
werden wird, wenn man bedenkt, dass nur ein Theil von
Südamerika die China hervorbringt, dass dieser Baum
keine Wälder bildet, sondern sich nur einzeln findet,
dass das Sammeln der Rinden nicht controlirt wird und
oft in Verwüstung ausartet.
In einem Berichte von Jussieu, Richard und
Gaudi chaud an die Akademie der Wissenschaften
über die Schrift Weddell's: Histoire naturelle des Quin-
quinas liest man: „Es verdient ein ebenso für das Wohl
der Menschheit als für uns wichtiger Punct alle Aufmerk-
samkeit: es ist dies der völlige Mangel eines Gleich-
gewichtes zwischen dem Bedarfe und der Production der
besseren Chinarinden und der schnelle Untergang, welchem
die geschätztesten Arten entgegen gehen." In demselben
Sinne eine andere Stelle: „Man muss gegenwärtig, um
Rinden von guter Qualität anzutreffen, acht bis zehn Tage-
reisen von bewohnten Orten gehen. Die Art der Aus-
nutzung dieses kostbaren Productes ist ganz und gar der
Willkür von Halbwilden überlassen, und wenn man kein
wirksames Gegengewicht gegen ihre Verwüstungen findet,
so werden unsere Nachkommen, wenn nicht das Ausster-
ben der verschiedenen Chinaarten, so doch ihre grosse
Seltenheit zu beklagen haben." In seiner Voyage au nord
de la Bolivie sagt Weddell: „Wer in Europa die enor-
men und täglich wachsenden Mengen der ankommenden
Chinarinden sieht, kann leicht auf den Gedanken kommen,
es werde immer so sein; aber ganz anders muss der den-
ken, welcher in dem Vaterlande dieses Baumes gewesen
ist." — Delondre, welcher die Wälder von Südamerika
bereiste, und Bouchardat beriebten darüber: „Ruiz
beklagte sich 1792 bitter über die geringe Sorgfalt der
64 Boehnke- Reich,
Rindensammler beim Schälen der Bäume. Auch ich
konnte mich nicht enthalten, die Gleichgültigkeit der
Indianer zu bedauern, die den Baum in einer gewissen
Höhe vom Boden anschlagen, um sich nicht bücken zu
müssen, so dass im Allgemeinen nicht die Hälfte der
Rinde eines Baumes gesammelt wird."
Die Furcht, es möchte die Zeit kommen, in welcher
die Chinaproduction dem Bedarfe nicht mehr genügen
wird, ist also nicht ohne Grund, und schon ist der Preis
so bedeutend, dass er bald die Kräfte eines Unbemittel-
ten übersteigen kann.
Angesichts dieser Thatsachen und der vorhergehen-
den Betrachtungen hat das niederländische Gouvernement,
welches seine ganze Sorgfalt der Entwicklung und der
Verwaltung seiner Besitzungen im indischen Archipel)
diesen Quellen nationaler Grösse und Wohlhabenheit,
widmet, zwei Maassregeln ergriffen, deren Ziel und Re-
sultat folgendes ist.
Die erste ist ein Verbot der Mohncultur und der
Opiumfabrikation, damit die Eingebornen diesen Stoff
nicht in Händen haben oder billig kaufen können. Zu
demselben Zwecke und zugleich zum Besten des Fiscus
hat das Gouvernement, überzeugt, dass das Opium aus
englich Indien und Kleinasien doch nicht ausgeschlossen
werden könne, sich den Opiumhandel als Monopol vor-
behalten und verpachtet ihn auf dem Wege der öffent-
lichen Concurrenz an den Meistbietenden der Art, dass
der Preis sich auf das Sechsfache stellt und der Ver-
brauch somit möglichst beschränkt wird. Die Sache hat
aber auch ihre üble Seite, denn die Erlaubniss mit Opium
handeln zu dürfen, wird an Denjenigen verkauft, der
sich contractlich verbindlich macht, die grösste Quantität
umzusetzen und der Regierung abzukaufen. Natürlich
muss und wird der Pächter dann auch jedes in seinem
Bereiche liegende Mittel ergreifen, seinem Opium so" viel
Absatz als möglich zu verschaffen. Statt den Gebrauch
des schädlichen Giftes mit den Jahren zu vermindern,
Cultur der China auf Java. 65
wird auf solche Weise der Umsatz im Gegentheil nur
vermehrt. Die einzige Entschuldigung, welche die Hol-
länder für diese rein finanzielle Sache, der die Moral
geopfert wird, haben und auch geltend machen, ist die,
dass sie den Gebrauch doch nicht verhindern könnten,
und wollten sie es verbieten, so würde Opium geschmug-
gelt werden.
Die zweite Maassregel betrifft die China. In der
Hoffnung, die Lücken auszufüllen, welche schon jetzt
durch die Verminderung der Chinabäume in Südamerika
fühlbar sind und in Zukunft noch fühlbarer zu werden
drohen, in der Hoffnung, der Menschheit nützlich zu sein
und zugleich die Colonie durch eine einträgliche Cultur-
pflanze zu bereichern, hat das Gouvernement beschlossen,
in grosser Ausdehnung die China nach Java zu verpflan-
zen und bei ihrer Pflege und Ausnutzung alle Fortschritte
der Wissenschaft und Erfahrung in Anwendung zu brin-
gen. Es sollten zu diesem Zwecke weder Mühe noch
Opfer gescheut werden; man wollte als tüchtig erkannte
Naturforscher, Botaniker und Chemiker nach Peru und
Bolivia schicken, um Pflanzen und Samen der China zu
sammeln, nach Java zu bringen, zu acclimatisiren und
zu vermehren.
In der Sitzung der Gesellschaft für Acclimatisirung
zu Paris am 5. Juni 1862 unter dem Vorsitze von Drouyn
de Lhuys wurden die schon gewonnenen Erfolge und
die Hoffnungen, welche man für die Anpflanzung hegt,
dargelegt.
Condamine, der 1736 mit Godin und Bouguer
von Quito abreiste, um Meridianmessungen am Aequator
vorzunehmen und die Grösse und Oberfläche der Erde
zu bestimmen, richtete zuerst seine Aufmerksamkeit auf
die verschiedenen Chinarinden, die Chinabäume und ihre
Standorte, worüber er Nachricht gab in seiner Relation
abnvjik d'im voyage faxt alans l'iutrriciu- de VAmerique
meridiouaU (Paria J74. r )), zugleich auch junge Pflanzen
und Samen für Cayenne und Frankreich bestimmt ein-
Arch.d. Pharm. CLXXlII.Hdö. l.u.2. ilft. 5
66 Boehnke - Reich,
schickte, die jedoch bei einem Schiffbruche verloren
gingen.
Joseph Jussieu, der fast 30 Jahre seines Lebens
in Südamerika verlebte, beschäftigte sich mit demselben
Gegenstande. Die Resultate seiner Beobachtungen finden
sich nur in einem gedrängten Berichte in der Histoire de
la Societe royale de medecine 1779 unter dem Titel: Re-
flexions sur deux especes de quinquina decouvertes nouvel-
lement aux environs de Santa- Fe.
Andere Franzosen suchten in anderer Weise die
Chinarinde für die Menschheit nützlich zu machen und
führten das von Condamine begonnene Werk zu Ende.
Es waren Pelletier und Caventou durch ihre für
die Arzneikunde so bedeutende Darstellung des Chi-
nins 1820. Dank dieser Entdeckung existirt keine Un-
gewissheit mehr über diesen wirksamen Stoff der Rinde;
seine Verfälschungen können entdeckt und festgestellt
werden; der Organismus der Kranken wird nicht mehr
mit den unnützen holzigen Theilen der früher gebräuch-
lichen Substanz belästigt; der Arzt kann genau die Dosis
bestimmen, was wegen des verschiedenen und wechseln-
den Gehalts der Rinden an Chinin bis dahin nicht gesche-
hen konnte.
Den Franzosen gebührt der erste Dank der civilisir-
ten Menschheit, sie haben den ersten Grundstein zur
Kenntniss der China gelegt ; die zweite Stelle nimmt Hol-
land ein. Frankreich lieferte ihm die erste gute China,
die Calisaya, welche nach Java importirt und angepflanzt
wurde. Im Jahre 1850 nämlich empfing der in Paris
anwesende Professor der Botanik de Vriese von Thi-
baut und Keteleer die junge Pflanze in Tausch für
javanische Pflanzen. Sie wurde in dem botanischen Gar-
ten zu Leyden bis zu einer Höhe von 0,75 Meter erzogen,
dann nach Java geschickt, in einer Kiste nach der Me-
thode von Ward verpackt, d.h. im Glaskasten mit her-
metischem Verschlusse. Sie starb bald ab, jedoch hatte
man sie durch Stecklinge vermehrt und noch heute
sind mehrere derselben in vollem Wachsthume.
Cultur der China auf Java. 67
Zunächst einige Worte über die China in ihrem
Stammlande, um so Anhaltepuncte zur Vergleichung mit
dem auf Java angewandten Culturverfahren zu erhalten.
Linne gab den Bäumen, welche Chinarinden lie-
fern, den Genusnamen Cinchona nach dem Namen der
Gemahlin des Vicekönigs von Peru Don Geronimo Fer-
nandez de Cabrera, Bombadilla y'Mendoza, Grafen del
Chinchon, die lange Zeit am intermittirenden Fieber litt
und auf den Rath des Correggidor von Loxa, Don Juan
Lopez de Cannizares, durch den Gebrauch der China
geheilt wurde, 1638. Die nach Europa gebrachte China
gab man den Kranken als Pulvis Comitissae, Gräfin-
pulver. Später schickten jesuitische Missionäre eine
grosse Menge der Rinde nach Rom, von wo sie sich
über Italien und ganz Europa unter dem Namen Pul-
vis jesuiticus verbreitete; eben so bekannt war sie als
Talbot' s Pulver, nach dem Arzte Talbot, der durch
dasselbe, als seinem Arcanum, einige hohe Personen
am französischen Hofe heilte und sein Geheimniss an
Ludwig XIV. für 2000 Louisd'or und eine Jahresrente
von 2000 Livres verkaufte. Dies geschah 1671 und
unbegreiflich ist es, wie Talbot (auch Talbort, Tal-
bor) die Chinarinde für ein Geheimmittel ausgeben und
auch Glauben finden konnte, denn 1658 schon wurde
die China Gegenstand des mercantilischen Verkehrs, in-
dem sie ein Antwerpener Kaufmann Thompson öffent-
lich ausbot, und 1664 findet sie sich in dem Tarif von
Lyon mit 4 Sous Steuer für das Pfund belegt, was ihre
Verwendung und Verbreitung anzeigt *).
Die China wurde als Pulver gegeben, obgleich ihr
Salz schon 1739 bekannt war, denn man liest in dem
Journal du voyage fait par ordre du Roi ä Vequateur,
servant d'introduction historique ä la mesure des trois Pre-
miers degrdt du meridien von Condamine (Paris 1751):
»Die China-Ernte machte den Haupttheil des Einkommens
meines Wirthos aus, der seine Besitzung in einem der
*) Robert Tal bor stellte enertt uns der Chinarinde China -
wein, Chinatinetur uud Chinacxtract dar. II. Ludwig.
68 Boehnke- Reich,
besten Landstriche hatte; ich sammelte mir einen Vor-
rath der besten Sorte ; er gab mir aus der frischen Rinde
erhaltenes Extract und Salz, das nach der, ihm vonJus-
sieu während seines Aufenthaltes 1739 angegebenen Me-
thode bereitet war. Ich hatte keine Gelegenheit das Salz
anzuwenden, die Rinde jedoch und das Extract heilten
Fieber in Peru, Cayenne und auf dem holländischen
Schiffe, das mich nach Europa brachte".
Durch die nach Condamine angestellten Unter-
suchungen von Mutis, Ruiz, Pavon, Humboldt und
Bonpland, zuletzt durch Weddell und Delondre,
hat die Geographie der Chinaregion, wie Humboldt sie
nennt, grosse Fortschritte gemacht. Sie erstreckt sich
vom 10° nördl. Br. bis zum 19° südl. Br. in einer Aus-
dehnung von 9 Längengraden. Weddell schätzt sie
auf 2000 Quadratmeilen. Man kennt gegenwärtig 21 als
wirklich echt betrachtete Chinaarten. Delondre und
Bouchardat haben die Wissenschaft der Chinologie
durch eine analytische und comparative Tabelle über
den Chinin- und Cinchoningehalt der verschiedenen Ar-
ten bereichert.
Jede Art hat ihr Besonderes, was Terrain, Höhe und
Temperatur desselben betrifft. Pöppig (Reise in Chili und
Peru 1836) sagt unter Anderem, dass, je höher der Baum
stehe, desto wirksamer die Rinde sei; je tiefer der Baum,
desto unwirksamer die letztere. Er legt grosses Gewicht
auf einen steinigen Boden. Die Verbreitungszone liegt
über der des Pisangs und der Palme. Man findet Cin-
chonen mit Farrnkräutern zwischen 3600 und 9000 Fuss.
Die erforderliche Höhe für die beste Sorte, die Cali-
saya, bestimmt Weddell auf 4600 bis 5600 Fuss. Sie
wächst in dem südlichen Theile von Peru und Bolivia,
nicht weit von dem Wendekreise, wo die mittlere Tem-
peratur schon bedeutend niedriger ist als am Aequator.
Die China Loxa findet sich nach Humboldt auf Glim-
merschiefer und Gneis in den massigen Höhen von 5400
und 7200 Fuss, die C. oblongifolia und caducifolia stei-
gen mehr in das Thal hinab. Humboldt fand grosse
Cultur der China auf Java. 69
Bäume von Condaminea lancifolia auf einer Hohe von
9100 Fuss und C. longifolia bei 2270 Fuss.
Die Höhe allein entscheidet jedoch nichts für die Lo~
calität, welche die verschiedenen Arten erfordern, sondern
ein Zusammentreffen mehrer Umstände. Die Angaben
über die Temperaturen sind noch sehr unvollständig.
Humboldt bezeichnet für C. Condaminea eine mittlere
Temperatur von 16° R. (20° C), für C. lancifolia und ova-
lifolia eine bedeutend niedrigere; Hasskarl giebt für
die Calisaya eine mittlere Temperatur von 60° F. (16°C.)
und selbst 500 F. (10OC.) an.
Wenn die C. Calisaya die reichste an Chinin ist, so
darf man doch nicht schliessen, dass die anderen Arten
wirkungslos seien. Die rothe China vom Aequator, die
gelbe von Santa -Fe, von Pitayo und Carthagena enthal-
ten eben so viel des wirksamen Stoffes. Alle Arten, welche
wenig Chinin enthalten, verdienen weniger unsere Auf-
merksamkeit, denn angenommen, dass ihre Rinde im De-
coct und Extract als Tonicum wohl gute Dienste leisten
könne, so darf man doch nicht aus dem Auge verlieren,
dass die China hauptsächlich als Fiebermittel dienen soll.
Schon 1829 wurden dem niederländischen Gouver-
nement Vorschläge zur Einführung der Chinacultur in
Java gemacht, und diese oft wiederholt. Man rühmt na-
mentlich die Bemühungen des Professors Miquel zu Am-
sterdam in dieser hochwichtigen Sache. Hierdurch wurde
die Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand gelenkt, der
vorher wenig bekannt war, dessen Bedeutung und Nutzen
man aber instinctmässig fühlte. Die ersten Versuche
waren ohne Erfolg. So an erster Stelle das Unternehmen
von Textor in Rotterdam auf die Anregung Mulder's,
des Professors der Chemie in Utrecht. Textor starb,
bevor seine Sendung nach Peru irgend ein Resultat ge-
habt hatte. Rochusen selbst hatte, um der Sache mehr
Nachdruck zu geben, als Generalgouverneur von Nieder-
ländisch- Indien im botanischen Garten von Buitenzorg
auf Java ein aus dem botanischen Garten von Amster-
70 Boehnke -Reich,
dam erhaltenes Exemplar gepflanzt, welches man für eine
gute Cinchone hielt, das sich jedoch später als eine weisse
China ohne die geringste Menge Alkaloid erwies.
Als 1851 das niederländische Gouvernement in Erfah-
rung brachte, dass die französische Regierung Samen der
Cinchone von dem französischen Consul zu Bogota erhalten
und zu einem Acclimatisirungsversuche nach Algier ge-
schickt habe, wandte es sich an dieselbe mit dem Gesuche
um Abtretung eines Theiles der Samen und mit dem
Versprechen, sie nach Java zu verpflanzen und Alles thun
zu wollen, was die Cultivirung befördern könne. Die
französische Regierung nahm den Vorschlag sehr freund-
lich an, aber die genannten Samen wurden direct nach
Marseille und von da nach Algier gesandt, wo man nur
wenige junge Pflanzen erzog, die bald dem glühenden
Hauche des Wüstenwindes erlagen.
Weit davon entfernt, das niederländische Gouverne-
ment zu entmuthigen, trieb dieses erste Misslingen viel-
mehr zu neuen Unternehmungen an. Es hatte gelernt,
dass es nur durch sich selbst etwas erlangen könne, und
ergriff energische Maassregeln, um das Ziel zu erreichen.
Der damalige Minister der Colonien, nachmaliger Gouver-
neur derselben, Pahud, nahm den ihm gemachten Vor-
schlag an, einen Botaniker nach Südamerika zu senden,
um dort junge Pflanzen und Samen der China zu sam-
meln und sie direct nach Java zu schaffen. Er legte den
Plan dem Könige vor und wurde unterm 30. Juni 1852
autorisirt, die nöthigen Schritte zur Realisirung dieses
grossen Unternehmens zu thun, dessen Ausführung dem
frühern Director des botanischen Gartens von Buitenzorg
J. C. Hasskarl anvertraut wurde. Diese glückliche
Wahl fand allgemeinen Beifall. Hasskarl im kräftigsten
Mannesalter war durch langen Aufenthalt in Java an das
Klima der Tropenländer gewöhnt und durch seine frühere
Stellung, durch seine Liebe zur Naturwissenschaft und
besonders zur Botanik für die Mission von grosser Bedeu-
tung. Die Folgezeit hat es bewiesen : denn trotz zahl-
Cultur der China auf Java. 71
loser Schwierigkeiten, die sich ihm in den Weg stellten,
ist sein Unternehmen mit dem besten Erfolge gekrönt
worden und zu vollständigster Zufriedenheit ausgefallen.
Das Gouvernement beachtete wohl, dass für einen
Mann wie Hasskarl diejenige Instruction die beste sei,
welche ihm die grösste Freiheit Hesse, nach den jewei-
ligen Umständen zu handeln. Es beschränkte sich dem-
nach nur auf Angabe der leitenden Grundzüge : er solle
nach Peru und Bolivia gehen, dort eine Sammlung von
jungen Pflanzen und Samen der Cinchonen veranstalten,
nicht allein von der Calisaya, sondern auch von andern
guten Sorten, solle seine Ausbeute theils direct nach Java
durch ein Schiff der königlichen Marine, das nach Callao,
dem Vorhafen von Lima, beordert werden würde, theils
nach Holland expediren. Um durch das Doubliren des
Cap Hörn keine Zeit zu verlieren, sollte er mit dem
Dampfpacketboot von Southampton nach Chagres und über
den Isthmus von Panama nach Guayaquil und Loxa ge-
hen, von da weiter in das Innere des Landes eindringen.
Hasskarl verliess Haag am 4. December 1852 und
schiffte sich am 17. December in Southampton auf dem
Dampfer „La Plata" ein. Er kam am 1. Januar 1853
nach St. Thomas, am 14. nach Aspinwall nahe bei Cha-
gres. Auf die Nachricht, dass er wegen der Regenzeit
seine Excursion in das Innere des Landes einige Wochen
aufschieben müsse, ging er nach Lima. Anfangs Mai be-
fand er sich in den Cordilleren und stieg von da in den
tiefer gelegenen Thcil von Peru hinab; eine gefahrvolle
und ermüdende Reise, die er theils zu Pferde, theils zu
Fuss machte, auf fast ungangbaren Pfaden, die ihn nach
Vitoe und Monobamba führten, wo er die ersten Cincho-
jicii antraf, vorzüglich C. ovata, amygdalifolia und jmbes-
cens, nur in der Gebend von Uchubanib.i sah er C. Ca-
lisaya in grosser Menge. Am 28. Juli 1853 schickte er
die erste Sendung junger Pflanzen und Samen dieser
Arten nach Lima, wo sie sechs Wochen später ankamen,
um nach Holland spedirt zu werden. Die jungen Pflan-
7 2 Boehnke - Reich,
zen wurden nach der Methode von Ward verpackt, nach
Panama transportirt, blieben jedoch durch einen Irrthum
bei der Weiterversendung lange dem Einflüsse des heis-
sen Klimas ausgesetzt und starben alle ab. Die Samen
kamen nach Holland, wo sie an die botanischen Gärten
von Amsterdam und der niederländischen Universitäten
vertheilt wurden.
Von Uchubamba begab sich unser Reisende nach
den südlichen Provinzen, die damals sich in einem Auf-
stande gegen die Regierung befanden, wodurch die Schwie-
rigkeiten und Gefahren der Reise vermehrt wurden. Zu
seiner Freude fand Hasskarl die Cinchonen der Pro-
vinz Carabaya in voller Blüthe und hoffte von ihnen Sa-
men gewinnen zu können, wurde jedoch in dieser Erwar-
tung getäuscht. Ende September 1853 kam er nach Cuzko,
der alten Residenz der Inkas, von da nach Sandia, dem
Hauptorte des Districtes gleichen Namens, dem einzigen
Orte, an welchem nach Hasskarl's Angabe die China
von Peru noch ausgebeutet wird. Er knüpfte eine Ver-
bindung mit einem der erfahrensten Cascarilleros (Caza-
dores de Quina, Rindenjäger) an, um alle Einzelhei-
ten kennen zu lernen, die ihm später von Nutzen sein
könnten. Hier erhielt er Samen der abgeblühten Cincho-
nen ; ferner machte er hier zwei Beobachtungen, die in
die Chinologie mehr Licht bringen. Erstens, dass nirgends
in Peru von Chinawäldern die Rede ist und auch nicht
sein kann, indem die Bäume zerstreut und selten sind.
Während die alten Cinchonen, namentlich die Calisaya,
in dem Districte von Carabaya beinahe nicht mehr vor-
kommen, die Cascarilleros haben sie fast alle gefällt, fin-
den sich auf der andern Seite des grossen Flusses in dem
Gebiete der wilden Indianer noch mehrere. Die zweite
Beobachtung bezieht sich auf die Samen. Die Hülle, in
welcher sie sich befinden, ist ausserordentlich dünn und
zerbrechlich, weshalb die Samen sich durch den Wind
sehr leicht zerstreuen, und es schwer ist sie zu sam-
meln. Die Cinchone pflanzt sich von selbst fort und
Cultur der China auf Java. 73
besitzt so in sich selbst die Garantie für ihr Fortbeste-
hen, trotz der Verwüstungen der Rindensammler.
Ende 1853 kehrte Hasskarl nach Lima zurück,
um dort die gute Jahreszeit abzuwarten. Weil hier
jedoch das gelbe Fieber in seiner ganzen Heftigkeit
herrschte, ging er nach Chili, dessen besseres Klima ihm
Kräfte und seine durch Mühseligkeiten und Entbehrungen
zerrüttete Gesundheit wiedergab. Die Ankunft der kö-
niglichen Fregatte, welche ihn und die Ausbeute seiner
Reise nach Java bringen sollte, bald vermuthend, hielt
er sich einige Zeit in Arequipa auf, um eine Sendung
in Lima bestellter Ward'scher Kisten zu erwarten, und
machte dann nach Hinterlassung eines Briefes an den
Commandeur der Fregatte eine neue Reise in das Innere
des Landes zur Fortsetzung seiner Untersuchungen. Er
richtete seine Blicke nach Bolivia, weil dort nach einer
ihm gewordenen Nachricht in gewissen Gegenden des
Landes, Manchas genannt, die C. Calisaya noch in gros-
ser Zahl und viel kräftiger und stärker vorkommen sollte,
als in andern Landestheilen.
Unglücklicher Weise war Peru im Kriege mit Bolivia,
man hatte jedoch dem Reisenden die Versicherung gege-
ben, dass das Verbot, die Grenze zu überschreiten, auf-
gehoben sei. Er kam von la Paz nach Sutchis, einem
Dorfe auf der Grenze von Bolivia, erfuhr hier, dass der
Eintritt in das Land verboten sei, ging nach Peru zurück
und machte, an der Grenze hinziehend, mehrere Versuche
nach Bolivia zu kommen in Gesellschaft von Cascaril-
leros, den einzigen, für welche nach gegenseitigem Ueber-
einkommen das Grenzverbot keine Geltung hatte. Bei
diesen Versuchen entdeckt und als Spion behandelt, gab
er endlich seinen Plan, in Bolivia einzudringen, auf. Nach-
dem er mit den Cascarilleros Lieferungsverträge für junge
Chinapflanzen und Samen aus dem Innern des ihm un-
zugänglichen Gebietes abgeschlossen hatte, ging er von
neuem nach Sandia, wo er seine Untersuchungen in gan-
zer Ausdehnung unbehindert vornehmen konnte. Hier-
74 BoehnkeReichj
her wurden ihm 400 Exemplare der C. Calisaya aus
Bolivia von dem Führer einer Abtheilung Rindensammler
geschickt. Ein anderer, der sich für Lieferung von Sa-
men verpflichtet und die Bezahlung dafür im Voraus er-
halten, Hess nichts wieder von sich hören.
Grosse Schwierigkeiten hatte Hasskarl, seinen Schatz,
diese 400 Pflanzen, auf einer Strecke von 150 Lieues
(90 Meilen) von Sandia bis zu dem Orte der Einschiffung
auf einem eben so schwierigen als gefährlichen Wege zu
transportiren. Er musste die Pflanzen hinlänglich feucht
erhalten, damit sie durch die trocknen Winde und die
glühenden senkrecht herabschiessenden Sonnenstrahlen nicht
verdorrten; er musste sie am Tage gegen die grosse Hitze
schützen und Nachts gegen die auf den Höhen herrschende
so empfindliche Kälte, dass im Juli und August Eis sich
bildet. Es war unmöglich, die Wurzeln in der Erde zu
lassen, weil das sehr bedeutende Gewicht eine grosse An-
zahl Maulthiere erfordert haben würde, sie wurden in
Moos gehüllt, das man befeuchtete. Um die jungen Pflan-
zen und ihre Zweige zu bewahren, wurden sie in Pisang-
rinde gepackt und mit grober Leinwand fest bedeckt.
In Sandia fand man keine Pisangs : sie mussten aus
den Ebenen herbeigeschafft werden; das nöthige Moos
wurde aus den Bergen gesammelt ; es waren nicht genug
Stricke zusammenzubringen: sie mussten, so gut oder so
schlecht es ging, aus dem Baste eines Baumes gedreht
werden, den die Eingeborenen Panaho nennen. Schwer
war es, alle diese Hindernisse in einem Lande zu über-
winden, das so wenig Hülfsquellen bietet und dessen Be-
wohner eben so träge als geistig beschränkt sind. Die
grosste Schwierigkeit machte die Herbeischaffung einer
ausreichenden Zahl Maulthiere für die ganze Karavane.
Am 8. Juni 1854 verliess Hasskarl Sandia mit der
Absicht, seine Reise so viel als möglich zu beschleunigen,
um die Pflanzen dem grossen Temperaturwechsel baldigst
zu entziehen und um nicht in die Hände der Streifcorps
der kriegführenden Mächte zu fallen, für welche Alles
Cultur der China auf Java. 75
gute Beute ist. Mehrere Maulthiere fielen und bei Azan-
gora weigerten sich die Maulthiertreiber weiter zu gehen.
Es mussten Andere gesucht werden, was grosse Mühe
machte, da die Meisten zum Waffentransporte nach Cuzko
requirirt waren.
Hasskarl überwand alle Hindernisse und kam wohl-
behalten mit seinem Geleite in Arequipa an, wo er einen
Brief des Commandeurs der königlichen Segelfregatte
v Le Prince Frederic" empfing, der ihn von seiner An-
kunft benachrichtigte und ihm mittheilte, dass er den Rei-
senden, falls er ihn nicht in Islay träfe, in Callao erwar-
ten würde. Hasskarl machte sich auf den Weg nach
diesem Hafen, hatte aber unterwegs wieder neue Müh-
seligkeiten zu bestehen, besonders durch die Bewegungen
der feindlichen Truppen und den Mangel an Lastthieren.
Die Sendung der Ward'schen Kisten aus Lima blieb
ebenfalls aus, und diese mussten aus Islay bezogen werden.
Die Genugthuung hatte dieser verdiente Reisende, dass trotz
des vierwöchentlichen Abschlusses der Pflanzen von Luft
und Licht diese bis dahin in gutem Zustande waren. End-
lich am 7. August kam er zu Callao an, die Kisten wurden
an Bord gebracht, und am 21. August 1854 war die Fre-
gatte segelfertig. Sie verliess den Hafen von Callao, legte
nach 10 Tagen an den Sandwichsinseln bei, berührte die
Marianen oder Ladronen und verfolgte durch das chine-
sische Meer ihren Cours nach Java. 140 Meilen von den
Philippinen hatte sie einen heftigen Sturm auszuhalten,
der sie zwang Macassar anzulaufen, wo sie am 3. Decem-
ber anlangte, um ausgebessert zu werden. Um nicht
seine Sammlung, die schon auf dem Meere durch grosse
Hitze hatte leiden müssen, der klimatischen Einwirkung
länger als nöthig auszusetzen, ging Hasskarl an Bord
dos königlichen Marinedampfers „Le Gedeh", der in Ma-
<;;tssar stationirt war und ihn nach Batavia brachte, wo er
am 13. December ihm anlangte. Die Kisten wurden bal-
digst nach ßuiteozorg transportirt und von da nach Tji-
parinas, auf der grossen Strasse von Batavia nach Bui-
tenzorg im Westen der Insel gelegen.
76 Boehnke - Reich,
Am Abhänge des Vulkans Gedeh, 10,500 Fuss hoch,
liegt in einer Höhe von 3000 Fuss eine Villa, die der
Generalgouverneur zeitweilig besucht und wo eine Neben-
anstalt des botanischen Gartens von Buitenzorg sich be-
findet für Pflanzen, die in der Ebene nicht fortkommen.
Der Generalgouverneur übertrug Hasskarl die Lei-
tung der Chinacultur. Dieser fand, einen eifrigen und
gebildeten Mitarbeiter an Teysmann, Director des bo-
tanischen Gartens, der schon vor der Ankunft Hasskarl's
sehr thätigen Antheil an der Acclimatisirung der China in
Java genommen hatte. Durch seine Sorgfalt war das
Exemplar der C. Calisaya, welches de Vriese 1850 von
Thibaut und Keteleer erhalten und Ende 1851 nach
Java geschickt hatte, ebenso vonWillink in Amsterdam
erhaltene C. Calisaya und pubescens auf Tjipannas ange-
pflanzt, so wie auch die aus Samen in Holland gezoge-
nen und durch den Minister der Colonien eingeschickten
Exemplare. Die Samen waren mit folgenden Bezeich-
nungen übergeben :
1. Cinchona Condaminea lancifolia, in Neu - Granada
von Karsten gesammelt und durch den niederländischen
Generalconsul in Caracas de Lansberge eingeschickt-
Man erzog daraus einige junge Pflanzen im botanischen
Garten zu Leyden.
2. C. amygdalifolia Wedd., durch Hasskarl nach
Holland geschickt, von da nach Java gebracht.
3. C. Calisaya, aus dem Thale von Sandia. Die
eine Hälfte der Samen wurde an die botanischen Gärten
von Holland vertbeilt, die andere nach Java geschickt.
4. C. Calisaya Wedd. var. josephiniana. Die dem
botanischen Garten zu Leyden übergebenen Samen trie-
ben nicht.
5. C. pubescens, an die botanischen Gärten in Hol-
land vertheilt.
6. C. ovata R. u. Pav. (Cascarilla crispilla chiqua.)
Die Notiz, welche dieser Species beigegeben war, sagt,
dass sie aus Uchubamba (Peru) stamme, aus einer Höhe
Cultur der China auf Java. 11
von 5600 par. Fuss und von der Sonne ausgesetzten Ab-
hängen. Sie spielt in der Geschichte der China -Accli-
matisirung auf Java eine grosse Rolle. Es wurde später
erkannt, dass sie keine ovala sei, worauf sie den Namen
lucumaefolia erhielt, den Howard später auf den Vor-
schlag von Junghuhn in Pahudiana umwandelte nach dem
Namen des Ministers Pahud, der Hasskarl seine Mis-
sion anvertraute und 1856 das Gouvernement von Nieder-
ländisch -Indien übernahm.
Hasskarl fand also bei seiner Ankunft in Java
schon mehrere Cinchonen, deren Samen meistentheils von
ihm gesammelt und eingeschickt waren, von Teysmann
cultivirt vor zu Tjipannas in 4400 Fuss und zu Tjibodas
in 4800 Fuss Höhe, wo sie in einem jungen zu diesem
Zwecke hinlänglich gelichteten Gehölze in Entfernungen
von je 20 Fuss angepflanzt waren.
Die 21 von Hasskarl direct aus Amerika gebrach-
ten Kisten mit den 400 ihm als C. Calisaya von Bolivia
nach Sandia geschickten Pflanzen wurden geöffnet: eine
grosse Zahl derselben war todt oder in schlechtem Zu-
stande. Die officiellen Berichte geben keine Zahlen an,
sie geben ferner keine Notizen über die von Hasskarl
übergebenen oder aus Holland bezogenen Pflanzen, son-
dern man erfährt aus ihnen nur die Anzahl der überhaupt
vorhandenen Bäume, nach Arten gesondert. So führt
einer der ersten Berichte als im Wachsthum befind-
lich an :
Cinchona Calisaya 40
„ ovata 33
„ lancifolia 6
79,
wovon ein Drittheil in gutem Zustande war, 9 Exemplare
boten wenig Aussicht auf Erhaltung, doch hatte die Mehr-
zahl der jungen Stecklinge zahlreiche Triebe.
Hasskarl setzte; Teysmann's Werk fort, indem er
Tjipannas und Umgegend als erste Pflanzschule i'ür die
Chinacultur auswählte, nicht um sie hierauf zu beschrän-
78 Boehnke- Reich,
keii, sondern mit der Absicht, die Bäume später nach
verschiedenen Puncten der Insel zu versetzen. Die jun-
gen Cinchonen, welche er aus Südamerika mitgebracht
und welche die Hitze und den Transport ausgehalten
hatten, pflanzte er in verschiedenen Höhen zwischen 4000
und 5000 Fuss. Unglücklicher Weise hatte die Anlage
viel von Stürmen zu leiden, die sich ab und zu erhoben
und die Ursache waren, dass wiederum mehre Exem-
plare zu Grunde gingen oder stark beschädigt wurden.
Diese Verluste entmuthigten Hasskarl und Teysmann
nicht, weiche zugleich beobachteten, dass die Cinchone
hier sich nicht wie in ihrem Stammlande allein durch
ihre Samen fortpflanze, dass man dieses jedoch durch
Stecklinge erreichen könne, obgleich es viele Mühe macht
und eine besondere Methode verlangt.
Der Bestand der Pflanzung auf Tjipannas und Tji-
bodas war am 1. Juni 1856 :
Cinchona Calisaya kleiner als 25
Centimeter.
. 1
25—50
»
50—75
n
9
75—100
n
12
100—125
•n
17
125—150
i>
4
43.
Cinchona ovata kleiner als 25 Centimeter . . .
28
25—50
n
2
50—75
n
2
75—100
n
6
100—125
T)
16
125—150
n
18
150—175
n
16
88.
Ferner befanden sich 1030 Stecklinge in den Ge-
wächshäusern bei einer mittlem Temperatur von 29,8° C.
Das Resultat des grossen Unternehmens war demnach
ein gutes, und neue gute Aussichten eröffneten sich, als
Cultur der China auf Java. 79
durch die unablässige Sorge des Ministers der Colonieen
zwei fernere Sendungen von Pflanzen nach Java gebracht
wurden, die inzwischen in Holland aus Samen erzogen
waren. Die erste Sendung aus dem botanischen Garten
zu Leyden bestand aus 3 Kisten mit 50 schönen Exem-
plaren C. Calisaya, 88 C. ovata, 6 C. lancifolia. Das
Schiff, welches diese Kisten überbrachte, verliess Hol-
land am 1. September 1856 und kam am 7. December
desselben Jahres in Batavia an. An seinem Bord befand
sich der Naturforscher Jung hu hn, der wissenschaftlichen
Welt bekannt durch seine Schriften über Java und die
anderen Inseln des indischen Archipels. Der Minister
hatte ihm die Aufsicht über diese kostbare Sendung über-
tragen, und er hatte seine Aufgabe den Erwartungen ge-
mäss gelöst : nur 10 Exemplare waren während der Reise
abgestorben. Bald nach ihrer Ankunft wurden die Pflan-
zen nach Tjiniroeang auf dem Plateau des Berges Ma-
lawar im Mittelpuncte der Provinz Preanger gebracht
und in Hohen von 5000 — 6000 Fuss angepflanzt. Eine
zweite Sendung Chinapflanzen aus dem botanischen Gar-
ten von Utrecht, deren Reise länger dauerte und die nicht
unter der Obhut eines Junghuhn stand, enthielt bei
ihrer Ankunft nur noch 7 Exemplare in gutem und 13
in mittelmässigem Zustande, von welchen mehrere später
in Tjiniroeang eingingen.
Unglücklicher Weise verschlimmerte sich der Gesund-
heitszustand II asskarl's, so dass er sein Amt niederlegen
und nach Europa zurückkehren musste. Junghuhn
wurde sein Nachfolger und widmete von da an seine
ganze Thätigkeit den Pflanzungen. Er folgte nicht den
Versuchen seines Vorgängers, sondern verliess die Ab-
hänge des Gedeh, Tjipannas und Tjibodas, zog das erhöhte
Plateau des Malawar vor und gründete hier 11 Gehege in
Höhen von 4330 — 6600 Fuss mit einer mittleren Tempe-
ratur von 10 — 1 4|3°C. Es bewogen ihn dazu die Boden-
beechaffenheitj das Klima und mehrere andere Ursachen,
die ihm seine Abänderung zu rechtfertigen schienen. In
80 Boehnke-Beich,
seinem Eifer ging er zu weit, indem er die Bäumchen
und kaum ins Wachsthum getretenen Pflanzen nach Tji-
niroeang versetzte; denn, wenn man dem Urtheile Teys-
mann's glauben darf, es gingen in Folge der Verpflan-
zung nicht nur mehrere Exemplare ein, sondern das all-
gemeine Wachsen wurde auch bedeutend verzögert.
Zu erwähnen ist hier eine sehr interessante Schrift
Junghuhn' s, die er bald nach Antritt der Direction
abfasste • Guide ou Instruction pour la culture des Cincho-
nas. Sie besteht aus 11 Capiteln, von welchen jedes eine
ausführliche Darstellung enthält. Veröffentlicht ist sie in
der Revue industrielle de Java 1858, T. V. Livr. 1. 2.
Junghuhn stellt den Satz auf: man müsse jeder China-
species, so weit es möglich ist, einen Boden geben, wel-
cher der mittlem Temperatur ihres Stammlandes entspricht
und dessen Vegetation der südamerikanischen gleicht,
woher man die Species bezogen hat. Er giebt dann eine
Nomenclatur und Vergleichung der Flora von Java mit
der von Amerika für die vier auf dem Plateau von Ma-
lawar cultivirten Arten mit Angabe der respectiven Hö-
hen, fügt Regeln für das Pflanzen, Beschatten und Be-
wässern der jungen Setzlinge bei, giebt bis ins Kleinste
an, wie man diese erhalte, spricht über die Pflanzschu-
len, die schädlichen Insekten, über den Schutz der Ge-
hege gegen den Einbruch wilder Thiere, wie Büffel, Rhi-
noceros, Tiger, Eber und Hirsche.
Später publicirte er einen Bericht über den Bestand
im August 1857, Ende 1859 einen andern über den Zu-
stand der Anpflanzungen.
Obgleich Junghuhn seine Vorliebe für das Plateau
von Malawar gezeigt hatte, fühlte er doch die Nütz-
lichkeit, wenn nicht Nothwendigkeit, die Versuche über
mehrere Puncte Javas auszudehnen. Er begann Neben-
pflanzungen anzulegen, besonders auf den Bergen Ken-
deng, Tangkoeban Praoe, in der Provinz Preanger und
zu Wonodjampi, auf dem Berge Ajang im Südwesten von
Cultur der China auf Java. 81
Java, auf der Insel Bali, wo die Luft trockner und klarer
ist als in den bewaldeten Gegenden des westlichen Java.
Ende 1859 war die Totalsumme der Bäume in vol-
lem Wachsthum :
Cinchona Calisaya 800
„ ovata (lucumaefolia s. Pahudiana). . . .28269
„ lanceolata 45
„ succirubra. ; 35
„ lancifolia 14
29163.
Hierzu kommen noch mehrere Tausend junge Pflanzen
in den Treibhäusern.
Man kann hieraus den Schluss ziehen, dass das Gou-
vernement nichts versäumt hat, was für die Cultur der
China förderlich war.
Um die Versuche zu vervollständigen, musste man
auch die chemischen Erfahrungen zu Rathe ziehen ; man
musste, um nicht der reinen Empirie zu verfallen und
um die Wissenschaft mit der Praxis zu vereinigen, den
Boden, die Pflanzen und ihre Producte analysiren. Es
wurde Junghuhn der Chemiker de Vry beigegeben,
der schon Proben seiner Befähigung abgelegt und einen
Lehrstuhl für Chemie und Physik an der klinischen Schule
zu Rotterdam inne hatte.
Im Jahre 1859 zählte man 800 Stämme C. Calisaya,
gegenwärtig sind 11504 im besten Wachsthume. Sie ist
nach dem Urtheile der erfahrensten Chinologen die beste
Species, und man hatte von den ältesten abgeblühten
Exemplaren Samen zurückbehalten. Ihre Rinde enthält
nach de Vry so viel Alkaloid, als die C. Calisaya von
Bolivia nach den Tabellen von Dclondrc und B o li-
eh ar da t enthalten muss. Das aus der Rinde der Cidi-
gaya von .Java dargestellte Chinin wurde auf der Ausstel-
lung in London mit dem ersten Preise gekrönt. Pdan
furchtet noch, dass diese Cinchone in Java nicht die
ise erreichen werde, wie in ihren Stammlande, und.dase
sie sich hier nicht wie dort durch Ausstreuen ihrer Sa«
Arch.d.Pharm.CLXXIII.Dds.l.u.2.nft. 6
82 Boehnke- Reich,
men fortpflanze ; aber man kann mit der Frage antworten :
warum sollte ein Baum mit Beibehaltung aller seiner
Elemente seine bisherigen Eigenschaften verlieren? Man
wird dann von alten niedrigen Stämmen die Rinde sam-
meln und durch Verpflanzung in grosser Zahl für ferne-
res Bestehen sorgen.
Die C. ovata, welche Junghuhn lucumaefolia, Ho-
ward Pahudiana genannt hat, ist über alles Erwarten
gut gediehen. Es scheint ihr der Boden von Java be-
sonders zuzusagen, sie macht keine grossen Ansprüche
und entwickelt sich kräftig auf geringern Höhen, als sie
die C. Calisaya verlangt. So hat sie sich in demselben
Verhältnisse wie diese geschätzteste Species vermehrt.
Es ergiebt sich jedoch nach de Vry das durchaus unbe-
friedigende Resultat, dass die Rinde der C. Pahudiana
kein Alkaloid enthält. Immer ist es in der Wurzel ent-
halten, aus welcher Thatsache Junghuhn die Hoffnung
schöpft, dass mit dem zunehmenden Alter des Baumes
das Chinin auch in die Rinde übergehen würde. Wed-
dell hat die, von Bidtel bestätigte, Beobachtung ge-
macht {Erdmann' s Journal, Bd. LXL), * dass die meisten
Cinchonen in den jungen Rinden viel weniger Alkaloid
enthalten als in den alten ; es scheint, als ob das Cincho-
nin zuerst entstehe, später das Chinin, welches sich mehrt,
während das Cinchonin sich vermindert.
Rochusen theilt diese Hoffnung nur in geringerem
Grade nach Allem, was er darüber erfahren hat, und was
Howard darüber urtheilt, der diese Species zu C. Cara-
bayensis classificirt, deren W e d d e 1 1 nicht besonders rühm-
lich gedenkt, indem er sagt: „Ihre Rinde, die der C. jo-
sephiniana sehr ähnlich ist, wenn schon diese im Allge-
meinen glatter ist, wird, so viel ich weiss, hier gar nicht
für den Handel gesammelt, da sie von so geringer Dicke
ist, dass das Schälen fast keinen Vortheil bringt". Die
Rinde der C. Pahudiana ist sehr dünn und enthält kein
Chinin, sondern nur geringe Mengen Aricin ; die Idee,
Chinin allein aus den Wurzeln darzustellen, ist nach
Cultur der China auf Java. 83
Rochusen ganz unzulässig und verdient nicht in Erwä-
gung gezogen zu werden. Sehr bedauerlich ist es, dass
diese Species mit Hintansetzung anderer besonders culti-
virt ist. Das Gouvernement hat deshalb den Befehl erlassen,
die C. Pahudiana nicht weiter zu vermehren und sich
mehr den an Chinin reichen Arten zuzuwenden. Es fin-
den sich auf Java ausser der C. Calisciya noch die guten
Species C. succirubra, C. lanceolata und C. lancifolia.
Die erhaltenen Resultate sind noch nicht völlig ent-
scheidend. Es wäre verfrüht, zu erklären, dass das Werk
gelungen sei ; es ist jedoch auch nicht zu viel gesagt,
wenn man behauptet, Erfolge wären vorhanden. Die er-
sten und grössten Schwierigkeiten sind überwunden, noch
aber sind Zweifel und Ungewissheit vorhanden. Bei dem
festen Willen und der Ausdauer, die man den Holländern
nicht absprechen kann, verbunden mit den ungeschwäch-
ten Bestrebungen des Gouvernements und den Mitteln,
welche der Colonialverwaltung zu Gebote stehen, kann
man sicher auf Erreichung des Zieles hoffen und darauf,
dass die Erfolge die gebrachten Opfer und die Sorgen
wieder ausgleichen werden. Das ruht im Schoosse der
Zukunft! Ende des 17. Jahrhunderts war der Kaffee auf
Java unbekannt. Die ostindische Compagnie, erkennend,
dass die Cultur dieser aromatischen Frucht von grossem
Vortheile sein würde, schickte Agenten nach Arabien,
wohin der Kaffee aus dem Innern Aethiopiens verpflanzt
war, um ihn auch in Java einzuführen, das durch seinen
bergigen Boden für die verschiedensten Vegetationen ge-
eignet ist. Der erste Versuch datirt von 1690. Die
Schwierigkeiten waren so gross, das Misslingen so voll-
ständig, dass man 172Ö in dem Archive des Gouverne-
ments liest: „Die wiederholten, stets erfolglosen Versuche,
den Kaffee in Java zu eultiviren, haben hinlänglich ge-
zeigt, dass (fieser daselbst nicht gedeihe " Die Zeit der
Kntmuthigung ging schnell vorüber, man brachte gros-
sere Opfer, wandte melir Sorgfalt auf und kam zum Ziele.
II« fllta producirt Java nach Brasilien den meisten Kaffee
6*
84 Boehnke- Reich,
von guter Qualität; und das niederländische Gouverne-
ment zieht aus dieser Culturpflanzung die bedeutendsten
directen und indirecten Einkünfte.
Derselbe Geist der Ausdauer und dasselbe Bestreben
herrscht auch in diesem Jahrhundert. Als 1816 die Co-
lonie von England an Holland zurückgegeben war, wurde
mit bestem Erfolge und in grosser Ausdehnung Thee,
Indigo, Cochenille und Vanille eingeführt. Die ersten
Versuche gelangen nicht immer : man harrte aus und
überwand schliesslich die Hindernisse. Warum sollte
man nach solchen Erfahrungen an dem Gelingen der
Chinacultur zweifeln und die Hoffnung auf einen endlichen
vollständigen Erfolg aufgeben ?
Man schmeichelt sich noch heute mit der Hoffnung,
dass die C. Pahudiana, deren Rinde bis jetzt sehr un-
günstige .und schwankende Resultate in Betreff der China-
basen lieferte, in analoger Art wie alle Cinchonaspe-
cies in ihrer natürlichen Heimath, fortfahren werde im-
mer mehr Chinin zu entwickeln und in der Stammrinde
niederzulegen, wiewohl Howard solches nicht für wahr-
scheinlich hält. Man betrachtet es aber, selbst wenn sie
auch nicht damit, sondern nur mit der Erzeugung und
Vermehrung der Chinabasen in der Wurzelrinde fortfah-
ren sollte, für einen grossen Gewinn, indem man dann
die Stämme einander viel näher, als es sonst wegen
einer gehörigen Entwickelung derselben geschehen dürfte,
pflanzen und das Chinin u. s. w. aus der Wurzelrinde
darstellen könnte. Es taucht also in neuester Zeit wie-
der dieser Vorschlag auf, den, wie oben erwähnt, Ro-
chusen ganz abweist.
Wie grossartig die Cultur der Chinabäume auf Java
nach de Vry fortschreitet, nachdem man die Fortpflan-
zung durch Samen erzielt hat, davon liefern die neuesten
Berichte Beweise. Während im December 1859 die An-
zahl der Chinabäume auf allen Stufen ihrer Entwickelung
bis zu 24 Fuss hohen Stämmen bereits 100,133 betrug,
war sie im December 18G0 auf 959,191 und im Decem-
Cultur der China auf Java. 85
ber 1861 auf 1,160,971 gestiegen und umfasste sie zur
letzten Zeit :
Cinchona Calisaya 11,504
„ succirubra 53
„ lancifolia 113
Pahudiana . . . . . 1,149,301
1,160,971.
Europa hat seinen Blick auf dieses Unternehmen
gerichtet, welches sein höchstes Interesse erregt hat: es
gilt, dem Arzneischatze ein unersetzliches Specificum zu
erhalten und den Kranken vor Kosten zu sichern, die
seine Mittel vielleicht übersteigen. Es war ein Act der
Humanität, als das niederländische Gouvernement dieses
Werk unternahm und förderte : es verlangt kein Mono-
pol, es verbirgt sich nicht unter dem Schleier des Ge-
heimnisses. Die englische Regierung schickte einen
Agenten, Dr. Anderson, nach Java. Er fand die zu-
vorkommendste Aufnahme, er besichtigte alle Pflanzungen,
und man gab ihm nicht allein jede Auskunft, sondern
auch junge Pflanzen und Samen von allen Species. Man
findet das Hauptsächlichste über seine Reise in dem Jour-
nal von Calcutta : Friend of India, vom 10. April 1862.
Gegenwärtig ist Anderson durch den Generalgouver-
neur beauftragt, die Cultivirung der China in Ostindien
zu versuchen in Darjeeling in der Hauptkette des Hima-
laya und auf dem Gebirge Khasia, dessen Klima milder
ist als das von Darjeeling.
Nach zwei neuen Mittheilungen in der Medical Times
and Gazette 1861 und 1862 scheint sich die Cultur
der Chinabäume im englischen Indien sehr günstig zu ge-
stalten und sich sowohl auf den Neilgherry- Gebirgen als
auf Ceylon und den östlichen Zügen des Ilimalaya in
hoffnungsvollem Betriebe zu befinden. Es ist geglückt,
alle werthvollen Cinchona-Arten in die Plantagen einzu-
führen, die meisten aus Samen erzogen, welche Pritchett
in Peru und Spruce in der natürlichen Chinazone ge-
sammelt und eingeschickt hatten. Hoffen wir, dass auch
dieses Unternehmen mit Erfolg gekrönt werde !
86 Beier,
lieber das Saftsteigen in den Bäumen zur
Frühjahrszeit ;
von
Dr. Beier,
erstem Assistenten am Tharander Laboratorium *).
Obgleich der Zweck nachstehender Untersuchungen
eigentlich nur die Ermittelung der chemischen Bestand-
theile des sogenannten Frühjahrssaftes war und na-
mentlich die quantitative Analyse einiger solcher Säfte, so
dürfte es doch am Platze sein, auch über die bis jetzt
gemachten physiologischen Beobachtungen bei der Saft-
bewegung hier einmal einen Ueberblick zu geben.
Seit man überhaupt diesen Gegenstand der Unter-
suchung unterworfen hat, stehen sich immer zwei Ansich-
ten gegenüber. Von den Anhängern der einen Ansicht
wird das Bestehen eines absteigenden Saftes in besonde-
ner Organen behauptet, von den Anhängern der andern
wird dies geleugnet und eine allgemeine Saftvermischung
angenommen. Die zweite Ansicht ist jetzt wohl als be-
seitigt zu betrachten, und es ist nur zu verwundern, dass
sie noch in neuerer Zeit Vertheidiger gefunden, da schon
die ältesten Untersuchungen gegen sie sprachen.
Zu den vorzüglichsten früheren Untersuchungen über
diesen Gegenstand gehören die von H. Cotta in Tharand.
In seinen Naturbeobachtungen über die Bewegung und
Function des Saftes beweist er zuerst durch exacte Ver-
suche mit gefärbten Flüssigkeiten, in welche hinein er
Zweige stellte, dass der sogenannte rohe Nahrungssaft, der
die von den Wurzeln aufgenommenen mineralischen Stoffe
enthält und aufwärts führt, nicht in der Rinde, son-
dern allein im Holze aufsteigen müsse, denn nur dieses
fand er durch die rothe Flüssigkeit immer gefärbt. Dass
*) Aus Prof. Adolph Stock ha rdt's „Der chemische Ackers-
mann" 11. Jahrg. 1865, No. 1. von Hrn. Dr. Beier mir init-
getheilt. H. Ludwig.
das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit. 87
der rohe Saft nicht in der Rinde emporsteigt, beweist
er durch einen Versuch mit einem jungen Baume, dessen
Schaft mehre Zoll hoch von aller Rinde ringsum entblösst
war. Sodann verfolgte er den Saft bei seinem Wege durch
die Blattstiele in die Blätter, und beobachtete, wie er sich
in letzteren vertheilt.
Die Frage, ob von den Blättern abwärts eine Saft-
bewegung statt finde, beantwortet er bejahend durch Rin-
gelungsversuche, bei denen er die bekannte Wulstbildung
oberhalb der von der Rinde befreiten Stelle, und das Feh-
len dieses Wulstes unterhalb derselben beobachtet. Da-
mit beweist er zugleich, dass die Rinde vorzugsweise
das leitende Organ des abwärts steigenden Saftes sei, und
nennt nun denselben, in Folge seiner von dem rohen durch
das Holz aufsteigenden Safte abweichenden Eigenschaften,
den Bildungssaft. Durch diese Benennung bezeichnet
er denselben als das für die Ernährung und das Wachs-
thura der Pflanze unumgänglich nothwendige Material,
und nennt die Blätter die Werkzeuge, in welchen, unter
dem Einfluss des Lichtes und der Wärme, die aus dem
Boden entnommenen Nährstoffe mit den durch die Blät-
ter aus der Luft aufgenommenen die mannigfachsten Zer-
setzungen erleiden. Das Product dieser Zersetzung ist
nach ihm der absteigende Bildungssaft.
Seine weiteren Untersuchungen führen ihn dahin, dass
die Bewegung dieses Saftes sich bis in die äussersten
Wurzeln erstrecke. Zugleich stellt er den Satz auf, dass
der von den Wurzeln aufgenommene rohe Saft nicht un-
mittelbar da, wo er in diese tritt, zur Ernährung befähigt
Bein könne, sondern in den Blättern erst verarbeitet sein
müsse, um diesem Zwecke zu dienen.
Dass der rohe sowohl, als auch der Bildungssaft
einer horizontalen Bewegung fähig sei, zeigt er durch
Einkerbung einen Stämmchens auf zwei Seiten, so zwar,
dass alle aufsteigenden Oefässe durchschnitten waren. Den-
noch wurde das Waehsthum nicht gebindert. Beim Bil-
dungssaft beobachtete er die horizontale Bewegung an den
88 Beier,
Saftwulsten, die bei einem schraubenförmig geringelten
Stamme mit den Schraubengängen gleichlaufend sich zei-
gen. Auch von einer der gewöhnlichen Richtung entgegen-
gesetzten Bewegung überzeugt er sich durch Stecklinge, die
er verkehrt in die Erde bringt, und die sehr gut fort-
kommen.
Ohne auf die weiteren Untersuchungen über den
Uebertritt des Bildungssaftes in den Splint, und auf die
Folgerungen daraus, so wie auf die Ansichten Cotta's,
andern damaligen Forschern gegenüber, einzugehen, sei
nur noch erwähnt, dass diese Arbeit wesentlich dazu bei-
trug, die Kenntnisse von der Saftbewegung aufzuhellen.
Eine Beobachtung des Stoffumsatzes bis in die Elementar-
organe, so wie eine genauere chemische Kenntniss der
pflanzlichen Bildungsstoffe, ist bei dem damaligen Stande
der Pflanzenphysiologie und der Chemie von den älteren
Untersuchungen natürlich nicht zu erwarten.
Die Beobachtungen von Duhamel sind in vielen
Fällen dieselben. Er weist unter anderen nach, dass auch
im Holze Bildungssaft enthalten sein könne. Er schützte
Ringwunden luftdicht vor dem Austrocknen, und fand
dann am Holzkörper neue Substanz gebildet, die später
Rinde lieferte. In neuerer Zeit sind diese Versuche durch
Trecul bestätigt worden. Derselbe erklärt die äussersten
jungen Holzschichten als diejenigen Organe, aus welchen
diese, aus dünnwandigen Zellen bestehenden Wucherungen
hervorgehen. Das Material entnehmen sie aus den im
Holze befindlichen Bildungsstoffen, und kann demnach
die Neubildung auch ohne Gegenwart von Rinde vor sich
gehen, so lange noch Bildungsstoffe im Holze vorhanden
sind. Auch die Wahrnehmung DuhameTs, dass die
Rinde fähig sei, aus ihren eigenen Gebilden Holz zu er-
zeugen, bestätigt Trecul durch Versuche.
Sämmtliche ältere Untersuchungen gehen schliesslich
auf den Schluss hinaus: dass durch die Thätigkeit der
Blätter der rohe Nahrungssaft, welcher nicht zur Bildung
von pflanzlichen Organen fähig ist, in Bildungssaft umge-
das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit. 89
wandelt und dann vorzugsweise durch die Rinde in die
Organe geleitet werde, in denen er zur Verwendung
gelangt.
Mit der Kenntniss der in den Pflanzen vorkommen-
den Bildungsstoffe, der Kohlenhydrate (Zucker, Dextrin,
Stärke und des Inulins), der Eiweisstoffe u. a., so wie in
Folge der bedeutenden Fortschritte in der Kenntniss der
Elementarorgane der Pflanzen, haben die neueren For-
scher auf diesem Gebiete ihre Aufmerksamkeit hauptsäch-
lich darauf gelenkt, diejenigen Elementarorgane kennen
zu lernen, in welchen die Bildungsstoffe sich bewegen,
und die Art und Weise, wie dieselben zur neuen Zellen-
bildung dienen. Es können damit nur diejenigen Phy-
siologen gemeint sein, welche eine Stoffbewegung in ver-
schiedenen Richtungen überhaupt zugeben, und nicht
die, welche eine allgemeine Saftvermischung, gestützt auf
das Gesetz der Endosmose, annehmen.
Die bis jetzt gewonnenen Resultate der neueren Unter-
suchungen sind schwer in kurzen Worten wiederzugeben,
da manche Forscher in einigen erhaltenen Thatsachen ent-
gegengesetzter Meinung sind.
Eines der wichtigsten Resultate ist jedenfalls die Er-
kennung von Reservestoffen (Stärke etc.), welche als
Ueberschuss des nicht zur Zellenbildung verwendeten Bil-
dungssaftes in den Markstrahlen, dem Mark, den Zell-
fasern, namentlich in dem Gewebe der Wurzeln aufgespei-
chert werden, um im nächsten Jahre wieder zur Produc-
tion von Bildungssaft verwendet zu werden. Ob diese
Reservestoffe für die ganze Vegetationsperiode eines Som-
mers ausreichen, oder ob die Blätter dazu beitragen,
den über ihnen stehenden Knospen und Blüthentheilen Bil-
dungsstoffe zuzuführen, diese Frage scheint noch nicht
ganz zur Entscheidung gekommen zu sein.
Die hierüber von J. II an st ein und H artig an-
gestellten Untersuchungen lieferten entgegengesetzte Re-
sultate. Erstcrer findet z. B., dass belaubte Baumtriebe,
die er ringelte, fortwuchsen, während andere, denen die
90 Beier,
Blätter genommen waren, über dem Ringe eingingen.
In dem ersten Falle sind also seiner Meinung nach die
Blätter es gewesen, welche die Erhaltung bewirkten. In
den Untersuchungen vonHartig ist unter Anderem auch
die Ansicht von einer doppelten Bewegung des Bildungs-
saftes ausgesprochen. Zuerst gelange derselbe in den
Holzkörper, von da bis in die Spitze des Triebes, dann
in den Bastkörper, und von da zu dem Orte seiner Ver-
wendung. Von H an stein wird diese Annahme bestrit-
ten, und von J. Sachs als nicht vollständig bewiesen
bezeichnet.
Die Unklarheit über die Elementarorgane, in
denen die Bewegung des Bildungssaftes statt findet, ist
seit den Beobachtungen von Hartig und H. v. Mo hl
wohl als beseitigt zu betrachten. Dieselben erkannten in
dem Baste der Bäume die sogenannten Gitterzellen,
dünnwandige röhrenförmige Zellen, welche sie als Lei-
tungsorgane für die in den Blättern bereiteten Bildungs-
stofFe ansehen. Auch in den Gefässbündeln mancher Mo-
nocotyledonen finden sich diese Zellen, und die Versuche
von Hanstein haben dazu beigetragen, die Bedeutung
dieser Gitterzellen für die Stoffbewegung zu bestätigen.
J. Sachs, der in der Frage über die Stoffumwand-
lung in den Pflanzen so Vieles zur Entscheidung gebracht
hat, giebt in dieser Beziehung folgende Erklärung (s. des-
sen sehr belehrende Abhandlung in Pfeil „Nördlingers
kritischen Blättern"). Auf eigene Beobachtungen gestützt,
bei denen er weder in den Gitterzellen, noch in den den-
selben entsprechenden dünnwandigen Röhren, welche in
den Gefässbündeln der Mono- und Dicotyledonen vorkom-
men, Stärke oder andere Kohlenhydrate auffinden konnte,
nimmt derselbe an, dass die stickstofffreien Bildungsstoffe
nicht in den genannten Elementarorganen fortgeleitet wer-
den, sondern dass letztere nur den Eiweisskörpern zur
Fortleitung dienen. Das Vorhandensein der stickstofffreien
Körper, namentlich der Stärke, in dem Parenchym oder
auch in manchen Organen des Holzes, namentlich in einer
das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit. 91
besondern Zellenschicht des Parenchyms, die er Stärke-
schicht nennt, bestimmen ihn, diese Organe als zur Fort-
leitung der stickstofffreien Körper dienende zu bezeichnen.
Während Hartig annimmt, dass die in den Blättern
erzeugten Bildungsstoffe erst in den Organen, wo sie reser-
virt werden, die Form von Stärke, Zucker, Dextrin, Inu-
lin etc. annehmen, also bis dahin in einer flüssigen Mi-
schung sich befinden, vermuthet Sachs, dass schon in den
Blättern die Bildung von Eiweisskörpern einerseits und von
Kohlenhydraten anderseits vor sich gehe, und dass beide
in getrennten Organen abwärts geleitet werden. Er glaubt
dies hauptsächlich aus der Gegenwart von Stärke in den
Ohlorophyllkörnern der Blätter schliessen zu müssen. Die
Stärke würde nach dieser Ansicht, abwechselnd sich auf-
lösend und wieder niederschlagend, bis zu den sogenann-
ten Stärkeschichten gelangen. Die die Gefässbündel um-
gebenden Parenchymschichten, welche von dem Blattstiel
bis in die feinsten Blattnerven gehen, und ebenso in den
zu den Knospen führenden Theilen stets vorkommen, füh-
ren nach ihm stets Stärke. In nur wenigen Fällen kommt
statt dieser Dextrin vor. Erst wenn die Wachsthums-
thätigkeit bedeutend vorgeschritten ist, geht die Stärke
auch in die Markstrahlen über.
Die Bedeutung der sogenannten Reservestoffe zur Bil-
dung neuer Organe wurde von Sachs durch zahlreiche
mikroskopische Untersuchungen, namentlich durch Kei-
mungsversuche, mit grösster Bestimmtheit bestätigt. Selbst
bei den Reservestoffen, welche von der Stärke und dem
(Jummi chemisch so verschieden sind, wie bei den fetten
Oelen, entdeckte er eine vorübergehende Bildung von
Stärke und zugleich eine Abnahme von fettem Oel. Mit
der vollständigen Entwickelung der Zellen der neuen Pflan-
zen hörte auch das Auftreten von Stärke auf. Nicht
weniger von Bedeutung ist die Thatsache, dass er auch
\><-\ der Knospenbildung der Georginenknollen, die Jnulin
enthalten, und bei der Runkelrübe, die als Reservestoff
Zucker enthält, Stärke auftreten sah, und es erfolgt dar-
92 Beier,
aus der Schluss, dass die letztere wohl vorher gebildet
werden müsse, um zur neuen Organbildung zu dienen,
gleichviel, welcher Reservestoff in dem zur Bildung einer
neuen Pflanze dienenden Organe (Samen, Zwiebel etc.)
vorher niedergelegt gewesen sei.
Dass die stickstofffreien Bildungsstoffe (Gummi, Stärke,
Zucker) in dem Maasse in den Reservebehältern ver-
schwinden, als sich neue Zellen bilden, und ebenso die
stickstoffhaltigen, diese Thatsache lässt wohl kaum daran
zweifeln, dass diese beiden Gruppen, welche als plastische
Bildungsstoffe deshalb bezeichnet worden sind, das Ma-
terial zur Zellenbildung liefern. Betrachtet man die Aehn-
lichkeit des stickstoffhaltigen Zelleninhalts, des Protoplas-
mas, gegenüber den Eiweisskörpern, und dann die gleiche
Zusammensetzung des Stärkemehls und des Zellstoffs, so
erfolgt daraus der Schluss, dass die Zellenhaut aus den
Kohlenhydraten, das Protoplasma aus den Eiweisskörpern
unter gegenseitiger Mitwirkung gebildet werden.
Aber nicht allein in der Periode der raschen Bildung
von neuen Pflanzenorganen, wie z. B. bei der Entwicke-
lung der Frühjahrsblätter, sondern auch dann, wenn nach
einem längeren Stillstande in der Fortbildung der Baum
seine volle Thätigkeit in der Neubildung entwickelt, sind
es die Kohlenhydrate und Eiweisskörper, welche zur Zel-
lenbildung dienen. Denn die Beobachtungen von Sachs
haben ergeben, dass in dieser Periode namentlich Stärke
im Stamme wieder anzutreffen ist, und man dieselbe bis
in das Gewebe der jungen Knospen verfolgen könne.
Da ein eiweissartiger Stoff ein Hauptbestandteil der
Chlorophyllkörner sei, so sei es wahrscheinlich, dass auch
die Bildung der letzteren auf Kosten der Eiweisskörper
geschehe. Dass aber die Assimilation, d. h. die Entstehung
neuer Bildungsstoffe aus den Elementen der Kohlensäure,
de3 Wassers und Ammoniaks, unter Mitwirkung der aus
dem Boden entnommenen mineralischen Stoffe, in den Blät-
tern vor sich gehe, unterliegt wohl keinem Zweifel mehr ;
das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit. 93
allein was für chemische Veränderungen dabei vorgehen,
und wie die dabei in Wechselwirkung tretenden Stoffe auf
einander einwirken, um auf der einen Seite Kohlenhy-
drate zu bilden, auf der andern Eiweisskörper, ist noch
sehr dunkel. Jedenfalls spielt das Blattgrün unter dem
Einflüsse des Lichtes hierbei eine bedeutende Rolle, wie
die schönen Versuche von Sachs über die Bildung der
Chlorophyllkörner in vergeilten Pflanzen und der Stärke-
körner in diesen darthun.
Wenn man über die Elementarorgane, in denen die
assimilirten Stoffe (Bildungssaft) fortgeleitet werden, durch
die neuern Untersuchungen mancherlei Aufklärungen er-
halten hat, so herrschen bis jetzt immer noch verschiedene
Ansichten darüber, in welchen Organen des Holzes der
aufsteigende Saft sich bewege. Von den Einen
werden die Gefässe, von Andern das Zellgewebe als die
leitenden Organe bezeichnet. Die Anhänger der ersteren
Ansicht stützen sich meist auf die Versuche mit gefärbten
Flüssigkeiten an abgeschnittenen Zweigen, bei denen sie
fanden, dass nur in den Verzweigungen der Gefässe die Ver-
breitung der Lösungen statt fand. Dass hierbei ein abnor-
mer, von dem einer im gewöhnlichen Wachsthum begriffenen
Pflanze verschiedener Zustand herbeigeführt wird, mag wohl
die Ursache sein, dass man diese Versuche nicht als beweis-
führend ansieht. Link, II. v. Mohl u. A. jedoch, welche
Pflanzen zuerst mit Lösung von Eisenoxyd und später mit
Blutlaugensalz begossen, bestätigen die erste Ansicht, indem
sie nur in den Gef'ässen, und nicht in den Holzzellen Ber-
linerblau fanden. Allein andere auf dieselbe Weise ange-
stellten Versuche von II off mann, Unger u. A. lieferten
entgegengesetzte Resultate. Auch die Thatsache, dass im
Frühjahre an verwundeten Stellen solcher 'Bäume, welche
bluten, der Saft ans: den CJcfussen fliesst, ist kein entschie-
dener Beweis, dass diese nur Saft führen, denn die betref-
fenden Pflanzen befinden sich während der Zeit des gestei-
gerten Saftflusses in einem von der gewöhnlichen pflanz-
lichen Thätigkeit abweichenden Zustande. Man nimmt
94 Beier,
wohl jetzt meist an, dass das Zellgewebe des Holzes die
Leitung des Saftes bewerkstellige, dass aber im Frühjahr
bei Eintritt einer höheren Temperatur, bei den Pflanzen,
welche bluten, der Saft auch in die Gefässe, welche für
gewöhnlich Luft führen, übertrete. Der Ausfluss dauere
in Folge dessen nur so lange, bis die Gefässe sich wieder
mit Luft füllten und keinen Saft mehr führten.
Das Fehlen einer endgültigen Entscheidung der über
den aufsteigenden Saft aufgestellten Hypothesen hat wohl
seinen Grund in der Schwierigkeit der Aufgabe selbst.
Beim Aufsteigen des Frühjahrssaftes sind es jedenfalls
die Wurzeln, welche denselben in die Höhe treiben, denn
die Gewalt, mit der derselbe aus verwundeten Stellen
fliesst, hängt nach vielfachen Untersuchungen von der
Temperatur ab, in der die Wurzeln sich befinden. Bei
beblätterten Pflanzen nehmen die Blätter durch die von
ihnen bewirkte Verdunstung, bei der die in den oberflächli-
chen Zellen enthaltenen Säfte concentrirter werden, und ver-
mittelst der Endosmose eine Ausgleichung mit dem Inhalt
der tiefer liegenden Zellen bewerkstelligen, gewiss einen
lebhaften Antheil an dem Saftsteigen. H artig spricht
in seiner Abhandlung über die Bewegung des Saftes in
den Holzpflanzen mehrfach die Ansicht aus, dass die
Spannkraft der in den Holzfasern enthaltenen Gase we-
sentlich zur Bewegung des Holzsaftes beitrüge.
Bei der Gewinnung des hier gesammelten und
untersuchten Frühjahrssafts machte ich einige
Beobachtungen, die mit den von Hartig bei seinen Un-
tersuchungen gemachten vollkommen übereinstimmen. Es
betreffen dieselben hauptsächlich die Tageszeit, bei wel-
cher der Saftausfluss plötzlich aufhört, so wie die Abhän-
gigkeit der ausströmenden Quantität von den Witterungs-
verhältnissen. Die Saftströmung begann im Frühjahre
1864 erst gegen Ende März, und ist diese Verzögerung
jedenfalls auf Rechnung der lange anhaltenden niedrigen
Temperatur zu setzen. Der während des Saftfliessens
stattfindende häufige Temperaturwechsel veranlasste jeden-
das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit. 95
falls auch die Verlängerung der Ausflussperiode. Bei den
Birken floss jedoch der Saft von Anfang an fast ununter-
brochen, während dies bei den Weissbuchen nicht der
Fall war.
Obgleich bei den von mir beobachteten Bäumen der gün-
stige Standort und die dabei eher bewirkte Erwärmung des
Bodens ein früheres Steigen des Saftes jedenfalls bewirkten,
als bei Bäumen, die an der Ostseite des Terrains standen,
so zeigten doch auch hier Bäume, die sehr nahe zusam-
menstanden, eine bedeutende Verschiedenheit, denn die
einen bluteten oft acht Tage früher wie die anderen. Es
wäre wohl denkbar, dass das Alter der Bäume Einfluss
darauf hätte. Auch ergaben die Analysen bei Saft von
Bäumen verschiedenen Alters, die zu gleicher Zeit flössen,
Verschiedenheiten in dem Gehalt an Trockensubstanz.
Es dürfte jedoch zu gewagt sein, darin eine gewisse Ge-
setzmässigkeit suchen zu wollen. Jedenfalls ist die ver-
schiedene Individualität Ursache dieser Abweichungen.
Bei der Weissbuche beobachtete ich, dass der Saft-
ausfluss gegen die Mittagszeit vollständig aufhörte und
erst gegen Abend wieder begann. Allein eine bestimmte
Regelmässigkeit konnte ich nicht beobachten. Wahr-
scheinlich liegt dies, wie auch schon H artig aussprach,
in den verschiedenen Witterungsverhältnissen. Hart ig
fand, dass bei luftdichtem Verschluss von Bohrwunden
während des Aufhörens des Saftflusses eine Einsaugung
der Flüssigkeit stattfinde, und hat darüber zahlreiche Un-
tersuchungen angestellt, die aber dahin führten, dass in
dem Ausfluss sowohl als auch in dem Einsaueren keine
bestimmte Regelmässigkeit statt finde. Er giebt an, dass
nur bei Süd- und Westwind, nicht bei Ost- und Nordwind,
beide Erscheinungen auftraten.
Chemische Itatcrsuchungen.
Diese Untersuchungen erstreckten sich, ausser auf
die Gesammtrnenge der in dem Safte gelösten Stoffe, auf
die Bestimmung der quantitativ nachweisbaren bekannte-
n
n
96 Beier,
ren organischen Verbindungen darin, wie auf die Unter-
suchung der in der Asche des Saftes enthaltenen minera-
lischen Stoffe.
1. Trockensubstanz und Zucker. Eine vollstän-
digere Reihe von Bestimmungen dieser Art wurde nur bei
dem von einem und demselben Baume stammenden Safte
der Birke vorgenommen, welcher, wie bekannt, zu den
concentrirteren und zuckerreicheren Baumsäften gehört.
Die erlangten Ergebnisse sind die folgenden:
Birkensaft Trockensubstanz Zucker
Proc. Proc.
am 12. April 1,220 0,950
„ 14. „ 1,340 1,000
20. „ 1,580 1,250
26. „ 1,580 —
4. Mai 1,639 1,300
„ 6. „ 1,470 1,090
„ 8. „ 1,100 0,833
Weissbuchensaft
am 12.— 27. April, im Mittel von 6
Untersuchungen, die an verschie-
denen Bäumen von verschiedenen
Standorten angestellt wurden.... 0,570 0,460
Die vorstehenden, für den Birkensaft ermittelten Zah-
len zeigen, dass vom Anfange des Saftflusses an sowohl
die Menge der gelösten Stoffe überhaupt, wie die des
Zuckers insbesondere, zunimmt und gegen das Ende des
Saftflusses wieder abnimmt; die Trockensubstanz beträgt
im Mittel der vorliegenden Untersuchungen 1,42 Proc,
der mittlere Zuckergehalt 1,07 Proc.
Wurde das Untersuchungsmaterial von verschiedenen
Bäumen entnommen, so zeigten sich, obgleich letztere zu
gleicher Zeit flössen, in dem Zuckergehalte bedeutende
Unterschiede. Ein mehr oder weniger feuchter Standort
dürfte, neben der verschiedenen Anfangszeit des Ausflusses,
wohl die Ursache dieser Abweichung sein. Der Saft einer
Weissbuche enthielt z,B. am 12. April 0,450 Proc. Zucker,
das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit. 97
während ein Baum derselben Gattung erst am 26. April
diesen Zuckergehalt zeigte. In der qualitativen chemischen
Zusammensetzung erwiesen sich die Säfte von Weiss-
buche und Birke gleich, nicht so bei der quantitativen.
Die Reaction beider in ganz frischem Zustande war kaum
merklich sauer, wahrscheinlich von der darin enthal-
tenen Kohlensäure, denn trotz mehrfacher Be-
mühungen war es nicht möglich, Essigsäure und
Milchsäure, welche Säuren von mehreren For-
schern darin gefunden wurden, im vollkommen
unzersetzten Safte nachzuweisen; während die
Bildung derselben bei nicht zu langem Stehen des Saftes
leicht zu bemerken war. Ueberhaupt geht die Zersetzung
des Saftes sehr schnell vor sich, und die Erlangung grös-
serer Mengen unzersetzten Saftes ist nicht ohne Schwie-
rigkeit.
2. Dextrin. Ausser dem Zucker wird noch das Dextrin
als ein Bestandtheil des Frühjahrssaftes von den meisten
Forschern angegeben. Bei dem Versuche, dasselbe iti
reiner Form darzustellen, stiess ich auf Schwierigkeiten.
Die Schuld daran tragen, wie ich glaube, andere stick-
stofffreie Körper, die möglicher Weise noch darin enthal-
ten sein können. Ich werde mich indess bemühen, mir
darüber Klarheit zu verschaffen, wie ich überhaupt flie
Untersuchung selbst noch nicht als geschlossen betrachte.
Fällt man den durch Eindampfen concentrirten Saft mit
Alkohol, so erhält man eine gallertartige Masse, die fost
vollständig stickstoffrei ist. Lässt man dieselbe auf einem
Glasplättchen eintrocknen, so erhält man eine glänzende,
blättrige Masse, die vollständige Aehnlichkeit mit Gummi
zeigt.
II artig fand schon in dem Frühjahrssaft des Wnll-
nussbaumes einen bassorinartigen Körper. Es ist deshalb
wohl denkbar, dass auch hier ausser Zucker und Dex-
trin noch ein anderer stickstofffreier Körper vorkomme.
5. Eiwei8s und Stickstoff. Beim Kochen sowohl,
als auch durch Anwendung von Fällungsmitteln ist es
Arch. d. Pharm. CLXXni.Hd*. l.u.2. Hft. 7
98 Beier,
schwer, eine einigermassen wägbare Menge von ausge-
schiedenem Eiweiss zu erhalten. Von 1000 C.C. Birkensaft
erhielt ich die geringe Menge von 0,022 Grm. Eiweiss. Trotz-
dem ergaben die Stickstoffbestimmungen der erhaltenen
Trockensubstanz einen weit grösseren Stickstoffgehalt, als
dem Gehalt an Eiweiss entspricht. Es geht daraus her-
vor, dass der Stickstoff in einer durch gewöhnliche Fäl-
lungsmittel nicht abscheidbaren Form sich darin befinde,
resp. nicht als E iweisskörp er, und lässt solches auf das
Vorhandensein von Am moniak salzen, welche von Lie-
big auch schon nachgewiesen wurden, schliessen. In der
That entwickelt der durch Eindampfen concentrirte Saft
schon in der Kälte mit Kalkhydrat Ammoniakgeruch.
Nähere Untersuchungen hierüber, wie über das Vorhan-
densein von Salpetersäure, werden für nächstes Frühjahr
beabsichtigt.
In dem Stickstoffgehalt des Saftes im Anfange der
Ausflussperiode und gegen Ende derselben fand ich keine
wesentlichen Unterschiede.
Für den Gesammtstickstoff der Trockensubstanz er-
gaben sich im Mittel dreier Analysen folgende Procent-
Zahlen :
bei der Trockensubstanz des Birkensaftes 1,9 Proc.
oder auf frischen Saft berechnet 0,0238 „
bei der Trockensubstanz des Weissbuchen-
saftes 3,4 „
oder auf frischen Saft berechnet 0,0224 „
Im Herbst gesammelte und völlig ausge-
trocknete Blattknospen der Weissbuche
enthielten an Stickstoff 2,45
im Frühjahre bei beginnendem Saftfluss
gesammelte 3,87
Die Trockenmasse des Saftes von der Weissbuche
hat hiernach nahezu denselben Stickstoffgehalt, wie die
Knospen desselben Baumes um dieselbe Zeit, während die
zur Herbstzeit untersuchten Knospen nur etwa 2/ 3 davon
enthielten.
r>
n
das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahr szeit. 99
4. Aschenbestandtheile. Die Menge der mine-
ralischen Bestandteile ist, verglichen mit dem Gehalt
des Holzsaftes im August oder überhaupt während des
Sommers, eine sehr geringe. In 100 Th. Birkensaft waren
enthalten 0,056 Asche (entsprechend 4 Proc. der Trocken-
substanz), in 100 Th. Weissbuchensaft 0,037 Th. Asche
(entsprechend 6,7 Proc. der Trockensubstanz).
Da grössere Mengen von Birken- und Weissbuchen-
saft zur Disposition standen, so konnten genügende Quan-
titäten von Asche gewonnen und diese einer speciellen
quantitativen Analyse unterworfen werden, welche fol-
gende Ergebnisse lieferte:
Es wurden gefunden in 100 Asche
von von
Birkensaft: Weissbuchensaft:
Kali 21,20 12,60
Kalk 23,96 29,82
Talkerde 9,15 8,17
Eisenoxyd 4,14 2,45
Manganoxydoxydul.... 0,60 4,85
Phosphorsäure 4,16 4,41
Schwefelsäure 2,88 5,91
Chlor Spuren 1,38
Kohlensäure etc 33,91 30,41
100,00 100,00.
Obgleich die Bäume, von denen der Saft zur Aschen-
darstellung entnommen wurde, auf demselben Boden ste-
hen, so ersieht man doch ziemlich bedeutende Unter-
schiede in der Zusammensetzung der beiden Aschen. Es
dürfte dies wieder ein Beispiel für die verschiedene Auf-
nahmefähigkeit verschiedener Pflanzengattungen in Be-
ziehung auf die anorganischen Nährstoffe sein. Bei der
Weissbuche ist der bedeutende Mangangehalt be-
merkenswerth.
Die Phosphorsäure ist in dem Saft an Magnesia ge-
bunden, denn schon nach wenig Zeit scheidet sich beim
Kochen phosphorsaure Talkerde mit kohlensaurem Kalk
7*
100 Beier,
aus. Durch die Gegenwart grösserer Mengen von Koh-
lensäure in dem Saft wird jedenfalls ein grosser Theil
Mineralstoffe in Lösung erhalten. Daher die Erscheinung
der Ausscheidung beim Kochen.
Nachschrift von Prof. Adolph Stock hardt.
Bereits in den Jahren 1851 und 1852 habe ich im Ver-
ein mit meinem damaligen Collegen Stein chemische
und physiologische Studien über den Frühlingssaft bluten-
der Bäume begonnen, die jedoch durch die Berufung
Stein's an die Universität Prag unterbrochen wurden,
noch bevor es demselben gelungen war, seine zahlreichen,
aber mannigfach räthselhaften und sich widersprechenden
Beobachtungsresultate über das erste Auftreten, den Ver-
lauf und die Dauer des Saftflusses in den einzelnen Pflan-
zentheilen, und deren Abhängigkeit von den Temperatur-
und Feuchtigkeitsverhältnissen der Luft, wie des Bodens
u. a. m. in naturgesetzlichen Zusammenhang zu bringen.
Von den chemischen, durch Dr. Hellriegel ermittelten
Untersuchungsergebnissen stelle ich nur einige hier über-
sichtlich zusammen, um die nahe Uebereinstimmung darzu-
thun, welche zwischen denselben und den in diesem Jahre
von Dr. Beier erzielten statt findet.
In 100,000 Gewichtstheilen Saft wurden gefunden:
Trocken- Asche Eiweiss
Substanz
1851 Birkensaft 495 58 —
1852 desgl. zur Zeit des stärksten
Saftflusses 1268 65 2,8
1852 dsgl. gegen Ende des Saftflusses — 53 1,1
1864 dsgl. Mittelzahl aller Analysen 1420 56 2,2
1851 Weissbuche 590 62 —
1852 dsgl. zu Anfang des Saftflusses 140 34 1,5
1852 dsgl. zur Zeit des stärksten
Saftflusses — 53 1,1
1864 dsgl. Mittelzahl aller Analysen 570 37 —
1851 Ahorn 562 52 —
1852 dsgl. zur Zeit des stärksten
Saftflusses 1272 71 2,6
1852 Erle, gegen Ende des Saftflusses 354 36 1,3
das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit. 101
Ist die mit dem Schwellen der Knospen (oft ganz
plötzlich) auftretende Erfüllung, ja Ueberfüllung, des eigent-
lichen Holzkörpers der Bäume mit Saft, wie das mit dem
Aufbrechen der Knospen, dem Ausschlagen der Bäume,
(oft eben so plötzlich) wieder stattfindende Verschwinden
dieser Saftfiüle schon an sich, wie im Hinblick auf die
Nichtbetheiligung der Rinde und des Bastes an dieser
ersten Saftströmung, eine bemerk enswerthe Erscheinung,
so wächst das Interesse an derselben noch dadurch, dass
in ihr dem Chemiker eine Gelegenheit dargeboten scheint,
den materiellen Bedingungen der ersten Blattvegetation,
in ähnlicher, ja noch einfacherer Weise, wie bei der Kei-
mung der Samen, nachzuforschen. Wenn, wie es scheint,
die beim Schwellen der Knospen vor sich gehende Ver-
grösserung der in diesen eingeschlossenen Blättchen haupt-
sächlich nur durch die in der Knospe selbst aufgespei-
cherten Stoffe, in Verbindung mit denjenigen, welche in
dem Frühjahrssafte enthalten sind, und theils, wie Koh-
lensäure, Ammoniak und Mineralstoffe, aus dem Boden,
theils, wie Zucker und Eiweiss, von den Reservestoffen
des Holzkörpers (Stärke etc.) stammen, bewirkt wird,
so darf man hoffen, durch weitere Vervollständigung un-
serer Erkenntniss über die Bestandtheile des Saftes und
der Knospen nicht nur eine nähere Einsicht in die Bau-
materialien für die jugendlichen Blätter, sondern auch in
manche in dem Baume selbst vor sich gehende chemische
Veränderungen zu gewinnen. So weisen beispielsweise die
diesjährigen Zuckerbestimmungen der Baumsäfte, denen
zufolge 3 / 4 und darüber von der ganzen Trockenmasse
der letzteren aus Zucker (Krümelzucker) bestehen, wie
auch das bezüglich dieses Saftbestandtheils vorkommende
geringe Schwanken, welches sich nur zwischen 70 — 80
Procent bewegt, sehr entschieden darauf hin, dass diesem
Stoffe insbesondere eine wichtige Rolle bei der Bildung
der jungen Frühjahrsblätter zukomme. So spricht dieser
grosse Zuckergehalt ferner dafür, dass dem aufsteigenden
Fruhlingssafte die Kraft innewohnen müsse, Stärke sehr
102 Mädler,
rasch in Zucker überzuführen, da anzunehmen ist, dass
die im Herbste im Holze als Reservestoff abgelagerte
Stärke im vorliegenden Falle das hauptsächliche Material
für die Zuckerbildung darstelle.
Unter diesen Umständen sollen diese Untersuchungen
auch im nächsten Frühjahre weiter fortgesetzt werden.
Führen sie zu brauchbaren wissenschaftlichen Ergebnis-
sen, so werden diese nicht allein für die Forstwirtschaft,
sondern auch für die Landwirthschaft von Interesse sein,
da anzunehmen ist, dass die für die Bäume geltenden
Bedingungen der ersten Blattentwickelung in der Haupt-
sache auch für die Blattentwickelung der landwirtschaft-
lichen Culturpflanzen Geltung haben werden.
Die neueste Bestimmung der Entfernung der
Erde von der Sonne
von
J. H. Mädler
hat wohl ein so allgemeines Interesse, dass ein Aus-
zug im Archive manchem Leser nicht unwillkommen sein
wird, indem nicht allein das Zahlenresultat mitgetheilt
ist, sondern der Gegenstand in möglichst populairer Dar-
stellung so gehalten ist, um auch eine Einsicht in die
Mittel zu gestatten, welche man in früherer und in der
gegenwärtigen Zeit angewendet hat, um zu dieser Kennt-
niss zu gelangen.
Scharfsinnig waren die Methoden, welche die alt-
griechischen Astronomen, namentlich Hipp arch und Pto-
lomäus, ausgedacht hatten, und wäre die Sonnenentfer-
nung 20- bis 30 mal kleiner als sie in der That ist, so
würde sie zum Ziele geführt haben. Man wollte aus
dem Momente, wo der Mond gerade halb erleuchtet er-
scheint, so wie aus . der Grösse des Erdschattens bei
Mondfinsternissen diese Entfernung bestimmen. Die Son-
nenstrahlen, welche gleichzeitig die Erde und den Mond,
Entfernung der Erde von der Sonne. 103
oder auch die verschiedenen Seiten der Erde treffen,
würden nämlich nur dann unter sich parallel sein, wenn
die Entfernung der Sonne unendlich gross wäre ; da man
diese Annahme unstatthaft fand, so wollte man aus dem
Winkel, den diese Sonnenstrahlen mit einander bilden,
die Entfernung bestimmen. Aber die Mondphasen, wie
der Erdschatten sind so wenig begrenzt und die gesuch-
ten Winkel sind so klein, dass dieser Versuch bis heute
kein sicheres Resultat erzielte.
Lange Zeit hindurch wollte sich kein anderes Mit-
tel finden, bis ins 17te Jahrhundert versuchte man diese
alte Methode zu wiederholen und glaubte zuletzt ein an-
näherndes Resultat, nämlich 1200 Erdhalbmesser oder
nahezu 1,000,000 geographische Meilen gefunden zu ha-
ben. Aber andere Beobachtungen widersprachen dem
und so blieb die Ungewissheit.
Durch Copernicus und Kepler geschah zwar ein
wichtiger Schritt; man konnte jetzt genau das Verhält-
niss angeben, welches zwischen der Entfernung aller zum
Sonnensystem gehörenden Weltkörper (mit Ausnahme des
Mondes) zur Sonnenentfernung besteht, oder auch mit
aller Sicherheit die Entfernung der Sonne zum Maass-
stabe für alle übrigen Entfernungen machen; aber es
handelte sich nun um die Frage: wie gross ist dieser
Maassstab selbst? Wenn es selbst den früheren Astro-
nomen gelungen wäre, die Entfernung der Sonne zu fin-
den, so wäre ihnen das Uebrige doch unbekannt geblie-
ben. Wir aber mit dem System von Copernicus brauch-
ten nur die Entfernung der Sonne zu bestimmen, um alle
übrigen leicht und sicher berechnen zu können.
Edmund II alle y, Newton 's grösster Zeitgenosse,
trat 1714 mit einem Vorschlage auf, der nach seiner An-
sicht gelingen müsse: nämlich wenn Venus vor der Sonne
yorttbergeht, ein Phänomen, was von dem grössten Theilc
der Erdoberfläche wahrgenommen werden kann, und man
denkt sich Linien, die von sehr verschiedenen Punctcn
der Erde aus nach dem vorangehenden Rande der Venus
104 Mädler,
gezogen werden, also nicht parallel sind, so werden diese
jenseits der Venus auseinanderlaufen und können nicht
gleichzeitig mit dem Rande der Sonne zusammentreffen;
und eben dieses gilt auch von den Linien, welche man
nach dem nachfolgenden Rande der Venus gezogen denkt.
Der Eintritt der Venus in den Sonnenrand wird also an
einem Erdorte früher, an einem andern später gesehen
werden, und dass für den Austritt das hier Gesagte eben-
falls maassgebend ist, ist klar.
Nun aber bewegt sich die Erde um ihre Axe und
in den 7 Stunden, die der Vorgang ungefähr währt, ha-
ben mithin die verschiedenen Erdorte ihre Stellung sehr
erheblich verändert. Wenn demnach zwei Orte der Erde
A und B anfangs so standen, dass A den Eintritt früher
als B wahrnahm, so kann in 7 Stunden die Stellung eine
solche sein, dass B den Austritt früher als A wahrnimmt.
Die Zeitdauer des Vorganges für die verschiedenen Orte
der Erde muss demnach eine verschiedene sein, und
wenn man alle Umstände, die hier einwirken, mit ein-
ziger Ausnahme der Sonnenentfernung, hinreichend genau
im Voraus kennt, so lässt sich auch berechnen, für welche
Erdorte diese Verschiedenheit der Dauer die grösstmög-
lichste sein werde, und sonach auch bestimmen, welche
Stellen der Erde mit Beobachtern besetzt werden müssen.
Im I8ten Jahrhundert ereigneten sich zwei dieser
Durchgänge, am 6. Juni 1761 und am 4. Juni 1769, und
beide wurden umsichtig benutzt. Halley hatte das Gan-
gesthal und die Hudsonsbai als die Puncte bezeichnet,
deren Differenz am grössten sei, und de Isle war es
hauptsächlich, der die Vertheilung der Beobachter diri-
girte. Le Gentil begab sich nach Indien, la Chappe
nach Tobolsk, Pingre nach der Insel Rodriguez im äthio-
pischen Ocean, Maskelyne nach St. Helena und Ma-
son nach dem Cap der guten Hoffnung.
Die Nordstaaten sorgten für Beobachter in Dront-
heim, Lappland und Sibirien. Der Versuch dieser Beob-
achtungen, auf eine scharfe Bestimmung gerichtet, ergab
Entfernung der Erde von der Sonne. 105
nicht das, was man erwartet hatte; statt dessen ergaben
einige Vergleichungen 17 Millionen, andere 21 Millionen
Entfernung der Sonne, und man konnte sich nicht ver-
hehlen, dass nicht Alles gewesen war, wie es sein sollte.
Glücklicher Weise traf 8 Jahre später abermals ein
Venus -Durchgang ein, und da man wusste, dass der
nächste erst am 8. December 1874 statt finden würde,
so that man Alles, um wo möglich diesmal ein besseres
Resultat zu erhalten.
Die Observatorien waren gegen früher vermehrt ;
Cook 's Expedition beobachtete auf Otaheiti, die Wiener
Astronomen Hell und Sainoviczk, so wie der Däne
Borgrewing gingen nach Wardöhuus am Nordcap etc.,
aber nicht überall begünstigte die Witterung die Beob-
achtungen. Im Ganzen wurden die Erwartungen etwas
besser als das erste Mal erfüllt, aber auch diesmal nicht
so, wie man gehofft hatte. Enke entdeckte aber doch
statt der entstellten Zahlen der Hell'schen Beobachtungen
die richtigen wieder, berechnete Alles aufs Neue und aus
den Beobachtungen von 1769 den Winkel, den zwei von
antipodischen Puncten des Erd-Aequators nach der Sonne
gezogene Linien dort einschliessen, für die mittlere Ent-
fernung 17", 142 (oder Parallaxe 8", 571) und hieraus
ergab sich eine Entfernung für die Sonne von 20,666,230
geographischer Meilen.
In neuerer Zeit ergaben sich verschiedene That-
sachen, welche Zweifel in die Genauigkeit der erwähnten
Zahlen von Enke erregten; obschon kein Rechnungs-
fehler zu unterstellen, so konnten bei den Beobachtungen
selbst ganz unbedeutende Fehler vorgekommen sein, welche
das Resultat alterirten.
1. Hatte man die Zeit, welche die Sonnenstrahlen
gebraucht, um zur Erde zu gelangen, nach verschiede-
nen Methoden bestimmt und 8 Minuten 18 l j 5 Secunden
mit grosser Uebereinstimmung gefunden und daraus, ver-
bunden mit obiger Sonnenentfernung, die Geschwindig-
keit des Lichtes berechnet. Foucault mass nun diese
106 Mädler,
Geschwindigkeit terrestrisch und fand dieselbe um den
30sten Theil geringer, als die Astronomen sie annahmen,
und man vermuthete daraus, dass die Entfernung der
Sonne um diese Differenz zu gross angenommen sei.
2. Die Theorie des Mondlaufes und namentlich die
einzelnen Wirkungen (Störungen) der Sonne auf diesen
Lauf waren von Hansen mit einer Schärfe berechnet,
wie nie zuvor geschehen. Auch hier ergab sich aus der
sogenannten parallaktischen Gleichung, dass die Berech-
nung nur dann in Uebereinstimmung mit den Beobach-
tungen des Mondortes zu bringen war, wenn die Sonnen-
entfernung etwas geringer angenommen wurde.
3. Was wir die Masse der Sonne nennen, die Zahl,
welche ausdrückt, um wie viel das Gewicht der Sonne
das unserer Erde übertreffe, ist aus der Umlaufszeit der
Erde und ihrer Entfernung berechnet. Ist die Entfer-
nung nun geringer, so muss auch die Masse der Sonne
geringer sein-, aber nicht allein die der Sonne, sondern
auch die Massen aller übrigen Weltkörper; denn allen
Entfernungen liegt der Maassstab zum Grunde, um des-
sen Bestimmung es sich eben handelt: steht die Sonne
uns näher, so stehen uns auch alle Planeten näher und
haben sonach auch weniger Masse, als man ihnen zu-
theilt.
Nun hatten Airy und Leverrier gefunden, dass
die Beobachtungen für die gegenseitigen Wirkungen der
Erde und Venus auf einander nicht mit dem Verhält-
nisse in Uebereinstimmung zu bringen waren, welche
man bisher für die Masse der Venus und die der Erde
angenommen hatte ; die Uebereinstimmung ergab sich nur
dann, wenn man die Masse der Venus verringerte; wo-
mit nothwendig auch eine geringere Entfernung dersel-
ben verbunden war.
Dieses sind nun freilich noch keine feststehenden
Beweise, sondern nur dringende Andeutungen; denn die
Möglichkeit konnte man sich nicht verhehlen, dass auch
wohl noch andere Ursachen die erwähnten Thatsachen
Entfernung der Erde von der Sonne. 107
bewirkt oder doch mitgewirkt hätten ; so war z. B. denk-
bar, dass die Geschwindigkeit des Lichtstrahles bei hori-
zontaler Bewegung in der unteren Erdatmosphäre eine
andere sei, als die mehr verticale im freien Weltenraume.
Die Sache forderte zur näheren Untersuchung auf,
und die Gelegenheit zeigte sich, als Mars bei seiner Op-
position im Jahre 1862 der Erde bis 2 / 5 der Sonnen-
entfernung nahe kam, was sehr selten stattfindet. Win-
neke, Director der Sternwarte zu Pulkowa, hat nicht
allein das Verdienst, auf die günstige Constellation hin-
gedeutet, sondern auch die Art und Weise bezeichnet zu
haben, die am sichersten und mit möglichst grossem Vor-
theile zum Ziele führe und eine Hauptbedingung war
dabei, dass der Meridianbogen zwischen den Sternwarten,
welche mit concurrirten, der möglichst grösste sei.
Unter den grösseren Sternwarten ist Pulkowa die
nördlichste, das Cap und St. Jago de Chili sind die
südlichsten.
An diesen Puncten also wurde Mars sorgfältig und
mit möglichst häufiger Wiederholung mit Fixsternen ver-
glichen, um die durch Verschiedenheit des Standpunctes
bewirkte Verschiedenheit der gegenseitigen Abstände zu
erforschen. Noch liegen zwar die definitiven Resultate
nicht vollständig vor, wohl aber kann man jetzt schon
mit Gewissheit behaupten, dass die Bedenken, welche in
Obigem formulirt wurden, vollständig begründet waren;
denn die Sonne steht uns um wenigstens 800,000 Meilen,
d. h. um den 25sten Theil der bisher angenommenen Ent-
fernung näher. Die Vergleichung der Beobachtungen am
Cap mit denen in Pulkowa gaben mit schöner Ueber-
einstirnmung für die Parallaxe der Sonne 8" 965, was
einer mittleren Entfernung von 19,778,000 geopraphischen
Meilen entspricht. Jedes Hunderttheil einer Secunde,
um welches die Parallaxe geändert werden müsste, bringt
'22,000 Meilen Aendcrung in der Sonnenentfernung her-
vor, und um sich eine sinnliche Vorstellung von dem zu
machen, was eine Bogensecunde ist, denke man sich eine
108 Landerer,
etwa 1 Zoll starke Stange in der Entfernung von 3 / 4 Mei-
len, oder auch ein Menschenhaar in 100 Fuss Entfernung.
( Westermann's illustr. deutsche Monatshefte für das gesammte
geistige Leben der Gegemvart. Octbr.-Heft 1864.) L.
Ueber Cyperus -Wurzeln;
von
Dr. X. Landerer.
Im Oriente kommen verschiedene Cyperus -Species
vor und ausser der Cyperus esculentus, von den Orien-
talen Manna genannt, welche dem Volke, namentlich in
Egypten, als Speise dient und womit sich nach meiner
Meinung vielleicht die Israeliten in der Wüste nährten,
finden sich: Cyperus rotundus, C. longus, C. tetrastachys.
Die Wurzeln oder besser die frischen Knollen dieser
Cyperus- Arten, besonders die von C. rotundus, besitzen
im frischen Zustande, wenn sie gekaut werden, eine bren-
nende Schärfe, die sich um so mehr entwickelt, je mehr
sie gekaut werden, und in Folge dieser Schärfe werden
die weichen Theile des Mundes, des Gaumens und des
Halses in einen entzündlichen Zustand versetzt. Schmerz
und heftiges Brennen dieser Organe sind die Folgen des
Zerkauens dieser Wurzelknollen. Dieses erinnert an die
uns mehr bekannten bittern Mandeln und an die Senf-
samen, aus denen sich durch die Einwirkung der Synap-
tase auf das myrosinsaure Kali das Ol. Sinapis aethereum
und in Folge des Emulsins der Mandeln auf das darin
enthaltene Amygdalin die Blausäure und das Ol. aether.
Amygd. amar. entwickelt. Vor mehreren Jahren hatte ich
diese frischen Cyperus - Wurzeln einer Destillation mit
Wasser unterworfen, nachdem ich sie gleich den bittern
Mandeln im zerquetschten Zustande einige Tage in Di-
gestion gelassen hatte. Ich erhielt daraus ein sehr schar-
fes, die Haut röthendes ätherisches Oel, das dem Senföle
in Betreff der brennenden Eigenschaft gleich kam und
Parier atium maritimum. 109
welches in den frischen Wurzeln wahrscheinlich nicht
als solches enthalten ist, sondern sich aus den Bestand-
teilen daraus gebildet hat. Vielleicht ist es möglich,
in diesen Wurzelknollen ein Cyperinum oder einen ähn-
lichen krystallinischen Stoff aufzufinden, der durch Ein-
wirkung eines eiweisshaltigen Stoffes ebenfalls in das
ätherische Oel oder einen harzigen Stoff umgewandelt
wird.
Diese Wurzelknollen der Cyperus sind den Leuten
im Oriente sehr gut bekannt und werden Kyperi genannt,,
und da sie im getrockneten Zustande einen obgleich bedeu-
tend weniger scharfen, mehr pfefferartigen Geschmack be-
sitzen, so nennen die Leute diese Wurzel Piperonisa, d. i.
Pfefferwurzel, und gebrauchen dieselbe im zerriebenen
Zustande sub forma Pulveris ruditer contusae zur Berei-
tung von Medicamenten gegen Magenschwäche und chro-
nische Fieber.
Pancratium maritimum;
von
Demselben.
Eine der schönsten Pflanzen der Littoral - Flora des
ganzen Orients ist Pancratium maritimum. Die Blüthen
derselben besitzen einen sehr ausgezeichneten Geruch
und wenige Blüthen sind im Stande, ein grosses Zimmer
mit solch' feinem lieblichen Geruch zu erfüllen. Die
Pflanze blüht in den Monaten Juli und August, und alle
Badenden pflücken dieselbe bei ihrer Rückkehr, um ihre
Wohnungen mit dem feinen Aroma zu füllen. Aus den
getrockneten Zwiebeln bereiten sich die Frauen ein Amy-
lum, womit sie sich die Haut waschen^ um den Teint
zu verschönern, weshalb dasselbe von den Damen sehr
1 heuer bezahlt wird. Diese Zwiebel hat grosse Aehnlich-
keit mit der Meerzwiebel, die Bulb. Pancratii maritim.
sind jedoch kleiner als die Jiulb. fyuillae maritim., nur
mangelt der ersteren der die Haut röthende und bis zur
110 Lander er,
leichten Pustelbildung ätzende scharfe Saft. Aus dem
frischen Safte bereiten sich die Leute, welche an chroni-
schem Lungenkatarrh und asthmatischen Beschwerden
leiden, mit Zucker und Honig Syrupe und Meliteumata,
die eine sehr gute Wirkung bei solchen Leiden üben
sollen. Landleute braten diese Zwiebeln und essen sie
bei den angegebenen Leiden mit ausgezeichnetem Erfolge.
Es ist schade, dass sich im Oriente keine Toiletten -Che-
miker oder Parfumeurs finden, um aus diesen so wohl-
riechenden Biüthen Pomaden oder Esprits zu bereiten.
Schon in alten Zeiten scheint diese Pflanze mit der Scilla
verwechselt worden zu sein, und Dioscorides, welcher sie
Pankration nennt, sagt: quod Scillam aliqui cognominant.
Wahrscheinlich wegen ihres Wohlgeruches und ihrer
Schönheit wurde diese Pflanze die Alles beherrschende,
xo irav xpaxcTv, navxpaxtov, genannt. Werden die Biüthen
getrocknet, so verlieren sie ihren Geruch, weshalb sich
aus den getrockneten Biüthen nichts Wohlriechendes mehr
gewinnen lässt.
Ueber die Enidosis oder Urticatio im Oriente;
von
Demselben.
Tsouknida nennt das Volk in Griechenland die Brenn-
nesseln, die sich in Masse finden. Unter den Varietäten
ist die am häufigsten vorkommende die Urtica pilidifera,
pillentragende Nessel, indem die Früchte derselben in
Form von zusammenhängenden Pillen herabhängen. Wer
sollte es denken, dass die Alles essenden Griechen, d. i.
das arme Volk, auch die jungen Sprossen dieser Pflanze
zum Salat verwenden und mit Lust verzehren? Wer
sollte es glauben, dass die Lastträger in Constantinopel
sogar die frischen Pflanzen von Conium maculalum mit
Oel und Salz als Speise gemessen! Die Brennnessel
hiess in alten Zeiten Knideh, von xvtjCcö, stechen, was
über Erigeron viscosum. 111
mit dem Namen Urtica von urere, brennen, übereinstimmt.
Eben so bezeichnend für diese Pflanze ist der Name
Acalephe, von xaXij und a'cpr p weil sie nicht angenehm zu
berühren ist. In alten Zeiten wurde diese Pflanze zum
Berühren der von Paralyse befallenen Patienten verwen-
det und diese Operation Knidosis oder Urticatio genannt.
Der Gebrauch der Urtica zu diesem Zwecke ist auch
jetzt noch unter den Landleuten bekannt und in Anwen-
dung. Es scheint aus den ältesten Zeiten auf die heu-
tige sich vererbt zu haben, dass man die an Hemiplegie
oder Paraplegie Leidenden mit dieser Tsouknida peit-
schen müsse. Deshalb werden die Patienten der Länge
der Wirbelsäule nach mit den frischen Tsoukniden ge-
peitscht, bis sie heftige Schmerzen fühlen. In andern
Theilen des Landes herrscht die Meinung, dass Kataplas-
men aus den frisch zerquetschten Pflanzen, auf die Wir-
belsäule aufgelegt, eine noch intensivere Wirkung bei
diesem Leiden äussern, weshalb auch diese angewandt
und so lange darauf liegen gelassen werden, bis sich ein
starkes Erythrem zeigt, sodann abgenommen, und diese
Methode fortgesetzt, bis der Patient sich besser fühlt oder
die Paralyse gehoben ist. Ich lernte drei Personen ken-
nen, die Jahre lang in Folge einer Apoplexie an Para-
plegie litten und sich selbst und ihrer Umgebung zur
Last waren: dieselben befinden sich jetzt nach fortgesetz-
tem Gebrauch der beschriebenen Knidosis oder Urticatio
in gebessertem Zustande und können gehen.
üeber Erigeron viscosum;
von
Demselben.
Wenn man bedenkt, dass man während der Sommer-
Monate die ganzen Nächte oft schlaflos zubringen muss, in-
dem man jeden Augenblick von den Stichen der Insekten
aufgeweckt wird und sich von Tausenden derselben be-
112 Landerer. über Erigeron viscosum.
deckt sieht, so ist es begreiflich, dass man zu allen Mit-
teln, welche gegen diese Menschenquäler und Plagegei-
ster angegeben und in den Zeitungen als Cimicifuga oder
Cimieiktona ausposaunt werden, seine Zuflucht nimmt.
Im Allgemeinen kann man annehmen, dass es kein Ci-
mieiktonon — von xsiva>, todten — geben dürfte, und
Reinlichkeit und Jagd auf dieselben die einzigen Mittel
sind, um sich von denselben zu befreien. In den letz-
ten Zeiten tauchte als das sicherste Vertilgungsmittel das
Erigeron viscosum im Oriente auf, und Möbeln oder Bet-
ten, in welche man dieses Pulver streut, werden allmälig
von den Wanzen befreit.
Wer sollte es glauben, dass diese ekelhaften Thiere,
die Wanzen, Cimex lectularia seu Acanthis lectularia, von
dem gemeinen Volke im Oriente und besonders in der
Türkei als Volksheilmittel angewendet werden! Man
gebraucht sie gegen chronische Wechselfieber, und diese
Thierchen, von denen es hier so viele giebt, um alle
Fieber -Patienten in Europa heilen zu können, werden
dem Patienten, ohne dass dieser sein Heilmittel kennt,
in die Weinbeeren, Uvae passae minores, hinein gethan,
um verschluckt zu werden.
113
III. Monatsbericht,
Analyse des Mineralwassers von Dinan, von Malaguti»
Die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen der
Mineralwässer von Dinan sind vom Jahre 1664; eine spä-
tere, dem damaligen Stande der Wissenschaft entspre-
chende Untersuchung derselben vom Jahre 1778 ist von
Chiffolian; in einer Notiz von Bigeon 1812 findet
sich eine Analyse von Boullay, die sehr unvollständig
ist. In 14 ! / 2 Kilogrammen Wasser findet Boullay 352
Centigramme fester Stoffe, bestehend aus:
Salzsaurem Kalk 54 Centigrm.
„ Natron 44 „
Salzsaurer Magnesia 33 „
Kohlensaurem Kalk 37 „
Schwefelsäure 20 „
Kieselerde 3 „
Eisenoxyd (säuerl.Carbonat) 30 „
221 Centigrm.
Der Verlust von fast 9 ° /0 , das Fehlen des Alkalis
unter den Resultaten der Analyse, obgleich der Verfasser
alkalische Reaction des Wassers angiebt, zeigen deutlich,
dass man bis dahin die Ermittelung der Bestandteile die-
ses Mineralwassers, dessen therapeutische Wirkungen wohl
bekannt sind, vernachlässigte.
Untersuchung des Mineralwassers an der Quelle.
Die Quelle liegt etwa 2 Kilometer von Dinan in
einem sehr engen, von kleinen Hügeln aus primärer For-
mation eingeschlossenen Thale, ist nicht sonderlich ergie-
big, genügt jedoch dem Verbrauche, Das Wasser sam-
melt eich in einer ort (Zentimeter tiefen Höhle, aus wel-
cher c nix rdicsst und etwa 3 bis 4 Meter weiter einen
Bach bildet. Zu dem Niveau des Wassers in der Höhle,
Weiche vefasst ist, steigt man auf 7 Stufen hinab, in
dem üewöloe tritt ein leichter Geruch nach Schwefelwaa*
itoff auf und die Oberfläche <)es Wassers ist an ein-
zelnen Stelleil mit. einem dünnen U;iuteh und 19<>. An der Quelle
hat das Wasser Eisengeschmack, röthet lebhaft Lackmus,
lässt an der Luft eine Ockersubstanz fallen, die sich auch
beim Sieden des Wassers selbst unter Abschluss der Luft
abscheidet. Nach längerem Sieden ist die Reaction alka-
lisch. Reagentien zeigen Kohlensäure, Schwefelsäure, Salz-
säure, Kalk, Magnesia, Eisenoxydul; vergeblich sucht
man Nitrate, Ammoniak und Eisenoxyd.
Gas- Analyse.
Versuch. Atm. Driwk. Tempe- Total- Rückstand Rückstand nach der
ratur. volumen nach der Absorption durch
des Gases. Absorption Pyrogallussäure
durch Kali. und Kali.
1. 774 Mm. +190 85C.C. 27 C.C. 23,60 C.C.
2. 764 Mm. + 18<> 84 „ 26 „ 22,75 „
3. 764 Mm. -j- 170 84 „ 26 „ 22,70 „
Es enthält ein Liter Mineralwasser auf 10° C. be-
rechnet :
Kohlensäure 44,64 C.C.
Sauerstoff. 2,50 „
Stickstoff. 17,60 „
64,74 C.C.
Feste Stoffe des Mineralwassers.
Es wurden nur 30 Liter Wasser eingedampft und
so von Anfang an keine Rücksicht auf seltenere Stoffe
genommen, da die in unendlich kleinen Mengen in Wäs-
sern enthaltenen Substanzen doch nicht merklich die the-
rapeutische Wirkung beeinflussen können. Es blieben
5,390 Grm. bei 100° getrockneter Rückstand, der mit
kohlensaurem Ammoniak befeuchtet, bei beginnender Roth-
gluth calcinirt und von Neuem getrocknet 4,7178 Grm.
wog, nach dem Waschen mit schwach alkoholisirtem Was-
ser 1,6823 Grm.
Analyse des Mineralwassers von Dinan. 115
30 Liter Wasser enthalten demnach :
Lösliehe wasserfreie Substanzen 3,0355 Grm.
Unlösliche ^ „ „ 1,6823 „
Flüchtige Stoffe (Wasser und organ.). . . 0,6722
5,3900 Grm.
Die löslichen Stoffe sind farblos, stark alkalisch, brau-
sen lebhaft mit Säuren; die unlöslichen sind röthlich,
brausen, folgen leicht dem Magnet; die flüchtigen sind
gefärbt und stickstoffhaltig.
Die löslichen wasserfreien Substanzen = 3,0355 Grm.
Das Spectroskop zeigte Magnesia, Kali, Natron, Kalk,
Lithium, die beiden letzten in so geringer Menge, dass
sie den chemischen Reagentien entgingen. Die Resultate
waren:
Schwefelsäure 0,12158 Grm.
. Chlor 0,92602 „
Magnesia 0,00940 „
Kali 0,29472 „
Natron 0,65886 „
Alkalisehe Carbonate. . . 1,22660 „
3.23718 Grm.
Es ist ein Plus von 0,20168 gefunden, weil die Chlor-
verbindungen als Oxyde berechnet sind.
Die unlöslichen wasserfreien Substanzen = lß823 Grm.
Sie waren magnetisch und enthielten:
Erdige zufällige Theile 0,03746 Grm.
Gelatinöse Kieselerde 0,42722
Arsen 0,00079 l
Phosphorsaures Eisenoxyd 0,00395 „
Manganoxyd 0,03955 „
Eisenoxyd 0,20728 „
Schwefelsaurer Kalk 0,16250 „
Kalk 0.30380 „
Magnesia 0.20886 „
Kohlensäure 0,28085 „
1,67226 Grm.
Die flüchtigen Substanzen.
Meistenthcilp V r; braune stickstoffhaltige Stoffe
mit wenig Ammoniak (entwickeln mit Aetzmagnesia kein
Ammoniak, mitAetzkali eine geringe Menge). Die orga-
nischen Substanzen betrugen ^'/iuimsoüOO-
Der Ockerabsatz
enthält zum grössten Theile Eiscnoxycl, dann Phos-
8*
116 Das Rheinwasser enthalt Lithion etc.
phate, Arseniate, gelatinöse Kieselsäure, sehr wenig Kalk
und Magnesia. Als neue wissenschaftliche Thatsache wird
angeführt, dass das in dem Absätze enthaltene Eisenoxyd,
obgleich amorph und völlig frei von metallischem Eisen,
Eisenoxydul und magnetischem Eisenoxyd, doch dem
Magnete folgt, sobald es calcinirt ist.
Die rationelle Analyse des Mineralwassers von
Dinan ergiebt in 1 Liter Wasser, bei 15° C. gemessen:
Wasserfreien schwefelsauren Kalk 0,005416 Grm.
Wasserfreie schwefelsaure Magnesia 0,000924 „
Schwefelsaures Kali 0,002950 „
Chlornatriurn 0,032890 „
Chlorkalium 0.013030 „
Doppelt- kohlensaures Natron 0,055033 „
„ kohlensauren Kalk 0,026040 „
„ kohlensaure Magnesia 0,004119 „
„ kohlensaures Eisonoxydul 0.013813 „
„ kohlensaures Manganoxydul 0,002732 „
Magnesiasilicat (Mg O, SiO 2 ) in Suspension 0.018059 „
Phosphorsaures Eisenoxydul 0,000150 „
Arseniat 0,000078 „
Kieselsäure 0,001834 „
Nichtgebundene Kohlensäure 29,87 CC 0,059096 „
Stickstoffhaltige organische Substanz durch ihr Rohr-
zuokeraquivah'nt ausgedrückt 0,002600 „
Lithium durch das Spectroskop — „
Dieses Mineralwasser gehört demnach in die Reihe
der alkalischen Eisen w äs s er.
Unterstützt wurde Malaguti bei dieser Analyse
von dem Inspector des Mineralwassers von Dinan, Dr.
Piedvache; der an der Quelle selbst ausgeführte Tlieil
der Untersuchung ist von Dr. Bella my. (Journ.de
Pharm, et de Chim. Nov. 1863.) Dr. Reich.
Das IMieinwasser enthält Lit'iiou und Stroiitian, aber
weder Barytim, noch Cäsium, noch Rubidium.
Um sich zu übcrzeugen ; ob das Rheinwasser Cäsium
und Rubidium enthalte, verwandte Dibbits 1632 Liter
desselben zu seiner Untersuchung ; dasselbe war im An-
fange des Jahres 1862 aus dem sogenannten Krommen
Rhyn (einem der Zweige, in welche der Rhein in Holland
sich vertlicilt) in derKälie von Utrecht geschöpft worden.
Das Resultat seiner Untersuchung ist folgendes:
1) Im Wasser des Rheines kommen Lithion und Stron-
tian vor.
2) In 1632 Liter Rheinwasser lassen sich Cäsium,
Fabrikationsmethode für Soda etc. 117
Rubidium und Baryum nicht nachweisen. (Journ.f. prakt.
Chem. Bd. 92. 1.) B.
Bei Verbrennungen mit Flusssäure
empfiehlt Kessler die Auflegung von Leinewand,
welche mit einer Lösung von essigsaurem Ammoniak be-
feuchtet ist, oder die Einspritzung einer solchen Lösung
in die Brandblase, wenn sich eine solche schon gebildet
hat. Kessler ersetzt jedoch in den Fällen, wo die Säure
an schwierig zugänglichen Stellen, z. B. unter den Nägeln
gewirkt hat, das genannte Salz durch Aetzammoniak,
und fügt hinzu, dass man sich durch den zwar oft sehr
heftigen, aber doch nur vorübergehenden Schmerz, welcher
dieser Aetzung folgt, nicht beunruhigen lassen dürfe.
(Wieck'sGeiuerbeztg. 1863.) ß.
Fabrikationsmethode für Soda, Chlor, Schwefelsäure
und Salzsäure.
Glühet man nach Th. Macfarlane eine Mischung
von getrocknetem Eisenvitriol und Kochsalz in einem
Luftstrome, so bildet sich zuerst Eisenchlorid, welches
dann in Eisenoxyd und Chlor zerlegt wird, so dass im
Rückstande schwefelsaures Natron und Eisenoxyd bleiben.
828 Th. Eisenvitriol werden in gelinder Hitze getrock-
net und theilweise oxydirt, mit 352 Th. Kochsalz und
78 Eisenoxyd innig gemischt und in einem Muffelofen
zu dunkler Rothgluth erhitzt, während mittelst eines Aspi-
rations Apparats ein Strom über Aetzkalk getrockneter Luft
darüber geleitet wird. Damit sich kein Eisenchlorid subli-
mirt, muss die Temperatur sehr niedrig gehalten und die Mi-
schung von Zeit zu Zeit umgerührt werden. Das gesammte
Chlor wird auf diese Weise erhalten, zwar mit Stickstoff
gemischt, aber für die Darstellung von Chlorkalk und
andere Zwecke anwendbar. In der Muffel bleibt, da die
Zersetzung des Salzes auf diese Weise vollständig erfol-
gen soll, nur eine Mischung von Eisenoxyd und schwefel-
saurem Natron; dieselbe wird gemahlen und mit 144 Th.
Kohle gemischt, in einem Reverberirofen geschmolzen,
i-n Heerd aus Aetzkalk, gemengt mit ein wenig basi-
scher Schlacke oder (/las, gemacht und durch Aufschmelzen
einer Mischung von schwefelsaurem Natron und Kohle
mit Schwefelnatrium getränkt ist. Die geschmolzene
Masse wird nach der Abkühlung mit Wasser behandelt
118 Fabrikationsmethode für Soda etc.
und giebt einen Rückstand von Schwcfeleisen und eine
Lösung von Aetznatron, etwas grünlich gefärbt durch sus-
pendirtes oder gelöstes Schwefeleisen, welches jedoch
durch Ueberleiten der kohlensäurehaltigen Ofengase über
die Losung gefällt wird, worauf man eine Lösung von koh-
lensaurem und Aetznatron hat, die wie gewöhnlich behan-
delt wird. Der Rückstand von Schwefeleisen wird gewa-
schen und in feuchtem Zustande auf einer mit Leinewand
bedeckten, durchlöcherten hölzernen Bühne der Einwir-
kung der Luft ausgesetzt, die bald wieder Eisenvitriol
daraus bildet, der durch Auslaugen von dem überschüs-
sigen Eisenoxyd getrennt wird. Man erhält so wieder
das zur Umwandlung einer neuen Menge von Kochsalz
erforderliche Material und kann dieselbe Menge fast unbe-
grenzt oft zur Darstellung von Soda und Chlor verwen-
den. Die Anwendung von Schwefelsäure und Braunstein
wird hierbei ganz umgangen und nur Kohle und der
Sauerstoff der Luft verbraucht.
Um Schwefelsäure und Salzsäure zu bereiten, ver-
wendet Th. Macfarlane ausser dem beim obigen Pro-
cesse erhaltenen Chlor, die durch Verbrennen von Schwe-
fel oder Schwefelkies erzeugte schweflige Säure. Aequi-
valente Mengen beider Gase werden mit einem Dampf-
strome durch einen mit Coaks gefüllten Condensator ge-
leitet, wobei sie nach der Gleichung (SO 2 -J- HO -f- Cl
= S0 3 -f-HCl) Schwefelsäure und Salzsäure geben, die
durch Destillation getrennt werden. Nach einer anderen
Methode wird eine Mischung von gleichen Aequivalenten
Schwefelkies und Salz mit 4 Aeq. Eisenoxyd geglüht,
wobei die zuerst sich entwickelnde schweflige Säure gröss-
tentheils durch das überschüssige Eisenoxyd in schwefel-
saures Eisenoxyd verwandelt und daher der grössere Theil
des Kochsalzes in schwefelsaures Natron und Chiorgas
übergeführt wird, welches letztere demnach in dem zwei-
ten Stadium der Erhitzung erhalten wird. Wird eine
Reihe von Oefen mit der Mischung beschickt und das
Chlor des einen mit der schwefligen Säure des andern
bei Gegenwart von Wasserdampf in Berührung gebracht,
so kann man eine fortwährende Erzeugung von Schwefel-
säure und Salzsäure unterhalten, während das Natron mit
der Hälfte des Schwefels aus dem Schwefelkiese als schwe-
felsaures Natron gewonnen wird. {Canad Natural. 1863.
— Sillim. Amer. Journ. 1863. — Cliem. Centrbl. 1864. 17.)
B.
Ueber einen angeblichen löslichen Jodschwefel. 119
Heber Schwefelbestimmung,
Price macht darauf aufmerksam, dass man sich bei
Schwefelbestimmungen durch Schmelzen mit Salpeter in
Acht zu nehmen habe, dass nicht ein Theil der geschmol-
zenen Masse durch Uebersteigen auf die Aussenseite des
Tiegels gelangt und so durch Berührung mit der Gas-
flamme eine kleine Menge schwefliger Säure aus der-
selben aufnehmen könne.
Er hat gefunden, dass auf diese Weise von einer
kleinen Menge an der unteren Seite einer Platinschale
befindlichen Salpeters bei 3 4 stündigem Schmelzen eine
12 Milligrm. Schwefel entsprechende Menge Schwefel-
säure aufgenommen wurde. (Journ. of the Soc. 1864. —
Chem.Centrbl. 1864.42.) B.
lieber einen angeblichen löslichen Jodschwefel.
C a i 1 1 e t e t hatte im Journ. de Pharm. T. 42. p. 162
angegeben, dass er aus Jod und Einfach -Schwefelnatrium
einen löslichen Jodschwefel erhalten habe. Da er auf 5 Th.
Schwefelnatrium nur 4,75 Th. Jod angewendet hatte, so war
klar, dass er in Wirklichkeit nur eine Lösung von Jod-
natrium und Mehrfach -Schwefelnatrium erhalten hatte.
Zum Ueberfluss überzeugte sichLebaigue davon, indem
er einer solchen Lösung Eisenvitriol zusetzte, wodurch
Schwefeleisen und Schwefel gefällt wurden. {Journ. de
Pharm, et de Chim. — LTiem. Centrlbl. 1864. 43.) B.
Heber die Reinigung der käuflichen Schwefelsäure
von Arsenik und von salpetrigen Verbindungen.
ßussy und Buignet haben durch Versuche bewie-
sen, dass das Arsen als arsenige Säure bei der Destillation
der Schwefelsäure mit übergehen könne, und dass man
nur dann eine völlig von Arsen freie Säure durch Recti-
fication der käuflichen erhalte, wenn das Arsen darin in
der Form der feuerbeständigen Arsensaure vorhanden ist.
Sie empfahlen daher, wenn nicht eine Prüfung mit Eisen-
vitriol schon die gleichzeitige Gegenwart einer salpetrigen
Verbindung anzeigte, der Schwefelsäure einige Tropfen
Salpetersäure zuzufügen und darauf zu erhitzen, bis keine
rothen Dämpfe mehr in der Flüssigkeit sich bilden. Da
es nun aber oft von grosser Wichtigkeit ist, die Säure
vollkommen frei von salpetrigen Verbindungen zu erhal-
120 Reinigung der Schwefelsäure von Arsenik u. s. w.
ten (namentlich bei der Anwendung im Marsh'schen Appa-
rate; — s. Archiv der Pharm. Decbr. 1864.), so wird vor-
geschlagen, dann vor der Destillation noch eine Erhitzung
mit einer kleinen Quantität schwefelsauren Ammoniaks
vorzunehmen, dessen Ammoniak, wie Pelouze gezeigt
hat, sich mit der salpetrigen Säure vollständig zu Wasser
und Stickgas auflöst. — Die nach solchen Vorgängen
mit gewissenhafter Vermeidung des Ueberspritzens de-
stillirte Schwefelsäure war völlig frei von Arsen und
salpetriger Verbindung, selbst wenn die Säure mit 0,1
Procent arseniger Säure versetzt worden war und zur
Vertilgung der überschüssig zugefügten Salpetersäure
eine verhältnissmässig sehr grosse Menge (bis 5 Proc.)
schwefelsaures Ammoniak angewandt wurde. (Selbstver-
ständlich darf nicht bis zur Trockne destillirt werden, son-
dern höchstens bis zu !/| Rückstand.)
Blondlot sprach sehr bald gegen dies Verfahren
einige Bedenken aus, indem er meinte, dass die Anwendung
des schwefelsauren Ammoniaks eine dreifache Gefahr
böte, nämlich : Erstens würde bei zu geringem Zusätze
leicht etwas Salpetersäure unzersetzt bleiben und mit
überdestilliren können. Zweitens würde bei Anwendung
einer überschüssigen Menge jenes Salz leicht auch seine
reducirende Wirkung auf die Arsensäure ausdehnen. End-
lich sei es leicht möglich, dass das Destillat auch durch
Ammoniak verunreinigt werde (was allerdings kaum zu
vermeiden sein dürfte, wenn man die gegen Ende bei
280° C. und darüber übergehende concentrirte Säure nicht
besonders auffangt). — Hieraufhaben Bussy und Buignet
auf experimentellem Wege bewiesen, dass die Befürchtun-
gen Blondlot's ungegründete seien, indem das nach ihrer
Methode erhaltene Product allen Anforderungen entsprach.
Es giebt aber dennoch Blondlot denjenigen Mitteln
zur Entfernung des Arsens und der Salpetersäure den
Vorzug, welche nicht flüchtig sind und empfiehlt als solche
namentlich den Braunstein und das Kupfer. Nach seiner
Vorschrift soll man, um die Ueberführung der arsenigen
Säure in Arsensäure zu bewirken, die Schwefelsäure in
einer Porcellanschale unter Umrühren mit grob gepulver-
tem Braunstein (8 — 10 Grm. pro Kilogramm) bis zum
Sieden erhitzen und dann mit dem noch ungelösten Braun-
stein der Destillation unterwerfen. Bei Gegenwart von
salpetrigen Verbindungen in der käuflichen Schwefelsäure
lässt Blondlot zuerst so lange einen Kupferstreifen in die-
selbe eintauchen, bis Indigosolution nicht mehr durch sie
Nachxceis unterschwefligsaurer Salze. 121
verändert wird, hierauf lässt er von dem schwarzen Bo-
densatze (CuS) die Säure in eine Porcellanschale abgies-
sen, worin die Erhitzung mit einer verhältnissmässig ver-
grösserten Menge Braunstein vorgenommen wird, und
lässt dann wie oben destilliren.
Es hat dieses Verfahren Blondlot sehr befriedigende
Resultate gegeben. (Journ. de Pharm, et de Chim. Septbr.
1863. Juin et Octbr. 1864.) Weinhold.
Heber die Reinigung der Schwefelsäure.
F. M. Lyte bestätigt Buignet's und Bussy's An-
gabe, dass Arsenik nur dann mit überdestiliirt, wenn er
als arsenige Säure vorhanden ist. Um bei der Destilla-
tion von Anfang an eine völlig reine, namentlich auch
von StickstofTverbindungen freie Säure zu erhalten, setzt
er ihr J / 4 — 2 / 2 Proc. Oxalsäure zu und erhitzt in einer
Porcellanschale unter beständigem Umrühren auf 110°,
bis das Aufschäumen aufgehört hat, lässt auf 100° abküh-
len und fügt gepulvertes zweifach -chromsaures KaH oder
eine Lösung desselben in Schwefelsäure hinzu, bis durch
den Uebergang der grünen Färbung in Gelbgrün die
Gegenwart von Chromsäure neben Chromoxyd angezeigt
wird. Die so vorbereitete Säure giebt bei der Destillation
von Anfang an ein vollkommen reines Product. Entsteht
bei gleich anfänglichem Zusatz von etwas chromsaurem
KaH zu der käuflichen Säure eine grüne Färbung, so
beweist dies die Gegenwart von schwefliger oder arseni-
ger Säure und man kann dann annehmen, dass keine
Oxydationsstufen des Stickstoffs vorhanden sind. (Chem.
News. 1864. — Chem. CentrU. 1864. No. 48.) B.
Heber den Nachweis unterschwefligsaurcr Salze.
J. Reynolds ordnet die Reagentien auf unterschwe-
fligsaure Salze nach ihrer P2mpHndlichkeit in folgende
Reihe: J) Mit Nitroprussidnatrium lässt sich unterschwe-
fligsaures Natron, wenn man es durch Kochen mit Salz-
säure und dann mit einem geringen Ueberschuss von
Aetzkali in Schwefelmetall verwandelt hat, in einer Flüs-
sigkeit, die I (i(M)0 davon enthält, noch nachweisen. 2) Eisen-
chlorid giebt bei 30000 facher, sehr deutlich bei 20000-
facher Verdünnung noch durch Purpurfärbung die Ge-
genwart jenes Salzet zu erkennen. .''») Jodstärke soll
noch bis zu 160000 fache* Verdünnung entfärbt werden
122 Phosphorspectiwm. — Phosphor sesquisulfid.
(was jedoch von R. Arendt bezweifelt wird). 4) Die
Reduction von völlig neutralem Eisenchlorid durch unter-
schwefligsaures Natron, durch Entstehung einer blauen
Färbung auf Zusatz von Kaliumeisencyanid zu erkennen,
ist noch bei oOOOOOfacher Verdünnung möglich. 5) Wenn
man eine zu untersuchende Flüssigkeit mit ein wenig
Salzsäure versetzt und etwas reines Zink hinzufügt, so
entwickelt sich mit dem Wasserstoffgase auch Schwefel-
wasserstoff, wenn unterschwefligsaures Natron vorhanden
war, der bei einem Gehalte von Vsooooo des letzteren
noch beleuchtetes Bleizuckerpapier bräunt. (Brit. Journ.
ofPhotoyr. — Chern.Neivs 1863. — Cham. Centrhl. 1864.
17.) B.
Phosphorspectrum.
Wohl er machte bereits im Jahre 1841 auf die
schöne grüne Flamme aufmerksam, welche das Wasser-
stoffgas annimmt, wenn man phosphorige Säure in den
Entwickelungs- Apparat bringt; später zeigte Dusart, dass
Phosphor eine der phosphorigen Säure gleiche Wirkung
ausübe. Blondlot gab endlich einen besondern Apparat
und verschiedene Vorsichtsmaassregeln an, um mit Hülfe
der genannten Flammenfärbung den Phosphor in gericht-
lichen Fällen zu entdecken. Christof le und Bei Istein
haben nun auch das Spectrum studirt, welches erhalten
wird, wenn man die durch Phosphor grün gefärbte, aus
einer Platinspitze brennende Wasserstoffflamme mittelst
des Kirchhoff Bunsen'schen Spectroskops untersucht; man
sieht alsdann drei grüne Linien:« ist die stärkste, § fast
von gleicher Intensität, -y ist die schwächste. P ß fällt mit
Baö genau zusammen, Pa und Bao liegen nur um 2 Theil-
. striche auseinander, P7 liegt zwischen den erstgenannten
und der Natronlinie. Die Resultate bleiben sich gleich,
man mag die Grünfärbung der Flamme durch Einbringen
von Phosphor, von phosphoriger oder von unterphospho-
riger Säure hervorrufen. Die Verf. bestätigen bei dieser
Gelegenheit, dass die Grünfärbung der Flamme, welche
das aus Eisen entwickelte Wasserstoff meist zeigt, von
dem Phosphorgehalt des Eisens herrühre. (Fresen. Ztschr.
für analyt. Cham. 1864.) B.
lieber das Phosphorscsqiiisulfid.
Lässt man rothen Phosphor und Schwefel in ge-
Phosphor sesquisulfid. 123
wissen Mengen auf einander einwirken, so bildet sieh bei
einer Temperatur gegen 1600 eine neue Verbindung, das
Phosphc-rsesquisulrid, P 2 S 3 . E. Lemoine erhielt es bei
Anwendung folgender Verhältnisse beider Elemente: 2P
und 3S; lP und lS; 2P und lS; 6P und 1 S, über-
haupt immer, wenn Phosphor im Ueberschusse war; liess
er dagegen 1 P und 3 S auf einander wirken, so erhielt
er das Phosphorsulfid PS 3 .
Man trennt die neue Verbindung von dem überschüs-
sigen rothen Phosphor durch Schwefelkohlenstoff, welcher
dieselbe löst, durch Eindampfen und Trocknen bei 200°
im Kohlensäurestrom. Zur Feststellung der Zusammen-
setzung hat Lemoine den auf letztere Weise erhaltenen
Trockenrückstand successive mit geringen Mengen Schwe-
felkohlenstoff ausgezogen, die Auszüge getrocknet und ein-
zeln analysirt; ferner wurde die Masse in Phosphorchlorür
gelöst und das, was sich beim Erkalten abschied, eben-
falls analysirt. Auch die sehr geringe Menge, welche
bei der Erhitzung der obigen Substanz auf 260° sublimirt
war, und endlich die aus einer heissen concentrirten Lö-
sung in Schwefelkohlenstoff durch langsames Erkalten
abgeschiedenen Krystaile wurden ebenfalls der Analyse
unterworfen. Alle Resultate waren übereinstimmend. Es
ergab sich ein Gehalt von 43,4 — 44,1 Proc. S und 55,6
bis 56,0 Proc. P. Das Phosphorsesquisulfid ist dimorph.
Die Krystaile aus der Schwefelkohlenstoff-, so wie die aus
der Phosphorchlorürlösung sind rhombische Prismen, die bei
'260° erhitzte Substanz scheint im regulären Systeme zu
krystallisiien. Der neue Körper schmilzt bei 142° und siedet
ohne Zersetzung zu erleiden bei einer Temperatur, welche
zwischen 3000 und 400° liegt. Er löst sich leicht in
Schwefelkohlenstoff und Phosphorchlorür; auch Aether
und Alkohol wirken lösend, aber gleichzeitig zersetzend.
Von anderen Schwefelverbindungen des Phosphors unter-
scheidet sich das Phosphorsesquisulfid dadurch, dass es
sich an der Luft und in kaltem Wasser nicht verändert.
I ) «s Phosphorsesquisulfid ist in Schwefelkalium und Sehwc-
felnatrium vollständig löslich, ebenso in Kali unter Wärme-
entwickelung. Chlor zet setzt den Körper langsam, aber
vollständig.
Wenn mau annehmen darf, dass die beiden allotro-
pi.schen Zustände des Phosphor« in den Verbindungen
desselben präexistiren können, so scheint in der vor-
liegenden Verbindung der Phosphor in seinem amorphem
Zustande vorhanden zu nein, denn die Bildung des Ses-
124 Erfindung des Verkokens. — Schwefelkohlenstoff.
quisulfids erfolgt schon bei 160°, d. h. unterhalb der Tem-
peratur, welche nöthig ist, den rothen Phosphor wieder
umzuwandeln, und durch die bei der Reaction entwickelte
Wärme wird kein Theil des überschüssigen rothen Phos-
phors in gewöhnlichen verwandelt. (Compt. rend. 1864.
— Chem. Centrbl. 1864. 52.) B.
Erfindung des Verkokens.
Einer vor Kurzem erschienenen Schrift des Anhalti-
schen Bergraths Bischof über die anorganische r"orma-
tionsgruppe und den Unterharz, Dessau 1864, entnehmen
wir Folgendes: „Auf die Thonschiefer des Harzrandes
folgt zunächst die Steinkohlengruppe bei Ballenstedt. Die
Steinkohle selbst ist durch plutonischen Einfluss hier
und da verascht. Es fand hier etwa seit dem Jahre
1580, zu Joachim Ernst's Zeiten, ein Kohlenabbau statt
und es wird in Beckmann, 's Chronik (1. Th. S. 65) um diese
Zeit auch der Erfindung der Verkokung durch einen
Anhaltiner gedacht und zwar mit folgenden Worten :
„„Der Münzmeister Daniel Stumpfelt habe eine In-
vention angegeben, den Steinkohlen den Gestank, die
Wildigkeit und Unart zu benehmen, damit dieselben in
schwarzen und andern Feuerwerken könnten gebraucht
werden."" Dieser für die Pyrotechnik so wichtige Process
ward weit später mit dem englischen Namen „Verkokung"
belegt. Hiernach ist also die Verwandlung der Steinkohle
in ein von ihren schädlichen Bestandtheilen befreites, der
Holzkohle ähnlicheres Product, gleichsam ihre Zähmung,
eine deutsche Erfindung. (ßl. für Handel u. Gevjerbe.
1864. 40.) B.
lieber Schwefelkohlenstoff.
Bei dem steigenden Verbrauch des Schwefelkohlenstoffs
erscheint es immer nöthiger, denselben möglichst lein dar-
zustellen und zugleich die Nebenproducte möglichst un-
schädlich zu machen. Sehr störend war bisher das Auf-
treten des Schwefelwasserstoffs, den Deiss jetzt dadurch
beseitigt, dass er die unverdichtbar abziehenden Gase in
Kästen leitet, in denen sich mehrere Schichten Kalkhydrat
über einander befinden, welches den Schwefelwasserstoff
vollständig absorbirt; man erneuert das Kalkhydrat, wenn
es gesättigt ist. Payen schlügt vor, das Kalkhydrat
durch Eisenoxydhydrat, mit Sägespänen gemengt, zu
Einfluss des Schwefelkohlenstoffs auf die Gesundheit. 125
ersetzen. Es würde dadurch Wasser und Schwefel gebil-
det, welcher letztere von Zeit zu Zeit wieder durch Schwe-
felkohlenstoff gelöst werden könnte. (Bl. für Bändel u.
Gewerbe. 1864.) B.
Einfluss des Schwefelkohlenstoffs auf die Gesundheit.
Die durch das Einathmen des Schwefelkohlenstoffs
auf den menschlichen Organismus entstehenden Wirkun-
gen sind sehr bedenklich und die Lage der bei dessen
Fabrikation beschäftigten Arbeiter wirklich sehr traurig.
Wenige dieser Arbeiter verheirathen sich, denn man weiss,
dass sie selten oder niemals Kinder erzeugen. Die Krank-
heits- Symptome bestehen hauptsächlich in Folgendem:
Eingenommenheit des Kopfes und theilweiser Irrsinn;
schwache Augen; verdorbener Geschmacksinn, indem
alles, was man isst, an Schwefel erinnert; schlechtes Gehör;
Erhöhung des Appetits bis zur Gehässigkeit; fast bestän-
dige Uebeikeit; Störung der Respiration, des Blutumlaufs
und der Secretions- Functionen.
Die Krankheit weicht nur dann, wenn man sich
von den Fabrikräumen entfernt hält. Bis jetzt kennt
man aber noch keinen Stoff, welcher den Schwefelkohlen-
stoff in den Künsten und Gewerben zu ersetzen im Stande
wäre, um die Fabrikation desselben aufzugeben. (Chem.
Neics. — Wittst. Vierteljahrsschr. Bd. 13. 4.) B.
I'eber die Eigenschaften der Kieselsäure und anderer
analoger Colloidc; von Th. Graham.
Unsere Kenntnisse der Löslichkeit der Körper beziehen
sich hauptsächlich auf krystallinische Salze und kaum
auf die sogenannten Colloide. Kieselsäurehydrat z. B.,
welches zu diesen gehört, ist im löslichen Zustande eigent-
lich ein flüssiger Körper, wie Alkohol, der sich in allen
Verhältnissen mit Wasser mischen lässt. Von Löslichkeits-
graden kann bei der Kieselsäure nur insofern die Rede sein,
als man dabei ihren gelatinösen Zustand im Auge hat,
in welchem sie gewöhnlich für unlöslich gehalten wird.
Die Kieselgallerte kann mehr oder weniger Wasser ent-
halten und im Verhältniss dieses Wassergehalts scheint
mehr oder weniger löslich zu sein. Eine Gallerte,
welche l Proo. Kieselsäure enthält, giebt mit kaltem
Wasser eine Lösung, in der etwa 1 Th. Kieselsäure auf
6000 Th. Wasser kommt, eine .Oprocentige Gallerte giebt
11? 6 Eigenschaften der Kieselsäure etc.
eine Lösung von 1 Th. in 10,000 Th. Wasser. Ein schwä-
cheres Hydrat ist noch weniger löslich, und schliesslich,
wenn die Gallerte wasserfrei gemacht wird, scheint die
gummiartige weisse Masse völlig unlöslich zu sein, gleich
der pulverigen leichten Kieselsäure, die man bei der
Analyse von Silicaten durch Eintrocknen einer mit Sal-
zen durchdrungenen Gallerte erhält.
Die Liquidität der Kieselsäure wird nur durch eine
Veränderung afficirt, welche permanent ist: die Coagula-
tion oder Pectisation, durch welche die Säure in den.
gallert- oder pectinartigen Zustand versetzt wird, indem
sie ihre Mischbarkeit mit Wasser verliert. Die Liquidi-
tät ist permanent im Verhaltniss des Verdünnungsgrade».
der Kieselsäure und scheint durch niedrige Temperatur
begünstigt zu werden. Concentrirung und Erhöhung der
Temperatur sind ihr dagegen ungünstig. Eine flüssige
Kieselsäure von 10 — 12 Proc. gelatinirt freiwillig in
einigen Stunden bei gewöhnlicher Temperatur, sofort beim
Erhitzen. Eine 5 procentige Lösung hält sich 5 — 6 Tage,
eine 2 procentige 2 — 3 Monate, eine 1 procentige 2 Jahre.
Bei noch grösserer Verdünnung wird wahrscheinlich mit
der Zeit gar keine Veränderung eintreten, und daher
die Möglichkeit, dass Kieselsäure in der Natur im auf-
gelösten Zustande existiren kann. Uebrigens zeigt keine
Lösung, wie schwach oder stark sie sein mag, irgend
Neigung, Kieselsäure in krystallinischer Form abzuschei-
den. Die Bildung des Quarzes bleibt demnach räthsel-
haft; man muss annehmen, dass sie überaus langsam in
unmessbaren Zeiträumen und aus äusserst verdünnten
Lösungen statt findet. Die Gelatinirung der flüssigen Kie-
selsäure wird durch die Gegenwart fester pulveriger Kör-
per befördert. So gelatinirt eine 5 procentige Lösung in
Berührung mit Graphit in 1 — 2 Stunden, eine 2 procen-
tige in zwei Tagen. Im ersteren Falle bemerkt man eine
Temperaturerhöhung von 1,1° C.
Dem schliesslichen Gelatiniren geht eine allmälige
Verdickung der Flüssigkeit voran. Kurz vor derselben
fliesst die Kieselsäure wie Oel.
Eine vorherrschende Eigenthümlichkeit der Colloide
ist die Neigung ihrer Partikel, zu adhäriren, sich zu häu-
fen und zusammenzuziehen. Diese Idio- Attraction offen-
bart sich in der allmäligen Verdickung der Flüssigkeit
und führt endlich zum Gelatiniren. In der Gallerte selbst
schreitet diese Synairesis noch vor, bewirkt Absonderung
von Wasser und Ausscheidung eines Gerinnsels, sie endigt
Eigenschaften der Kieselsäure etc. 127
mit der Bildung einer harten glasartigen Masse, welche
wasserfrei ist, wenn das Wasser verdunsten kann. Die
starke Synairesis der Hausenblase, welche im Vacuum
über Schwefelsäure getrocknet worden, bewirkt, dass beim
Abziehen der Decke vom Glase etwas des letzteren mit abge-
rissen wird. Glas selber gehört zu den Colloiden und die
Adhäsion der Colloide unter einander scheint grösser zu
sein, als die zwischen Colloiden und Krystalloiden. Hau-
senblasengallerte in gleicher Weise auf Kalkspath oder
Glimmer eingetrocknet, adhärirt nicht an der Oberfläche
und löst sich leicht davon ab. Polirte Glasplatten darf
man nicht mit einander in Berührung lassen, da sie fest
an einander adhäriren. So ist auch die Adhäsion der
Fragmente von glasartiger Phosphorsäure ein bekanntes
Beispiel der Colloid- Synairesis.
Erwägt man, dass die Colloid-Phase der Materie das
Resultat einer eigenthümlichen Attraction der Molecüle
ist, einer Eigenschaft, die der Materie niemals ganz fehlt,
aber bei der einen Substanz sich stärker entwickelt zeigt
als bei der andern, so ist nicht zu verwundern, dass sich
colloidische Charaktere nach beiden Seiten hin in den flüs-
sigen, wie in den festen Zustand hin verbreiten. Sie zei-
gen sich in der Klebrigkeit der Flüssigkeiten einerseits,
in der Weichheit und Tendenz zur Adhäsion bei festen
Körpern andererseits. Metaphosphorsaures Natron in der
Hitze geschmolzen, ist ein wahres Glas oder Colloid,
wenn aber dieses Glas einige Minuten unter dem Schmelz-
puncte erhalten wird, so nimmt es eine krystallinische
Structur an, ohne die Durchsichtigkeit zu verlieren. Was-
ser als Eis stellt eine ähnliche intermediäre Form zwi-
schen Colloid und Krystalloid dar, als ersteres zeigt es
sich adhäsiv und geneigt zum Anfrieren.
Es ist unnöthig, hier auf die Thatsache zurückzukom-
men, dass flüssige Kieselsäure durch alkalische Salze,
auch solche von geringer Löslichkeit, wie kohlensaurer
Kalk, so leicht gerinnt; nur das sei erwähnt, dass die
-enwart von letzterem Salze sich so lange nicht mit
dem gleichzeitigen Vorhandensein gelöster Kieselsäure
verträgt, bis das Verhältniss der letztern zum Wasser sich
auf '/ioooo reducirt.
Gewisse flüssige Substanzen unterscheiden sich darin
von den Salzen, dass sie auf das Gelatinircn der Kiesel-
säure geringen oder gar keinen Einfluss haben. Anderer-
seits sind dieselben Flüssigkeiten aber auch keino Prä-
servative der Fluidität der Colloide, wenigstens nicht mehr
128 Eigenschaften der Kieselsäure etc.
als hinzugefügtes Wasser. Zu diesen inactiven Verdün-
nungsmitteln der Kieselsäure gehören Salzsäure, Salpeter-
säure, Essigsäure und Weinsäure, Zuckersyrup, Glycerin
und Alkohol. Diese alle aber und manche andere zeigen
ein wichtiges Verhalten zur Kieselsäure, welches von dem
gelatinirenden Einfluss der Salze sehr verschieden ist.
Sie sind nämlich im Stande, das Wasser des Kieselsäure-
hydrats, sei dasselbe im flüssigen oder gelatinösen Zustande,
zu ersetzen und neue Substitutionsproducte zu bilden.
Eine flüssige Verbindung von Alkohol und Kiesel-
säure wird erhalten, indem man Alkohol zu wässeriger
Kieselsäure fügt und der Mischung unter der Luftpumpe
durch Aetzkalk oder trocknes kohlensaures Kali das Was-
ser entzieht. Oder man hängt einen zur Dialyse geeig-
neten Beutel von Pergamentpapier, welcher das Gemisch
enthält, in einen mit Alkohol gefüllten Becher, das Was-
ser diffundirt und im Beutel bleibt die flüssige Verbin-
dung von Alkohol und Kieselsäure. Hierbei ist zu beach-
ten, dass die Kieselsäure in der alkoholischen Lösung
nicht mehr als ein Procent betragen darf, da diese sonst
bei dem Experiment leicht gerinnt. Nennt man das
flüssige Hydrat der Kieselsäure Hydrosol, das gelatinirte
Hydrogel, so heissen die entsprechenden Verbindungen
mit Alkohol Alkosol und Alkogel.
Erstere Verbindung, 1 Proc. Kieselsäure enthaltend,
ist eine farblose Flüssigkeit, in der weder durch Wasser
noch Salz, noch durch Berührung mit unlöslichem Pulver
Niederschläge entstehen. Sie kann ohne Veränderung
zum Kochen erhitzt werden, gelatinirt aber durch Con-
centration. Die Kieselsäure ist darin weniger fest gebun-
den, als im Hydrosol, aber gleichfalls mit variirender
Kraft, indem eine kleine Parthie des Alkohols so fest
zurückgehalten wird, dass er verkohlt, wenn man die
resultirende Gallerte bei hoher Temperatur einer raschen
Destillation unterwirft. Nicht eine Spur von Kieselsäure-
äther findet sich in dieser Art Verbindungen. Die Gal-
lerte brennt mit Leichtigkeit an der Luft und hinterlässt
alle Kieselsäure als weisse Asche.
Alkogel, die feste Verbindung, entsteht, indem man
gelatinöse Kieselsäure von 8 — 10 Proc. Gehalt in abso-
luten Alkohol legt und letzteren bis zur völligen Entfernung
des Wassers mehrmals erneuert. Sie ist gewöhnlich etwas
opalisirend und im Ansehen dem Hydrogel ähnlich. In
Wasser gelegt, diffundirt allmälig der Alkohol und Hydro-
gel bildet sich wieder.
Eigenschaften der Kieselsäure etc. 129
Aus dem Alkogel lassen sich durch Substitution mit
anderen Flüssigkeiten eine Menge ähnlicher gallertartiger
Körper darstellen. Dabei ist eine Bedingung, dass Alko-
hol und die zu substituirende Flüssigkeit mischbar sind.
So werden Verbindungen mit Aether, Benzol und Schwe-
felkohlenstoff gebildet. Wiederum entspringen aus dem
Aetherogel verschiedene Verbindungen, welche in Aether
lösliche Flüssigkeiten, z. B. fette Oele, enthalten. Die
Bildung der Glycerinverbindung wird durch die geringe
Flüssigkeit des Glycerins erleichtert. Taucht man Kie-
selsäurehydrat in Glycerin und erhitzt damit zum Kochen,
so destiilirt Wasser ohne anderweitige Veränderung der
Gallerte, als dass die opalisirende Gallerte vollkommen
farblos und durchsichtig wird, so dass sie unter dem Gly-
cerin nicht zu sehen ist. Aber eine Portion Kieselsäure
löst sich und zugleich mit der Glyceringallerte entsteht
ein Glycerosol.
Das Glycerogel ist etwas weniger voluminös, als das
Hydrogel. Beim Erhitzen schmilzt es nicht, das Glycerin
geht fast ganz über, nur gegen das Ende findet eine ge-
ringe Zersetzung statt.
Die Schwefelsäureverbindung, das Sulfogel, ist mit
Leichtigkeit aus dem Hydrogel dargestellt. Ein Klumpen
hydratischer Kieselsäure bleibt äusserlich unversehrt, in-
dem man ihn in Schwefelsäure taucht, die mit 2 — 3 Vol.
Wasser verdünnt ist, und dann allmälig bis zum Vitriolöl
fortschreitet. Das Sulfogel sinkt in der Säure nieder
und kann mit einem Ueberschuss derselben destiilirt wer-
den, ohne seine Durchsichtigkeit und gallertartige Beschaf-
fenheit zu verlieren. Es hat einen geringern Umfang
als das ursprüngliche Hydrogel, ist durchsichtig und farb-
los. Beim Destilliren werden die letzten Portionen Schwe-
felsäure stärker zurückgehalten, der Siedepunct der Schwe-
felsäure wird dabei überschritten und schliesslich bleibt
die Kieselsäure als weisse poröse bimsteinartige Masse
zurück. Unter Wasser bildet sich daraus wieder Hydro-
gel, mit Alkohol entsteht zuletzt Alkogel. Aehnliche Gal-
lerten lassen sich leicht darstellen mit Salpetersäure, Es-
sigsäure, Ameisensäure. Sic sind alle völlig durchsichtig.
Die Darstellung der oben beschriebenen Kieselsäure-
Verbindungen deutet einen viel weitern Umfang der Ai'ri-
nität bei einem Colioide an, als man voraussetzen konnte.
Die organischen Colioide sind ohne Zweifel mit einer
gleich ausgedehnten Verwandschaftskraft begabt, welelie
für den Physiologen wichtig werden kann. Daraus, dass
ANkd. Pharm. CLXXlII.lsd*. l.u.'J.IIft. 9
130 Eigenschaften der Kieselsäure etc.
sich eine Masse gelatinöser Kieselsäure, statt des Wassers
mit Alkohol oder selbst Olein verbinden kann, ohne Ver-
änderung der Form, lässt sich vielleicht die Durchdrin-
gung der eiweissartigen Substanz der Membran durch
fette und andere unlösliche Körper erklären, welche bei der
Verdauung statt zu finden scheint. Noch merkwürdiger sind
die flüssigen Verbindungen der Kieselsäure. Die flüssige
Alkoholverbindung weist darauf hin, dass eine Verbindung
des Colloids Eiweiss mit Olein bestehen könne, welche
gleichfalls löslich wäre und mit dem Blute circuliren
würde.
Der schwache Zusammenhang zwischen den in ver-
schiedene physikalische Classen gehörenden Colloiden und
Krystalloiden verdient Beachtung. Wenn eine solche
Verbindung in eine Flüssigkeit gebracht wird, so kann
die höhere Diffusionskraft des Krystalloids dessen Tren-
nung von dem Colloide bewirken. So scheidet sich aus
dem Kieselsäurehydrat das Wasser, ein Krystalloid, von
der Säure, einem Colloide, um in Alkohol zu diffundiren,
und wenn der Alkohol wiederholt erneuert wird, so wird
alles Wasser entfernt, indem der Alkohol, ein anderes
Krystalloid, statt des Wassers sich mit der Säure ver-
bindet. Das im Uebermaass vorhandene Liquidum (hier
der Alkohol) bemächtigt sich vollständig der Kieselsäure.
Umgekehrt verläuft der Process, wenn Alkogel in eine
beträchtliche Menge Wasser gebracht wird, alsdann tritt
der Alkohol ausser Verbindung wegen der leichten Dif-
fusion in Wasser und das jetzt im Ueberschuss vorhan-
dene Wasser bemächtigt sich wieder der Kieselsäure.
Solche Vorgänge stellen den überwältigenden Einfluss
der Masse ins Licht.
Selbst die Verbindungen der Kieselsäure mit Alkalien
widerstehen nicht der zersetzenden Kraft der Diffusion.
Eine 1 — 2procentige Lösung von kieselsaurem Natron
erleidet bei der Dialyse mit Wasser im Vacuum (um
Kohlensäure abzuhalten) eine allmälige Zersetzung, indem
Aetznatron in das Wasser übergeht. Das Gelatiniren
flüssiger Kieselsäure und vieler anderer Colloide in Berüh-
rung mit kleinen Mengen von Salzen geschieht auf eine
noch nicht zu erklärende Weise. Andererseits kann die
gelatinöse Kieselsäure durch sehr wenig Alkali wieder
flüssig gemacht werden. Diese Veränderung geht nach
und nach vor sich, indem 1 Th. Aetznatron in 10000 Tb.
Wasser gelöst 200 Th. Kieselsäure (trocken berechnet)
bei 1000 C. in 60 Minuten flüssig macht.
Eigenschaften de?* Kieselsäure etc. 131
GelatinöseZinnsäure wird ebenfalls leicht durch eine
kleine Quantität Alkali selbst bei gewöhnlicher Temperatur
flüssig gemacht. Nachdem das Alkali diese Wirkung ausge-
übt, kann es wieder von dem Colloide durch Diffusion in Was-
ser auf einem zur Dialyse geigneten Apparate getrennt wer-
den. Die Auflösung dieser Colloide unter solchen Umstän-
den lässt sich als analog ansehen mit der Auflösung unlös-
licher organischer Colloide, welche bei der thierischen Ver-
dauung wahrgenommen wird, mit dem Unterschiede, dass
das Solvens hier nicht sauer, sondern alkalisch ist. Flüs-
sige Kieselsäure stellt sich dar als das Pepton gallert-
artiger Kieselsäure, und dies Flüssigwerden der letzteren
durch eine Spur Alkali kann man als die Verdauung
oder Peptisation dieser Gallerte betrachten. Die reinen
Gallerten der Thonerde, des Eisenoxyds und der Titan-
säure, durch Dialyse bereitet, nähern sich mehr dem Ei-
weiss, da sie durch geringe Mengen von Salzsäure ver-
daut, peptisirt werden.
Flüssige Zinn- und Metazinnsäure. Die erstere
wird durch Dialyse des Zinnchlorids mit einem Zusatz
von Alkali oder des zinnsauren Natrons mit Salzsäure
bereitet. In beiden Fällen bildet sich erst eine Gallerte
im Apparat, aber in dem Maasse als die Salze diffundiren,
wird die Gallerte durch das wenige zurückbleibende freie
Alkali wieder aufgelöst. Das Kali kann durch fortgesetzte
Diffusion entfernt werden, wozu einige Tropfen Jodtinctur
behülflich sind. Die flüssige Zinnsäure wird durch Er-
hitzen in flüssige Metazinnsäure verwandelt. Beide wer-
den auffallend leicht durch kleine Mengen von Salzsäure
oder Salzen gallertförmig.
Flüssige Titansäure erhält man durch kaltes
Auflösen von gallertartiger Titansäure in ein wenig Salz-
säure und nachherige Dialyse. Die Flüssigkeit darf nicht
mehr als 1 Proc. Titansäure enthalten, sonst gelatinirt
sie von selbst; im verdünnten Zustande ist sie beständig.
Sowohl Titansäure, wie die beiden Zinnsäuren geben die-
selben Verbindungen mit Alkohol etc., wie die Kiesel-
säure.
Flüssige Wol f r am säure. Das Dunkel, welches
so lange über der Wolframsäure geschwebt, ist durch die
dialytische Untersuchung aufgehellt. Sie ist in der That
ein merkwürdiges Colloid, von dem bisher nur die Gal-
lertform bekannt war. Flüe ige Wolframsäure erhält man
durch Zusatz von verdünnter Salzsäure zu einer fünfpro-
centigen Lösung von wolframsaurem Natron in unzurei-
132 Eigenschaften der Kieselsäure etc.
ch ender Menge, um das Alkali zu neutralisiren, und dar-
auf folgende Dialyse: In etwa drei Tagen findet sieh die
Säure rein mit ungefähr 20 Proc. Verlust, indem die
Salze gänzlich diffundirt sind. Merkwürdiger Weise wird
die reine Säure weder durch Säuren noch Salze selbst
bei Siedhitze coagulirt. Zur Trockne verdampft, bildet
sie glasige Schuppen wie Gummi oder Gelatine, die zu-
weilen so stark an der Oberfläche der Abdampfschale
adhäriren, dass sie Stücke davon losreissen. Sie kann bis
200° C. erhitzt werden, ohne Verlust ihrer Löslichkeit oder
Uebergang in den Gallertzustand, aber nahe der Roth-
glühhitze erleidet sie eine Molecularveränderung und ver-
liert zugleich 2,42 Proc. Wasser. Wenn Wasser zu un-
veränderter Wolframsäure hinzugefügt wird, so wird sie
teigig und klebrig wie Gummi, sie bildet mit etwa ein
Viertel Wasser eine Flüssigkeit von solcher Dichte, dass
Glas darauf schwimmt. Die Lösung braust mit kohlen-
saurem Natron. Der Geschmack der in Wasser gelösten
Wolframsäure ist nicht metallisch oder sauer, sondern
bitter und zusammenziehend. Auflösungen derselben von
5,20, 50, 66,5 und 79,8 Proc. zeigen bei 190 C. e in spec.
Gewicht von 1,0475, 1,2168, 1,8001, 2,396 und 3,243.
Im Vacuum abgedampft, ist die Wolfram säure farblos,
an der Luft wird sie durch desoxydirende Wirkung orga-
nischer Stoffe grün. Flüssige Kieselsäure wird durch Bei-
mischung von Wolfram säure vor dem Gelatiniren bewahrt,
ein Umstand, der wahrscheinlich mit der Bildung der kürz-
lich von Marignac beschriebenen Doppel Verbindung zu-
sammenhängt.
Molybdänsäure ist wie die Wolframsäure bisher
nur in unlöslicher Form bekannt gewesen. Krystallisir-
tes molybdänsaures Natron in Wasser gelöst, wird durch
überschüssige Salzsäure ohne sofortige Präcipitation zer-
setzt. Man dialysirt die Flüssigkeit unter jeweiliger Nach-
fügung von Salzsäure. Nach drei Tagen bleiben ungefähr
60 Proc. Molybdänsäure im reinen Zustande zurück.
Die Lösung derselben ist gelb, schmeckt adstringirend,
reagirt sauer auf Lackmus, braust mit kohlensauren Sal-
zen und besitzt grosse Stabilität. Lösliche Molybdän-
säure hat im trocknen Zustande dasselbe gummiartige
Ansehen wie Wolframsäure, und absorbirt Wasser aus
feuchter Luft. Beide Säuren verlieren ihren colloidischen
Charakter durch Verbindung mit Natron und geben ver-
schiedene krystallisirbare Salze. ( Pharma c. Journ. and
Transact. ll.Ser. Vol. VI. No.2. Aug. 1864. p. 63 ff.) Wp.
Pottaschesorten des Handels. 133
Werthbestimuiuiig der Pottaschesorten des Handels
und Analysen derselben.
Seit einer Reihe von Jahren mit der Verwendung
von Pottasche zu verschiedenen Fabrikationszweigen be-
schäftigt, wurde H. Grüneberg veranlasst, die meisten
im Handel vorkommenden Pottaschesorten einer genauen
Prüfung zu unterwerfen.
Für die gewöhnlichen im Handel vorkommenden Pott-
aschen, wenn dieselben nicht mit Soda vermischt sind, ist
die Gay-Lussac'sche Untersuchungsmethode jedenfalls die
am meisten zu empfehlende. Dieselbe weist den wirklichen
Alkaligehalt nach. Es wird mit einer Probesäure operirt,
welche nach chemisch reinen und geglühten Alkalien
normirt ist, und deren, zum Sättigen des zu untersuchen-
den Alkalis verbrauchte Menge, in Cubikcentimetern bei
gewissen abzuwägenden Quantitäten der Alkalien die
wirklichen Gewichtsprocente derselben an kohlensaurem
Kali angiebt. Sie lässt jedoch im Stiche, wenn wir mit
Pottaschen zu thun haben, welche, wie z. B. Rübenasche,
ziemlich bedeutende Antheile Soda enthalten.
Auch ist auf die anderen Kalisalze, als schwefelsau-
res Kali und Chlorkalium, Rücksicht zu nehmen. Bei
Pottaschen von so abweichender Zusammensetzung bleibt
nichts anderes übrig als vollständige Analysen zu machen,
d. h. jedes der darin enthaltenen Salze zu bestimmen, für
jedes der Salze einen Werth in Procenten auszusetzen
und diese Werthe dann zu einer den Werth des Produc-
tes ausdrückenden Gesammtsumme zu vereinigen.
Grüneberg hat seit 5 Jahren zur Werthbestim-
mung der Pottasche in Anbetracht der durch Mohr so
sehr verbesserten Titrir- Analyse folgende Methode an-
gewendet: Es wird der alkalimetrische Gehalt der zu
untersuchenden Pottasche nach der Gay - Lussac 'sehen
Methode als kohlensaures Kali gesucht, das Chlor nach
der Mohr'schen Methode mit salpetersaurem Silberoxyd, die
Schwefelsäure ebenfalls nach Mohr als Bleisalz bestimmt.
Das vorhandene Kali wird gleichfalls nach Mohr als
Weinstein abgeschieden und hieraus berechnet. Sämmt-
liclies gefundene Chlor wird auf Chlorkalium, und sämmt-
liche Schwefelsäure auf schwefelsaures Kali berechnet,
flenn Chlor und Schwefelsäure sind in der Pottasche im-
mer an Kali gebunden. Der an Chlor und Schwefelsäure
nicht gebundene Rest des gefundenen Kalis, abgesehen
von zu vernachlässigenden kleinen Quantitäten kieselsau-
134 Pottaschesorten des Handels.
ren Kalis, welches als kohlensaures Kali gefunden wird,
ist als kohlensaures Kali vorhanden und wird als solches
berechnet. Das so ermittelte kohlensaure Kali wird von den
alkalimetrisch gefundenen Pottascheprocenten in Abrech-
nung gebracht, und der verbleibende Rest auf Soda im
Verhältniss von 69,1 : 53,0 (KO, CO 2 : NaO, CO 2 ) berech-
net. Bei einiger Uebung ist eine Pottasche nach dieser
Methode in ein paar Stunden zu analysiren.
Folgendes Beispiel möge diese Berechnungsweise er-
läutern :
Es sei gefunden in einer Pottasche:
Alkalimetrischer Gehalt 51,1
Schwefelsaures Kali 31,4
Chlorkalium 14,5
Kali 52,87
Schwefels. Kali 31,4 darin Kali . . 17,00
Chlorkalium 14,5 darin Kali . . 9,18
26,18.
52,87 im Ganzen gefundenes Kali, davon abgezogen
26,18, giebt 26,69, welche 26,69 KO auf kohlensaures
Kali berechnet aus der folgenden Proportion sich ergeben:
47,1 : 69,1 == 26,69 xj x = 38,9 KO, CO 2 .
Diese 38,9 KO, CO 2 von dem gefundenen alkali-
metrischen Gehalte von 51,1 subtrahirt, ergeben einen
Rest von 12,2, welcher, im Verhältniss von 69,1:53,0
auf Soda berechnet, einem Sodagehalte von 9,3 Proc. ent-
spricht.
Die fragliche Pottasche enthielt also:
Kohlensaures Kali 38,9
„ Natron 9,3
Schwefelsaures Kali 31,4
Chlorkalium 14,9
Wasser und Unlösliches . . . 5,5
~1Ö0,0.
Für den Salpeterfabrikanten würde bei leidlichen
Salpeterpreisen jene Sfcala etwa folgende sein:
Kohlens. Kali, Werth per Proc 4 Sgr.
Natron l*/ 4 „
Schwefels. Kali 1 „
Chlorkalium l 1 ^ »
Der Werth einer russischen Asche von folgender
Zusammensetzung würde sich nach obiger Scala etwa
wie folgt herausstellen:
„ Natron 4 „
* 1^4 .
Schwefels. Kali 17 „
ä 1 ,
Chlorkalium 3,5 „
ä IV2 ■
Pottaschesorten des Handels. 135
Kohlens. Kali 68 Proc. ä 4 Sgr. = 9 Thlr. 2 Sgr. —Pf.
_ i\ _^
= - „ 17 „ - „
100,0 Proc. = 9 Thlr. 29 Sgr. 3 Pf.
Natürlich muss diese &ala eine andere sein, je nach
localen Verhältnissen und Conjuncturen ; vor Allem aber
je nach den Zwecken, zu welchen die fragliche Pottasche
verwendet werden soll.
So darf z. B. der Seifenfabrikant Chlorkalium und
schwefelsaures Kali nicht berechnen, weil diese Kalisalze
für ihn fast werthlos sind, wogegen für den Alaunfabri-
kanten, welcher eine geringe Pottasche anwendet, das
schwefelsaure Kali einen höheren Werth hat, als für den
Salpeterfabrikanten. Für Consumenten der Rübenasche
ist bei der ausserordentlich schwankenden Zusammen-
setzung derselben in Folge des Bodens, auf welchem die
Rüben gezogen wurden, eine solche Werthbestimmung
von grosser Wichtigkeit. Bei reinen Pottaschesorten lässt
sich die Analyse derselben vereinfachen und eine Kali-
bestimmung umgehen. Man bestimmt den alkalimetri-
schen Gehalt der zu untersuchenden Pottasche als kohlen-
saures Kali, das Chlor als Chlorkalium, die Schwefel-
säure als schwefelsaures Kali.
Es wird ferner Feuchtigkeit und Unlösliches, im
Falle solches vorhanden, festgestellt, und sämmtliche ge-
fundene Procente werden addirt. Hierdurch wird eine
Summe erhalten, welche, wenn ein Natronsalz (Soda) vor-
handen war, ein gewisses Plus über 100 ergeben wird.
Bei genauer Operation wird jedes über 100 gefundene
Procent einem Sodagehalte von 3,2927 entsprechen, so
dass man, um den Sodagehalt einer Pottasche zu berech-
nen, nur jenes gefundene Plus mit 3,2927 zu multiplici-
ren hat.
Der Multiplicator 3,2927 wird auf folgende Weise
gefunden : Von einer Probesäure, von welcher 100 C.C.
100 Proc. einer abgewogenen Menge kohlensauren Kalis
sättigen, werden, wenn die gleiche Gewichtsmenge kohlen-
sauren Natrons gesättigt werden soll, 130,37 CC. erfor-
derlich sein, denn die zur Sättigung obiger Alkalien erfor-
derliche Säuremenge verhält sich umgekehrt wie deren
Aequivalent. Mithin
53,0 (NaO, CO«) : 09,1 (EO, CO*) = 100 : 130,37.
Es erfordert also jene Quantität kohlensauren Natrons
136 Pottaschesorten des Handels.
30,37 C.C. Probesäure mehr, als ein gleiches Gewicht
kohlensauren Kalis. Auf andere Weise: Jene Quantität
Alkali, falls dessen Qualität zweifelhaft sein sollte, wird,
wenn zu deren Sättigung 30,37 C.C. Probesäure mehr
als 100 verbraucht werden, 100 Proc. kohlensauren Na-
trons enthalten, also reines kohlensaures Natron sein.
Da nun 30,67 Mehrbestand ' 100 Procent kohlensaures
Natron repräsentirt, so wird 1 Procent Mehrbefund =
100
= 3,2927 kohlensaures Natron sein, oder man
30,37 ' '
hat jedes über 100 gefundene Procent mit 3,2927 zu mul-
tipliciren, um den Sodagehalt einer fraglichen Pottasche
festzustellen. Zur Ermittelung der Pottasche neben der
Soda hat man nur den durch jenen Multiplicator berech-
neten Sodagehalt nebst dem gefundenen Plus (welches,
da der vorhandene Sodagehalt bei der alkalimetrischen
Operation als kohlensaures Kali berechnet, entsprechend
dem Unterschiede der Aequivalente von KO, CO 2 und
NaO, CO 2 zu hoch berechnet war) von dem gefundenen
alkalimetrischen Gehalte (Alkaliprocente) zu subtrahiren.
Z. B. Es sei gefunden in einer rheinischen Pott-
asche :
Alkalimetrischer Gehalt 51,1 Proc.
Schwefelsaures Kali 31,4 „
Chlorkalium 14,5 „
Wasser und Unlösliches 6 „
103,0 Proc.
Gefunden also über 100
3 X 3,2927 = 9,87 Proc. Soda.
51 ? 1 — (9,87 -f- 3) — 38,23 kohlensaures Kali.
Die rheinische Pottasche hat also folgende Zusammen-
setzung :
Kohlensaures Kali 38,23
Natron 9,87
Schwefelsaures Kali 31,40
Chlorkalium 14,50
Wasser und Unlösliches 6,00
100,00
Enthält eine Pottasche Aetzkali, so müssen 100 Th.
der zuvor durch Glühen von Feuchtigkeit befreiten Pott-
asche mit kohlensaurem Ammoniak geglüht werden. Man
analysirt 100 Theile des erhaltenen kohlensauren Alkalis,
Pottasciiesorten des Handels.
137
bestimmt darin den Sodagehalt nach obiger Methode und
addirt hierzu das kohlensaure Natron, welches der Rech-
nung nach in dem durch Glühen mit kohlensaurem Am-
moniak erhaltenen Mehrgewichte noch enthalten ist.
Die meisten Pottaschen folgender Zusammenstellung
wurden nach obiger Methode bestimmt. Bei den mit *
bezeichneten Analysen von F. Meyer wurde das in der
Pottasche enthaltene Chlorkalium als Chlornatrium berech-
net, weshalb die Analysen umgerechnet und der Natron-
gehalt als Soda aufgeführt werden musste.
Ein Vergleich der Colonnen a und b macht es deut-
lich, wie leicht man bei einer einfachen alkalimetrischen
Prüfung der Pottasche über den Gehalt an kohlensaurem
Kali sich täuschen kann, und wie wichtig es ist, bei
gewissen Pottaschen ausser den alkalimetrischen Bestim-
mungen eine quantitative Bestimmung der einzelnen Be-
standteile der Pottasche vorzunehmen.
Analyse verschiedener Pottaschen des Handels.
Ursprung
der
Pottasche.
Ana-
lytiker.
a.
b.
CA
c.
d.
>
Kolilens. Kali
Kalihydrat, her.
kohlens. Kai
I
aa
|
tu
S
4)
,3 Ix
o
M
2
■fl
So«
<2§
\4
o
CO
Amerikanische
Pottasche . . .
* desgl
* desgl
desgl
desgl
desgl. con-
demned. .
desgl. do. . .
* desgl
desgl
* desgl
* desgl
Payen
F. Mayer,
desgl.
H. G.
H. G.
H. G.
II. G.
F. Mayer.
II. G.
F. Mayer.
desgl.
55,5
68
68
5,8
15,3
108,2
41,7
49,6
106,4
1,4
4,0
87,8
19,4
44,4
77,2
8,2
16,1
81,7
18,3
36,6
65,9
12,2
15,1
81,8
34,5
29,6
77,9
3,0
15,0
79,8
—
—
64,4
15,4
27,8
67,9
—
—
66,1
1,4
15,2
71,3
8,2
38,6
57,4
10,7
19,7
74,1
—
—
52,2
17,0
18,4
68$
43,1
6,6
50,7
9,5
27,7
76,2
47,1
4,4
51,8
18,8
21,3
8,1
2,0
5,6
14,6
7,5
8,9
18,2
8,4
20,8
13,5
7,0
138
Pottaschesorten des Handels.
Ursprung der Pottasche.
Ana-
lytiker.
a.
b.
C.
d.
■
und
rech.
Kali.
a
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Ort»
Ui
co
Amerikanische Pottasche
Desgl
Russische Pottasche
Desgl
Desgl
Toskanische Pottasche....
Desgl
Illyrische Pottasche
Vogesen- Pottasche
Französische Pottasche...
Desgl. (Valencienne)
Desgl. (doppelt affinirt).. .
Desgl. v. Hamoir, Duquene
Loinne, Paris
Belgische raffln. Pottasche
Desgl
Desgl
Desgl. rohe Rübenasche . .
Desgl
Englische raffln. Pottasche
Siebenbürger Pottasche
zweimal calcinirt
Desgl. Waldasche zweimal
calcinirt
Desgl. Buchenwaldasche
zweimal calcinirt
Ungarische Hausasche
Rheinische Pottasche
Desgl
Rohe Rübenasche, Magde-
burg
Desgl
Cölner Pottasche von Vor-
ster und Grüneberg..
Payen.
H. G.
Payen.
Gmelin.
H. G.
Payen.
H. G.
H. G.
Payen.
Payen.
H. G.
H. G.
Payen.
H. G.
H. G.
H. G.
H. G.
H. G.
H. G.
H. G.
H. G.
H. G.
H. G.
H. G.
H. G.
H. G.
H. G.
H. G.
H. G.
74,2
71,3
2,3
70,2
65,0
4,0
73,5
69,6
3,0
74,1
68,2
4,6
73,5
69,0
3,5
78,0
74,1
3,0
76,9
62,6
11,0
89,3
89,3
0,0
43,8
38,6
4,0
83,9
53,9
23,1
98,5
79,0
14,3
96,5
89,3
5,6
98,1
76,0
16,3
93,0
80,0
10,0
78,0
63,0
11,9
65,9
55,0
8,4
65,2
43,0
11,0
51,2
34,3
13,0
81,3
76,9
3,4
90,0
81,2
6,8
92,5
84,6
6,1
88,3
80,8
8,9
68,0
44,6
18,1
58,8
51,3
5,6
62,1
56,9
4,0
56,9
32,9
18,5
50,5
27,1
18,0
93,3
93,3
0,0
91,8
84,0
6,0
14.3
21,0
14,1
17,0
14,0
13,4
15,5
1,2
38,8
2,9
3,9
2,2
1,19
7,1
6,1
4,0
4,7
11,0
1,0
6,4
8,8
5,8
30,0
26,0
19,6
14,0
10,5
2,3
6,5
(Ztschr. des Ver. deutsch Ingenieure Bd. 7. — Dingl. £ ilyt.
Journ. Bd. 171. 1864.) B.
Neue Anwendung des ßromkaliums. 139
lieber Aetznatron.
E. Reichardt macht auf eine Verfälschung des
Aetznatrons mit 33 l j 3 Proc. Chlornatrium aufmerksam.
Das Aetznatron war in Jena zu 3 Sgr. das Pfund
verkauft und zeichnete sich durch einen schönen krystal-
linisch glänzenden Bruch sehr vortheilhaft aus.
Der Werth ist gegen reines Aetznatron etwa die
Hälfte, da auch 10,5 Wasser darin sich fanden. (Dingl.
Journ. Bd. 172. Hft. 6. S. 449.) Bkb.
Neue Anwendungen des ßromkaliums.
A. Smith hat eine Reihe von Keuchhustenfällen mit
Bromkalium behandelt und beobachtet, dass dieses Heil-
mittel im Allgemeinen mit ziemlicher Schnelligkeit die
Hustenanfälle zum Verschwinden brachte und hierauf voll-
kommene Heilung bewirkte.
Smith empfiehlt die Anwendung massiger Dosen
dieses Bromsalzes, einige Grane täglich zwei bis drei Mal.
Erhöhte Gaben sind zu vermeiden, denn sie können so-
gar nachtheilig wirken. {The medic. mirror.)
H. B ehrend in London rühmt die Anwendung des
Bromkaliums (25 Gran, täglich drei Mal während der
Mahlzeit) sehr gegen gewisse Fälle von Schlaflosigkeit, bei
welcher das nervöse Element vorherrscht. Hier bringen
das Opium und seine verschiedenen Präparate gewöhnlich
keine gute Wirkung hervor, sie werden vom Organis-
mus schlecht vertragen und vermehren oft die Aufre-
gung und Reizbarkeit, unter welchen die Patienten zu
leiden haben. Die oben angegebene Dosis wird vollkom-
men gut vertragen und bewirkt keinen unangenehmen
Zufall auf die Gesundheit oder wohl gar Vergiftung,
bringt auch nie eine Schwächung der Geschlechtsfunc-
tionen hervor, die man gewöhnlich zu den Wirkungen des
Bromkaliums rechnet. (The Lancet. — N. Repert.f. Pharm.
1864. 7.) B*
Darstellung von Bromkalium, -Lithium, -Calcium und
-Magnium.
V. Klein benutzt dazu das Verfahren, dessen sich
Lieb ig zur Darstellung der entsprechenden Jodide be-
diente.
Brom calci um. Es wird 1 Th. fein zerriebener amor-
pher Phosphor in einer Rcibschalc mit 30 bis 40 Th. Wasser
140 Darstellung von Bromkalium, -Lithium, etc.
zerrieben und dann unter einem gut ziehenden Rauch-
fange 12,5 Th. Brom hinzugesetzt. Das Brom verbindet
sich mit dem Phosphor unter einer ganz ungefährlichen
Feuererscheinung und die Flüssigkeit erhitzt sich bedeu-
tend. Nach dem jedesmaligen Zusätze von Brom rührt
man um. Ist das Brom verbraucht, so erhitzt man, bis
die Anfangs braune Flüssigkeit wasserhell geworden ist
und setzt noch so viel wässeriges Brom zu, dass die Flüs-
sigkeit hellgelb gefärbt ist. Man giesst dann die saure
Flüssigkeit vom Bodensatze ab und versetzt sie mit Kalk-
milch bis zur schwach alkalischen Reaction, filtrirt, wäscht
den Niederschlag aus, dampft das Filtrat ein, filtrirt noch-
mals vom entstandenen kohlensauren Kalk ab und erhält
so bei weiterem Eindampfen sehr schönes und reines
Bromcalcium. Aus 16 Grm. Phosphor, 200 Grm. Brom
und 75 Grm. Aetzkalk wurden 230 Grm. Bromcalcium
erhalten. — Durch Einwirkung des Broms auf Phosphor
und Wasser bildet sich Phosphorsäure und Bromwasser-
stofTsäure und beim Neutralisiren mit der Kalkmilch ent-
steht unlöslicher phosphorsaurer Kalk und lösliches Brom-
calcium.
Brommagnium. Man neutralisirt die durch Ein-
wirkung von 12,5 Th. Brom auf 1 Th. Phosphor entstan-
dene saure Flüssigkeit mit Magnesia alba vollständig,
filtrirt, wäscht aus, dampft möglichst stark ein und trock-
net über Schwefelsäure.
Bromlithium. Eine Lösung von Bromcalcium wird
zuerst mit einer zur vollständigen Zersetzung nicht hin-
reichenden Menge kohlensaurem Lithion versetzt und
nach 24 Stunden vollständig mit wässeriger Lösung von
kohlensaurem Lithion gefällt.
Bromkalium. Eine Lösung von Bromcalcium wird
mit einer Lösung von schwefelsaurem Kali versetzt, nach
12 Stunden filtrirt. Dem Filtrat fügt man eine Lösung
von reinem kohlensauren Kali so lange hinzu, als noch
eine Trübung entsteht. Man filtrirt wiederum und dampft
ein. Hierbei scheidet sich immerfort noch schwefelsaurer
Kalk ab und trotz mehrmaliger Entfernung des Gypses
konnte das Bromkalium nicht gypsfrei erhalten werden ;
nur die grösseren Krystalle waren gypsfrei. (Annal. der
Chem. u. Pharm. CXXVIII, 237 — 240.) G.
Ueler das Fluor silicium- Fluorlithium. 141
lieber das Fluorsiliciuiii-Fltiorlithiuiti.
Man stellt dasselbe am besten nach F. Stolba dar,
indem man reines kohlensaures Lithion in Kieselflusssäure
löst, zur Trockne verdunstet, aus dem Gemenge von Kie-
selfluorlithium mit etwas Kieselerde ersteres mit Wasser
auszieht, unter Zusatz einiger Tropfen Kieselflusssäure
nochmals zur Trockne eindampft, wieder in Wasser löst
und eindampft, bis sich der grösste Theil des Salzes in
Krusten ausgeschieden hat. Man kann es auch aus käuf-
lichem kohlensauren Lithion darstellen, indem man letz-
teres zuerst durch Auskochen mit Wasser von Kali und
Natronsalzen befreit, es dann mit einer zur Lösung unzu-
reichenden Menge Essigsäure kocht, wobei Thonerde,
Eisenoxyd und ein Theil des kohlensauren Kalks unauf-
gelöst bleiben, aus der Lösung den Kalk durch Oxalsäure
fällt, dann die Schwefelsäure durch essigsauren Baryt ent-
fernt und die filtrirte Flüssigkeit mit Kieselflusssäure in
hinreichender Menge versetzt, worauf sich der Baryt als
Kieseln 1 uorbaryum vollständig abscheidet; die Flüssigkeit
wird dann zur Trockne verdampft, wodurch die Essig-
säure ausgetrieben wird, und der Rückstand, wie oben
angegeben, behandelt. Das Kieselfluorlithium krystalli-
lirt bei freiwilligem Verdunsten in vierseitigen, schief
abgestumpften Prismen oder unregelmässig sechsseitigen
Tafeln, die dem schief rhombischen Systeme anzugehören
scheinen. Die Angaben von Berzelius, dass das Kie-
selfluorlithium in Wasser schwer löslich sei und beim Glü-
hen schwierig zersetzt werde, ist unrichtig. Es löst sich
in 1,9 Th. Wasser und auch in Weingeist um so leichter,
je wasserreicher er ist. In Aether und Benzin ist es
unlöslich. Sein spec. Gew. ist 2,33 bei 12°. Die Zusam-
mensetzung ist LiF, SiF 2 , 2 HO. Die Krystalle werden
an der Luft durch Verwitterung undurch3cheinend, und
verlieren bei 100° ihr Wasser vollständig, wobei sie unter
Beibehaltung ihrer Form milchweiss werden.
Das Salz reagirt stark sauer und kann, wie Stolba
dies für die Kieselfluoralkalimetalle angegeben hat, aci-
dimetrisch genau bestimmt werden.
l)i<- Löslichkeit des Kieselfluorlithiuma in Wasser und
Weingeist wird sich wahrscheinlich für dir Trennung von
Kali und Natron benutzen lassen, worüber Stolba wei-
> Versuche anstellen wird. (Journ.für prakt. Chem. Bd.
<)1. _ Chem. Cenfrbl. 1864. 56.) B.
142 Darstellung des Magniums.
lieber die Löslichkeit des schwefelsauren Barytes, Stron-
tians und Kalkes in Schwefelsäure.
Es ist bekannt, dass in der englischen Schwefelsäure
mancher Fabriken schwefelsaurer Baryt *) gelöst enthal-
ten ist und beim Verdünnen mit Wasser analog dem schwe-
felsauren Bleioxyde vollständig herausfällt. Dass dieses
Lösungsvermögen der concentrirten Schwefelsäure gegen-
über dem sonst so unlöslichen Barytsalze ein nicht unbe-
deutendes ist, kann man beobachten, wenn man zu einer
Quantität Schwefelsäurehydrat allmälig von einer concen-
trirten Chlorbaryumlösung zutröpfelt. Es entwickelt sich
hierbei Salzsäure und die Flüssigkeit bleibt bei dem rich-
tigen Verhältniss klar. Stellt man den Versuch in glei-
cher Weise mit Chlorstrontium und Chlorcalcium an, so
nimmt man wahr, dass namentlich von letzterem eine
geringe Quantität hinreicht, um die Schwefelsäure zu trü-
ben und dass die durch Absetzenlassen klar gewordene Flüs-
sigkeit beim Verdünnen mit Wasser sich gar nicht und
auf Zusatz von Alkohol nur sehr wenig trübt. Es scheint
sonach von jenen 3 schwefelsauren Salzen der schwefel-
saure Baryt in Bezug auf concentrirte Schwefelsäure das
löslichste zu sein. (Journ. de Pharm, et de Chim. Mai 1864.)
Weinhold.
Darstellung des Magniums.
Nach Sons tadt dampft man eine Lösung von Chlor-
magnium im Gemisch mit gewöhnlichem Kochsalze ab
und schmilzt, wodurch man unter geringem Verlust von
Salzsäure und Chlormagnium ein wasserfreies Doppelsalz
erhält, welches bei der Reduction reichliche Mengen von
Magnium liefert.
Das erhaltene Chlormagnium und Chlornatrium wird
in einem schmiedeeisernen Tiegel durch Natrium
zersetzt. Hierdurch lassen sich grössere Mengen auf ein-
mal behandeln, das Magnium kann kein Silicium aufneh-
men und der Tiegel wird, wenigstens wenn die Hitze
nicht zu hoch gesteigert wird, durchaus nicht angegriffen
und hält wohl 100 Operationen aus. Eine Veröffent-
lichung über die Methode, das erhaltene Magnium durch
*) Der Barytgehalt der englischen Schwefelsäure rührt von einer
Digestion derselben mit BaS her, welche anstatt des Einleitens
von HS zur Ausfällung des Arsens hier und da gebräuchlich
ist. W.
lieber Alumiumbronze. 143
Destillation zu reinigen, wird von Sons tadt später erfol-
gen. (Polyt. Centrbl. 1863. S. 1514.) B.
Feuerfeste Steine aus Magnesit.
Zu St. Katharein in Steiermark werden patentirte
feuerfeste Ziegeln aus dem dort in ausgedehnten Lagern
vorkommenden Magnesit verfertigt. Diese fabricirten
Magnesit -Ziegeln zeigen sich durch vollkommene Feuer-
beständigkeit und Leichtigkeit aus. Der St. Katharein-
Magnesit enthält 94 — 99 Procent kohlensaure Magnesia.
(Inclust. Statistik der österr. Monarchie. — Zeitschr. des österr.
Apoth.-Vereins. 1864. No.4.) B.
Heber Alumiumbronze.
G. Moreau berichtet über die Eigenschaften der
Alumiumbronze, und zwar in Bezug auf ihren
Widerstand gegen das Zerreissen, das Zusammendrü-
cken, ihre Hämmerbarkeit, Steifigkeit, Ausdehnung durch
die Wärme, ihr Verhalten beim Giessen, gegen die
Feile und gegen Schneidwerkzeuge, Einfluss der Atmo-
sphärilien, Gravirungsfähigkeit, Elasticität, Verwendbar-
keit zu gezogenen Röhren, specifisches Gewicht; er weist
fast in jeder Beziehung einen Vorzug der Alumiumbronze
vor andern Metallen nach und berechnet auch, dass sich
der Preis einer 10 Proc. Alumium enthaltenden Bronze
nicht zu hoch stellen dürfte. (Bl. für Hdl. u. Givbe. 1864.)
B.
lieber das Färbende im Smaragd.
Als Vauquelin im Smaragd Chromoxyd entdeckte,
erklärte er dasselbe ganz natürlich für die Ursache der Farbe
dieses Edelsteins. HerrLewy, der 1858 eine sehr gründ-
liche Abhandlung über das Vorkommen und die Zusam-
mensetzung der Smaragde von Muso in Neu -Granada
publicirt hat, theilt diese Ansicht nicht, sondern glaubt
durch seine Versuche bewiesen zu haben, dass das Fär-
bende im Smaragd durch eine organische Substanz be-
wirkt werde, daher derselbe auch beim Glühen seine
Farbe verliere. In einer brieflichen Mittheilung W ö h 1 e r's
an Poggd ndor fi erklärt Ersterer, dass er und Gustav
Rose Lewy'i Angabe bei Anwendung von Löthrohr-
hitze nicht bestätigt gefunden und dies zu einigen ande-
ren Versuchen Anlass gegeben habe, aus denen gcschlos-
144 Vanadin im Roheisen von Wiltshire.
sen werden müsse, dass der Smaragd seine schöne Farbe
in der That der darin enthaltenen kleinen Menge von
Chromoxyd verdanke.
Ein ganzes Stück von einem ziemlich tief grünen,
aber wenig klaren Smaragdkrystall vonMuso, nach dem
Trocknen bei 100° C. 6,971 Grm. schwer, wurde in einem
Platintiegel 1 Stunde lang in einem Windofen einer Glüh-
hitze ausgesetzt, bei welcher Kupfer leicht schmilzt. Nach
dem Erkalten zeigte der Stein noch ganz die ursprüng-
liche grüne Farbe, er war nur undurchsichtig geworden.
Er wog nun 6,858 Grm., hatte also 1,62 Proc. an Gewicht
verloren. (Lewy fand 1,66 Proc. Wasser und 0,12 Proc.
organische Materie.) Er wurde fein gerieben und mit
kohlensaurem Alkali und etwas Salpeter geschmolzen.
Bei Behandlung der Masse mit Wasser wurde eine gelbe
Lösung erhalten, aus der nach bekannten Methoden 0,013
Gramm oder 0,186 Proc. vom Gewicht des Smaragds
Chromoxyd abgeschieden werden konnten.
Lewy fand bei seinen Analysen so wenig Chrom-
oxyd, dass er dessen Menge gar nicht angiebt; auch ist
er der Ansicht, dass eine so kleine Menge unmöglich
eine so intensiv grüne Farbe hervorbringen könne.
Um hierüber Aufschluss zu erhalten, wurden 6,791 Grm.
fein geriebenes weisses Glaspulver mit 13 Milligrm. Chrom-
oxyd, als der in jener Menge Smaragds gefundenen Menge
vermischt und in einem Thontiegel, der, umgeben mit Koh-
lenpulver in einem grösseren stand, zusammengeschmolzen.
Die wohlgeflossene klare Glassmasse hatte dieselbe inten-
siv grüne Farbe, wie der angewandte Smaragd. Es kann
also keinem Zweifel unterliegen, dass 13 Gewichtstheile
Chromoxyd nahe an 7000 Gewichtstheilen eines Silicats
eine tiefgrüne Farbe zu ertheilen vermögen. {Anwal. der
Phys. u. Chem. Bd. 122.) B.
Heber das Vorkommen von Vanadin im Roheisen
von Wiltshire.
Bei genauerer Untersuchung des Roheisens von West-
bury in Wiltshire, welches aus oolithischem Eisenerze
dargestellt war, hat E. Riley gefunden, dass dasselbe
nicht Titan, wie er früher angegeben, sondern Va-
nadin enthielt. Die beste Methode, das Vanadin aus
dem Roheisen abzuscheiden, ist dieselbe, die für die Tren-
nung vom Titan angewendet wird. Man löst fast ganz
in verdünnter Salzsäure, setzt dann conc. Salzsäure hin-
Manganoxyd- und Uebermangansäure- Verbindungen. 145
zu und siedet eine Zeit lang, filtrirt die Eisenlösung von
dem Graphit und der Kieselsäure ab und behandelt
den Rückstand auf dem Filter mit Aetzkali und dann
mit Salzsäure, trocknet und glüht über der Gaslampe
oder besser in einer Muffel. Man erhält als Rückstand
eine halbgeschmolzene Masse, die aus einer Mischung
von schmelzbarem und unschmelzbaren Oxyd besteht
und bei der weiteren Behandlung in bekannter Weise
Vanadinsäure liefert. Das untersuchte Roheisen scheint
mehr Vanadin zu enthalten, als das aus dem Erze von
Taberg in Schweden, und kann dazu dienen, bedeutendere
Mengen dieses bisher seltenen Metalles zu liefern. (Jouom.
ofthechem. 1864. — Chem.Centrbl. 1864. 43.) B.
teber die optische rntersckeidung der Maiigauoxvd-
und der tebermangaiisäure- Verbindungen.
Die Lösung von Uebermangansäure und deren Kali-
salz sowohl, wie die des phosphorsauren Manganoxyds
üben eine sehr kräftige Absorption auf den grünen und
grüngelben Theil des Sonnenspectrum, verdünnt man aber
die Lösungen allmälig, so schwindet bei letzterer die Dun-
kelheit in der Mitte des Spectrums, ohne dass bestimmte
Absorptionsstreifen auftreten, während man bei der Ver-
dünnung der übermangansäurehaltigen Lösungen 5 solche
Streifen erkennt, von denen der erste schwache jenseits
der Linie D (vom Roth ab gerechnet), der zweite dunkle
in der Mitte zwischen C und b, der dritte ebenfalls sehr
dunkle auf E bis b reichend, der vierte zwischen b und
F und der schwächste aufF liegt. Besonders schön tre-
ten die Streifen beim Auffangen des Spectrums auf einem
Papierschirme hervor. Das salzsaure und schwefelsaure
Manganoxyd verhalten sich wie das phosphorsaure, nur
treten bei ihnen neue Absorptionen im Blau und Violett
hinzu.
Iloppe-Sey ler hat diesen Unterschied zur Ent-
scheidung benutzt, ob die purpurrotbe Färbung der Flüs-
sigkeit, welche man nach W. Crum durch Kochen einer
Manganverbindung mit Bleihyperoxyd und Salpetersäure
erhält, von Uebermangansäure herrührt, wie dieser, oder
von s;i turem Manganoxyd, wie Rose annahm. Die
fragliche Flüssigkeit zeigte die fünf Absorptionsstreifen
auf das Deutlichst«', enthielt also sicher Uebermangan-
säure; denn wenn auch ein salpetersaures Manganoxyd
Arcb.d. riiurm. CLXXIII. Uds. l.u.2. Hit. 10
146 lieber eine neue grüne Farbe.
noch nicht dargestellt ist, so würde es doch ohne Zweifel
sich den anderen Oxydsalzen ähnlich verhalten, gleich
wie dies bei anderen Metallen der Fall ist. (Journ. für
prakt. Chemie. Bd. 90. S. 303.) B.
Heber eine neue grüne Farbe ans mangansaurem Baryt.
Dem Chemiker Rosenstiel in Strassburg wurde
im vorigen Jahre von Seiten der Academie de Stanislas
eine lobende Anerkennung zu Theil in Folge seiner Ent-
deckung einer neuen und schönen grünen Farbe, welche
aus 3 BaO, 2 MnO 3 besteht und ein günstiges Mittel
bietet, die bei der Chlorbereitung in den Fabriken als
fast werthloses Nebenproduct erhaltenen Manganlösungen
nutzbar zu machen. — Durch die grünen Flecken, welche
Rosenstiel häufig auf dem durch Glühen des salpeter-
sauren Baryts dargestellten Aetzbaryt beobachtete und
die sich als aus mangansaurem Baryt bestehend ergaben,
wurde er angeregt, die Darstellung dieser Verbindung zu
versuchen. Am besten gelang ihm dieselbe durch Eintragen
eines innigen Gemisches aus 3 — 4 Th. Aetzbaryt (mit
etwas Wasser zu löschen), 2 Th. salpetersauren Baryt
und 0,5 Th. Manganoxydul in einen dunkel -rothglühen-
den Tiegel, Ausgiessen der bald geschmolzenen und grün
gewordenen Masse auf eine kalte Platte, Zerstossen, Aus-
kochen, dann Auswaschen mit kaltem Wasser und Trock-
nen in einer kohlensäurefreien Atmosphäre. Das auf
solche Weise erhaltene Product stellt ein schön smaragd-
grünes Pulver dar, welches sich unter dem Mikroskope
als aus kleinen, durchsichtigen, prächtig grünen, hexagona-
len Körnchen bestehend erkennen lässt. Durch die Hitze
wird es nicht verändert, auch nicht durch die Einwirkung
von Alkalien und es lässt sich diese Farbe mit Eiweiss
auf Kleiderstoffe und mit Leimlösung auf chlorfreies Pa-
pier mit gutem Erfolg auftragen. Verdünnte Säuren wir-
ken zuerst lösend, sehr bald aber bildet sich dann rother
übermangansaurer Baryt und ein dunkelbrauner Absatz
von Manganhyperoxyd. Kohlensäure und Schwefelsäure
wirken auf jene Farbe im trocknen Zustande nur sehr
langsam, in feuchtem jedoch rascher zersetzend ein. Chlor
verändert die Farbe sehr rasch. — Rosenstiel gedenkt
diese Farbe bald im Grossen darzustellen, und es dürfte
dieselbe dann hoffentlich die arsenhaltigen, grünen Far-
ben endlich entbehrlich machen. {Journ. de Pharm, et de
Chim. Novb. 1864.) Weinhold.
lieber die sogenannte Passivität der Metalle. 147
Heber die sogenannte Passivität der Metalle.
W. Heldt hat die Prüfung der Ansichten der
verschiedenen Chemiker über die sogenannte Passivi-
tät der Metalle sich zur Aufgabe gestellt. Seine Ab-
handlung hat den Zweck, zu zeigen, dass in den Fäl-
len, in welchen man einigen Metalien sogenannte active
oder passive Zustände beilegte, nicht nur eine falsche
Interpretation der Beobachtungen, sondern häufig auch
eine incorrecte Beobachtung zu dem überflüssigen und
Nichts erklärenden Nothbehelf der Aufstellung activer
und passiver Zustände Veranlassung gegeben und dass
man jedesmal, wenn diese Ausdrücke angewendet wurden,
sicher sein könne, dass eine Erscheinung missverstanden
worden sei, oder dass man eine Erklärung schuldig blei-
ben wolle. Das Ergebniss seiner Prüfung hat W. Heldt
in folgenden Puncten festgestellt.
1) Werden die beobachteten Erscheinungen in ihrer
Totalität aufgefasst, so ergiebt sich, dass eine sogenannte
Passivität d. h. ein eigenthümlicher Zustand, in welchem
die Natur der Metalle dauernd durch verschiedene Agen-
tien eine völlig veränderte geworden, nicht existirt,
sondern dass einzig und allein an der Oberfläche einiger
Metalle, und zwar nur derjenigen, deren salpeter-
saureSalze in concentrirter Salpetersäure unlös-
lich sind, in Folge der Bildung unlöslicher Ueber-
züge eben dieser salpetersauren Salze, veränderte
Erscheinungen eintreten, die zu der Täuschung geführt
haben, es sei das Metall in einen eigenen elektrodyna-
nischen Zustand oder in eine Polarisation versetzt
worden. — Nur die Metalle, deren salpetersaure Salze
in verdünnter Salpetersäure löslich, in concentrir-
ter dagegen unlöslich sind, können diese Erscheinun-
gen hervorbringen. Beim Zinn wird das in verdünnter
wie in concentrirter Salpetersäure unlösli ch e Z inn oxyd
gebildet, das nur durch Abschaben entfernt werden
kann. — Die Ueberzüge sind beim Kupfer und Zinn
(mit Platin) auch für das unbewaffnete Auge erkenn-
bar, bei den Übrigen durch die Loupe. Durch angesäuer-
tes Wasser vrerden dieselben leicht aufgelöst und es wird
das Metall in seinem ursprünglichen Zustande
h i n terlassen.
So lange der Ueberzug von wasserfreiem salpeter-
saurem Salz auf der Oberfläche haftet, so lange wird
jede Commtinication mit der Säure gehemmt. — Das
10*
148 Ueber die sogenannte Passivität der Metalle.
Zinnoxyd, wenn es als dichter Ueberzug das Metall be-
deckt, muss abgeschabt oder abgefeilt werden.
2) Durch Berührung mit Platin wird in der concen-
trirten Salpetersäure, in welcher sich sonst die Metalle
bis zu einem gewissen Grade lösen würden, auf der Stelle
das wasserfreie salpetersaure Salz niedergeschla-
gen und jede Bewegung der Säure verhindert, da die
Gasentwickelung sogleich gehemmt wird, so wie das Me-
tall mit dem Platin in Berührung kommt. Beim Zinn
bildet sich augenblicklich die weisse unlösliche Haut von
Zinnoxyd auch in der verdünnten Säure. — Bei den
übrigen Metallen wird dagegen in der verdünnten Säure
durch Platin keine Wirkung hervorgebracht.
Die Berührung der Metalle mit Platin unter der Säure
befördert also die Oxydation, denn das unlösliche Salz ist
im Moment wasserfrei über die Oberfläche
des eingetauchten Theils verbreitet, und durch
eine eigenthümliche Attraction wie über das Metall über-
gössen worden und glänzend; da alle diese
Salze durchsichtig und glänzend sind, so schimmert das
Metall mit seinem Glänze durch den Ueberzug durch und
wird durch den Glanz des letzteren der Glanz des erste-
ren oft erhöht. Eine Gasentwickelung findet bei diesem
Vorgange nicht statt. Beim Kupfer ist der glänzende
Ueberzug grün und darunter schimmert das rothe Metall
durch. Dieser Vorgang ist beim Kupfer am deutlichsten
mit blossem Auge zu erkennen. Beim Eisen und Wis-
muth sind die Ueberzüge farblos und glänzend, nur durch die
Loupe erkennbar. Die Krystalle des salpetersauren Eisen-
oxyds und salpetersauren Wismuthoxyds sind weiss, glän-
zend und durchsichtig. Im wasserfreien Zustande ist das
salpetersaure Eisenoxyd ganz unlöslich in stärkerer Sal-
petersäure und in diesem Zustande wird dasselbe immer
auf der Oberfläche des Metalls abgeschieden.
3) Eisenoxydoxydul (Hammerschlag) wirkt in con-
centrirter Säure, mit Eisen in Berührung, ähnlich wie Pla-
tin. In verdünnter Säure dagegen hemmt es nur die Gas-
entwickelung und das Metall löst sich als salpetersaures
Oxydul auf, welches mit Stickoxyd die schwarzen Wol-
ken in der Flüssigkeit bildet. Das metallische Ende
des Eisendrahts wird in concentrirte Salpetersäure durch
das oxydirte Ende positiv elektrisch.
4) Die Masse des angewendeten Metalls wirkt mit-
bestimmend bei Zersetzung der Salpetersäure. Wird da-
her das Metall in feinzertheiltem Zustande, wie z. B. Zinn-
lieber die sogenannte Passivität der Metalle. 149
folie, angewendet, so kann es noch eine Salpetersäure
zersetzen, gegen welche das Metall im compacten Zustande
indifferent ist. Fein zertheiltes Wismuth zersetzt die
Säure von 1,45 unter heftiger Erhitzung. Fein gepulver-
tes Eisen zersetzt Salpetersäure von 1,49 dagegen schon
nicht mehr.
Ebenso wirkt die Masse der Metalle bei Niederschla-
gung anderer Metalle aus ihren Lösungen, die deshalb
bis zu einem gewissen Grade verdünnt werden müssen *),
wenn man eine schnellere Präcipitation erzielen will. Ge-
pulvertes Eisen schlägt aus einer concentrirten Silber-
lösung sofort den grössten Theil des Silbers nieder, wäh-
rend ein blanker Eisenstab längere Zeit dazu braucht.
5) In salpetersaurem Bleioxyd, salpetersaurem Silber-
oxyd und salpetersaurem Quecksilberoxyd wird Eisen nie-
mals, wie früher angegeben, in einen sogenannten passi-
ven Zustand versetzt. Das abgewaschene Eisen hat alle
Eigenschaften des metallischen Eisens.
6) Eisenoxydoxydul (Hammerschlag) in Berührung
mit Eisen schlägt aus Kupfervitriol das Kupfer in grosser
Menge wieder, während ohne Berührung mit Eisen keine
Wirkung erfolgt. — Auch Eisen, welches theilweise durch
OD /
Glühen mit Hammerschlag bedeckt worden, schlägt auf
seiner ganzen Oberfläche das Kupfer nieder. — Hat das
Eisen aber in concentrirter Salpetersäure gelegen, und
sich mit dem unlöslichen Ueberzug von salpetersaurem
Eisenoxyd bedeckt, so ist dasselbe in Folge des hindern-
den Ueberzugs indifferent gegen Kupfervitriol, fällt den-
selben aber wieder, nachdem der Ueberzug durch ver-
dünnte Säure abgespült worden ist, oder auch, wenn es
unter der Flüssigkeit mit Zink, Kupfer oder einem ande-
ren leicht oxydirbaren Metalle berührt wird.
7) Wie angeführt, werden die bisher besprochenen
Erscheinungen nur von denjenigen Metallen hervorgebracht,
deren salpetersaure Salze in concentrirter Salpetersäure
unlöslich oder sehr schwer löslich sind. — Blei und Sil-
ber werden selbst durch Kochen der concentrirten Säure
nicht gelöst.
Andere Metalle kann man aber in ähnliche Zustände
*) Hierauf erklärt sich, warum concentrirtet sal petersau res Kup-
feroxyd auf blanke« Eisen getropft, dasselbe nur langsam ver-
kupfert, während die verdünnte Lösung sogleich Kupfer abseist,
.(•ii im letzteren Falle in Beziehung auf das beruh«
rende Kupfer an der Oberfläche mit grösserer Massenwirkung
auftritt.
150 Ueber die sogenannte Passivität der Metalle.
versetzen, wenn man der Salpetersäure eine Flüssigkeit
zusetzt, in welcher die sich bildenden salpetersauren Salze
nicht löslich oder schwer löslich sind. So wird Zink
in Salpetersäure, die mit absolutem Alkohol versetzt wor-
den ist, sehr wenig angegriffen, Quecksilber aber nicht
im mindesten, weil das salpetersaure Quecksilberoxydul
in Weingeist unlöslich ist.
8) Dieselbe Wirkung wird dadurch erreicht, dass
man die Metalle mit der starken Salpetersäure einer nie-
drigen Temperatur aussetzt. Zink bedeckt sich unter
einfach gewässerter Salpetersäure bei — 20° mit einer
weissen Schicht von abgeschiedenem salpetersaurem Oxyd,
welches aber, wenn die Kältemischung entfernt wird, sich
leicht lost und nun eine heftige Einwirkung der Säure
zulässt. — Salpetersäure mit 4 Aeq. Wasser lässt bei
— 18° das Zink ganz blank, während die Säure bei 0°
heftig angreift.
9) Setzt man zur Salpetersäure Vitriolöl, so erfolgt
durch Eisen keine Gasentwickelung, sondern das Eisen
löst sich als Oxydul auf, und die zur Oxydirung ver-
wendete Salpetersäure findet man als Ammoniak in
der Flüssigkeit vor.
10) Scheidet sich auf der Oberfläche des Metalls,
wie es öfter beim Auflösen von Eisen in Salpetersäure
geschieht, fein zer t heil t e Ko hie aus, welche das Eisen
mit einem schwarzen Ueberzug bedeckt, so hört die Ein-
wirkung der Säure auf. Nach dem Abwischen der Kohle
oxydirt sich das Metall wieder in der Säure. Beim Stahl
hört die Wirkung der Säure in Folge von sich ausschei-
dendem Graphit häufig sehr bald auf.
11) Salpetersäure von solcher Concentration, dass sie
ein Metall wenig oder gar nicht angreift, kann wirksam
werden, indem man salpetrige Säure oder Stickoxyd in
dieselbe hineinführt, welche beide ihren Stickstoff viel
leichter abgeben können, als die Salpetersäure. In die-
sem Falle sind die Beimischungen das wirkende Agens.
Wird das Stick oxyd durch zugefügten Eisenvitriol
absorbirt," so hört wieder jede Einwirkung der Säure auf.
So werden Arsen und Antimon bei gewöhnlicher Tem-
peratur nicht angegriffen, wohl aber, wenn salpetrige
Säure in der Salpetersäure vorhanden ist.
12) Einzelne Manipulationen, z. B. das mehrmalige
Herausnehmen des Eisens aus der Salpetersäure von
1,35 etc. befördern die Bildung des salpetersauren Oxyds
lieber die sogenannte Passivität der Metalle. 151
durch Antrocknen und unlösliche Abscheidung aus dem
geringen Quantum der anhaftenden Säure.
13) Die Berührung des in Folge des Ueberzugs von
wasserfreiem salpetersauren Eisenoxyd indifferent gewor-
denen Metalls unter der Salpetersäure, (oder nach dem
Herausnehmen) mit einem Draht von leicht oxydirbaren
anderen Metallen, wie Kupfer, Zink (oder auch Eisen
selbst) bewirkt nun wieder die Gasentwickelung durch
das damit berührte Metall, indem jene Drähte den Ueber-
zug verletzen oder ritzen und die Salpetersäure wieder zu-
nächst mit einem kleinen Theil der metallischen Oberfläche
in Communication gebracht wird. Das sich entwickelnde
Stickoxydgas schiebt sich zwischen Metall und Ueberzug
ein, indem es seinen Weg an der Oberfläche des Metalls
verfolgt und lost den Ueberzug los. Auch ein mit Ham-
merschlag überzogener Draht wird allmälig aus gleichem
Grunde wieder säurezersetzend und es entwickelt sich
heftig Gas. Der grösste Theil des Hammerschlags wird,
nach Auflösung kleinerer Mengen desselben, wodurch das
Metall zuerst an einzelnen Puncten mit der Säure in Be-
rührung kommt, durch das sich zwischen dem Metall und
dem Ueberzug durchdrängende Gas abgeschülfert und
schwimmt in der Säure herum, welche lange Zeit und
Anwendung von Wärme braucht, um das Oxydoxydul
völlig auflösen zu können.
14) Die in dem Vorangehenden besprochenen Metalle
zeigen sich in jeder Beziehung den kohlensauren Salzen
analog, wenn diese ebenfalls mit concentrirter Salpeter-
säure behandelt werden. Geschmolzenes wasserfreies koh-
lensaures Natron und gewöhnliches kohlensaures Bleioxyd
werden von der Säure nicht angegriffen, der kohlensaure
Baryt selbst nicht beim Kochen mit der Säure, weil die
salpetersauren Salze dieser Base in concentrirter Salpeter-
säure nicht löslich sind. Wasserfreies kohlensaures Kali
wird dagegen leicht zersetzt, weil der Salpeter in der
Säure löslich ist. Dagegen wird wiederum auch das
kohlensaure Kali nicht zersetzt, wenn Weingeist zur con-
centrirten Salpetersäure zugesetzt wird, weil der Sal-
peter in Alkohol nicht löslich ist u. s. w.
16] Je kleiner nun die Oberfläche d.h. also die wir-
kende Masse des Metalls ist, das man auf die Salpeter-
säure wirken last, desto schwieriger wird die Zersetzung
der Säure gemacht (wie schon aus Umkehrung des in
No. 4 Gesagten hervorgeht.)
Hieraus ist die Beobachtung von Andrews zu
152 Ueber die sogenannte Passivität der Metalle.
erklären, dass das in eine enge Glasröhre eingeschmolzene
Wismuthmetall, wenn es in derselben nach dem Erkalten
durchschnitten wird, sich von Anfang an gegen Salpeter-
säure von 1,40 passiv verhalten soll. Allmälig bildet sich
hier das salpetersaure Salz, welches sich an die Glasrän-
der fest anlagert und keine Säure mehr an das Metall
treten lässt. Nach Entfernung des Ueberzuges löst sich
aber wieder etwas Wismuthoxyd und bildet wieder an
den Glasrändern den hemmenden Salzüberzug u. s. w.
16) Metallisches Platin bildet augenblicklich bei der
Berührung mit Wismuth, Zinn, Eisen, Kupfer mit diesen
Metallen eine Kette in der Salpetersäure und diese Me-
talle bilden den positiven Pol. Die Stromwirkung die-
ses einzigen Paares bewirkt im Moment der Berührung:
a. Beim Zinn die gleichförmige Emaillirung des Me-
talls mit weissem Zinnoxyd, welche über die ganze ein-
getauchte Oberfläche des Metalls ausgegossen wird, ohne
Entwicklung von Gas mit blossem Auge sichtbar.
b. Beim Eisen, Wismuth die Emaillirung der Metalle
mit einem durchsichtigen, glänzend weissen Glase von
salpetersaurem Oxydsalz, das beim Kupfer grün erscheint
und wie auf der Metallfläche angegossen festsitzt, eben-
falls ohne Gasentwickung. Es bewirkt der Strom also
immer die Bildung des höheren Oxyds auf der Stelle,
während z. B. Eisen sich ohne Mitwirkung des Stromes
als Oxydulsalz hauptsächlich löst.
In verdünnterer Salpetersäure hilft die Berührung
mit Platin nichts, weil der Strom nicht stark genug ist,
so viel Säure aus der Flüssigkeit um das Metall zu verdich-
ten, dass sich das Oxydsalz bildet und zu schwach, um
die Gasentwickelung zu hindern, da sie längs der Ober-
fläche des Metalls statt findet, dass sich das Zinnoxyd
am Metall festsetze. Es äussert also der Strom eine
eigenthümliche galvanische Anziehung der gelösten Salz-
theilchen sowohl des Zinnoxyds und zwar eine so kräf-
tige, dass sogleich ein hermetisch anliegender Ueber-
zug sich bildet. Beim Kupfer kann man sehr genau mit
blossem Auge erkennen, wie dasselbe augenblicklich mit
einem gleichförmigen grünen Glase Übergossen wird, des-
sen Durchsichtigkeit gestattet, das kupferrothe Metall
durchglänzen zu sehen. Bei Eisen und Wismuth erscheint
ein durchsichtiger glänzender Glasüberzug ohne Farbe,
der den Glanz des Metalls noch erhöht.
17) Es lag nun nahe, zu beobachten, ob in den Fällen,
wo die Berührung mit Platin (also eine einfache Kette)
Analyse eines Meteoriten. 153
keine Wirkung mehr äusserte, durch Vermehrung der
Stromintensität, z. B. durch die Volta'sche Säule grössere
und den beschriebenen ähnliche Wirkungen zu erzielen
wären. So hat Schönbein gefunden, dass Eisendraht
als positiver Pol einer Batterie nach dem Einführen des
Platindrahts am negativen Pol in Salpetersäure von 1,35
eingetaucht, nicht im Mindesten angegriffen wird, und
später das durch die Wasserzersetzung erzeugte Sauer-
stoffgas frei an demselben aufsteigt. Auch noch nach
lOOfacher Verdünnung soll dies statt linden. Der starke
Strom müsste im letzteren Falle die ganze in der Flüs-
sigkeit befindliche Salpetersäure an der Oberfläche des
Eisens concentriren, denn anders könnte diese Wirkung
nicht hervorgebracht werden. Dem widerspricht aber
Buff und giebt an: Das Gas ist bei einer starken Bat-
terie in concentrirter Säure Stick oxydgas, in verdünn-
terer (30 fache Verdünnung) Stick oxydulgas, und das
Eisen löst sich auf, bleibt aber blank. Auch Faraday
giebt an, dass das Eisen aufgelöst wird. Die Wider-
sprüche lassen sich nicht ganz vereinigen, indessen ist
im letzteren Falle ersichtlich, dass eine ähnliche zweite
Form der Auflösung des Eisens hier statt findet, wie bei
der Verbindung des Eisens mit Eisenoxyd in der Säure
(S. No. 3.) angeführt worden ist. Uebrigens ist zu bemer-
ken, dass Stickoxydul, wenn nicht speciell untersucht,
leicht mit Sauerstoff verwechselt werden kann. (Journ.
für prakt. Chemie. Bd. 90. Hft. 5.) B.
Anah
sc eines Meteoriten.
Bei Tourinnes-la-Grosse bei Löwen in Belgien ist am
7. December 1863 ein Meteorit gefallen, welchen Dau-
bree analysirt hat. Er gleicht in Farbe den gewöhn-
lichen Meteoriten, man sieht darin Körner von Meteor-
eisen und Pyrit (nicht magnetisch). Von Salzsäure wird
er theilweise zersetzt und giebt Schwefelwasserstoffgeruch.
Beim Eindampfen wird die Masse gallertartig. Durch
den Magnet lässt sich das Eisen ausziehen, während der
Schwefelkies mit den Silicaten zurückbleibt. Das spec.
Gewicht ist 3,525. Die Gesammtanalyse gab:
Eisen 11,06
Nickel 1,30
Zinn 0,17
Schwefel '2,21
Chromeisen 0,71
154 Entfernung des Phosphors aus Gusseisen.
Kieselsäure 37,47
Thonerde 3,65
Eisenoxydul 13,89
Manganoxydul Spuren
Talkerde 24,40
Kalk 2,61
Natron und Kali 2,26
99,72.
Die Elemente sind folgendermaassen gruppirt:
Eisen mit Nickel, Zinn, Spu-
ren von Phosphor 8,67
Schwefelkies 6,06
Chromeisen 0,71
Silicate 84,28
99,72.
(Compt. rend. 58. 169. — Joum. für prakt. Chemie. Bd. 91.
Heft 4.) B.
lieber einen Magnetberg.
Der Magnetberg der deutschen Sage ist zu einer
naturhistorischen Wahrheit geworden. In Schwedisch-
Lappland ist ein magnetischer Berg entdeckt worden.
Er ist von einer Ader magnetischen Eisens durchzogen,
die eine Dicke von mehreren Fuss hat und die reichste
bisher bekannte sein soll. Der Eigenthümer des Berges
hat die Mine bereits aufgeschlossen, in der Hoffnung, die
ganze Welt mit Magneten von grosser Kraft zu ver-
sehen. Einen dieser Magnete, der 68 schwedische Pfund
wiegt, hat bereits der im Fache der Elektricität ausge-
zeichnete Gelehrte Professor Dove in Berlin erworben.
(Yearbook of Facts. 1864.) B.
Entfernung des Phosphors aus Gusseisen.
H. Caron hat zahlreiche Versuche angestellt zur
Entfernung des Phosphors aus dem Gusseisen ; dieselben
sind nicht allein vergebens gewesen, sondern haben auch
ergeben, dass das Gusseisen den dasselbe umgebenden
Phosphor im Augenblicke seiner Bildung zum grössten
Theile absorbirt, besonders wenn die Schlacke kieselhal-
tig ist. So behandelte Caron mehrere Male ganz phos-
phorfreie Mineralien mit Holzkohle unter Zusatz von Kalk-
phosphat und Kieselsäure und fand constant in der so
gewonnenen Schmelze allen Phosphor des zugesetzten
Phosphats. Seine Versuche stellte Caron mit einem Eisen-
carbonate von Benndorf an, das er in einem Tiegel redu-
cirte, der mit Kohle gefüttert war, welcher er Kalkphos-
Genaue Bestimmung des Eisens. 155
phat zugesetzt hatte. Die Menge des Kalkphosphats
wurde nach der Ausbeute des Minerals berechnet, so dass
1 Proc. Phosphor in die Schmelze eingeführt werden
konnte. Bei Reduction mit 15 Proc. Kieselsäure enthielt
das Eisen 0,92 Proc. Phosphor, bei Reduction mit 10 Proc.
Kieselsäure 0,89, mit 5 Proc. Kieselsäure 0,87, ohne Zu-
schlag 0,85, bei Zuschlag von 5 oder 10 Proc. Kalkcar-
bonat 0,82 Proc. Phosphor.
Da es demnach kein Mittel zu geben scheint, dem
Eisen den Phosphor zu entziehen, und da die Schmelze
sich stets mit dem Phosphor verbindet, wenn sie ihn trifft,
so muss Alles vermieden werden, was die Einführung
Vismutho\vd als Desinfections-
mittel.
Bringt man basisch -salpetersaures Wismuthoxyd auf
eine eiternde Wunde, so verbessert sich diese bald; in
einigen Stunden ist der üble Geruch verschwunden und
die Vernarbung geht rasch vor sich. Mit Erfolg wandte
Riemslay das Mittel auch bei scrophulösen Geschwüren
an. (Arch. de med. milit. 1863.) B.
Reaction auf Antimon.
Giesst man eine mit Salzsäure angesäuerte Auflösung
eines Antimonsalzes in die Vertiefung eines blanken Pla-
tintiegeldeckels oder ein anderes kleines Platingefäss und
legt ein Stückchen Zink hinein, so schlägt sich nach
Fresenius (Ztschr. für analyt. Chem. 1. 144.) bei concen-
trirteren Lösungen sofort, bei sehr verdünnten aber erst
Auf elektrischem Wege niedergeschlagenes Antimon. 165
nach einiger Zeit das Antimon auf der Platinfläche nie-
der und überzieht dieselbe mit einem bei sehr dünnen
Schichten braunen, bei dickeren braunschwarzen bis
schwarzen Niederschlage. Diese Erscheinung ist so cha-
rakteristisch, dass sie bei den kleinsten Mengen Antimon
eintritt. Gleichzeitige Anwesenheit von Zinn oder Arsen
wirkt nicht störend ein. (Wittst.Vierteljahrsschr. Bd. 13.
S. 275.) B.
Eigenschaften des auf elektrischem AVege
niedergeschlagenen Antimons.
Wird ein elektrischer Strom mittelst einer Anode
von Antimon und einer Kathode von Silber durch eine
Lösung von Antimonchlorid geleitet, so bedeckt sich die
Kathode mit einem glänzend schwarzen, amorphen, metal-
lischen Ueberzuge, welcher, mit einer Nadel gerieben
oder mit einem heissen Drahte berührt, sich plötzlich um
mehrere Hundert Fahrenheit'sche Grade erhitzt und eine
kleine Menge saurer Dämpfe ausstösst. Bei Anwendung
des Brom- oder Jodantimons statt des Chlorantimons äussern
sich diese Eigenschaften weniger hervortretend, bei Fluor-
antimon gar nicht. Durch Sättigen von 2 Maassen Salz-
säure mit Oxyd oder Oxycblorid und Hinzufügen von
1 Maass Säure erhält man die geeigneteste Losung.
Verlangsamt man nach und nach die Ablagerung
des Niederschlages, so verändert sich ganz plötzlich der
Charakter des sich absetzenden Metalls, indem die graue
krystallinische Varietät zu erscheinen anfängt. Diese
Veränderung findet ganz plötzlich ohne allmäligen Ueber-
gang statt, so dass man die beiden Metallschichten durch
ein Messer trennen kann. Gemeinsam mit derartigen
Niederschlägen überhaupt befinden sich die äussern und
innern Oberflächen des Metalls in einer ungleichen mole-
cularen Spannung, die sich durch Zusammenrollen klei-
ner Platten äussert, wodurch sehr häufig ein schwacher
Ton hervorgebracht wird. Verfährt man vorsichtig, so
t sich der Niederschlag pulvern, ohne seine Wärme
zu entwickeln, er verliert aber, in gepulvertem Zustande
längere Zeit aufbewahrt, seine merkwürdigen Eigenschaf-
ten. Als O. Gore einen Niederschlag auf einem '/g Zoll
starken Zinnstäbchen mit einem erhitzten Drahte berührte,
entwickelte jener genügende Hitze, um das Zinn zu
schmelzen. Das tpec. Gewicht der activen Varietät ist
§,739 — 6,944, das der inactiven G,:JG.'{D — C,G7.'5. Auch
166 Flammenreaction auf Kupfer.
ist der Uebergang aus dem einen in den andern Zustand
gleichzeig mit einer Farbenveränderung verbunden.
Die Analyse des activen Niederschlages ergab 93,36
Antimon, 5,98 Chlorantimon und 0,46 Salzsäure, unter
allen Umständen verliert er seine activen Eigenschaften,
wenn man ihm das Chlorantimon entzieht.
Die aus Lösungen von Brom- und Jodantimon erhal-
tenen Niederschläge zeigen ähnliche Eigenschaften, aber
durchaus nicht so energisch. Der erstere enthält 20 Proc,
der letztere 22,2 Proc. nichtmetallische Substanzen, wäh-
rend der aus Chlorantimon erhaltene bloss 6,3 Proc. da-
von enthält.
Jede dieser verschiedenen Varietäten kann man nach
G. Gore als eine schwache chemische Verbindung zwi-
schen metallischem Antimon und einem Salze desselben
ansehen, und derselbe glaubt auch durch verschiedene
Umstände überzeugt zu sein, dass sie nicht bloss mecha-
nische Mischungen sind. (Chem. Soc. Journ. 1863. —
Chem. Centrbl. 1864. 17.) B.
Uebcr die Flammenreaction auf Kupfer.
Die blaue Färbung, welche Chlorkupfer der Flamme
ertheilt, wird durch viel Alkalisalz verdeckt. Sie lässt
sich jedoch in einer Mischung, welche auf 1 Th. Kupfer
3000 Th. Kochsalz enthält, noch wahrnehmen, wenn man
sie mit !/ 3 Vol. Salmiak mischt, mit Wasser oder besser
mit Salzsäure zu einem dicken Teige formt und von die-
sem etwas auf einem Eisendrahte in den aussersten Saum
einer Spiritusflamme bringt, die sich besser dazu eignet,
als eine Gasflamme. Der Salmiak befördert die Bildung
von Chlorkupfer und hält durch seine Verdampfung die
Temperatur so niedrig, dass die Natronreaction schwach
bleibt und die azurblaue Kupferfärbung daher deutlich
hervortritt. F. Stolba hat auf diese Weise mit Leich-
tigkeit das Kupfer in der Asche des Blutes, Bieres u. s. w.
nachweisen können. {Journ. für prakt. Chemie. Bd. 90.
ß. 460.) B.
Löthrohrreaction auf Hupfer.
B. W. Gerland benutzt zu Löthrohranalysen die
Gasflamme und findet sie für alle Zwecke der qualitati-
ven und quantitativen Analyse verwendbar, hat damit aber
nicht die undurchsichtige rothe Kupferfarbe in der Re-
ductionsflamme darstellen können, statt dessen aber eine
LöthroJrrreaction auf Kupfer, 167
bisher nicht angegebene Reaction, die Farbe des rothen
Kupferoxydulglases, erhalten. Die aus der innern Flamme
entfernte Boraxprobe ist völlig durchsichtig und farblos
und bleibt so beim Erkalten ; erhitzt man sie aber gelinde,
so entwickelt sich ohne Trübung der Probe eine schöne
Rubinfarbe, die durchs Erkalten nicht verändert wird.
Die Reaction ist sehr empfindlich ; wenn so wenig Kupfer
vorhanden ist, dass die Probe in der Oxydationsflamme
kaum bemerkbar bläulich gefärbt wird, so tritt bei der
erwähnten Behandlung entschiedene Rubinfarbe auf; das
bei Befeuchtung des Kupferbrenners mit Salzsäure ver-
flüchtigte Kupfer genügt, sie hervorzurufen. Die Reac-
tion wird nicht durch andere Metalle verdeckt, wenn de-
ren Menge nicht allzu gross ist, um, z. B. bei Blei und
Wismuth, die Perle ganz undurchsichtig zu machen; aber
auch dann gelingt es leicht, die Metalle grösstentheils
in Flocken abzuscheiden, so dass die Rubinfarbe erkenn-
bar wird. Bei Gegenwart von Chrom ist das Kupfer
durch die Aenderung in der grünen Farbe beim Wieder-
erhitzen zu erkennen. Ist viel Molybdän vorhanden, so
ist es rathsam, es durch fortgesetztes Erhitzen zu ver-
flüchtigen, da solches bei hinreichender Menge die Borax-
probe in der Reductionsflamme durchsichtig rothbraun
und beim Wiedererhitzen undurchsichtig und dunkelbraun
macht.
Die Rubinfarbung scheint beini ersten Erweichen de3
oxydirten Glases aufzutreten und verschwindet beim
Schmelzen desselben. Auch Phosphorsalz giebt die Fär-
bung, wie Berzelius bereits erwähnt hat, doch ist die
Reaction weniger empfindlich und wegen der leichteren
Schmelzbarkeit desselben schwieriger zu beobachten. Zu-
satz von metallischem Zinn zur leichteren Reduction des
Kupferoxyds ist ohne Einfluss auf die Reaction. In allen
Fällen, wo die Rubinfärbung erhalten wurde, hatte sicli
metallisches Kupfer abgeschieden und mit dem Platin-
draht legirt; durch hinlänglich langes Behandeln in der
Reductionsflamme kann das Kupfer gänzlich aus dem
Glase entfernt werden. (Cliem. News. 1864. — Chem. Cen-
tralblatt. 1864. 42.) B.
Schwcfelkupfer - Schwcfelanimonium.
Man versetzt nach II. Peltzer eine verdünnte Lö-
sung von Kupfervitriol mit Ammoniak im Ueberschuss
und lässt sie in gewöhnliches Mehrfach-Schwefelammonium
so lange eintröpfeln, bis ein permanenter Niederschlag
168 Quecksilberprocliiction der Erde,
entsteht, filtrirt in einen Kolben, der bis oben angefüllt
werden muss, und verkorkt denselben. Nach ein bis
zwei Tagen hat sich ein rothes Salz mit nur wenig
Schwefel abgeschieden. Dieses Salz ist sehr wenig be-
ständig und wird rasch braun unter Verlust von Schwe-
felammonium und endlich schwarz. Durch Pressen zwi-
schen Fliesspapier befreit man es von dem anhängenden
Schwefelammonium und von der Feuchtigkeit, wobei es
sich bräunt, aber häufig die krystallinisehe Textur noch
beibehält; durch Ueberleiten von trockenem Schwefel-
ammonium lässt es sich dann wieder regeneriren und
nimmt wiederum eine hochrothe Farbe an.
Die Analyse giebt sehr schwankende Resultate, weil
sich das Salz nicht frei von beigemengtem Schwefel dar-
stellen lässt. Die Formel H^NC^S? = H*NS + 2CuS3
für dasselbe ist die wahrscheinlichste. (Annal. der CTiem. u.
Pharm. CXXVIIL 180 — 189.) G.
Die Quecksilberproduction der Erde.
Man schätzt die jährliche Gesammtproduction der Erde
an Quecksilber auf 61,000 Ctr., wovon auf Spanien (Alma-
den) 20,000, auf Californien (Neu-Almaden) 28,000, auf an-
dere californische Gruben 7500, auf Peru 3000 und auf
Deutschland mit Oesterreich und Frankreich 2500 Ctr. ge-
rechnet werden. Man nimmt an, dass Mexiko, Peru,
Chili und Bolivia jährlich zur Silberextraction 23,000,
China und Japan zur Zinnoberfabrikation und Silberex-
traction 10,000, Australien und Californien zur Silber- und
Goldextraction, Europa und die Vereinigten Staaten von
Nordamerika für ihre Industrie 12,000 Ctr. Quecksilber
bedürfen, so dass also das jährliche Verbrauchsquantum
auf wenigstens 51,000 Ctr. angenommen werden darf, und
mithin der Bedarf der alten und neuen Welt an Queck-
silber hinreichend gedeckt erscheint. (A. Z. 1864.) B.
Vorkommen von metallischem Quecksilber im Emmen-
thaler Käse
wurde von meinem Assistenten Herrn Wein hold und von
mir vor Kurzem hier beobachtet. Dasselbe sass im In-
nern der Rinde. Sollten vielleicht Lederbeutel, in denen
vorher Quecksilber befindlich gewesen, bei Bereitung sol-
chen Käses benutzt worden sein? Solches quecksilberhal-
tiges Leder wird auch zuweilen höchst unpassend zur
Verbindung von Säureffaschen benutzt.
Jena, den 13. Juli 1865. H. Ludwig.
Reduction des Chlorsilbers auf nassem Wege. 169
Vorkommen metallischen Quecksilbers in
Lintorf bei Ratingen.
Unter dem 10. November d. J. wird aus Lintorf be-
richtet : Ein seltener Fund ist in unserer Nähe gethan
worden. Man hat nämlich Quecksilber entdeckt. Merk-
würdig ist dieser Fund deshalb, weil das Quecksilber in
metallischer Form, als kleine, hellglänzende Kügelchen
vorkommt, während es gewöhnlich, an Schwefel gebun-
den, als Zinnober gewonnen wird. Die Lagerstätte des
Quecksilbers ist 1 bis 5 Fuss mächtig und bildet die un-
terste Schicht eines 60 Fuss mächtigen Thonlagers, auf
Dechen's geologischer Karte als Thon von Ratingen be-
zeichnet, zur Braunkohlenf'ormation gehörend. Die me-
tallführende Schicht besteht aus einem Conglomerat von
abgerundeten Schieferbrocken mit einem chloritischen
Bindemittel, beide Bestandtheile im durchweichten Zu-
stande. (Essen. Ztg. 1864.) B.
Reduction des Chlorsilbers auf nassem Wege.
Nach Brunner lost man gut ausgewaschenes feuch-
tes Chlorsilber in Ammoniak und lässt die Lösung tr op fen-
weise oder in einem schwachen Strahle in eine
klare siedende Lösung von 1 Th. Stärkezucker und 3 Th.
kohlensauren Natron in 40 Th. Wasser fallen, ohne das
Sieden zu unterbrechen. Ein günstiges Verhältniss ist
auf 3 Th. metallisches Silber 5 Th. Stärkezucker. Nach
dem Eintragen der Silberlösung lässt man noch einige
Minuten kochen, giesst von dem abgesetzten Niederschlage
die Flüssigkeit ab und wäscht sie zuerst mit schwacher
Salzlösung, dann mit Wasser. Das so dargestellte Silber
ist hellgrau mit einem Stiche ins Gelbliche und wird, auf
300° erhitzt, silberweiss. In Salpetersäure ist es ohne Rück-
stand löslich. Mischt man die ammoniakalische Silber-
lösung mit der Zucker- und Natronlösung und erhitzt dann,
so scheidet sich Chlorsilber aus, welches nicht mehr zer-
setzt wird. Rohrzucker bewirkt unvollkommene Reduc-
tion, Milchzucker wirkt besser. (Bern. Mitth. No.556. —
Journ.fürprakt Chetn. Bd. 91. 8:264,) B.
Kalte Versilberung des Glases,
Nach A. Martin (Compt. rend. T, 66.) erhält man
am leichtesten nach folgender Methode eine sehr schöne
und gut haftende Silberschicht auf Glas. Man bereitet :
110 Versilberung des Glases auf kaltem Wege.
1) eine Lösung von 10 Grm. salpetersauren Silberoxyd
in 100 Grm. destillirten Wasser;
2) eine Lösung von reinem Ammoniak, 13° Cart. stark;
3) eine Lösung von 20 Grm. reinem Aetznatron in
500 Grm. Wasser;
4) eine Lösung von 25 Grm. gewöhnlichen weissen
Zucker in 200 Grm. Wasser, fügt dieser 1 C.C. Salpeter-
säure von 36° zu, lässt während 20 Minuten kochen, um
die Intervertirung des Zuckers zu bewirken und ergänzt
durch Zusatz von Wasser und von 50 C.C. Alkohol von
360 auf 500 C.C.
Nun giesst man in einer Flasche 12 C.C. der Silber-
lösung mit 8 C.C. der Ammoniaklösung und 20 C.C. der
Natronlösung zusammen und ergänzt durch Wasserzusatz
(60 C.C.) auf 100 C.C.
Sind die Verhältnisse gut eingehalten, so bleibt die
Mischung klar und ein Tropfen Silberlösung muss einen
bleibenden Niederschlag darin hervorbringen ; man lässt
sie in allen Fällen 24 ^Stunden stehen, sie ist dann zum
Gebrauche fertig.
Die zu versilbernde Oberfläche des Glases reinigt man
gut mit einem Baumwollenballen, der mit ein Paar Tro-
pfen Salpetersäure befeuchtet ist, spült mit Wasser ab,
lässt abtropfen und legt dann das Glas auf einer Unter-
lage auf die Oberfläche des beschriebenen Silberbades,
dem noch ^q — ! /| 2 der Zuckerlösung (4) zugesetzt wor-
den ist. Unter dem Einflüsse des zerstreuten Lichts
wird die Flüssigkeit, in welche die Oberfläche des zu
versilbernden Gegenstandes taucht, erst gelb, dann braun,
nach Verlauf von 2 — 5 Minuten überzieht die Versilbe-
rung die ganze Oberfläche des Glases und nach 10 — 15
Minuten hat sie die gewünschte Dicke. Man wäscht dann
mit Wasser ab, lässt abtropfen und in freier Luft trocknen.
Die trockne Oberfläche hat alsdann eine Politur, die
mit einem leichten weisslichen Hauch bedeckt ist, den
man durch einen mit Polirroth bestäubten Ballen aus
weichem Leder leicht hinwegnehmen kann. (Journ.fiir
prakt.Chem. Bd. 91. Heft 7.) B. *
Versilberung des Glases auf kaltem Wege.
Das Verfahren von Petitjean zur Herstellung von
Silberspiegeln besteht in der Keducirung einer ammonia-
kalischen Lösung von Silberoxyd durch Anwendung von
Weinsäure oder weinsaurem Alkali bei einer Temperatur
Versilberung des Glases auf kaltem Wege. 171
von 90° C. Durch den Umstand, dass angeschimmelte
Lösungen von Weinsäure diese Reduction bisweilen bes-
ser hervorbringen, fand sich F. Bethe veranlasst, Un-
tersuchungen über die bei dieser Reaction entstehenden
Verbindungen anzustellen, deren Resultate zunächst die
Entdeckung einer neuen organischen Säure war, über
welche sich Bethe weitere Mittheilungen vorbehält.
Die bei dem zu beschreibenden Verfahren der Glas-
versilberung zu verwendenden Flüssigkeiten werden auf
folgende Weise dargestellt.
1. Die Silberlösung. Salpetersaures Silberoxyd
wird in Wasser gelöst und nach und nach so lange mit
Ammoniakwasser versetzt, bis der entstandene braune
Niederschlag fast vollständig wieder verschwunden ist,
darauf die Flüssigkeit filtrirt und so weit mit Wasser
verdünnt, dass aus 1,00 Grm. Silbersalz 100 C.C. Lösung
entstehen.
2. Die Reductionsflüssigkeit. Eine wässerige
Lösung von salpetersaurem Silberoxyd wird mit Seignette-
salzlösung gefällt, der Niederschlag auf ein grosses Fil-
ter gebracht und nach dem Abtropfen auf dem Filter
selbst mit siedendem Wasser Übergossen, in welchem er
sich unter Schwärzung zum grössten Theile löst. Auf 10,0
Grm. Silbersalz sind 8,290 Grm. Seignettesalz erforderlich
und es bedarf der entstandene Niederschlag circa 5 Liter
Wasser zur Zersetzung und Lösung. Aus der erkalteten
Lösung scheidet sich leicht das Silbersalz einer neuen or-
ganischen Säure, welche ihres hohen Sau erstofTgeh altes
wegen von Bethe Oxyweinsäure genannt worden ist, in
Krystallen aus, die sich in erwärmtem Wasser vollständig
und ohne Zersetzung lösen.
3. Die Zu satzflüssigkeit. Dieselbe erhält man
durch Auflösen von 1,00 Grm. des Seignettesalzes zu
50 C. C. Lösung.
Werden gleiche Raumtheile der Flüssigkeiten 1 und 2
gemischt, so beginnt alsbald die langsame Ausscheidung
reducirten Silbers, welches sich spiegelnd an Glasflächen
ansetzt und eine mit tiefblauer Farbe durchsichtige, fest-
haftende Schicht bildet. Setzt man nun auf 100 C.C.
der genannten Mischung 1 — 2 C.C. der unter 3 beschrie-
benen Seignettesalzlösung hinzu, so scheidet sich ein dich-
teres und weisseres Silber aus.
Die Herstellung einer inneren Versilberung von Glas-
gefässen geschieht ohne Weiteres durch Eingiessen der
beschriebenen Mischung, in 3 — 4 Stunden ist die Schicht
172 Glasversilberung.
hinreichend dick und lässt sich nach dem Reinigen mit
Wasser und vollständigen Trocknen durch Firniss dauer-
haft schützen. Spiegelglasplatten erfordern eine sorgfäl-
tige Reinigung mit Salpetersäure, mit präcipitirter koh-
lensaurer Kalkerde oder Magnesia und weingeistiger Lö-
sung von Benzol. Die so vorbereitete Platte wird dann mit
einer verdünnten Seignettesalzlösung (1,00 Grm. auf 200
bis 300 C.C. Wasser) benetzt, horizontal gelegt und uit
der bezüglichen Mischung 1 — 2 Millim. hoch übergössen.
Zur Erzeugung eines schönen Spiegels ist es zweckmäs-
sig, die Flüssigkeit nach 1 oder 2 Stunden abzugiessen,
die Platte abzuspülen und aufs Neue Flüssigkeit darauf
zu bringen, da nur auf diese Weise die kleinen Oeffnun-
gen, welche durch die unvermeidlichen Staubtheilchen
entstehen, vollständig beseitigt werden können. Nach
dem Abspülen und Trocknen verträgt die Schicht ein
Firnissen und ist dann vollständig dauerhaft.
Das beschriebene Verfahren ist von Bethe durch
beinahe fünf Jahre erprobt worden und besitzt nach dem-
selben den Vorzug vor allen bisher publicirten Methoden.
Auf 1 Quadratmeter Fläche bedarf man für 2 Millim.
Dicke der benetzenden Schicht nur 2 Liter Flüssigkeit,
also 10,00 Grm. salpetersaures Silberoxyd in ammoniakali-
scher Lösung und 2,00 Grm. zur Herstellung der Reduc-
tionsflüssigkeit.
Die abgegossene Flüssigkeit enthält 50 — 60 Proc. der
angewendeten Silbermenge, und lässt sich zwar nicht wie-
der zur Erzeugung der ersten, spiegelnden Silberschicht
verwenden, doch aber nach Zusatz einiger Tropfen einer
Lösung von salpetersaurem Silberoxyd und neuer Reduc-
tionsflussigkeit zur Verstärkung dieser Schicht. (Journ.
für jjract. Chemie. Bd. 92. 3u.4.) B.
lieber Clasversilberung.
C. Finckh in Tübingen hat sämmtliche Methoden
der Glasversilberung bei Herstellung einiger Silberspiegel
zu optischen Zwecken geprüft und giebt in Folgendem
das von Lieb ig gebräuchliche Verfahren dazu an.
Die von Lieb ig vorgeschlagene Silberlösung ist fol-
gende : 1 Th. salpetersaures Silberoxyd löst man in 20
Theilen destillirten Wasser, versetzt mit reiner Ammo-
niakflüssigkeit, bis der entstandene Niederschlag sich
eben wieder gelöst hat, fügt 45 — 50 Th. einer caustischen
Natronlauge von 1,03 spec. Gew. zu und löst den sich
Gewinnung der Metalle aus den Platinriickständen. 173
hierbei bildenden Niederschlag wieder in Ammoniak auf.
Um jeden Ueberschuss von freiem Ammoniak wegzuneh-
men, giebt man einige Tropfen Silberlösung zu, bis ein
bleibender Niederschlag entstanden ist, und verdünnt das
Ganze mit destillirtem Wasser, bis es 150 Theile gewor-
den sind.
Diese Mischung hält sich sehr gut und kann längere
Zeit aufbewahrt werden, wenn sie in gut verschlossene
Gefässe gebracht wird. Zur Glasversilberung mischt man
sie mit l j l0 Th. einer lOproc. Milchzuckerlösung, welche
ganz klar und frisch bereitet sein muss. Die zu versil-
bernde Glasfläche polirt man mit sehr fein geschlämmtem
Zinnoxyd oder Eisenoxyd, wäscht zuerst mit Salpetersäure,
hierauf mit reiner Natronlauge und zuletzt mit destillirtem
Wasser ab, bis die ganze Fläche gleichförmig benetzt ist.
Das so vorbereitete Glas befestigt man mittelst Kleb-
wachs an einem durch ein Stativ gehaltenen Stab, senkt
ihn in ein Glasgefäss bis auf l / 2 Zoll Entfernung vom
Boden desselben ein und giesst so viel von der mit
Milchzuckerlösung vermischten Versilberungsflüssigkeit ein,
bis sie eben das Glas berührt.
Nach Ablauf von 3 — 4 Stunden wird alles Silber
daraus gefällt sein, man nimmt das versilberte Glas aus
der Flüssigkeit, wäscht es vorsichtig mit destillirtem Was-
ser ab und lässt es in schiefer Stellung vollkommen ab-
trocknen. Während der Versilberung muss man das Glas
auf der Oberfläche der Flüssigkeit etwas bewegen, damit
sich das zugleich mit ausscheidende pulverförmige Silber
leichter zu Boden setzt und sich nicht an den Spiegel
anlegt. Zur Haltbarmachung der Silberbelegung über-
zieht man die äusserst dünne Silberschicht mit einem
Firniss von Leinöl und Mennige, oder, wenn man einen
schneller trocknenden Ueberzug wünscht, mit einer Lö-
sung von 20 Th. Dammar, 3 Th. Asphalt, 5 Th. Gutta-
percha in 75 Th. Benzol, einer Mischung, welche einen
Tag nach dem Auftragen trocken ist. Die am Glase
haftende Silberschicht beträgt sehr wenig, so dass ein
grosser Theil des verwandten Silbers aus den Waschflüssig-
keiten wieder erhalten werden kann. (Gwbabl. ausWürtemb.)
B.
>Ictlio ä 1/2 4-
Haidinger, W., ein vorhomeriseher Fall von zwei Meteorstein-
massen bei Troja. Lex.-8. (8 S.) Wien, Gerold's Sohn. n. 2 syr.
Handwörterbuch der reinen u. angewandten Chemie. Redig.
v. Prof. Dr. H. v. Fehling. Mit Holzschn. 9. Bd. 7—10. Lief.
(In der Reihe die 62— 65. (Schluss-) Lief.) gr. 8. (S. 769— 1231.)
Braunschweig, Vieweg u. Sohn, ä n. 2 / 3 4-
Hedwigia, Notizblatt für kryptogamische Studien nebst Repeti-
torium für kryptogam. Literatur. Redig. v. Dr. L. Rabenhorst.
Jahrg. 1865. 12 Nrn. Mit Steintaf. Dresden, Burdach. n. 2 4-
Heer, Prof. Dr. Osw., die Urwelt der Schweiz. 12. u. 13. Lief. Lex.-8.
(XXIX u. S. 497 — 622 mit eingedr. Holzschn. u. 1 Holzschntaf.
in Tondr.) Zürich, Schulthess. 5 / 6 4- (compl. 4 J /2 4-)
Henkel, Prof. Dr. J. B. u. W. Höchste tt er, Synopsis der Nadel-
hölzer, deren charakteristische Merkmale nebst Andeutungen
über ihre Cultur und Ausdauer in Deutschlands Klima, gr. 8.
(XXIX u. 417 S.) Stuttgart, Cotta. 2 4.
Heuglin, M. Th. v., Beiträge zur Zoologie Central -Afrikas. Mit
1 lith. Taf. gr. 4. (15 S.) Dresden 1864. (Jena, Fr. From-
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Kern er, A. u. J., Herbarium österreichischer Weiden. 3. Decade.
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Kirchenpauer, Senator Dr., neue Serrulariden aus verschiedenen
Hamburg. Sammlungen, nebst allgem. Bemerkungen über La-
Bibliographischer Anzeiger. 191
mouroux' Gattung Dynamena. Mit 1 lith. Taf. in qu. Fol. gr. 4.
16 S. Dresden 1864. (Jena, Fr. Frommann.) n. % 4.
Leitgeb, Dr. H., die Luftwurzeln der Orchideen. Mit 3 lith. Taf.
Imp.-4. (46 S.) Wien 1864, Gerold's Sohn in Commiss. n. I x k4^
Lersch, Dr. B. M., Hydro -Physik od. Lehre vom physikalischen
Verhalten der natürlichen Wässer, namentlich von der Bildung
der kalten u. warmen Quellen. 2. Aufl. Lex.-8. (VI u. 283 S.
mit eingedr. Holzschn., 4 Stein- u. Holzschn.) Berlin, Hirsch-
wald, n. 12/ 3 4.
Marquart, Dr. Clamor, Lehrbuch der prakt. u. theoret. Pharma-
cie. 2. Aufl. Bearb. von Dr. Ernst Hallier u. Prof. Dr. Herrn.
Ludwig. 4 — 6. Heft. gr. 8. (1. Bd. XX u. S. 481 — 511 u.
2. Bd. S. 1 — 432 mit eingedr. Holzschn.) Mainz, Kuntze.
n. 2/3 4.
Marti us, Dr. Carol. Frid. Phil, de, Flora Brasiliensis sive enume-
ratio plantarum in Brasilia hactenus detectarum. Fase. XXXVI
— XXXVIII. gr. Fol. (236 Sp. u. 42 Steintaf.) Leipzig, Fr.
Fleischer in Commiss. n. 18 4 18 sgr. (1—38 n. 354,$ 29 «gr.)
Meyer, H.A. u. K. Möbius, Fauna der Kieler Bucht. A. u.d. T.
Die Hinterkeimer oder Oxistobranchia der Kieler Bucht. Mit
26 lith. Taf. Fol. (138 S.) Leipzig, Engel mann. cart. n. 10.$.
Milde, Dr. Jul., die höheren Sporenpflanzen Deutschlands u. der
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Mohr, Med.-Rath Dr. Fr., Commentar zur preuss. Pharmakopoe,
nebst Uebersetzung des Textes. 3. umgearb. Aufl. 5te bis 8te
(Schluss-) Lief. gr. 8. (XXII u. S. 385- 703.) Braunschweig,
Vieweg & Sohn, ä n. 1/2 *$•-
Muspratt's theoret., prakt. und analyt. Chemie, in Anwendung
auf Künste und Gewerbe. Frei bearb. von Dr. F. Stohmann.
2. Aufl. 1. Bd. 20 - 23. Lief. gr. 4. (XX. Sp. 1217-1470.)
Braunschweig, Schwetschke u. Sohn, a n. 12 «jr.
Palaeoutographica. Beiträge zur Naturgeschichte der Vorwelt.
13. Bd. Herausg. von Dr. Wilh. Dunker. 3. Lief. u. 14. Bd.
Herausg. v. Herrn, v. Mever. 1. Lief. 4. Cassel, Fischer, n.
11 A (I— XII. 4. XIII. 1-3. XIV. 1. n. 282i/ 3 4.)
Pringsneim, Dr. N., über Richtung und Erfolge der kryptogami-
ßchen Studien neuerer Zeit. 8. (29 S.) Jena, F. Frommann.
6 «gr.
Reichenbach, Hofrath Dir. Prof. Dr. H, G. Ludw. und Prof. A.
Gust. Reichenbach, Deutschlands Flora mit höchst naturgetr.
Abbild. No. 257 - 260. gr. 4. (40 Kupftaf. u. 16 S. Text in
Lex.-8.) Leipzig, Abel, ä n. 5 / 6 4\ col. ä n. 1 1/2 4-
dasselbe. Wohlf. Ausgabe; halbcol. 1. Ser. Heft 189— 192.
Lex.-8. (40 Kupftaf. u. 16 S. Text.) Ebd. k n. 16 s 9 r.
— — (Iconographia botanica.) Icones florae germanicae et helve-
ticae nimul terrarum adjacentium ergo mediae Europae. Tom.
XXI. Dccas 8—11. (gr. 4. 80 Kupftaf. u. 16 S. Text) Ebd.
a n. 5/ fi 4- col. a n. l»/ 2 4-
Böftmann, Dr« mathematisch -physikalische Studien. 8. (44 S.
mit 1 Steint&f.) Wohlau 1864. (Königsberg, Theile.) baar 2 !z4-
Rubini, Giov. Furd., dell' ozono. Monografia. 8. (39 S.) Tricst
1864, Coen. 8 «gr.
Schacht, Dr. J. B. und F. W. LftUZ, Preise von Arzneimitteln,
welch»; in der 7. Ausg. der Preuss. Landes-Pharmakopöe nicht
enthalten sind, zusammengestellt mit den Arzneimittclpreisen
192 Bibliographischer Anzeiger. — Erklärung.
der Königl. Preuss. Arzneitaxe für das J. 1865 nach den Prin-
cipien derselben berechnet, gr. 4. 64 S. Berlin, Gärtner,
baar n. J/3 4-
Schmidlin, Ed., populäre Botanik. 2. Aufl. (In 17 — 18 Lief.)
l.Lief. gr. 8. (48 S. mit 4 col. Steintaf.) Stuttgart, G. Wiese.
V 4 4-
Sehr ötter, Prof. A., über ein vereinfachtes Verfahren, das Li-
thium, Rubidium, Cäsium und Thallium aus Lithiumglimmer
zu gewinnen. Lex.-8.
Schwabe, Hofr. Sam. Heinr., Flora von Anhalt. 2te (deutsche)
_ Ausg. 8. (XI u. 419 S.) Dessau, Neubürger. l'/ 2 4
Spill er, Prof. Pb., populäre Physik für Handwerker, Gewerbtrei-
bende etc. Mit in den Text gedr. Holzschn. 3— 5. Lief. gr. 8.
(S. 129— 320.) Berlin, Oehmigke's Verl. k n. l/e 4-
Stefan, J., über Nebenringe am Newton -FarbeDglase. Lex.- 8.
(3 S.) Wien 1864, Gerold's Sohn. li/ 2 sgr.
Stille, Werner, über eine Bestimmungsart von Arbeitsleistungen
chemischer Verwandtschaftskräfte. Inaug.-Dissert. gr. 8. (32 S.)
Göttingen, Deuerlich. n. ^6 4-
Tabula stoechiometrica, pondera aequivalentia mixtionis complec-
tens. Tabelle der Formeln u. Aequivalente der Grundstoffe u.
d. ehem. Verbindungen, gr. 8. (117 S.) Lissa, Günther's Verl.
1 4.
Taschenberg, Dr. E. L., Naturgeschichte der wirbellosen Thiere,
die in Deutschland, so wie in den Provinzen Preussen u. Posen
den Feld-, Wiesen- u. Weide-Culturpflanzen schädlich werden.
Mit 7 lith. col. Taf. Lex.-8. (XII u. 288 S.) Leipzig, Kum-
mer, n. 3 4-
Unger, Prof. F., Beiträge zur Anatomie u. Physiologie der Pflan-
zen. Mit 1 lith. u. col. Taf. Lex.- 8. (35 S.) Wien, Gerold's
Sohn. 12 sgr.
Veränderungen der Königl. preuss. Arzneitaxe für die Hoben-
zollernschen Lande für 1865. gr. 8. (14 S.) Berlin, Gärtner,
baar n. 2'/2 s $ r -
Wagner, Dr. Mor., Beiträge zur Meteorologie u. Klimatologie von
Mittel -Amerika. gr. 4. (31 S.) Dresden 1864. (Jena, Fr.
Frommann.) n. % 4-
Mr.
Erklärung.
In einer von dem Buchhändler, Herrn Gustav Poenicke in
Leipzig ausgehenden „Anweisung zum Gebrauche der Dr. A.Wer-
ner 'sehen Schwedischen Lebensessenz" wird angegeben, dass die-
ses Geheimmittel auf meine Veranlassung im Königl. Universitäts-
Laboratorium chemisch untersucht und laut des betreffenden Gut-
achtens vom 19. Mai 1863 von allen der Gesundheit schädlichen
Stoffen frei gefunden worden sei. Ein solches Gutachten ist
aber von mir nie gegeben oder veranlasst worden.
Leipzig, den 9. Juli 1865. Dr. 0. L. Erdmann,
Professor der Chemie an der Uni-
versität zu Leipzig.
Hofbuchdruckerei der Gebr. Jänecke zu Hannover.
ARCHIV DERJHARME.
CLXXUI. Bandes drittes Heft.
I. Physik, Chemie und praktische
Pliarmacie.
Darstellung eines eiweisshaltigen Fleisch -Extractes
auf Grundlage des kalten Fleisch -Aufgusses
nach Liebig vom Jahre 1854;
von
Dr. med. W. Hörn in Bremen.
Oeitdem ich Gelegenheit genommen, auf der letzten
(39.) Naturforscher- Versammlung in Giessen über ein von
mir ersonnenes Fleisch -Extract einige allgemeine Mitthei-
lungen zu machen, habe ich es auch sofort für meine
Schuldigkeit angesehen, in den den Herren Pharmaceu-
ten zugängigsten Journalen eine detaillirtere Rechenschaft
zu geben, als sie in einer General-Versammlung der Ge-
sellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zulässig war.
Dass es nicht früher geschah, indem die Erfindung schon
aus dem Jahre 18G0 stammt, beruht indess nur auf mei-
ner Erwartung, das Extract langsam um so sicherer
zur vollen Anerkennung zu bringen, nicht auf einem Zau-
dern meinerseits, vielleicht aus eigenem Interesse, oder
vielmehr dem meines Mitarbeiters, des Herrn Apothekers
Friedrich Toel hieselbst, des ersten Darstellers. Denn
«•inestheils habe ich schon in der ersten Zeit dessen
B&mmtliche Collegen am Orte mit der Bereitungsweise
vollständig bekannt gemacht — fast Alle haben das Ex-
tract selber dargestellt, Manche bezogen es aber nachher
der Einfachheit halber lieber von Herrn Toel — andern-
theila halte ich auch dafür, dass der Arzt, wenn er nicht
Arch. d. Pharm. CLXXIII. Bda. 3. Ilft. 13
'194 Hörn,
nebenher Kaufmann werden will, nach dem Inhalte des
Hippokratischen Eides jedes Neue, das er zum Wohle
der Menschheit erdacht zu haben meint, rückhaltlos der
Oeffentlichkeit zu übergeben hat. Die Zeit der Geheim-
mittel wird und soll vorüber sein. Und da ist es in der
That nicht genug, dass einige allgemeine Angaben zur
besseren Legitimation, etwa in Form einer den Laien
bestechenden chemischen Analyse, dazu gegeben werden,
oder dass man einige physiologische Reflexionen als
Köder für Aerzte und Naturfreunde herbeizieht, den Wie-
derverkäufern aber durch entsprechenden Rabatt den
neuen Artikel mundgerecht macht. Aerzte und Apothe-
ker haben das gleiche Interesse, materiell so wie ideell,
zur Hebung ihres Standes, dass das Publicum sie nicht
wegen eines entreissbaren Privilegs, einer Geheimniss-
krämerei, die ja oft, nach den Erfahrungen aller Zeiten,
auf Humbug hinausläuft, respectire, sondern nur wegen
Leistungen, zu denen die ewig imponirende Wissenschaft
sie autorisirt hat. Zur Versinnbildlichung dieser Har-
monie hatte ich zu einer von sämmtlichen hiesigen Apo-
thekern und Aerzten dem Senior dieser, Dr. Philipp
Heineken, zum 50jährigen Doctor-Jubiläum am 12ten
December 1860 veranstalteten Festlichkeit ein bis jetzt
allerdings ungedrucktes Manuscript über Fleisch - Extract,
Apotheker von den ersten Proben desselben dem Jubilar
überreicht. Möge nun aber auch ferner dies Mittel in
einer Zeit, in der die Receptur der Aerzte dem Laufe
der Sache nach sich wesentlich gegen frühere Jahrzehnte
geändert hat, andererseits die Notwendigkeit von Apo-
theken überhaupt vielfach angefochten wird, einen neuen
Beweis liefern, dass doch gerade „aus den Apotheken
Gutes kommt". So viel zur Einleitung!
Wie schon angeführt, kam ich 1860 auf die Idee,
Liebig'sche (eiweisshaltige) „Bouillon" eindampfen zu las-
sen. Angeblich sollte ein von Herrn Simon in Berlin
verschicktes Extract so bereitet sein. Ganz richtig! Denn
Liebig hat ja 1847 angegeben, wie man aus feingehack-
Darstellvng eines eiweissshaltigen Fleisch-Extractes. 195
tem Fleische ohne zu frühe Anwendung der Hitze die
beste Brühe erhielte; und diese, eingedampft, figurirt
(vielleicht einzig auf Anlass des Herrn Dr. Breslau in
München) seit 1848 als Extr. carn. Ph, bavar. Aus sol-
cher, folglich eiweissloser Bouillon war also auch das
Simon'sche Extract. Da wir nun aber in Bremen seit
1855 unter Liebig'scher „Bouillon" nur die eiweisshal-
tige von 1854 verstehen, so forderte ich, anfänglich ganz
arglos, Herrn Toel auf, selber diese einzudampfen, na-
türlich bei 30° R. Das Resultat, das ganz anders als das
Simon'sche Extract aussah, überraschte ihn nicht wenig.
Da ich aber sofort das Gewonnene probirte, den Ge-
schmack und (nach vielfacher früherer Uebung) an mir
selbst die Nahrungswirkung für ganz ausgezeichnet erklä-
ren musste, ermunterte ich ihn zur fortgesetzten Darstel-
lung, erkennend, dass wir jetzt erst recht ein eiweisshal-
tiges Fleisch-Extract gefunden hatten.
Herr Toel kam nun, um bei 80° R. abdampfen zu
können, auf den Versuch, durch Zutröpfeln von Alkohol
das Eiweiss (in leicht löslicher Form) vorweg zu entfer-
nen. Ein anderer Darsteller schlug Vertheilung der Flüs-
sigkeit in viele Schalen bei 30° R. vor. So gingen einige
Tage mit Experimenten der Techniker hin, die ich be-
nutzte, um mich mit den bekannten Details der Natur
der Eiweisskörper genauer vertraut zu machen, eigent-
lich nur, um etwaige weitere Modifikationen der Tech-
niker genauer controliren und verschiedene Vorschläge
gegen einander abwägen zu können.
Da wurde ich, besonders durch die Anleitung zur
zoochemischen Analyse von Dr. v. Gorup-Besanez auf
das Acid-Albumin des Prof. Panum in Kopenhagen auf-
merksam. Bisher hatte es wahrscheinlich nur für die
Urin -Untersuchung Bedeutung gehabt und die Vorsicht
der Analytiker herausgefordert. Ich beschloss die Sache
umzukehren und die Bedingungen herzustellen, um
das Eiweiss nicht durch Ausfällung in der Hitze finden
13*
196 Hörn,
zu können, um also die Flüssigkeit ohne Coagulation,
sogar anfänglich bei 80° R. abzudampfen.
Mit Hinzuziehung aller von Herrn Toel gewonne-
nen technischen Erfahrungen, so weit sie sich von einem
Nicht -Pharmaceuten beschreiben lassen, stellte ich vor
jetzt 4^ Jahren folgende noch gültige Vorschrift als voll-
ständig auf.
1 Pfund Fleisch, wie zu Liebig's Arbeiten ganz
frisch, möglichst fettfrei, fein gehackt, wird eine Stunde
lang mit der gleichen Menge Wassers und vorläufig den
bekannten 8 Tropfen Salzsäure, aber ohne Kochsalzzusatz,
macerirt. Auf das Colatorium gebracht, wird der Rück-
stand, herabgenommen, noch einmal in der Porcellan-
schale mit */ 2 Pfd. Wasser angerührt. Beim zweiten
Coliren beginnt nun der vollständigste Unterschied von
der Bereitung des Liebig'schen kalten Fleisch-Aufgusses.
Da es uns nicht auf Klarheit der Flüssigkeit ankommt,
und auch nachher filtrirt werden darf, so kann man jetzt
auf dem Colatorium das Fleisch auspressen und erspart sich
das dritte Aufgiessen, gewinnt alles Lösliche und erhält
weniger Masse.
Nicht sowohl, - um nun noch in der Wärme löslichere
Salze zu gewinnen, sondern um den Brühgeruch zu er-
zielen, wird zum Schluss noch der Fleisch-Rückstand mit
wenig Wasser ausgekocht. (Seit der Bereitung im Gros-
sen thut es Herr Toel nicht mehr.) Dies Decoct filtrirt,
für sich eingedampft, ergiebt nur etwa 2 / 2 Drachme noch.
Wir dachten aber vor Allem Geruch und Geschmack,
Aeusserlichkeiten, die bei den früheren, gänzlich durch
Siedhitze bereiteten Extracten so bestechend schienen,
dem unsern zu gewinnen, und empfehle ich es noch.
Das Eindampfen des kalten Fleisch - Aufgusses folgt
jetzt als Hauptsache. Es war bekannt, dass das Eiweiss
in schwach saurer Lösung nicht durch Kochen fäll-
bar war, dagegen durch viel Alkalisalz, sogar in der
Kälte. Der im Gegensatz zur Salpetersäure-Fällung dick-
flockige Niederschlag ist durch genügenden Wasser-
Darstellung eines eiweisshaltigen Fleisch -Extractes. 197
zusatz wieder löslich, sogar erst recht beim Kochen.
Er ist ferner um so löslicher, bei je. niederer Tem-
peratur, also durch Ueberwiegen von Salz und Säure,
als Acid-Albumin, er entstanden ist.
Hiernach bestimmten sich die Regeln der Darstel-
lung. Aus diesen Gründen war das Kochsalz bisher weg-
gelassen worden, denn wenn auch nicht anfänglich, so
doch nachher bei grösserer Concentration musste dasselbe
in der Hitze das Eiweiss früher, also schwerer löslich, aus-
fällen, beim Vorhandensein der Fleischsalze erst recht. Eben
wegen derselben musste ein genau richtiger Zusatz von
Säure bemessen werden. Zu wenig verhindert nicht die
Coagulation in der Hitze, zu viel bewirkt mit den Fleisch-
salzen eben in der Hitze ebenfalls schwerer lösliches
Eiweiss. Herr Toel wählte mit Glück die Salzsäure,
zumeist des Geschmacks wegen. Sie ist ausserdem schon
bei der Bouillonbereitung in Gebrauch gezogen und braucht
als die stärkste uns zu Gebote stehende Säure nur in um
so kleinerer Menge zugesetzt zu werden. Das vor jedem
Eindampfen zu wiederholende Verfahren ist nun so, dass,
im Verhältniss zu dem von Herrn Toel gefundenen Mit-
tel eines halben Tropfens Salzsäure auf 1 Unze der circa
l 1 ^ Pfd. Colatur, derselben Acid. mur. dilut., im Anfang
nur wenig, zugetröpfelt wird. Von nun an werden Pro-
ben entnommen, im Reagensgläschen gekocht und so
lange noch Salzsäure nachgetröpfelt, bis beim Kochen
einer Probe keine Trübung mehr entsteht. 12 Tropfen
auf 1 Pfd. Fleisch oder 24 Unzen Colatur geben mit den
ersten 8 Tropfen als Durchschnitt 20, wechselnd nach
dem Eiweissgehalt des Fleisches.
Die so angesäuerte Fleischflüssigkeit ohne Kochsalz
kann nun im Dampfbade von 80° R. einige Zeit stehen.
Die Temperatur i n der Schale aber, da das Arbeiten
mit gespannten Dämpfen bis jetzt noch nicht ausführbar
erschien, ist .selbstverständlich nie 80° R., höchstens GO
bis 70°, meist weniger, nach dem Grade der Verdun-
stung. Diese fördert man nämlich durch fortwährendes
198 Hörn,
Umrühren. Dasselbe hat ausserdem den Zweck, localer
Gerinnung an der Oberfläche vorzubeugen, insofern als
sie in der Ruhe häutig werden würde. Flockige Aus-
scheidung, leicht löslich, findet dagegen, je nach der
Quantität, bald statt. Sollten sich dennoch Häutchen
oder gar Krusten gebildet haben, so spare man nicht die
Mühe, diese vorläufig zu entfernen. Man kann sie, wenn
man will, wieder in kochendem salzsaurem Wasser lösen.
Wann man das Kochsalz zusetzen soll, ist gewiss
von grossem Einfluss auf die weitere Entwickelung des
Extractes. Bei der Verarbeitung weniger Pfunde Fleisch,
wie für erste Versuche zu empfehlen, kann man sogar,
nach Ermässigung der Temperatur im Dampf bade, bei
circa 40° in der Schale, schon in 4 bis 5 Stunden
einen dickflüssigen Brei von ca. l J / 2 Unzen aus 1 Pfund
Fleisch erhalten, reibt nun erst das Kochsalz (l 1 ^? De i
rascherem Verbrauch, wenn gewünscht, nur 1 Drachme)
hinzu, ebenso die halbe Drachme Decoct des Fleisch-
restes und noch so viel Wasser, um als vorschriftsmassi-
ges Mittel 2 Unzen Extract aus 1 Pfd. Fleisch dispen-
siren zu können.
Bei der Bereitung im Grossen liess Herr Toel zu-
nächst das Decoct weg. (Vielleicht lässt sich der Ge-
schmack auch anderweitig verfeinern, worauf ich hier
nicht weiter eingehen will.) Bei der Abdampfung sieht
man schon lange, ehe die Flüssigkeit auf die Hälfte redu-
cirt ist, eine flockige Ausscheidung, ja jene sogar eine brei-
artige Consistenz annehmen. Herr Toel unterbricht jetzt
die Eindampfung, verringert die Zahl seiner Schüsseln
durch Zusammenschütten, rührt die entsprechende Menge
Kochsalz hinein und dampft die jetzt verflüssigte Masse
bei erniedrigter Temperatur weiter ab. Theoretisch wie
praktisch ist es wohl noch nicht festgestellt, ob das schon
flockig ausgeschiedene Eiweiss an seiner Leichtlöslich-
keit bei fortgesetzter Wärme -Einwirkung mehr oder we-
niger Einbusse erleidet, je nachdem man früher oder
später das Kochsalz zusetzt.
Darstellung eines elweisshaltigen Fleisch- Extractes. 199
Dies bringt uns auf die Eigenschaften des fertigen
Extractes. Es sieht gleichinässig chocoladebraun aus, ist
vollkommen eben, fast tropfbar wie Honig, von Geruch
der Bratenkruste, von schwach säuerlich salzigem Ge-
schmack, mit Erinnerung an kräftige Bouillon oder Bra-
tensauce. Löslich in kaltem Wasser ist dies Acid-Albu-
min erst nach gehöriger Verdünnung, resp. Auswaschung
der Salze; ohne diese Mühe in kochendem salzsauren
"Wasser. Pepsin befördert natürlich die rasche Löslich-
keit.
Im Sandbade getrocknet fanden sich 48 Proc. fester
Bestandtheile.
Die Haltbarkeit hängt nicht ab von der Temperatur
an sich, sondern vom Luftabschluss. Diesen bedingt
schon meist eine sich oben bildende kleine Salzwasser-
schicht.
Zum Gebrauche empfiehlt sich das Zusichnehmen
einzelner Tropfen oder das Einrühren in Salzzusatz ver-
tragende Getränke. Das zu Pulver abgedampfte Extract
wurde auch wohl ohne Kochsalz mit Zucker zu Pastillen
geformt oder ist zu Pillen gedreht mit Tolubalsam zu
überziehen. Auch lässt sich das Extract auf gewisse
Weise zu einem leichten Gebäck hinzuthun; endlich nach
Auswaschung aller Salze, in weiterem Wasser gelöst, mit
Syrup mengen.
Auf einige Uebelstände mache ich noch aufmerksam.
1) Zu geringes Eindampfen giebt ein milder schmecken-
des, aber weniger haltbares Präparat. 2) In irdenen Kru-
ken findet, wie an der Luft vertheilt, Eintrocknung statt.
Alan nehme nur Gläser mit Glasstöpsel oder gutem Korke,
aber weiter Oeffnung. Porcellankruken erinnern an Sal-
ben. 3) Schwarzgebrannte, ganz entfärbte hellgraue oder
schlammartige Extracte sind als verfehlt zu bezeichnen,
w<-nn auch frisch gemessbar.
An verunglückten Versuchen wird es auch künftig
nicht fehlen! Möge man sich dadurch nicht gegen das
Extract einnehmen lassen, oder gegen mich, der ich als
200 Geuther,
Arzt das nie von mir selber Dargestellte zu beschreiben
versuchte! Dennoch glaube ich, dass der richtige Weg
der Ausbreitung der Sache das . Selbstdarstellen Seitens
der Pharmaceuten ist. Auf ihre Empfehlung hin wird
es der Arzt am ehesten verschreiben.
Ueber die Einwirkung von salpetrigsaurem Kali
auf salzsaures Triäthylamin;
von
A. Geuther *).
Das salpetrigsaure Kali setzt sich wie bekannt mit
dem -salzsauren Aethylamin um unter Bildung von Sal
petrigsäure-Aether, mit dem salzsauren Diäthylamin
aber unter Bildung von Nitrosodiäthylin. Wie sich das-
selbe zu salzsaurem Triäthylamin verhält, zeigen die
folgenden Versuche, welche auf meine Veranlassung Herr
Dr. W. Schult ze ausgeführt hat.
Das Triäthylamin wurde nach dem gewöhnlichen Ver-
fahren mit Jodäthyl dargestellt, aus der concentrirten Lö-
sung des jodwasserstoffsauren Salzes mit concentrirter Na-
tronlauge abgeschieden, destillirt und wiederholt über festes
Natronhydrat rectificirt. Bei der Destillation für sich
stieg das Thermometer bis auf 90°. Die höchst siedende
Portion für sich gesammelt und wiederholt fractionirt, lie-
ferte ein constant bei- 89° (corrigirt) siedendes Product.
Dasselbe wurde in die neutrale salzsaure Verbindung über-
geführt und dann mit neutraler salpetrigsaurer Kalilösung
destillirt. Der Verlauf der Reaction war ganz so, wie ich es
früher**) bei dem Diäthylaminsalz beobachtet habe. Mit
dem Destillat wurde auf ganz gleiche Weise verfahren. Das
erhaltene gelbe Ölige Product wurde, nachdem es über
Chlorcalcium getrocknet worden war, der Destillation un-
*) Abdruck aus der Jen. Zeitschr. f. Medic. u. Naturwissensch. I. 4.
(1864.) Vom Hrn. Verf. gütigst initgetheilt. H. Ludwig.
**) Annal. der Chem. und Pharm. Bd. CXXVIII. p. 151.
Einwirkung von salpttrigs. Kali auf salzs. Triäthylamin. 201
terworfen. Die Hauptmenge ging unter geringer Bräu-
nung bis 182° vollkommen über. Es besass genau den
Geruch des Nitrosodiäthylins. Die von 180° an überge-
gangene Portion wurde zur Analyse verwandt.
0,1873 Grm. Substanz lieferten 0,324 Grm. Kohlen-
säure und 0,169 Grm. Wasser, was 47,2 Proc. Kohlen-
stoff und 10,0 Proc. Wasserstoff entspricht.
0,201 Grm. gaben 52,5 CG. Stickgas bei 19<> C. und
738,79 Mm. Barometerstand, was 0,05861 Grm. = 29,2
Procent Stickstoff entspricht.
Diese Zahlen lehren, dass die Substanz die Zusam-
mensetzung des Nitrosodiäthylins besitzt:
berechnet gefunden
C* == 47,1 47,2 *)
H!0 = 9,8 10,0
N2 = 27,4 29,2
02 = 15,7 —
Zur weiteren Bestätigung wurde die Einwirkung der
Salzsäure darauf untersucht. Das Product löst sich, gleich
dem Nitiosodiäthylin, leicht in concentrirter Salzsäure und
liefert beim Eindampfen auf dem Wasser bade eine Salz-
masse, welche nichts anderes als D iäthy 1 am ins alz ist.
Die damit und Platinchlorid dargestellte Doppelverbindung
wurde gross krystallisirt, vom Ansehen des chlorwasser-
stoffsauren Diäthylamin- Platinchlorids, erhalten und gab
bei der Analyse folgende Platinmenge.
0,1605 Grm. bei 100° getrocknet, Hessen nach dem
Glühen 0,0565 Grm. = 35,2 Proc. Platin.
Die Formel: qI^\ I1^N,I1 Cl -f PtCl*
verlangt 35,3 Proc.
Somit ist also erwiesen, dass bei der Einwirkung
von salpetrigsaurem Kali auf chlorwasscrstoffsaures Tri-
äthylamin das nämliche Product entsteht, wie bei der
Einwirkung auf das Diäthylaminsalz. Was aus dem 1 Mgt.
Leuchtgas wird, ist nicht Daher untersucht worden, zwci-
< », = 8, H = 1, N = 14.
202 Geuther,
feilos aber tritt dasselbe als Alkohol aus der Verbindung,
und der Process verläuft nach der Gleichung:
C2H4J (HO
C2H4'H3N.HCl + KO,NO3=G4H10N2O2 + C2H4\HO
cm*\ +kci.
Ueber die wahrscheinliche Natur der aus den Mono-
cyansäuren durch Alkalien entstehenden Säuren;
von
Demselben*).
H. Kolbe und H.Müller haben, einer kurzen Mit-
theilung **) zufolge, die Monocy anessigsäure und die
Monocyanpropionsäure dargestellt und aus diesen
Säuren durch Behandeln mit concentrirter Kalilauge neue
stickstoffreie Säuren erhalten, welche in ihrer Zusammen-
setzung mit der Malonsäure und der Bern st ein säure
übereinstimmen. Kolbe hält jene für wirklich identisch
mit diesen. Wenn das nun in Bezug auf die Malonsäure
richtig sein mag, so bezweifle ich es doch sehr in Bezug
auf die Bernsteinsäure. Man hält freilich allgemein die
Malonsäure für ein der Bernsteinsäurereihe angehöriges
Glied, wie ich aber glaube mit Unrecht. Man weiss, dass
die Bernsteinsäure zum Elaylcyanür in derselben Bezie-
hung steht, wie die Propionsäure zum Aethylcyanür, dass
somit die Constitution derselben von der Constitution des
Elaylcyanürs oder schliesslich von der des Glykols in eben
dem Grade abhängig ist, wie die Constitution der Pro-
pionsäure von der des Aethylcyanürs oder des Alkohols.
Nach meinem Dafürhalten sind nun die Alkohole die Hy-
drate von Kohlenwasserstoffen (Wasserstoffbasen), deren
Acidität in gesetzmässiger Weise abhängig istvon
dem in ihnen vorhandenen Kohlen- und Waserstoff-
verhältniss, in der Art, dass ein Kohlenwasserstoff
*) Vom Hrn. Verfasser gütigst mitgetheilt. H. Ludwig.
**) Annal. der Chem. und Pharm. Bd. CXXXI. p. 348 u. 350.
aus Monocy ansäuren durch Alkalien entsteh. Säuren. 203
von der Formel: C n H( 2n + 2 > — 2 ° nur null säurig, ein
Kohlen Wasserstoff von der Formel: C n H (2n + 2 )~ 2 - 1 ein-
säurig (niemals mehrsäurig), ein Kohlenwasserstoff von
der Formel: OH( 2n + 2 ) -2 - 2 zweisäurig (niemals mehr-
säurig) und einsäurig, ein Kohlenwasserstoff von der
Formel: OH (2n + 2) — 2 - 3 dreisäurig (niemals mehrsäurig),
zweisäurig und ein säur ig u. s. f., ein Kohlenwasser-
stoff von der Formel: C n H (2n + 2 ) — 2m (wo m eine ganze
Zahl bedeutet) niemals mehr als m — säurig, gleichwohl
aber (m — 1), (m — 2), (m — 3), etc. -säurig sein kann. So
sind das Sumpfgas und seine Homologen nullsäurig,
sie bilden keine Verbindungen mit Säuren, das Leucht-
gas und seine Homologen nur einsäurig (Alkohole der
fetten Säuren), das Acetylen und seine Homologen zwei-
säurig (Glykole) und einsäurig (Acrylalkohole), das
Glyceren (C 3 H 2 ) dreisäurig (Glycerine), zweisäurig
(Glycide) und einsäurig (Glycerenalkohol).
Alkohol Glykol Glycerin
C2l34)HO C^H2/H202 cSg2/H303
JHO iH202 iH303
Acetylalkohol Glycidalkohol
C^H2)HO C31T2/H202
(HO \H2Q2
Glycerenalkohol
C3H2'™
}HO etc.
Nach dieser Anschauungsweise ist also im Alkohol
das Aethylen (und nicht das hypothet. Aethyl), im Glykol
das Acetylen (und nicht das Aethylen), im Glycerin das
Glyceren (und nicht das hypothet. Allyl) enthalten, ein „Me-
thylglykol", ein „Aethyl-" und „Methylglyccrin" sind dar-
nach unmögliche Verbindungen, einfach deshalb,
weil homologe niedere Glieder vom Acetylen und Glyce-
ren nicht möglich sind *).
*) Das MlMllDgeo aller Versuche, BOlche Verbindungen darzustel-
len, spricht sehr zu Gunsten der obigen Ansicht. Die s. g.
204 Geuther,
Die neutralen Cyanwasserstoffäther dieser Alkohole
sind demnach :
C^JHCy; ^H'Cy*, ^| H 3 Cy 3 ;
und die beim Behandeln mit Kalilauge daraus, unter Ver-
wandlung von 1 Mgt. Blausäure in CO 2 und NH 3 , her-
vorgehenden Säuren:
Propionsäure Bernsteinsäuie Saure v. Simpson
C2H*, C02/HO C2H2 ; C204/H202 C3H2, C306)H303
(HO (H202 JH303
Da es nun kein niedrigeres Glied in der Reihe der Gly-
kole giebt als den Aethylglykol, so kann es auch kein
niedrigeres Glied in der Bernsteinsäure -Reihe als die
Bernsteinsäure selbst geben. Aus diesem Grunde also
kann, nach unserer Auffassungs weise, die Malonsäure
nicht zur Bernsteinsäure gehören.
Aber neben der Bernsteinsäure -Reihe ist noch eine
Reihe Säuren von völlig gleicher Zusammensetzung, aber
von ganz anderer Constitution möglieb, in welcher auch
ein Glied von der Zusammensetzung der Malonsäure vor-
kommt. Das Folgende wird uns zu ihrer Kenntniss führen.
Wenn auf die Propionsäure, Bernsteinsäure etc. Salz-
Methylglycolverbindungen Butlerow's, hervorgegangen aus
dem s. g. Methylenjodür, welche nicht Methylglykol liefern,
müssen anders constituirt betrachtet werden. Das Methylen-
jodür (CH 2 J 2 ) selbst kann aufgefasst werden als einfach jodir-
C 1 H2;
tes Jodmethyl = p™ H 2 J 2 , die daraus mit essigsaurem Sil-
beroxyd erzeugte Verbindung (CH 2 2 , 2C 2 H3 3 ) als der
Essigsäure -Aether eines Aceto-monoxymethylalkohols =
CH 2 ^
C0 2 H 2 2
CH 2 C0 2
CH 2 C0 2
und das Dioxymethylen (— CH 2 2 ) als der im Monoxymethyl-
alkohol enthaltene Oxykohlen Wasserstoff, das Oxymethylen
CH 2 i
nämlich = C0 2 H 2 2 ' we l cnes zum Methylen in der näm-
lichen Beziehung steht, wie die Milchsäure zur Propionsäure.
H 2 2
2C 2 H3Q3
aus Monocyansäuren durch Alkalien entsteh. Säuren. 205
bildner einwirken, so werden diese auf den für sie am
leichtesten angreifbaren Theil der Gruppe zunächst ihre
Wirkung äussern, und dieser ist nicht das Kohlenoxyd
oder das Wasser, sondern gewiss der Kohlenwasserstoff.
Dieser wird allmälig verändert, indem sich stückweise
die kleinstmögliche Menge Kohlenwasserstoff = C H 2 da-
von absondert und, so wie es mit OH 2 unmittelbar der
Fall ist, seinen Wasserstoffgehalt gegen den Salzbildner
auswechselt. So erhalten folgende Formeln die
Monobrombernsteinsäure
C2H2, C2CH/H404
C2Br2,C204\H404
Dibrombernsteinsäure
C2ßr2, C204(H202
iH2Q2
Monocblorpropionsäure
C«H«, C02|H2()2
(CC1 2 2) C02 S H2 ° 2
Dichlorpropionsäure
/CH2. C02 )H0
)HO
Bei dem Uebergang dieser Haloidsäuren in Oxysäu-
ren findet nun nicht bloss eine Auswechslung von je
1 Mgt. Chlor gegen je 1 Mgt. Sauerstoff statt, sondern
noch eine gleichzeitige Aufnahme von je 1 Mgt. Wasser.
Dieses, durch die Entstehung von Kohlensauerstoffgrup-
pen seinem Vorhandensein und seiner Menge nach be-
dingte Wasser muss in den Formeln der Oxysäuren auch
als besondere Gruppe erscheinen, es ist vollkommen durch
Metalloxyde vertretbar unter Bildung jener eigenthümlichen
sehr basischen Salze, zu deren Erklärung man so künst-
liche Hypothesen erfunden hat, es ist verbindbar mit
Wasserstoff basen, und mit solchen Kohlenwasserstoffen
in den Aether -Oxysäuren wirklich verbunden.
Monoxypropionsäure Monoxybernsteinsäure
(Milchsäure) (Opt. unwirks. Aepfelsäure)
021I4 ; (J02 1112Q2 C2H2,C204 |LHO*
(co*)' C021I202 S H2 ° 2
Dioxypropionsäare
(Glycerinsüure)
(g£),CO*H*0*JHO
C202, C204H202|H40 4
DioxybemsteinsHure
(Kekule's inact. Weinsäure)
C202,C204II202|H202
IH202
206 Geuther,
Bei dem Uebergang der Haloidsäuren in Cyansäuren
entstehen Kohlenstickstoffgruppen, die um ihren Zusam-
menhang mit den Chlor-, Brom- etc. Kohlenstoffen in der
Formel der ersteren Säuren erkenntlich zu lassen, als
Cyankohlenstoffverbindungen geschrieben werden können:
Monocyanpropionsäure Monocyanbernsteinsäure
C 2 H*, CO 2 )H2 2 C 2 H 2 ,C 2 0* \H404
(cS N2 > C02 l H2 ° 2 C2C2N2 > C2 °w 404
Bei der Einwirkung von Kalilauge werden diese Koh-
lenstickstoffgruppen, unter Zersetzung von so viel Was-
ser, dass aller Stickstoff mit allem Wasserstoff Ammoniak
bildet und aller Sauerstoff zum Kohlenstoff geht, überge-
führt in Kohlensauerstoffgruppen, aber unter gleichzeitiger
Aufnahme von nur genau so viel Wasser, als bei dem
Uebergang einer Monohaloidsäure in eine Monooxysäure
aufgenommen wird. Nur 2 Mgt. Sauerstoff der Kohlen-
oxydgruppe verlangen eine Aufnahme von 2 Mgt. Was-
ser, die anderen 4 Mgt. Sauerstoff nicht, das deutlichste
Zeichen, dass hier die Bildung einer Oxysäure neben Koh-
lenoxyd statt gefunden hat, d.h. eine Ameisen-Oxy-
säure. Die aus der Monocyanpropionsäure hervorgehende
Säure wird also als eine, der Benzoe-Milchsäure ganz ana-
log constituirte Am ei sen -Milch säure, und die aus Mo-
nocyanessigsäure hervorgehende, als Ameisen-Glykol-
säure (Malonsäure) aufzufassen sein.
Benzoe - Milchsäure Ameisen - Milchsäure
C 2 H*, CO 2 jH 2 2 C 2 H*, CO 2 ,H 2 2
(cO 2 )' C0 2 H 2 2 (H 2 2 (col)> C0 2 H 2 2 (h 2 2
C6H4,C0 2 ( CO 2 (
C6H4,C0 2 ' CO 2 )
= C 2 <>H20CM6 = C8Hi 2 16
Ameisen - Glykolsaure
CH 2 ,C0 2 ]H 2 2
C0 2 ,C0 2 H 2 2 H 2 2
CO 2
CO 2 )
== OH8CM6.
aus Monocy ansäuren durch Alkalien entsteh. Säuren. 207
Diese Ameisen-Monoxy säuren sind es, welche
eine der Bernsteinsäure nebenher laufende Reihe mit gleich
zusammengesetzten Gliedern bilden können.
Ameisenglykolsäure: C 6 H 8 O 16 fehlt.
Ameisenmilchsäure: C 8 H 12 16 Bernsteinsäure: C 4 H 6 8
Ameisenoxybuttersäure : C 10 H 16 O 16 Brenzweinsäure: C 5 H 8 8
Als ähnliche Ameisen-Oxysäuren sind meiner Ansicht
nach auch die in der Natur vorkommende Weinsäure,
die Citronensäure und vielleicht auch die optisch wirk-
same Apfelsäure aufzufassen:
Wahre Weinsäure = Ameisen-Trioxypropion-
säure:
.(CH.O.») = UK co ,H.O.L 01
C02\
C02)
Citronensäure = Diameisen-Dioxyaceton-
saure:
Ich 2 y
2(C6H8Qi4) = .CQ2 H2Q2
(co2 Yc
C02 ' H202
C02
C02
C02
C02
Wahre Aepfelsäure = Ameisen-Dioxypro-
pionsäure(?) :
P4H6H10 ( CE2 \ rO2 H2 ° 2 ( H0
Die Weinsäure müsste dann aus Monocyangly cc-
rinsäure, die Citronensäure aus Dicyanacetonsäure
und die Aepfelsäure aus Monocyanmilch säure durch
Umsetzung mit Kali entstehen.
Von der Wichtigkeit der Darstellung solcher Amei-
208 Geuther, Säuren aus Monocy ansäuren durch Alkalien.
senoxysäuren längst überzeugt, habe ich vor längerer Zeit
zwei vorläufige Versuche zu ihrer Darstellung unternom-
men, die aber, anderer Arbeiten halber, bis jetzt nicht
weiter durchgeführt worden sind. Es waren folgende:
1) Es wurde Lactid mit einem Ueberschuss von Amei-
sensäure, wie sie durch Zersetzung von getrocknetem
Schwefelwasserstoff und Bleisalz erhalten wird, in ein
Rohr eingeschlossen und auf 100°, später auf 130° er-
wärmt. Das Lactid hatte sich leicht gelöst. Als darauf
die Ameisensäure im Wasserbade verjagt worden war,
blieb ein saurer Syrup, der wie das damit dargestellte
Zinksalz seinen Eigenschaften und. seiner Zusammen-
setzung nach zeigte, aus nichts anderem als gewöhnlicher
Milchsäure bestand. Sie konnte, da sonst keine anderen
Producte entstanden waren, ihre Entstehung nur einem
Wassergehalt der angewandten Ameisensäure verdanken.
Der Process hätte bei völlig wasserfreier Säure verlaufen
müssen nach der Gleichung:
Lactid -f~ 2 Ameisensäure = Ameisen -Milchsäure
C2H4,C02 | C0 2^H0 C2H4, C02 jH202
(gg!) l COw|+ jgg = (™ 2 ),C02H202 H202
cu /HO C02
C02)
2) Es wurde trocknes ameisensaures Natron und Di-
chloressigsäure-Aether mit starkem Alkohol im verschlos-
senen Rohr auf 130° erhitzt. Es hatte indess keine merk-
liche Umsetzung statt gefunden.
Weitere Versuche erst -müssen zeigen, ob die beiden
angewandten Methoden zur Bildung dieser Säuren führen,
wie ganz wahrscheinlich ist.
Jena, den 18. Septbr. 1864.
Schnitze, über schicefligsaure Kobalt-Alkalisalze etc. 209
Ueber schwefligsaure Kobalt - Alkalisalze und die
Löslichkeit des Eobaltoxydhydrats in concen-
trirter Kali- oder Natronlauge;
von
W. Schnitze*).
1. Schweflig saures Kobaltoxydkali und Kobaltoxydnatron.
Vor nicht langer Zeit theilte Geuther**) mit, dass
bei der Einwirkung von neutralem schwefligsauren Kali
oder Natron auf feuchtes Kobaltoxydhydrat schwefligsau-
res Kobaltoxydkali resp. Kobaltoxydnatron entstehe.
Diese interessanten Doppelsalze bedurften noch der
näheren Untersuchung ; auf Veranlassung des Herrn Prof.
Geuther unternahm ich dieselbe und bringe nun deren
Ergebnisse in folgenden Zeilen zur Mittheilung.
Um die Doppelsalze zu erhalten, verfährt man folgen-
dem) aassen :
Man übergiesst feuchtes Kobaltoxydhydrat mit einer
concentrirten, neutralen oder schwach alkalischen Lösung
von schwefligsaurem Kali oder Natron, erhitzt das Ganze
längere Zeit, lässt absetzen und erkalten ; darauf hebt man
die über dem Bodensatze stehende Flüssigkeit ab, ersetzt
sie durch eine neue Lösung von schwefligsaurem Alkali
und kocht abermals anhaltend. Dies wiederholt man drei-
bis viermal, um sicher sein zu können, dass alles Kobalt-
oxyd sich in Verbindung befinde. Der Bodensatz ist das
Kobaltoxyddoppelsalz.
Die Wechselwirkung zwischen dem Kobaltoxyd und
den schwefligsauren Alkalien geht in der Kälte langsam,
in der Wärme rasch vor sich: in beiden Fällen wird die
Einwirkung des schwefligsauren Kalis eher vollendet, als
die dos s is schwefligaa uro Kobaltoxydkali ist amorph,
•) Abdruck an« der Jen. Zeitachr. für Medicin etc. I. 4. (1HG4);
voin Herrn Verfasser gütigst uiitgetheilt. II. Ludwig.
**) Anna!, der Crjem. n. Pharm. CXXVIII. 163.
Arcli.d. Pharm. CLXXHI.Bdf. 3. Uft. 14
210 Schnitze,
hellbraun, wenig löslich in Wasser, leicht löslich in wäs-
seriger schwefliger Säure und in Salzsäure. Concentrirte
Kalilauge scheidet aus demselben beim Erwärmen schwar-
zes Kobaltoxyd ab, und die über dem Kobaltoxyd ste-
hende Flüssigkeit färbt sich prachtvoll blau. Beim Lie-
gen an der Luft verändert es sich sehr rasch, es wird
schwarz ; auch bei dem Waschen mit Wasser muss es
eine Veränderung erleiden, denn das Waschwasser läuft
immer opalisirend durch; unter Wasser in verschlossenen
Flaschen hält es sich längere Zeit.
Da sich das schwefligsaure Kobaltoxydkali ohne Zer-
setzung nicht trocknen Hess, so musste es zur Ermitte-
lung seiner Zusammensetzung einer relativen Analyse
unterworfen werden. Zur Umwandlung der schwefligen
Säure in Schwefelsäure war Schmelzen der Substanz mit
Soda und Salpeter nöthig. Deshalb mussten zwei Portio-
nen zur Analyse verwandt und in der einen das Ver-
hältniss zwischen Kali und Kobaltoxyd, in der andern
das Verhältniss zwischen Kobaltoxyd und schwefliger
Säure bestimmt werden. Von diesen beiden gefundenen
Verhältnissen kann man dann durch Rechnung das Ver-
hältniss zwischen Kali, Kobaltoxyd und schwefliger Säure
bestimmen.
Ein unbestimmtes Quantum Substanz wurde in Salz-
säure gelöst, die Lösung neutralisirt, aus derselben das
Kobalt als Schwefelkobalt gefällt, und dieses in schwefel-
saures Kobaltoxydul umgewandelt. Das Filtrat vom Schwe-
felkobalt wurde eingedampft, aus dem trocknen Rückstande
durch Erhitzen die Ammoniaksalze entfernt und das Chlor-
kalium in neutrales schwefelsaures Kali verwandelt. Es
wurden erhalten: 0,2960 Grm. schwefelsaures Kali, ent-
sprechend 0,1602 Grm. Kali, und 0,4863 Grm. schwefel-
saures Kobaltoxydul, entsprechend 0,2604 Grm. Kobalt-
oxyd.
KO °' 1602 =0,00339.
47,2
Co203 °>*™ = 0,00314.
83
aber schwefligsaure Kobalt- Alkalisalze etc. 211
Das Aequivalentverhältniss zwischen Kali und Kobaltoxyd
ist also nahezu wie 1:1.
Ein anderes unbestimmtes Quantum Substanz wurde
nun mit Soda und Salpeter erhitzt, die Schmelze mit
Wasser ausgelaugt, das zurückbleibende Kobaltoxyd in
schwefelsaures Kobaltoxydul verwandelt, während aus dem
wässerigen Auszuge nach dem Uebersättigen mit Salzsäure
die Schwefelsäure als schwefelsaurer Baryt gefällt wurde.
Man erhielt 0,1209 Grm. schwefelsaures Kobaltoxydul,
entsprechend 0,06474 Grm. Kobaltoxyd, und 0,3352 Grm.
schwefelsauren Baryt, entsprechend 0,09208 Grm. schwef-
liger Säure.
Co203 °>°« i7i =0,00078.
OD
S02 °' 09208 =0,00288.
32 '
Mithin das Aequivalentverhältniss 1 : 3,75.
Man hat gefunden:
1) KO: Co203 =1:1.
2) Co203 : S02 = 1:3,75.
Daraus folgt
KO:Co203:S02 = 1:1:3,75.
Diesem Aequivalentverhältnisse entspricht die Formel:
KO,S02 -f Co2 03, 23/ 4 S02.
Sie deutet jedenfalls an, dass hier keine ganz reine Ver-
bindung vorliegt, vielleicht ein Gemisch einer Oxydver-
bindung von der Formel:
KO, S02 + Co2()3, 3S02
und der weiter unten beschriebenen nach der Formel:
KO, S02 -f CoO,S02
zusammengesetzten Oxydulverbindung.
Das schwefligsaure Kobaltoxydnatron ist
ufalls amorph, aber von etwas dunklerer Farbe, als
das Kalisalz; beim Trocknen verliert es Wasser und
wird fast schwarz; gegen Wasser, gegen verdünnte Säu-
ren und gegen Kalilauge verhält es sich gerade so wie
das Kalisalz; es ist aber nicht so leicht veränderlich, als
14*
212 Schultze,
wie dieses, ja es lässt sich ohne Zersetzung bei 100° C.
trocknen: deshalb konnte von demselben, ausser einer
relativen, auch eine absolute Analyse ausgeführt werden.
In beiden Analysen wurde, wie oben angegeben, verfahren.
0,4815 Grm. der bei 100° C. getrockneten Substanz
lieferten 0,1680 Grm. schwefelsaures Natron, entsprechend.
0,0733 Grm. Natron == 15,22 Proc; 0,5280 Grm. Sub-
stanz lieferten 0,2042 Grm. Kobaltoxydoxydul, entsprechend
0,2109 Grm. Kobaltoxyd = 39,96 Proc, und 0,8354 Grm.
schwefelsauren Baryt, entsprechend 0,2295 Grm. schwef-
liger Säure = 43,45 Proc.
Daraus ergiebt sich das Aequivalentverhältniss:
NaO:Co203:S02 = 1,019:1:2,820.
Eine unbestimmte Portion der feuchten Substanz lieferte
0,1648 Grm. schwefelsaures Natron, entsprechend 0,07195
Gramm Natron, und 0,2967 Grm. schwefelsaures Kobalt-
oxydul, entsprechend 0,1589 Grm. Kobaltoxyd.
NaO - °'°: i 195 = 0,00232.
31
Co203 ° ?1 o 5 o 89 == 0,00191.
83
Mithin: NaO : Co2()3 = 1,214 : 1.
Eine andere Portion ergab: 0,4412 Grm. schwefel-
saures Kobaltoxydul, entsprechend 0,2362 Grm. Kobalt-
oxyd, und 0,9269 Grm. schwefelsauren Baryt, entsprechend
0,2546 Grm. schwefliger Säure.
Co2 03 °'ff 2 -0,002846.
83
S02 -^ß- = 0,007956.
32
Mithin: Co2()3 : S 02 = l : 2,795.
Das Aequivalentverhältniss aller drei Bestandtheile
ist dieser Analyse zufolge also:
Na : Co203 : S 02 = 1,214 : 1 : 2,795.
Die Ergebnisse der beiden Analysen stimmen ziemlich
überein; sie weisen wohl hin auf die Formel:
NaO, S02 -f- Co203, 2S02.
über schweflig saure Kobalt- Alkalisalze etc. 213
Nachdem die eigenthümliche Einwirkung neutraler,
schwefligsaurer Alkalien auf Kobaltoxyd constatirt worden
war, lag nun der Gedanke nahe, zu untersuchen, ob
auch andere Sesquioxyde eine ähnliche Veränderung er-
leiden würden. Die zu diesem Behufe angestellten Ver-
suche ergaben aber alle ein negatives Resultat.
Feuchtes Nickeloxydhydrat z. B. wurde durch schwef-
ligsaures Natron desoxydirt: es entstand ein grüner Kör-
per von Nickeloxydulhydrat nach der Gleichung:
Ni203,3HO + NaO,S02=2(NiO,HO) + NaO,S03+HO.
Bleisesquioxyd nahm im Anfang der Einwirkung des
schwefligsauren Natrons eine citronengelbe Farbe an, welche
dann bei längerer Einwirkung immer matter und matter,
zuletzt ganz weiss wurde; in dieser weissen Masse Hessen
sich schwefelsaures Bleioxyd und schwefligsaures Blei-
oxyd nachweisen.
2. Schweflig saures Kobaltoxydulkali und Kobaltoxydul-
natron.
Diese beiden Doppelsalze entstehen, wenn eine Lö-
sung schwefligsauren Kobaltoxyduls oder Chlorkobalts
mit einer neutralen Lösung schwefligsauren Kalis oder
Natrons vermischt und erhitzt wird; oder wenn Kobalt-
oxydhydrat mit einer hinreichend sauren Lösung schwef-
ligsauren Alkalis gekocht wird. In allen diesen Fällen
scheiden sie sich als unlöslich aus.
Das schwefligsaure Kobalt oxydulkali ist
blassroth, kleinkrystallinisch, in Wasser unlöslich, in Salz-
säure leicht löslich. An der Luft verändert es sich sehr
leicht, es wird schwarz, wahrscheinlich in Folge einer
Oxydation; es muss ' deshalb unter Wasser aufbewahrt
werden, aber auch dann noch erleidet es bei wochenlan-
gem Stehen eine Veränderung: seine Farbe nämlich wird
blasser und blasser, und das schützende Wasser färbt sich
schön roth, so dass es scheint, als trete Kobaltoxydulsalz
aus dem Doppolsalze aus und löse sich im Wasser auf.
oentrirte Kalilauge scheidet beim Kochen blassrothes
Kobaltoxydul ab.
214 Schultze,
Auch hier musste das Verfahren der relativen Ana-
lyse angewandt werden.
Ein unbestimmtes; gut ausgewaschenes Quantum Sub-
stanz lieferte 0,3680 Grm. schwefelsaures Kali, entspre-
chend ; 1992 Grm. Kali, und 0,3268 Grm. schwefelsau-
res Kobaltoxydul, entsprechend 0,1581 Grm. Kobaltoxydul.
KO 0>1 , 9 f = 0,00422.
47,2 ;
~ ~ 0,1581
CoO — W^r- = 0,00422.
o7,5
Folglich :
KO:CoO = 1:1,
Eine andere Portion Substanz ergab 0,1249 Grm. Ko-
baltoxydoxydul, entsprechend 0,1166 Grm. Kobaltoxydul,
und 0,7401 Grm. schwefelsauren Baryt, entsprechend
0,2033 Grm. schwefliger Säure.
CoO -2^|1 =0,00311,
S02 f'!° 33 = 0,00635,
wonach man wohl annehmen darf, dass
CoO:S02 = 1:2.
Diesen Verhältnissen entspricht die Formel:
KO, S02 -f CoO, S02.
Das schwefligsaure Kobaltoxydulnatron stimmt
fast in allen seinen Eigenschaften mit dem schwefligsau-
ren Kobaltoxydulkali überein ; es unterscheidet sich von
diesem in seinem Aeusseren dadurch, dass es dunkler
roth und nichtkrystallinisch ist. Bei monatelangem Ste-
hen unter Wasser bei Luftzutritt war es in braunes
krystallinisches Oxydnatronsalz umgewandelt worden.
Eine ungewogene Portion Substanz lieferte 0,1755
Gramm schwefelsaures Natron, entsprechend 0,0766 Grm.
Natron, und 0,5917 Grm. schwefelsaures Kobaltoxyd, ent-
sprechend 0,2863 Grm. Kobaltoxydul:
über schivefligsaare Kobalt-Alkalisalze etc. 215
NaO °' / 66 = 0,00247.
31
CoO -Ät = 0,00763.
Folglich: NaO : CoO == 1:3.
Aus einer andern Portion Substanz erhielt man 0,4872
Gramm Kobaltoxydoxydul, entsprechend 0,4548 Grm. Ko-
baltoxydul, und 1,3706 Grm. schwefelsauren Baryt, ent-
sprechend 0,3765 Grm. Säure.
CoO ^11=0,01213.
37,5
SO* -°&_ 0,01176.
62
Mithin CoO: SO 2 = 1:1.
Aus NaO: CoO = 1:3
und CoO: SO 2 =1:1
folgt NaO: CoO: SO* == 1:3:3,
welchem Verhältnisse die Formel:
NaO, SO* -f 3 CoO, 2SO*
entspricht.
Eigentümlich ist, dass nur in den Kali doppelsalzen
das Kobaltoxydul und Oxyd als neutrales Salz (CoO,
SO 2 und Co 2 3 , 3 SO 2 ), in den Natron doppelsalzen
dagegen als basisches Salz (3 CoO, 2 SO 2 und Co 2 03,
2 SO 2 ) auftritt.
3. Lieber die Löslichkeit des Kobaltoxydhydrats in con-
centrirter Kali- oder Natronlauge.
Es ist bei der Anführung der Eigenschaften der bei-
den schwefligsauren Kobaltoxydalkalisalze nicht unerwähnt
gelassen, dass, wenn concentrirte Kali- oder Natronlauge
auf diese Salze (hinwirkt, neben der Abscheidung von
schwarzem Kobaltoxydhydrat die Bildung einer pracht-
voll blauen Flüssigkeit statt finde.
. Verdünnt man diese Flüssigkeit mit Wasser, oder
läs-it man sie frei an der Luft stehen, so verschwindet
216 Schnitze,
die blaue Farbe und ein schwarzbrauner Körper scheidet
sich aus, ebenso auf Zusatz von Säuren.
Dieser schwarzbraune Körper ist, seinen Reactionen
zufolge, Kobaltoxydhydrat.
Darnach könnte denn die blaue Flüssigkeit eine Auf-
lösung von Kobaltoxyd in Kalilauge sein.
Wenn dieses der Fall ist, dann muss sie auch ent-
stehen bei der Einwirkung concentrirter Kalilauge auf
reines Kobaltoxydhydrat.
Kocht man feuchtes Kobaltoxydhydrat mit concen-
trirter Kalilauge anhaltend in einem Proberöhrchen und
lässt dann absetzen, so zeigt wirklich die überstehende
Flüssigkeit eine schön blaue Färbung und gegen Was-
ser und Luft ganz das nämliche Verhalten, wie die aus
den schwefligsauren Kobaltoxydalkalisalzen erzeugte blaue
Flüssigkeit.
Die blaue Flüssigkeit ist demnach eine Auflösung
von Kobaltoxydhydrat in concentrirter Kali-, resp. Na-
tronlauge, und nicht, wie Winkler*) meint, von CoO 3 .
Ausser dem schon oben Mitgetheilten haben die Ver-
suche noch Folgendes, die Darstellung der Lösung be-
treffend, ergeben:
1) Die Lösung bildet sich schneller aus den bezeich-
neten Kobaltoxydsalzen, als aus reinem Kobaltoxydhydrat,
man braucht nicht so anhaltend zu kochen. Der Grund
hiervon ist wohl der, dass sich das beim Zusammentref-
fen der Kalilauge und der Kobaltoxydsalze ausscheidende
Kobaltoxyd in einem Zustande feinerer Vertheilung be-
findet, als das für sich dargestellte, und in Folge davon
der auflösenden Kraft der Kalilauge weniger Widerstand
entgegensetzt, als das andere.
2) Die Kalilauge muss, mag man nun Kobaltoxyd-
salze oder Kobaltoxyd anwenden, recht concentrirt sein;
je concentrirter sie ist, desto tiefer ist das Blau der Lo-
sung.
*) Chem. Centralbl. 1864. p. 827.
über schweflig saure Kobalt- Alkalis alze etc. 217
3) Die Darstellung einer grösseren Menge der blauen
Lösung durch vorsichtiges Schmelzen von Kobaltoxyd mit
nur etwas wässerigem Kalihydrat in einem Silbertiegel und
Autlösen der Schmelze in wenig Wasser gelang nicht;
es resultirte eine schwarze Schmelze (nur einige an den
oberen Theil des Tiegels gespritzte und erstarrte Tropfen
zeigten eine blaue Farbe).
Durch die Versuche von Schwarzenberg, Pebal
und W.Mayer weiss man, dass hierbei als Endproduct eine
kalihaltige Verbindung einer liöheren Oxydationsstufe des
Kobalts (Co 3 5 ) erhalten wird. Die von Schwarzen-
berg beobachtete, im Anfang (wenn noch Wasser vor-
handen ist) auftretende, blaue Farbe der Schmelze rührt
also von Kobaltoxyd her.
Jena, den 12. August 1864.
218
II. Naturgeschichte und Pharma-
kognosie.
Einiges aber die physiologische Wirkung des
Emser Wassers;
von
Hofralh Dr. L. Spengler zu Bad Ems.
(Aus dem Wochenblatt der Zeitschrift der K. K. Gesellschaft der
Aerzte zu Wien, 1865, vom 3. Mai, No. 18.)
Es dürfte nicht uninteressant sein, einige physiolo-
gische Beobachtungen über die Wirkungen der Emser
Thermen mitzutheilen, da dergleichen Untersuchungen
die Basis für die Tndicationen der Mineralwässer bilden.
Es gehören vor allen Dingen dahin, die Wirkungen auf
den Puls beim Trinken des Mineralwassers, auf die
Differenz des Pulses vor und nach dem Bade, auf
die Frequenz der Respiration, auf das Blut und den
Stoffwechsel. Ich will nun im Nachstehenden einige
Beobachtungen dieser Art mittheilen, wie sie mir die
letzte Bade -Saison geboten hat.
1. Wirkung des Trinkens auf den Puls.
Der leichteren Uebersicht halber gebe ich die Beob-
achtungen in einer auf S. 219 befindlichen Tabelle.
So sehr wenig vollständig diese Notizen sind, so sind
sie doch der Ausdruck der allgemeinen Wirkung, und es
scheint unzweifelhaft aus ihnen hervorzugehen, dass man
so allgemeinhin von einer aufregenden Wirkung der Ther-
men von Ems nicht sprechen kann. Die von mir so
vielfach erprobte wohlthätige Wirkung des Emser Was-
sers bei Pneumonien wird dadurch erklärlich. (Cfr. mei-
nen Aufsatz über die Wirkung des Emser Kesseibrun-
Spengler, physiologische Wirkung des Emser Wassers. 219
Name.
o
Pulsfrequenz
—
vor dem
e3
•-5
U
Trinken
Zeit
Zahl
der
<
Uhr.
Pulse.
Anzahl
der
getrunke-
nen Gläser
ä 6 Unzen.
Pulsfrequenz
nach dem
Trinken
Uhr.
Zahl
der
Pulse.
Diagnose
der
Krankheit.
Hr.Dr.A.n.
42
W
56
» H.
48
6
61
. R.
45
6
69
„ L.s.
60
W
84
F
73
w
74
„ L. n.
60
w
70
n B.
35
1/47
84
„ A. e.
40
7
90
. s.
36
V 4 8
94
4 Kessel
5 „
4 „
4 .
4 n
4 ,
1 .
4 „
2 Krähnch.
8
58
3/ 4 8
58
V28
72
3/ 4 8
70
3/ 4 8
68
8
64
8
76
3/ 4 8
80
8
88
Chron. Bronch
Katarrh
Heiserkeit, La-
ryngit. ehr.
Intermitt. quart.
Bronch. -Katarrh
Emphysem
Chron. Katarrh
Pleth. abd. Hä-
morrh. Fist. a.
nens bei Pneumonien in meinen brunnenärztlichen Mit-
theilungen über die Thermen von Ems, 4. Aufl. p. 33 ff.)
Aus dieser Pulsverminderung ist auch zum Theil die
Ermüdung und Abspannung zu erklären, die die Brun-
nentrinker so gern befällt. Die Herabsetzung der Herz-
und Gefässthätigkeit, das Gefühl der Erschlaffung dauerte
gewöhnlich bis nach dem Bade, wo die Kranken wieder
munterer und erregter wurden.
2. Wirkung des Badens auf den Puls.
Als ich in früheren Jahren Untersuchungen über die
Absorption von Emser Wasser in dem Bade anstellte
(Deutsch« Klinik, 1864, No. 22 et I.e. 120), beobachtete
ich, das8 der Puls nach dem Bade constant 4 bis C>
Schläge weniger inachte, als vor demselben. Ich vven-
dete dieser Erscheinung meine ungetheilte Aufmerksam-
keit zu, und es wurde mir namentlich in letzter Saison
di<- Bestätigung meiner Beobachtungen von mehreren Col-
legen mitgetheilt, indem bei ihnen der Puls nacli dem
220 Spengler 7
Bade stets 4 — 5 Schläge weniger machte, als vor dem-
selben. Die Bäder waren stets zwischen 27 und 280 R.
genommen. Diese Herabsetzung des Pulses dauerte aber
nie längere Zeit, indem gewöhnlich nach einer Stunde
die Pulsfrequenz vor dem Bade wiederhergestellt war.
3. Wirkung des Bades auf die Frequenz der Respiration.
Gelegentlich jener Untersuchungen über die Absorp-
tion in den Bädern von Ems machte ich ebenfalls die
Beobachtung, dass die Respirationsfrequenz abnahm. Im
letzten Sommer bat ich einen Collegen, der die Kur
wegen eines chronischen Blasenkatarrhs gebrauchte, diese
Beobachtungen zu controlireu. Er fand regelmässig, dass
er nach dem Bade 3 — 4 Respirationen weniger machte.
4. Wirkung des Emser Wassers auf die Blutfarbe und
die Blutkörperchen.
Um die Wirkung des Emser Wassers auf das Blut
direct zu beobachten, benutzte ich die Gelegenheit, wo
einer Frau wegen Plethora und Kopfcongestionen ein
Aderlass gemacht wurde. Das Blut wurde sofort in gra-
duirte Probegläschen aus der Armvene gelassen und Em-
ser Kesselbrunnen in seiner natürlichen Wärme zugesetzt,
und zwar in verschiedenen Verhältnissen, nämlich 1 Was-
ser zu 1, 2, 3 und 4 Raumtheilen Blut. Das Blut wurde
röther, und zwar je nach der Verdünnung, so dass das
Probirgläschen, worin Blut und Wasser zu gleichen Thei-
len war, eine hellkirschrothe Farbe zeigte, und jenes,
worin 1 Th. Wasser und 4 Th. Blut, eine dunklere, roth-
braune Färbung hatte. Diese Farbe wechselte nicht
mehr und war nach 24 Stunden in dem verschlossenen
Gläschen noch dieselbe.
Die Blutkörperchen zeigten sich nach diesen 24 Stun-
den meistens ganz unverändert, nicht gerunzelt, einige
zeigten schwach gezähnte Ränder; dieses Ergebniss war
bei allen 4 Proben dasselbe, so dass also das Emser
Wasser eine Veränderung der Gestalt und der Grösse
physiologische Wirkung des Emser Wassers. 221
der Blutkörperchen des Menschen nicht hervorzurufen
scheint.
5. Wirkung des Emser Wassers auf den Stoffwechsel.
Da nun die festen Theile des Blutes durch Einfüh-
rung des Emser Wassers keine besondere Aenderung zu
erleiden scheinen, so muss wohl die Blutflüssigkeit es
sein, worauf das Emser Wasser besonders einwirkt.
Das doppelt-kohlensaure Natron ist ein normaler Bestand-
teil des Blutes, bewirkt dessen Alkalescenz und ver-
mindert die Gerinnungsfähigkeit des Eiweisses und ver-
hütet die Ansammlung von Säuren. Es muss daher im
Urin Veränderungen hervorrufen. Dass der Harn alka-
lisch wird, dass also die Harnsäure sich im geringeren
Maasse vorfindet, ist eine bekannte Sache. — Eine grosse
Veränderung des Harnstoffes konnte ich nicht constati-
ren. Dagegen war das Auffallendste, dass bei vielen
Kranken, namentlich bei alten Katarrhen, stets eine nicht
unbedeutende Menge kohlensauren Ammoniaks im
Harn beobachtet wurde. Da nun Ammoniaksalze im
normalen Harn gar nicht (Liebig, Scherer, Lehmann)
oder nur in höchst geringer Quantität (Böcker) vor-
kommen, so darf dieses bedeutendere Auftreten im Harn
bei einer Emser Trinkkur als eine hauptsächliche Wir-
kung des Emser Wassers angesehen werden. Es darf
wohl als Umsetzungsproduct der wesentlichen Organ-
bestandtheile betrachtet werden, das in den Lungen ab-
dunstet und durch den Urin entfernt wird (C.Ludwig).
Die Kranken bemerken meist selbst die Ammoniak-Aus-
scheidung. Die Secrction des Urins ist vermehrt; der
Urin wird blassgelb; häufige Regung zum Uriniren; Bren-
nen, Stechen, Schmerzen beim Urinlassen, da das Am-
moniak ätzend auf die Ilarnwege wirkt; der Geruch des
Urins wird stechend und übelriechend, so dass die Pa-
tienten sich über den eigentümlichen stinkenden Geruch
beschweren. Der Urin reagirt alkalisch, rothes Lacknms-
p.'tpier wird blau, beim Trocknen aber wieder roth; ein
222 Zoophyten- Haus des zoologischen Gartens in London.
mit Salzsäure befeuchteter Glasstab lässt weisse Nebel
aufsteigen; beim Hineinfallen eines Tropfens Säure in
den Uriji braust derselbe auf; der Urin macht ein Sedi-
ment von Erdphosphaten. Sowohl wenn der Urin einige
Zeit zurückgehalten war, findet sich der Ammoniakgehalt,
als auch dann, wenn kurze Zeit, J / 4 bis 1 j 2 Stunde nach
der völligen Entleerung der Blase, wieder Urin gelassen
wird, also ganz frisch lässt er deutlich die charakteristi-
schen Zeichen wahrnehmen. Es geht also aus allen die-
sen Beobachtungen hervor, dass ein reichlicher Gehalt
des Urins an kohlensaurem Ammoniak das charakteristi-
sche Zeichen des Urins beim Gebrauch des Emser Was-
sers ist; und da das Ammoniak schon bei der Entlee-
rung des Urins vorhanden, so ist dies ein Beweis, dass
das Ammoniak innerhalb des Organismus durch den Stoff-
wechsel entstanden ist.
Ein Besuch im Zoophyten - Hause des zoologischen
Gartens in London*).
Ich stand mitten in einem sonnenbeleuchteten Kry-
stallsalon, überall ausgeschmückt mit Blumen von seltener
Gestaltung und reichster Färbung. Da waren liebliche,
weisse, vielstielige Blüthen, unmittelbar aus Gestein
wachsend, wie es schien, scharlachrothe und purpurne
Anemonen, blühende Brillanten von Mesembryanthemum,
freudig die Sonne mit ausgestreckten Armen grüssend,
märchenhafte Blüthen in grünen, weissen, rosigen, purpur-
nen Tinten — kurz die reichste Versammlung von Blu-
menfeen unter dem warmen, glänzenden, geschlossenen
Kry stalldache, nicht von Winden und Zephyren umkost
und doch alle in freudiger Bewegung, jede nach ihrer
Willkür mit den Stielen, Blättern und Blüthen graziös
*) Separatabdruck aus dem Sonntagsblatte, "Wissenschaft fürs
Leben. 1865. 5.
Zoophyten-Haus des zoologischen Gartens in London. 223
umherschwankend und gleichsam declamirend, Arme und
Finger in sich selbst zurückziehend, damit verschwindend,
dann wieder in andern Kichtungen plötzlich in vollen
Blüthen hervorschiessend und damit winkend, gesticuli-
rend, als wollten sie Etwas sagen; oder discurirten sie
wirklich untereinander? Kurz, die Blumen waren alle
lebendig, lebendig wie die Thiere der Erde und die
Fische im Wasser. Sie standen nicht gebannt in Töpfen,
sie gesticulirten frei und in vollständig willkürlichster
Bewegung im Wasser umher.
Zwischen diese lebendigen „Thierblumen" schlangen
sich seltsame Seegewächse, durch welche sich andere Ar-
ten lebendiger Gestalten lustig umherjagten, und dann
noch Fische von ungewöhnlichem und bezauberndem Far-
benspiel. Einige speisten, andere haschten sich und ver-
steckten sich, andere schliefen. Hier schoss einer rasch
empor, dort verkroch sich ein anderer in die graue Ve-
getation des Bodens unten, andere schwebten still und
gedankenvoll in der Mitte, bis sie plötzlich Einfälle be-
kamen und an diesem oder jenem Spiele Theil nahmen.
Es war eine Scene, wie sie die Königin Gulnare sah,
als sie mit ihrem Bruder in die Tiefe des Meeres stieg,
um ihren unterwassrigen Unterthanen einen Besuch ab-
zustatten, nur dass ich mich weder in einem Märchen,
noch in dem Meere, sondern in voller materieller Wirk-
lichkeit befand, bequem auf einem Stuhle des Zoophyten-
hauses im zoologischen Garten des Regent-Parks in Lon-
don sitzend. Dieser zoologische Garten gilt als der reichste
und vollständigste der Erde. Es wird also wohl der
Mühe lohnen, diese verwirklichte Märchen- und Feenwelt
der Tiefe genauer anzusehen und zu erzählen, was ich
sah und wie ich mich bezaubert und dichterischer erho-
ben und begeistert fand, als jemals durch Volksmärchen.
I);ts Zoophyten-Haus besteht durchweg aus jenem
dicken, halb transparenten Glase, welches das Sonnenlicht
dwrchlässt und zugleich zu einer Sanftheit bricht, wie sie
für dergleichen /wecke unentbehrlich ist. Ausserdem
224 Zoophyten- Haus des zoologischen Gartens in London.
kann das Licht noch durch grosse Rouleaux von oben
her gedämpft werden. Das Haus ist viereckig, 55 Fuss
lang und 40 Fuss breit und ringsherum von Cisternen in
Spiegelglas besetzt. In der Mitte zieht sich eine Reihe
kleinerer Cisternen derselben Art hin. Die grössten sind
6 Fuss lang, 3 Fuss tief und 2*/ 2 Fuss breit, die klei-
nern haben etwa 2 / 3 dieser Grösse. Beim Eintritt steht
man den acht grössten gegenüber. In den vier Ecken
befinden sich ebenfalls welche, nur wenig mit Wasser
und in besondern Abtheilungen mit trocknem Sande gefüllt,
für Schildkröten, kleinere Arten von Krokodilen und son-
stige Halb-Wasserthiere. Die Cisternen auf beiden Sei-
ten sind mit Flusswasser gefüllt. Der Grund gleicht ge-
nau einem Flussbette mit Steinen, Wassergewächsen,
Schlamm etc. Darin logiren allerlei Flussfische, so zahm,
dass sie sich gar nicht fürchten.
Man kann sie hier in dem klarsten Wasser, jegli-
chen in seiner Art und in seinen natürlichen Unarten
und Schwächen, auf das Genaueste studiren, da sie sich
offenbar gewöhnt haben, sich nicht im Geringsten vor
den Leuten zu. geniren. Hier sieht man erst, was sie
für grosse, kluge Augen haben, wie leicht und graziös
sie sich bewegen, wie wohl es ihnen ist, wie gesund sie
sind.
Wirklich vergisst man bei diesem lustigen, leicht-
sinnigen Leben in dem klaren Wasser, dass man darin
ertrinken kann.
Die grossen Cisternen der Thür gegenüber sind die
Gefängnisse und zugleich Lustschlösser der Meeresfische
und der grössten Zoophyten. Die Mittelreihe ist die aus-
schliessliche Stadt der sonderbaren Thierblumen, Pflan-
zenthiere, Zoophyten, Mollusken und Crustaceen, deren
geheimnissvolle Entstehung, Lebensweise und Fortpflan-
zung man hier auf das Genaueste und Bequemste erfor-
schen und beobachten kann. Es geht ihnen hier in der
Gefangenschaft nichts von der Natur ab, wie sie sie lie-
ben. So gleichen die Cisternen genau den Gegenden
Zoophyten- Haas des zoologischen Gartens in London. 225
des Meeres, wo die einzelnen Seefische leben. Felsen,
»Schwammgewächse, Algen, Schlamm, Sand, Steine, ve-
getabilisches und animalisches Leben, Alles umgiebt sie
so, als wenn sie in ihrer natürlichen Heimath wären.
Dabei geht die Zärtlichkeit für sie so weit, dass man
ihnen nicht einmal künstliches Seewasser als ihr Element
giebt, sondern es ihnen in der Natur daher kommen lässt,
wo ihre Stammverwandten sich am liebsten aufhalten.
Bei der richtigen Mischung von animalischem und vege-
tabilischem Leben in den Cisternen hält sich das Wasser
auch Monate lang gesund und wird im Durchschnitt bloss
alle halbe Jahre durch frisches ersetzt. Auf das Studium
der Fische will ich mich hier nicht einlassen, da ich es
auch im Zoophytenhause nicht that. Die Zoöphyten selbst
nahmen alle meine Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch.
So lasse ich die Leoparden des Meeres, die schwarz- und
goldgefleckten Fische, die brillanten grünen, die langna-
sigen, schnabelartigen See -Schnepfen, die sonderbaren
Wasserkomiker oder Plattfische und sonstige Arten der
grossen Pleuronektidenfamilie mit ihrer Liebe für Gründ-
lichkeit, d. h. den Sumpf, mit ihren grotesken, schiefen
Mäulern, auf der einen Seite weiss, auf der andern schwarz,
mit ihrer komischen Manier, einäugig zu erscheinen und
dabei so altklug heraufzublicken, als machten sie Witze
über die Leute draussen, unbeachtet und verweile zunächst
bei einer Cisterne mit Crustaceen. Kommt Jemand durch
die gelehrte Kruste dieses Namens nicht hindurch, so
braucht man nur an Krebse und sonstige von Natur mit
I'.nizern versehene Ritter des Wassers und Schlammes zu
denken. Wer diese bepanzerte Aristokratie bloss von
einem Gericht republikfarbig gekochter Krebse oder aus
Hummersalat kennt, wird sich kaum vorstellen, wie lie-
benewürdlg und interessant diese Art von Geschöpfen
sein kann. Sie gehen durchaus nicht immer rückwärts
wie die BuchhJtadlerkrebse.
[cii unterhielt mich wohl eine halbe Stunde mit einem
Krustenritter, welcher durchweg mit einem dichten blauen
lieh. d. Pharm. n.XXHUMs. 8. Hft. 15
226 Zoophy ten -Haus des zoologischen Gartens in London.
Stahlpanzer bedeckt war, der in beweglichen glänzenden
Schuppen geringelt bis ans äusserste Ende des Schwanzes-
hinauslief. Der Rücken war aus einem Stück gearbeitet,
wie von polirtem, blau angelaufenem Stahl. Die Füsse
stecken,, wie der Schwanz, in beweglichen Schuppen
und boten nicht einmal eine Achillesferse. Um den Mund
bewegten sich lange, starke, biegsame Fühlhörner, und
die Augen trug er an langen Stangen, wie wir etwa Lichte
in beiden Händen tragen und damit herumleuchten,
wenn wir Etwas suchen. Man kann auch sagen: er trug die
Augen auf den Händen, mit denen er überall zugleich umher-
griff und sah. An den Schwanzschuppen hatte er sich mit
Franzen und feinen Federn geputzt. Er breitete ihn alle
Augenblicke aus, wie der Pfau seinen radschlagenden
Schweif, nur dass er durchaus stahlblau blieb. Die
Augen an den langen Stangen waren scharlachroth, um das
Mauerwerk unterhielten bewegte Borsten einen fortwäh-
renden Wirbel im Wasser. Dabei arbeitete er ganz ge-
schäftsmässig mit den langen Vorderklauen in den Stei-
nen unten umher und construirte einen Berg daraus, um
eine steinfreie weiche Stelle als Lager zu gewinnen.
Dieses seltsame Thier.war gleichwohl weiter nichts, als
der gemeine Hummer, von welchem der delicate Hum-
mersalat, die Passion der Engländer, gemacht wird.
Von sonstigen Krebsen und Krabben, obgleich zum
Theil wunderschön in ihren himmelblauen Gewändern,
stark und lustig, klug und übermüthig, so dass sie ganz
andere Wesen scheinen, als sie in der gewöhnlichen Vor-
stellung der Leute sind, will ich hier weiter nicht reden.
Nur noch ein Wort über die kleine, in England populärste
Crustacee, die See-Garnele, die unter dem Titel „Shrim-ps"
täglich millionenweise zum Thee verspeisst wird. Man
kauft sie, in Salzwasser gekocht, durch alle Theile Lon-
dons nösel- und kannenweise für wenige Pence. Sie wer-
den an den Meeresküsten des Nachts herausgeschaufelt
und so jeden Morgen in Schiffsladungen nach London
u. s. w\ gebracht, ein Beispiel von Fortpflanzungskraft und
Zoophyten- Haus des zoologischen Gartens in London. 227
Unverwüstlichkeit, wie es wohl kaum zum zweiten Male
in der Natur vorkommt. Und wie elegant, blitzschnell
und durchsichtig sind diese kleinen Creaturen ! Man sieht
durch ihre lichten, fleischfarbigen Panzer genau ihre in-
nere Organisation, den Umlauf ihrer Säfte, ihre Eingeweide,
nur dass sie selten still halten. Sie freuen sich ihres kur-
zen, schnell- und vielfüssigen Daseins unter beständiger
Furcht, verschlungen zu werden, da es in diesen Was-
serstaaten augenscheinlich keine Wasserpolizei giebt, die
Eigenthum und Leben schützt. Sie dienen hier verschie-
denen Pflanzenthieren, besonders den See-Anemonen, zur
Nahrung. Ich sah, wie eine grosse Aktinie mit einem
Zweige sich eine fing, doch rettete diese sich mit einem
blitzschnellen Muthsprunge diesmal noch, um bald einem
andern Feinde in die Klauen zu fallen.
Die merkwürdigste Crustacee ist der Eremit oder „die
Soldatenkrabbe", eine stets umherschnüffelnde Creatur
mit krebsigen Vorderklauen, sonst aber mit dem ganzen
Körper in einer grossen, weissen Muschel steckend. Bald
rasselt sie seitwärts über die Steine, bald stösst sie sich
rückwärts, dann springt sie plötzlich mit weit ausgestreck-
ten knochigen Klauen vorwärts. Dabei erregen die vor-
gestreckten Klauen und der borstige Bart in steter Kampf-
lust und prahlerischer Herausforderung einen beständigen
Wirbel im Wasser; gleichwohl kriecht sie feig in ihre
Burg, wenn ein respectabler Feind naht. Das Seltsamste
freilich ist, dass dieser Held doch nur als Esel oder Pferd
für See-Anemonen dient, die auf seinem muscheligen Rü-
cken einherreiten und rauben und morden. Die Muscheln,
worin die Eremiten stecken, sind verlassene Wohnungen
ihrer früheren Eigenthümer. Als solche mögen sie oft
lange im Meere umhergetrieben sein, ehe Eremiten in
ihre Klause einzogen. Man findet sie daher fast immer
mannigfach umkleidet mit anderen muscheligen Sub-
stanzen, in denen die Thierchen leben, besonders der
„Eichelmuschel", die an den südwestlichen Küsten Eng-
lands viele Meilen lange Strecken während des Spiels
15*
228 Zoophyten - Haus des zoologischen Gartens in London.
von Ebbe und Fluth mit ihren blendenweissen Häuschen
überkrustet. Der Balonus oder die Eichelmuschel baut
sich von Kalk diese runden Wälle von J / 4 bis */ 2 Zoll im
Durchmesser und V 3 Zoll hoch, nach einwärts sich ver-
engend, so dass die Oefmung oben noch einmal so weit
ist, wie die Basis. In diese kleine schneeweisse Festung
logirt sich dieses niedliche Thier ein, da seine Muschel
selbst zu zart ist, um es vollständig zu schützen. Sie
hängt meisterhaft in Angeln, durch welche sie vollstän-
dig geschlossen wird, sobald das Thier sich frei ins Was-
ser wagt. Nimmt man solche belebte Eichelmuschel aus
dem Wasser, legt sie etwa eine Stunde trocken und bringt
sie dann wieder in Seewasser, so kann man sehen, wie
graziös sie sich öffnet, um ihren Durst zu stillen. Es
kommen dann Köpfchen mit dem prächstigsten Feder-
schmuck heraus, mit den „tentacula" , womit sie Luft und
Nahrung schöpfen. Aus kalkigen weissen Röhren, die sich
wie Schlangen in einander wickeln, gesticulirten rothe,
weisse, orangene federartige tentacula oder Fang- und
Fühlfäden ganz feenhafter Crustaceen: Schlangen von
weissem Stein mit den lebendigsten, zartesten, faserigen
Blumen, die im Wasser hin und her wehten, wie von ver-
schiedenen Winden gewiegt. Dazwischen faullenzen mit
ihren hässlichen, klumpigen Körpern bräunliche, sammet-
artige Mollusken mit langen Ohren, sogenannte Seehasen,
mit deren Gift einst Titus den Domitian vergiftete, wie
es überhaupt als geheime Polizei der römischen Kaiser
eine grosse Rolle gespielt haben soll. Doch ist der See-
hase eben so unschuldig, wie der zu Lande, wenn auch
nicht so gutschmeckend; wenigstens erklären einige eng-
lische Philanthropen, die allerlei seltsame Dinge kosteten,
um neue Nahrungsmittel ausfindig zu machen, den schlüpf-
rigen Seehasen für ungeniessbar. Wie steht es nun aber
mit den erwähnten lebendigen, umherlaufenden Pflanzen
und Blumen? Da fallen besonders die See Anemonen als
schön und originell auf, ein Name, der die ganze reiche
Familie der Actinidae (ocxti;, actis = Strahl) oder strah-
Zoophyten - Haus des zoologischen Gartens in London. 229
lenförmige Pflanzenthiere einschliesst. Die Wissenschaft
nennt sie Zoophytq helianthoida mit griechischen Wörtern,
w eiche etwa „sonnenförmige Thierpflanzen" übersetzt wer-
den können. Ihre Tentakeln strahlen in regelmässigen
Zirkeln aus, überhaupt mit den lebhaftesten Farben, so
dass sie im Grossen den Blüthenstrahlen unserer schön-
sten gefranzten und strahlenden Blumen gleichen. Der
eigentliche Körper der Helianthoida gleicht oft einem ab-
geschnittenen Kegel oder kurzem Cylinder auf einer fla-
chen Ebene; das entgegengesetzte Ende ist in der Mitte
mit Grübchen versehen, aus denen die mannigfachsten
Formen von Tentakeln ausstrahlen. Diese können belie-
big zusammengezogen werden, so dass man nichts sieht,
als Grübchen. In der Mitte des ebenen Endes ist der
Mund, der durch einen kurzen, weiten Hals in den gros-
sen Magen führt, in einen häutigen Beutel mit zahlrei-
chen Falten, den in der Mitte eine grosse Furche theilt.
Bei grossem Hunger treibt manches Helianthoidon den
ganzen Magen vor den Mund hinaus, so dass er wie ein
.Sack beinahe über den ganzen Körper hängt und sich
sofort gierig zusammenklappt und nach innen zurückzieht,
wenn er eine Beute gefangen. Der untere Theil dieser
sonderbaren Geschöpfe ist mit einer grossen Saugwarze
-eben, mit der sie sich an jeden Körper fest anklam-
mern können. Wollen sie spazieren gehen, so lassen sie
los, ziehen Wasser und rudern dann mit ihren Tenta-
keln umher.
Die Actiiäa oder eigentlichen strahligen, blümigen
Ptlanzentliiere sind in fast eben so viel Arten als gänse-
blumenartige Pflanzen da. Man unterscheidet sie auch
danach, so dass es Mesembryanthema, Diantha, Nelken-,
►lumen- und andere Actinia giebt. Der allgemeine
Name fiir sie i.st „See-Anemonen", hat also eine so weite
ieutung wie ..Polypen", ein Ausdruck, der keine be-
imtcn Grenzen hat und die See Anemone oft mit ein-
Schliesst, obgleich diese gar keine Püsse hat, sondern nur
dwerk und Magen ist. Das Mundwerk besteht zu-
230 Zoophi/ten-Haus des zoologischen Gartens in London.
nächst aus den Mundarmen oder Tentakeln, röhrenförmigen,
fleischigen Strahlen, die jede in einen besonderen Mund
auslaufen. Durch diese Strahlen und OefFnungen saugt
das Thier Wasser, um seinen Körper zum Schwimmen
anzuschwellen, und seine Nahrung ein, die in der Regel
aus kleinen, unsichtbaren Wasserthierchen bestehen mag.
Es gedeiht, wächst und vermehrt sich lustig im Seewas-
ser, wenn dieses nur öfter erneuert wird. Im Zoophyten-
Hause ist es freilich nicht auf diese schmale Kost angre-
wiesen. Hier füttert man es mit Fleisch. Nichts sah cu-
rioser aus, als die Art, wie die Thiere ihre kleinen Fleisch-
bissen, die ihnen in dünnen Stückchen vorgehalten wur-
den, verzehrten. Sowie das Fleisch in ihren Strahlen-
kreis kam, falteten sie sich alle gierig darüber und be-
iorderten den Bissen in den Magen hinunter, um sofort
wieder mit frischem Appetite nach allen Seiten zu strah-
len. In ihrem Hunger und in ihrer Freiheit sind sie
nicht selten gefährlich. Eine einzige See- Anemone kann
einen ganzen Hummer verschlingen, ihn im Magen aus-
saugen und dann die Krusten wieder auswerfen.
Doch wie liebenswürdig waren die Thiere in den
Wasserbehältern des Zoophvten- Hauses, besonders die
Actinia olianthus, weiss wie Schnee, glänzend wie Por-
cellan und zierlich bemalt mit purpurnen und bernstein-
farbigen Figuren. Jetzt schwimmt sie wie ein Stückchen
Porcellan 2 1 2 Zoll lang, dann verwandelt sie sich in eine
schöne weisse Untertasse, um welche die Tentakeln wie
Blumenblätter strahlen; hierauf fällt ihr ein, sich in eine
zarte weisse Distel umzuformen, dann in eine Art von
Sanduhr mit enger Taille in der Mitte etc. Manchmal
ist sie wie ihre eigene Hälfte, dann wird sie dreimal so
gross; kurz sie verwandelt sich bei guter Laune fortwäh-
rend in unzählige Formen und scheint sich förmlich um-
drehen zu können, wie ein Handschuh, so dass die in-
nern Seiten nach aussen kommen. —
Die Species Anthea cereus, erst unlängst bei Torbay
aufgefunden, von Gestalt wie eine grosse, quastige Chry-
>
Aus dem botanischen Garten zu Breslau. 231
santhemum-Blüthe, wechselt die Farbe. Jetzt erscheint
das reich betakelte Thier im lebendigsten Röthlichblau,
wie spanischer Hollunder; kurz darauf geht die ganze
Gestalt, mit Ausnahme der Spitzen, in das heiterste Grün
des Frühlings über, um darin die Hollunderblüthen wan-
dernd spielen zu lassen und eine perlige Blume zu spie-
len. Dann ist es wieder ganz Hollunderblüthe, die Farbe
verduftet und grünt wieder in eine Farbe über, wie man
sie nicht schöner durch ein von der Sonne beschienenes
Blatt des Lenzes sehen kann. In der Provence macht
man aus dieser Species ein Lieblingsgericht, genannt
„Rastegna". Ueberhaupt giebt es unter diesen zahlrei-
chen Völkern der Tiefe wohl noch ganz andere Deli-
catessen, als Krebssuppe, Hummersalat, die englischen
Shrimps und die kosmopolitischen Austern. Holen sich
doch die Plebejer Londons täglich ganze Fuder Schne-
cken mit Stecknadeln aus deren schwarzen Gehäusen!
Jetzt, nachdem die Völker der Oceane und unter-
seeischen Höhlen, Berge und Thäler zum Theil Lieblinge
der feinsten Gesellschaften in englischen draicing - rooms
(Staatszimmern) geworden sind, wird man vielleicht einige
vor Liebe aufessen lernen. Als Putzzimmer-Decorationen
gelten die Mar ine- Aq uarien mit den lebendigen Wun-
dern der Meerestiefe zwischen den krystallenen Wänden,
klar und durchsichtig auf dem Tische, als eine der schön-
sten, 'originellsten und malerischesten Ausschmückungen
englischer Häuslichkeit. In Deutschland scheut man noch
deren Kostspieligkeit.
Ans dem botanischen Garten zn Breslau.
i.
Unter dieser Aufschrift beabsichtige ich von Zeit zu
Zeit über wissenschaftliche und allgemein interessante
Verhältnisse, Gewächse etc. des botanischen Gartens zu
richten, zunächst über ein auserordentlich rasches
232 Aus dem botanischen Garten zu Breslau.
Wachsthum, wie es bis jetzt wenigstens noch bei kei-
ner andern Pflanze beobachtet worden ist. Vor 12 Jah-
ren erhielt ich aus Holland zwei Exemplare des damals
noch sehr seltenen Pandanus furcatus Roxb. von der
Grösse gewöhnlicher Ananaspflanzen, die seit der Zeit zu
Stämmen von 18 — 22 Fuss Höhe mit zahlreichen Blät-
tern von 15 Fuss Länge herangewachsen sind und Haupt-
zierden unseres Palmenhauses ausmachen. Bei einer De-
monstration der grössern dieser interessanten Pflanze am
2. Mai war von einer Blüthenentwickelung nichts zu se-
hen, den 4ten Abends zeigten sich an der Spitze einige
weisse, mit ihren Spitzen geschlossene Blätter und am
andern Morgen war aus ihnen eine traubige, fast 1 Zoll
dicke und bereits 3 Fuss lange Blüthentraube hervor-
getreten mit 10 — 14 Zoll langen, 2 — 3 Zoll breiten Blät-
tern, in deren Winkeln eben so viele, unsern Teichkol-
ben (Typha) ähnliche, 6—8 Zoll lange, l 1 ^ Zoll dicke
Aehren sich befanden, welche Millionen gelblich weisse,
nur aus Staubgefässen bestehende Blüthen enthielten. Die
Verlängerung erfolgte nun langsamer, die Blüthenrispe
senkte sich, hatte aber dennoch in der kurzen Zeit von
36 Stunden die enorme Länge von 5 Fuss erreicht.
Ebenso schnell begann das zweite Exemplar am 13. Mai
Abends in Blüthe zu treten, und obschon kaum zu er-
wartende Umstände auch hier eine exacte Beobachtung
in kurzen Zwischenräumen verhinderten, ergab sich doch,
dass die grösste Längenentwickelung von 3 ! 2 Fuss in
dem Verlauf von 4 — 5 Stunden statt gefunden hatte. Die
Länge des Stiels betrug hier 3% Fuss, die der Blüthen-
traube 2 x / 2 Fuss, also das Ganze fast 6 Fuss. Man hätte
hier in der That das Wachsthum sichtbar verfolgen kön-
nen, wie dies Miquel gelungen ist, der innerhalb 3 Stun-
den den Kolben um 3 Fuss sich verlängern sah *). Viel-
*) Der Blürhenstengel von Jgave arnericana wächst durchschnitt-
lich nur 2 Fuss in jeder Woche, der von Dasylirion etwas
rascher, 10 — 12 Zoll täglich.
Aus dem botanischen Garten zu Breslau. 233
leicht glückt es uns das nächste Mal, diese wunderbare
Erscheinung, bei welcher ich auch noch die Entwickelung
hoher Temperaturgrade bemerkte, in ihrem ganzen Ver-
laufe zu beobachten. Der Blüthenkolben selbst wird
neben der Mutterpflanze bei einem aus Java stammenden
Fruchtkolben derselben Art im Palmenhause aufgestellt.
Verwandtes physiologisches Interesse bietet ein in der Nähe
des Wassergrabens an der kleinen Weinlaube angestell-
tes, Jedem zugängliches Experiment. Eine auf einer W e i n-
rebe durch Kautschuk befestigte Glasröhre zeigte das
schnelle Steigen des Saftes, welches von Beginn der
Vegetation bis zum Ausschlagen der Blätter dauert, und
bis zur Höhe von 3G Fuss erfolgt, wie ich vor einigen
Jahren beobachtete. Haies sah das in eine Röhre ge-
gossene Quecksilber 38 Zoll sich erheben, was einer Was-
sersäule von 43 Fuss 3 3 4 Zoll Höhe gleichkommt, worauf
also die das Wasser in die Höhe treibende Kraft den
Druck von 2*2 Atmosphären auszuhalten vermöchte und
fünfmal stärker wäre als die Kraft, welche das Blut in
die Schenkel der Schlagadern eines Pferdes treibt. Es
_t auf der Hand, dass diese Erscheinung nicht durch
rein physikalische Momente, wie etwa durch Haarröhr-
chen-Anziehung, wie Einige meinen, sondern nur durch
die organische Thätigkeit der Zellen erklärt werden kann.
An einem Orte des Gartens, der auch physiologische
Zwecke zu verfolgen sich vorzugsweise zur Aufgabe stellt,
sieht man als Product des Bildungssaftes in einer Weide,
die auf St an niolblättchen abgelagerten Jahreslagen
derselben u. dergl. Die zahlreichen bei uns eingeführten
Arten der f'omaceen, Amygdaleen^ welche fast durchweg
der gemässigten Zone der nördlichen Halbkugel angehören,
stehen nun in Blüthe, unter ihnen auch die japanischen,
welche sich durch Schönheit der Karben und lilüthon-
reicbthum, nicht aber durch Trefflichkeit der Früchte
auszeichnen, wie die Obstcultur mit der der Blumen Ober-
haupt dort nicht gleichen Schritt zu halten scheint. Die
in der Thai .sein- reich blühende Malus Toringa und flo-
231 Landerer,
ribunda sind von Pyrus baccata nicht verschieden. Zu
Zierden der in der Nähe befindlichen japanischen Parthie
gehören vor allen jetzt die Magnolien, die Formen der
Magnolia Yulan, Sonlangeana, aus China, Lenneana, wie
auch die nordamerikanische M. auriculata, acuminata.
Die Flora des hohen Nordens und der Alpen beginnt
sich immer mehr zu entfalten. Ich komme später darauf
zurück, erwähne hier nur, bereits die für die Bewohner
des hohen Nordens durch seine wohlschmeckenden Früchte
besonders wichtigen Rubus arcticus, Cornus suecica, die
Zierde der Haine Skandinaviens, und Cypripedium ma-
cranthuniy der sibirische Frauenschuh, überaus grossblü-
thige Erdorchideen, Papaver nudicaule nach Franklin, die
härteste Pflanze der arktischen Regionen etc. Ein Rho-
dodendron magnoliaefolium vom Himalaja, mit wohlriechen-
den liliengrossenBlüthen auf der neu eingerichteten Eriken-
partie, links von der Kastanienallee, lässt auf die gross-
artigen Verhältnisse der alpinen Flora jenes interessantesten
Gebirges der alten Welt schliessen. Die Aufstellungen ge-
hen ihrer Beendigung entgegen, unter ihnen diesmal auch
der im vorigen Herbst und Winter gezogene Pilz des in
so vieler Beziehung so überaus interessanten Mutter-
kornes {Claviceps purpurea).
Breslau, den 16. Mai 1865. H. K. Göppert.
Pharmakologische Notizen ;
von
Dr. X. Landerer.
In einer französischen Zeitschrift wurde mitgetheilt,
dass durch Einathmen des Leuchtgases der Paroxismus
des Keuchhustens bedeutend gemildert werde und die
damit behafteten Kinder in kurzer Zeit davon geheilt
würden. Da nun auch in Athen eine Leuchtgas-Anstalt
existirt, so theilte die Direction diese Mittheilung durch
die Zeitungen mit und erbot sich, denjenigen, die das-
selbe einzuathmen gesonnen seien, dasselbe gratis zu ge-
pharmakologische Notizen. 235
statten. Da der Keuchhusten, in Griechenland Kora-
bycha, d. i. Raben- Husten, von xöpa$, Rabe, ßu$, Husten,
genannt, von Zeit zu Zeit epidemisch auftritt und die
Kinder oft Monate lang damit behaftet sind, und alle
dagegen angewandten Mittel, wie auch die Seeluft, sich
nutzlos dagegen erweisen, so brachten schon mehrere
Eltern ihre kranken Kinder in die Gasanstalt, um von
ihnen das Carburetum Hydrogenü einathmen zu lassen,
und nach Mittheilungen, die ich erhalten habe, sollen
die Paroxismen nach einigen Tagen abgenommen und
der Keuchhusten aufgehört haben. Diese günstigen Ver-
suche sollen auch alte Personen, die an Asthma litten,
bewogen haben, das Gas gegen asthmatische Beschwer-
den mittelst Inhalationen anzuwenden, und ein solcher
asthmatischer Patient versicherte mir, durch diese Inha-
lationen eine bedeutende Linderung der Anfälle verspürt
zu haben.
Da ich nicht weiss, ob solche Versuche mit dem
Leuchtgase auch in Deutschland angestellt werden, so
theile ich diese Notiz zum Zweck genauerer Untersuchun-
gen über den Nutzen desselben gegen die angegebenen
Krankheitsfälle mit und wünsche eine Bestätigung von
deutschen Aerzten zu erfahren. —
Schon früher theilte ich mit, dass die gemeinen
Leute im Oriente den Samen von Urtica pilulifera, der
am häutigsten vorkommenden Nesselart in Griechenland,
als ein Medicamentum galactoporon oder Galactogogon be-
trachten, und dass Mütter, die wenig Milch haben, um
die Milch -Secretion zu vermehren, ihre Zuflucht zu Ab-
suden dieser Samen nehmen, denen man auch die fri-
schen Blätter von Lactuca sativa und von Sonchus olera-
ceus zugesetzt, und man versicherte von diesem Absude
eine ausgezeichnete Wirkung auf die Milch -Secretion zu
verspüren. In letzter Zeit tauchte auch die Mittheilun^
auf, dass die Blätter von Ricinus communis oder R. viri-
dis eine ähnliche Wirkung haben sollen. Bei Frauen in
Athen, die an unterdrückter Milch - Absonderung litten,
236 Landerer,
wurden die Fol. Ricini theils in Form von Cataplasmen
auf die Brüste, theils als Thee mit dem besten Erfolge
angewendet. Dies ist mithin ein Mittel, welches jede
Dame sich leicht zu verschaffen im Stande ist. —
Ueber Entfernung von Silberflecken durch Jodcyan-
kalium. — Wenn ich diese Notiz vielleicht auch schon
früher mittheilte, so halte ich es doch nicht für über-
flüssig, nochmals auf diesen Gegenstand zurückzukom-
men. Jedermann weiss, wie schwer es hält, schwarz
gewordene Flecke von zersetztem Silbersalpeter von den
Fingern und noch schwieriger aus Leinwand zu entfer-
nen, denn alle angegebenen Mittel, wie Jodkalium, Chlor-
natrium, Schwefelammonium, führen nicht zum erwünsch-
ten Zweck. Unter allen bekannten Mitteln ist das Cyan-
kalium das ausgezeichnetste, reicht jedoch auch nicht
aus, wenn die Flecken sehr alt sind. In diesem Falle
ist eine Verbindung von Jod mit Cyankalium am besten.
Werden die von dem zersetzten Silbersalze schwarz ge-
färbten Finger, oder auch die Wäsche, worauf sich solche
Hecke befinden, zuerst mit Jod und darauf mit Cyan-
kalium eingerieben, so verschwinden dieselben nach eini-
gen Minuten. Auf diese Weise ist es möglich, Silber-
fiecke, die allen andern Mitteln widerstanden, rasch zu
vertilgen. Ich habe einem Photographen und auch mir
selbst die Hände, welche ganz schwarz waren, in einem
Zeitraum von einigen Minuten auf diese Weise gereinigt.
Diese Notiz könnte denjenigen Collegen von Nutzen sein,
die sich mit der Bereitung von Höllenstein und mit Pho-
tographie beschäftigen. —
Pikrodaphne, der Lorbeerbaum, von Däphne, der Lor-
beer, und pikris, bitter, mithin der bittere Lorberbaum,
nennt man im Orient den Nerium Oleander. Derselbe
ist einer der schönsten Zierstäucher in den Gärten, fin-
det sich an allen wasserreichen Plätzen und ziert die
Flussbette. Da diese Pflanze das Wasser liebt, so nannte
man sie Nerium — Nirion — von neros, feucht, in Be-
zug auf den Standort dieser Pflanze an feuchten Plätzen.
pharmakologische Notizen. 237
Woher der Name Oleander abgeleitet ist, kann ich nicht
bestimmen. Aus meinen Untersuchungen und denen mei-
ner Freunde geht hervor, dass die Pflanze zu den nar-
kotisch scharfen Giftpflanzen gehört, deren Ausdünstun-
gen schon schädlich sind, zu rechnen ist, und es liegen
viele Fälle vor, dass Personen, besonders Hirten, die
sich zur Mittagszeit in dem Schatten dieser Sträucher
aufhielten und schliefen, heftige Kopfschmerzen, Neigung
zum Erbrechen und starken Schwindel verspürten. Aehn-
liche Symptome verspürte ich an mir selbst, als ich im
Juni zur Mittagszeit auf der Insel Zea unter einem sol-
chen Strauche schlief. Der innerliche Gebrauch der Blü-
then und Blätter, deren Abkochung einen höchst unan-
genehmen, fürchterlich bittern, nauseosen Geschmack be-
sitzt, bringt alle Symptome der narkotisch drastischen
Gifte mit starken dysenterischen Erscheinungen hervor.
Vor kurzer Zeit habe ich die wichtige Mittheilung erhal-
ten, dass ein an epileptischen Anfällen Leidender, der
alle Heilmittel ohne Erfolg Jahre lang gebraucht hatte,
nach dem Gebrauch von Absuden dieser Blätter, die ihm
ein alter empirischer Arzt anempfahl, geheilt wurde.
Möge diese Mittheilung zu Versuchen über die Heilwir-
kung dieser Pflanze bei dieser Krankheit veranlassen.
Auch in letzterer Zeit beschäftigte ich mich mit der
Untersuchung dieser Pflanze und ich glaube, dass es
Dicht schwer halten dürfte, aus der frischen Pflanze
namentlich aus den frischen Blättern, ein Alkaloid, das
Xiiinum zu nennen sein dürfte, isolirt darzustellen. Da
ich keine Mittel mehr habe, diese Untersuchungen fort-
zusetzen, so bitte ich meine Freunde, diesem Gegen-
stande ihre Aufmerksamkeit zu widmen.
238 Lander er,
Notiz über Papyrus antiquorum;
von
Demselben.
Die berühmte, 4 bis 10 Fuss hohe Papierstaude der
Alten, Cyperus Papyrus, oder früher Papyrus, wächst be-
sonders in Egypten, dem Nil entlang. Schon in den
ältesten Zeiten assen die armen Egypter den grossen
Wurzelstock und deshalb nannte man diese Leute Papy-
rophagen. In Egypten wird die Wurzel noch heutzutage
von der armen Bevölkerung gegessen, theils in rohem
Zustande, theils gekocht oder auf Kohlen, gleich wie
man den Mais isst, leicht gebraten. Ob man diese Leute
noch jetzt Papyrophagen nennt, weiss ich nicht. Aus
dem Holze des Papyrus -Strauches machte man Stricke,
Seile, Bänder, Kleider, Segel, Schiffe, und Plinius er-
wähnt Naves papyraceae, auch Gefässe. Sanguis inhibetur
papyraceo ligamine. Aus der Veget. de re veterum geht
hervor, dass man die Weinreben mittelst Stricken aus
Papyrus festband. Auch Lichtdochte, die man Sellych-
nium papyraceum nannte, wurden aus den Fasern der
Papyrus - Staude gemacht. Was nun das aus dersel-
ben verfertigte Papier betrifft, so wurde dieses aus
der von dem Stengel oder den Halmen der Staude ab-
gelösten Oberhaut mittelst des Nilwasserschleimes zusam-
mengeklebt. Man breitete die abgelösten Blättchen auf
einer Tafel aus, überstrich sie mit dem klebrigen Nil-
wasser und formte so die Blätter. Auf diese Weise
wurde das alte Papier in Alexandrien bereitet, welches
sich durch die Papierbereitung grosse Reichthümer er-
warb. In alten Zeiten hatten die Alexandriner ihre be-
sonderen Leimer (glutinatores), um die vom Stengel ab-
gelösten Blätter zusammenzuleimen; nach dem Trocknen
wurden diese dann geklopft (malleatores), um sie zu ebe-
nen. Darauf wurden die Papierblätter aufgewickelt und
in Rollenform versendet und verkauft. Mittelst Griffeln
und Federn aus demselben Papyrus wurden sie beschrie-
Notiz über Papyrus antiqxiorum. 239
ben. Ich hatte Gelegenheit, beschriebene und unbeschrie-
bene Papyrusrollen aus alten egyptischen Gräbern zu
sehen. Die auf diesen vorkommenden Schriftzeichen sind
theils mit schwarzer, seltener mit rother und höchst sel-
ten mit blauer Farbe geschrieben, in ausserordentlich
seltenen Fällen auch vergoldet. Da eine solche Papyrus-
rolle je nach dem Mumiensarge, worin sie aufgefunden
worden, mit Tausenden von Piastern bezahlt wird, so ist
es begreiflich, dass man nicht leicht zu solchen Farben
gelangen kann. Ich hatte jedoch das Glück, solche Far-
ben zu bekommen, die ich von einem abgekratzt hatte.
Die schwarze Farbe ist ein Kohlenschwarz und soll nach
einem egyptischen Schriftsteller aus der Papyrus -Staude
gemacht worden sein ; von Metallen fand sich keine Spur
darin. Die rothe Farbe bestand aus Zinnober und eine
blaugrüne enthielt Kupferoxyd. Ebenso habe ich eine
lasurblaue Farbe untersucht und in derselben Kobalt,
eine Art Zaffer, gefunden. Woher die alten Egypter
dieses Metall entnahmen, ist nicht bekannt; jedoch fin-
det sich auch in blauen Glasflüssen der Egypter als blau-
färbender Bestandtheil Kobaltoxyd. Alle diese zum Schrei-
ben dienenden Farben oder Dinten wurden mit dem so-
genannten Fischleimgummi, Gummi Sarkokollae, von einem
im südlichen Afrika und in Aethiopien einheimischen
Strauche, Penaea Sarkokolla, abstammend, verdeckt und
sodann zu dem angegebenen Zwecke gebraucht.
Vor vielen Jahren erhielt ich aus einem egyptischen
Grabe ein grosses Stück eines Gummi oder Harzes, das
ich schon damals als Gummi Sarkokollae bestimmte. Die-
ses Harz kannte auch Dioscorides und leitete es von
einem in Persien vorkommenden Strauche ab ; er schrieb
demselben wundenheilende und augenstärkende Kräfte zu
und die Araber benutzten dasselbe als Purgirmittel.
In Betreff der Anwendung des Schilfes des Papyrus
tmHqwrum geht aus den Ilippokratischen Schriften her-
vor, dass die Alten aus den zu einem Cylinder zusam-
mengewickelten Häuten {K^idennide caulium) eine Art
2 10 Landerer, Notiz über Agnus Castus.
Spongiae compressae machten, die man um fistulöse Gänge
zu erweitern, in dieselben steckte und darin aufquellen
Hess.
i ■•ai»o »< ?■ » -
Notiz über Agnus Castus;
von
Demselben.
Diese Pflanze nennt man in Griechenland Lygos, von
hrfe, zäh, biegsam, indem dieselbe im Orient gleich den
Weiden an andern Orten zum Flechten von Körben und
zum Anbinden der Bäume verwendet wird. Auch Agnus
oder Castus quod ab iis, a quibus estur aut bibitur, aut
substernitur castitatem observat et matronae in Themospho-
riis Atheniensium castitatem custodientes folia hujus arboris
sibi sternebant. Die Früchte dieses schönen Strauches
gleichen den Pfefferkörnern und haben auch einen sehr
scharfen, dem Pfeffer ähnlichen Geschmack. Durch Di-
gestion dieser Körner mit Weingeist und Abtropfen der
weingeistigen Tinctur erhielt ich eine balsamähnliche
Masse, die dem Extr. Cubebar. aether. ähnliche Eigen-
schaften besitzt und auch gleich dem letztgenannten Ex-
tracte gegen Leiden des uropoethischen Systems mit
Nutzen angewendet werden kann. Die Blätter desselben
werden in Griechenland von den Landleuten und von
den noch existirenden empirischen Aerzten zur Unter-
drückung von stinkenden Fussschweissen angewendet,
welche nach dem Gebrauche von Fussbädern mittelst
stark gesättigter Abkochungen derselben aufhören. Als
einen kleinen Beitrag theile ich folgenden traurigen Fall
mit. Ein mir befreundeter junger Mann, der an solchen
stinkenden Fussschweissen (Bromidrosis) litt und alle Mit-
tel dagegen ohne Nutzen anwendete, nahm seine Zuflucht
auch zu diesem Mittel und nach dem Gebrauch von meh-
ren Fussbädern wurden dieselben unterdrückt, jedoch
schwächte sich leider die Sehkraft des Patienten von
Tage zu Tage und die traurige Folge war eine Aman-
Landerer, zu Volksheilmitteln im Oriente. 241
rose 7 woran derselbe seit drei Jahren leidet. Hieraus ist
zu ersehen, wie gefährlich es ist, solche chronische Se-
cretionen zu unterdrücken. Man wendete später alles
Mögliche an, um die Bromidrose wieder hervorzurufen,
jedoch war alles vergebens.
Zu Volksheilmitteln im Oriente;
von
Demselben.
Auch die Dinte ist als Heilmittel im Oriente nicht
unbekannt. Wer sollte es glauben, dass sich die Leute,
die an herpetischen Ausschlägen leiden, die von Herpes
oder Liehen befallenen Stellen mit Dinte bestreichen und
dieses wiederholen, bis das Exanthem abgetrocknet ist,
was oft sehr rasch erfolgt. Eine mir befreundete Dame,
die am Halse einen solchen Ausschlag hatte, und diese
Heilmethode andern vorzog, wurde schnell von diesem
üebel befreit. Die Ursache dieser Abtrocknung und
Heilung ist wahrscheinlich die freie Schwefelsäure, viel-
leicht auch die adstringirende Wirkung des in der Dinte
als gallussaures und gerbsaures Eisenoxydoxydul enthal-
tenen Eisens. Jedenfalls liegt eine Menge von Fällen vor,
dass die Dinte als Heilmittel äusserlich angewendet wird.
Arch. d. Pharm. CLXXIII. VA,. 8. Hft. .-
242
Ol. Monatsbericht.
Apparat zur Bestimmung des Alkoholgehalts im Wein.
Bier, Most u. s. w. von Scheeffer.
L Lampe. — D Flasche zur Aufnahme der zu prü-
fenden Flüssigkeit. — P Pipette von 10 C.C. sehr genau
eingetheilt. — A Kühlgefäss für die aus D entwickelten
in b zu verdichtenden Dämpfe. — R in Cubikcentimeter
getheilte Proberöhre für das Destillat, gross genug, um so
viel Wasser aufzunehmen, dass eine Mischung von 10 Proc.
reinem Alkohol im Volumen dargestellt werden kann. Zu
dem Apparate gehört noch eine kleine, an beiden Enden
zugeschmolzene Glasröhre als aräometrischer Schwimmer,
Wirkung der Alkohole auf zusammengesetzte Aether. 243
der bei 15° C. in einer Mischung von 10 Proc. Alkohol-
gehalt im Gleichgewichte bleibt.
In die Flasche werden genau 10 C.C. der zu prü-
fenden Flüssigkeit gebracht, der Apparat, wie die Zeich-
nung ergiebt, zusammengestellt und etwa 5 C.C. in die
graduirte Röhre abdestillirt, der Schwimmer hineinge-
bracht, an der Eintheilung abgelesen, wie viel C.C. er
von dem Niveau der Flüssigkeit differirt, und so viel
Wasser hinzugebracht, dass er sich an der Oberfläche
der Flüssigkeit bei 15° im Gleichgewichte befindet. Der
Schwimmer steigt oder sinkt schon auf Zusatz von 1 Tropfen
Alkohol oder Wasser, so dass er in seiner Empfindlich-
keit alle bisher construirten Alkoholometer übertrifft. So-
bald der Schwimmer äquilibrirt, findet man den Alkohol-
gehalt in Hunderten durch die Zahl der von der Flüs-
sigkeit eingenommenen Cubikcentimeter ausgedrückt. Eine
Flüssigkeit, in welcher der Schwimmer im Gleichgewicht
ist, enthält l j 10 ihres Volumens Alkohol; beträgt sie z.B.
12 C.C, so ist der Alkoholgehalt 1,2 C.C. in den ab-
gemessenen 10 C.C. Wein, ist also für 100 C.C. Wein
= 12 Proc. Alkohol. Dieselbe Zahl, welche die Flüs-
sigkeitsmenge in der graduirten Röhre anzeigt, drückt
zugleich den Procentgehalt der untersuchten Flüssigkeit
an absolutem Alkohol aus. (Journ. de Pharm, et de Chim.
Dec. 1863.) Dr. Reich.
Ueber die Wirkung der Alkohole auf zusammen-
gesetzte Aether.
C. Friedel und J. M. Crafts hatten früher bei
der Einwirkung von Amylalkohol auf Aethylchlorsilicat
die Bildung einer kleinen Menge Flüssigkeit von höhe-
rem Siedepuncte und KohlenstorTgehalte als denen des
Triäthylmonamyl- Kieselsäureäthers bemerkt. Da die Re-
action nach der Gleichung C^ll^O* + (3 CWO, Si2
CIO 3 ) = (3C«H*0, CWH«0, Si2()4) _j_ HCl verlaufen
musste, so konnten sie die Entstehung eines kohlereiche-
ren Körpers nur durch die Einwirkung eines Theils des
Amylalkohols auf den bereits gebildeten gemischten Aether
erklären, wodurch Alkohol undDiäthyldiamyl-Kieselsäure-
ttther gebildet wurde. Der Versuch bestätigte diese Ver-
nmthung; denn hei mehrfach wiederholter Destillation von
Kieselsäureäther mit Amylakohol oder besser noch, wenn
beide zusammen in einem geschlossenen Glasröhre einigt;
Stunden auf JGO ( > oder 1*0 ( > erhitzt worden, entstand ge-
16*
244 Wirkung der Alkohole auf zusammengesetzte Aether.
wohnlicher Alkohol und der Siedepunct der weniger fluch
tigen Producte erhob sich von dem des Kieselsäureäthers
(165°) bis zu dem des Kieselsäureamyläthers (324°) und
die letzten Antheile gaben bei der Zersetzung durch Al-
kali Amylakohol. Auch andere gemischte Aether verhal-
ten sich ähnlich. Essigsäureäther gab mit Amylalkohol
gewöhnlichen Alkohol und die gegen 132° siedenden Pro-
ducte lieferten beim Kochen mit Aetzkalilauge essigsau-
res Kali ; doch Hessen sich Essigsäureamyläther und Amyl-
alkohol wegen des geringen Unterschiedes ihrer Siede-
puncte nicht trennen. Bei den Jodüren gelang es jedoch.
Benzoesäureäther und Aethylchlorür scheinen sich
schwieriger zu zersetzen, als die besprochenen Aether.
Neutraler, zwischen 1820 und 184° siedender Oxalsäure-
äther dagegen, 36 Stunden mit einem Aequivalent völlig
trockenem Amylalkohol auf 220° bis 250° erhitzt, erlitt
eine Umsetzung. Beim OefFnen des Rohres entwickelte
sich Kohlensäure und Kohlenoxyd ohne Kohlenwasserstoffe.
Der Röhreninhalt war völlig neutral ; der unter 90° destil-
lirende Theil enthielt Aether, der durch Kochsalzlösung
daraus abgeschieden wurde; aus letzterer wurde nach
weiterer wiederholter Reinigung eine bei 78° siedende
Flüssigkeit mit allen Eigenschaften des Alkohols gewon-
nen. Die höher siedenden Theile gaben ein wenig Oxal-
säureäthyläther ; dann stieg die Siedetemperatur bis ge-
gen 260°. Durch fractionirte Destillation wurde eine
zwischen 259° und 261° siedende Flüssigkeit mit 62,24
Proc. C und 9,49 Proc. H erhalten, die demnach fast rei-
ner Oxalsäurearn yläther war, da die Formel 2C 10 H 11 O,
C*06 62,61 Proc. C und 9,56 Proc. H erfordert. Gleich-
zeitig musste sich Oxalsäureäthylamyläther gebildet ha-
ben. Es wurde in der That eine ziemlieh beträchtliche
Menge zwischen 225° und 233° siedender Flüssigkeit auf-
gefangen ; aber es Hess sich daraus nicht der reine ge-
mischte Aether erhalten, da derselbe sich bei der Destil-
lation zu zersetzen schien. Zur Prüfung wurde die zwi-
schen 230° und 242° siedende Flüssigkeit 24 Stunden lang
auf 2200 — 2500 erhitzt. Beim OefFnen des Rohrs ent-
wickelte sich sehr wenig Gas; es hatten sich Spuren von
Aethyläther gebildet; die Flüssigkeit war braun gewor-
den, dabei aber neutral geblieben. Durch fractionirte De-
stillation Hessen sich daraus zwei Flüssigkeiten erhalten,
deren Siedepunct mit denen des Oxalsäureäthyläthers 184°
und des Oxalsäureamyläthers 262° ziemlich zusammen-
trifft. Die Zersetzung war ziemUch weit vorgeschritten.
Verhalten des Alkohols im Organismus. 245
Aus dieser Untersuchung geht nun hervor, dass die
Alkohole die von andern Alkoholen abgeleiteten Aether
zersetzen können, dass diese Zersetzung nicht von einer
vorwaltenden Verwandtschaft gewisser Alkohole herrührt,
sondern eine Massenwirkung ist, und dass die durch Was-
ser leicht zersetzbaren Aether auch durch Alkohole am.
leichtesten zersetzt werden. {Bull, de la Soc. chim. 1863. —
Chem. Centrbl. 1864. 34.) B.
lieber das Verhalten des Alkohols im Organismus,
E. Baudot wurde durch seine Forschungen bestimmt,
den Alkohol wieder in die Reihe der respiratorischen Nah-
rungsmittel zu versetzen, im Gegensatze zu den Behaup-
tungen von L'Allemand, Perrin und Duroy in einer
von der Academie des Sciences im Jahre 1861 gekrönten
Denkschrift, welche mit den Schlusssätzen endete:
a) der Alkohol ist kein Nahrungsmittel. . . .
h) der Alkohol wird im Organismus weder umgewan-
delt, noch zerstört. . . .
c) der Alkohol wird vom Organismus in seiner Qua-
lität und Totalität ausgeschieden.
Die Eliminationswege sind: die Lungen, die Haut
und besonders die Nieren.
Baudot kritisirte und controlirte in einer ausführ-
lichen und interessanten Schrift die Versuche der eben ge-
nannten Autoren, machte neue und gelangte zu folgenden
Schlusssätzen:
1) Der Alkohol, massig und in Form von Wein, Kirsch-
wasser, Rum und Weingeist genossen, wird nicht vom
Harne eliminirt.
2) Man kann gleichwohl in gewissen Fällen fast un-
merkliche Spuren davon in dieser Flüssigkeit finden.
3) In anderen, ausnahmsweisen Fällen, findet man
«ine erhebliche Mengo, welche aber doch immer im Ver-
hältnisse zur eingeführten sehr gering ist.
4) Das Alkoholometer ist völlig geeignet, sehr geringe
Alkoholmengen zu entdecken.
5) Die Auflösung des doppelt- chromsauren Kalis in
Schwefelsäure (1 auf 300) ist eine sehr empfindliche Flüs-
sigkeit, mehr als bei dergleichen Untersuchungen noth-
dig ist.
6J Man hat Grand, anzunehmen, dass der Alkohol
im Organismus zerstört wird und darin die Kolle eii
246 Weingahrung.
respiratorischen Nahrungsmittels spielt, welche
ihm schon Liebig angewiesen hat. (Union medicale.)
Heber die Weingahrung.
A. Bechamp und Maumene haben neuerdings über
diesen zur Zeit noch sehr dunklen und in seinem ganzen
Verlauf schwierig aufzuhellenden chemischen Process Be-
obachtungen und Ansichten mitgetheilt, die theilweise
mit einander übereinstimmen, theilweise nicht.
Die Beobachtungen, welche Bechamp während der
Weinernten 1862 und 1863 anstellte, beziehen sich vor-
züglich auf den Einfluss der längeren oder kürzeren Kü-
fung (cuvage), auf den Einfluss der Luft während der
Gährung und Wirkung der Fermente.
Das Product der Gährung, welches man Wein nennt,
wird gewöhnlich nur der Wirkung der Hefe zugeschrie-
ben, welche alle Eigenschaften der bekannten Bierhefe
besitzt. So ist es auch nach Bechamp in gewissen Fäl-
len, nicht aber in allen. Stellt man z. B. filtrirten Most
an die Luft, so entsteht fast nur die sogenannte Bierhefe,
die jedoch etwas kleinere Dimensionen besitzt, als die in
Zuckerwasser mit Hefeabkochung sich bildende. Bei der
Gährung dieses Mostes entsteht jedoch ein Wein, der ganz
anderen Geschmack und anderes Bouquet besitzt, als im
unfiltrirten Most. Und wenn man filtrirten Most mit ge-
waschener Bierhefe in Gährung setzt, so hat der sich bil-
dende Wein wieder anderes Aroma als der vorige. Als
Bechamp nun zerquetschte Trauben in einem fast vol-
len Gefässe unter Abschluss der Luft in seinem Labora-
torium freiwillig gähren Hess, bildeten sich neben der ge-
wöhnlichen Hefe stets viel kleinere Körperchen, deren
Längsdurchmesser oft zehnmal grösser als der Quer-
durchmesser war, und die statt der zahlreichen Granula-
tionen der Bierhefe nur wenige Kerne innerlich enthiel-
ten. Dieselbe Erscheinung wurde auch in dem Weinkel-
ler eines grossen Fabrikanten beobachtet. So wie aber
Luft Zutritt erhielt, bildeten sich in viel reichlicherer Menge
die fadenförmigen Fermente, welche dem Träberhut seine
lebhafte Farbe und seinen angenehmen Weingeschmack
raubten.
Aus den bisherigen Beobachtungen zieht Bechamp
die Schlüsse:
1) Dass die Weingahrung ein viel complicirterer Pro-
Weingahfung. 247
cess ist, als die gewöhnliche alkoholische Gährung, inso-
fern bei der gleichzeitigen Anwesenheit von Hülsen und
Kämmen mehrere Fermente entstehen, die den letzteren
als Sporen oder Keime anhängend neben der gewöhn-
lichen Hefe sich ausbilden. Dies gilt für die Wein-
bereitung in Languedoc.
2) Dass die fadenförmigen Fermente nicht wesent-
lich zur Essigbildung beitragen, weil letzterer in nicht
grösserer Menge im Wein normal vorhanden ist, als in
dem durch Bierhefe vergohrenen Zucker. Hinsichtlich
der Frage, ob der Wein das Product nur eines oder
mehrerer Fermente sei, findet sich Maumene nicht in
Uebereinstimmung mit Bechamp, wenigstens nicht für
die Weinbereitung der Champagne, die freilich etwas
anders vor sich geht. Der zum Schaumwein bestimmte
Most wird hier von der Presse in Pipen von 5 — 6 Hek-
toliter Inhalt aufgefangen und 24 — 48 Stunden absetzen
gelassen, wobei Hülsen, Kerne, Kamme u. s. w. sich zu
Boden senken, trotz der stürmischen Gährung, die schon
eintritt. Dann zapft man den Most auf Stücken von Hek-
toliter, die fast ganz damit gefüllt werden, Und schliesst
das Spundloch mit einem Weinblatt und einem Ziegel-
stein.
Der Absatz in den Pipen enthält in dem genannten
Bodensatz fremdartiger Stoffe, Kügelchen von Hefe, et-
was kleiner als Bierhefe, und jene von Bechamp be-
schriebenen länglichen Körperchen von zehnfach längerem
Durchmesser.
Der untere Hefenabsatz in den Stücken ist sehr ho-
mogen und besteht nur aus Individuen, deren grössere
Axe j /|S2j die kleinere 1 / 357 Millim. beträgt.
Die Ursache der Verschiedenheit des Bouquets der
Weine auf die Wirkung mehrerer Fermente zurückzufüh-
ren, hält Maumene für bedenklich, bevor nicht nach-
gewiesen ist, dass die verschiedenen Fermente sehr un-
gleichartige Producte liefern. Denn die Bierhefe wirkt
auf den (Jeschmack der von ihr erzeugten alkoholischen
Flüssigkeit ganz eigentümlich ein, indem sie in ihrer
Substanz thcilwei.se eine Veränderung erfährt und lösliche
Stoffe abgiebt. Setzt man Zucker wasser mit gewasche-
ner Bierhefe und andererseits mit gewaschener Weinhefe
in Gährung, so erhält man weinige Flüssigkeiten von
ganz verschiedenem Bouqnet
Was aber die Verschiedenheit des Weins aus frei-
willig gegohrenem filtrirten und aus demselben unfiltrir-
248 Weingährung.
ten Most anlangt, so stimmt Maumene mit Bechamp
nicht überein, sofern nur die Filtration schnell nach der
Pressung geschah.
Essigsäure konnte Maumene im Champagnerwein
mit den feinsten Reagentien nicht nachweisen und er lässt
es unentschieden, ob sie nicht eine zufällige Beimischung
in anderen Weinen sei, die bei mehr Luftzutritt bereitet
werden. (Journ. für prakt. Chemie. Bd. 93. 3.) B.
Heber Weingährung.
Zwei Arbeiten über Weingährung von Bechamp
und von Fr. Mohr ergänzen einander in mancher Be-
ziehung. Beide leiten das Verderben des Weins,, Eintritt
von Schimmelbildung, von zu langem Liegen nach ge-
schlossener Hauptgährung ab, die unter stürmischer Ent-
wicklung von Kohlensäure verläuft, welche den Zutritt
der atmosphärischen Luft abhält. Der erstere schlägt
darum kürzere Gährung vor, der letztere Gährung unter
Abhaltung von Luft. Er lässt ein zweischenkliges, 4'"
weites Glasrohr in einem Korkspund befestigen, dessen
zweiter Schenkel in ein Gefäss mit Wasser taucht. Auf
diese Weise kann man den Verlauf der Gährung genau
beobachten, die Luft ist vollkommen abgeschlossen, und
es bleibt nur fraglich, wie eine zufällige Verstopfung
einer so engen Röhre zu verhüten ist, die ein Zersprin-
gen des ganzen Gebindes zur Folge haben kann. Wenn
eine zerdrückte Traubenbeere auch leichter ein enges
Rohr verstopft, so sind 4"' doch nicht weit genug, um
dasselbe zu verhindern. {El. für Hdl. u. Geivbe. 1864.)
B.
Fabrikation des Tin de Pelle; von Nickles.
Der ziemlich gute Vin de Pelle wird nur in Lothrin-
gen und hauptsächlich im Departement der Meurthe fa-
bricirt. Das Material sind die Trauben des ordinären
Weines, so dass die Güte des Vin de Pelle nur in der
Darstellungsmethode liegen kann, die bewirkt, dass in
wenigen Monaten der Wein die Eigenschaften erlangt,
die ordinären Weinen erst nach und nach in längerer Zeit
zu Theil werden. Das Verfahren ging bis vor Kurzem
durch mündliche Ueberlieferung auf die Nachkommen
über; das Fabrikations verfahren für grosse Quantitäten
wurde zuerst von Henri on-Barb esant in der Zeitung
Fabrikation des Vin de Pelle. 249
der Socie'te centrale d'agricvlture de Nancy: le Bon cul-
tivateur, 1858. p. 145 mitgetheilt.
Die Trauben werden durch Walzen zerquetscht, 48
Stunden lang in Bottichen mit eisernen Schaufeln (pelles
ä brasseur) durchgerührt, was von 4 Arbeitern besorgt
wird, dann lässt man ruhig stehen, worauf die durch das
Rühren gehemmte Gährung eintritt, so dass in weniger
als 12 Stunden die Trestern abgeschieden sind. Darauf
zieht man die Flüssigkeit ab, füllt die Fässer zu % un d
lässt in den leeren Raum etwas Schwefeldampf treten, um
die Oxydation des Weins zu hindern. Die Trestern
lässt man abtropfen, presst sie und legt sie zurück. In
den Fässern wird die Gährung vollendet.
Henrion berechnet für 50 Hectoliter die Kosten
auf 61 Frcs. 40 Cent, etwa 2 Frcs. für das Hectoliter
Wein; 50 Hectoliter Trauben geben 34 Hectoliter Wein.
Es stellt sich hierbei ein beträchtlicher Vortheil heraus:
so verkaufte Henrion 1856 seinen Vin de Pelle 20 %
theurer, als der auf gewöhnlichem Wege aus denselben
Trauben dargestellte Wein kostete.
Das Durchrühren wird oft durch Holzpfähle (dames)
verrichtet, welchen man eine auf- und absteigende Be-
wegung giebt, wie es in Foug auf der Grenze der De-
partements Meurthe und Meuse geschieht, während bei
Nancy die pelles ä brasseur in Gebrauch sind.
Fragt man sich, wie diese ganz mechanische Opera-
tion die Qualität des Weines in Bezug auf Bouquet und
Alkoholgehalt verbessern könne, so sind es vier verschie-
dene Wirkungen, welche durch das Rühren des Mostes
hervorgebracht werden und nothwendig auf die Wein-
bildung wirken müssen:
1) Durch die Bewegung wird das Verdampfen des
Wassers begünstigt, folglich Concentration des Mostes und
grösserer Alkoholgehalt.
2) Sie hemmt die Gährung und verhindert die Ent-
wickelung der Fermentzellen.
3 Sie befördert die Luftaufnahme und so die Ab-
sorption von Sauerstoff.
4 Die Reibung der festen Theile der Trauben dient
zur Absonderung des Farbstoffes und seiner Vcrtheilun°"
in dem Moste.
Nick 16 s fand in den Weinen der Umgegend von
Maren (Meurthe) beträchtliche Mengen Gallussäure; sie
haben lange auf den Trestern gestanden und ihnen Tan-
nin entzogen, aus welchem durch Einfluefi dw Atmo-
250 Champagner - Fabrikation in Ungarn.
Sphäre sich Gallussäure bildete. Der Vin de Pelle hin-
gegen enthält keine Gallussäure, weil trotz der langen
Dauer der Fabrikation die beschleunigte Alkoholbildung
die Umbildung des Tannins in Gallussäure hindert und
weil das Tannin selbst nur kurze Zeit der Luft ausge-
setzt war.
Die Verbesserung des Weines beruht also in der
Concentration des Mostes durch das Rühren und in der
Entwickelung des Bouquets durch Sauerstoffaufnahme.
Ersteres ist dadurch bewiesen, dass die gleiche Menge
Trauben weniger Vin de Pelle liefert, als gewöhnlichen
Wein; der Zucker bleibt zurück, macht den Most, folg-
lich auch den Wein gehaltreicher, wie denn Vin de Pelle
mehr Rückstand giebt, als gewöhnlicher Wein aus den-
selben Trauben.
Die SauerstofTaufnahme bewirkt die Entwickelung
des Bouquets, d. h. eines ätherischen Parfüms, welches aus
den Elementen des Alkohols und der vorhandenen Säu-
ren entsteht. Die bedeutende Zuführung von Sauerstoff
würde den Wein herbe machen, wenn nicht die Säuren
sich zum grössten Theile mit dem entstehenden Alkohol
vereinigten und so Verbindungen bildeten, die wie der
Essigäther einen angenehmen Geruch haben, oder wie
die Weinsäure dem Weine einen eigenthümlichen Ge-
schmack geben. Andererseits verhindern oder vermin-
dern doch diese Säuren die Entstehung des Amylalkohols
und ähnlicher Alkohole, lauter Gährungsproducten von
dem Geruch und Geschmack, wie ihn der Tresterbrannt-
wein in hohem Grade zeigt.
Die Fabrikationsmethode des Vin de Pelle hat also
den Zweck, dem Weine bald die Eigenschaften eines
alten Weines zu geben {vieillir le vin). (Joarn. de Pharm,
et de Chim. Novbr. 1863.) ' Dr. Reich.
Ueber die Champagner - Fabrikation in Lngarn.
Nach J. Nentvich werden gerbstoffreiche Weine
mit Hausenblase versetzt und nach 14 Tagen abgezogen;
wenn sie nicht ganz spiegelrein sind, so ist ein zweiter
Zusatz von Hausenblase nöthig, ganz reine können dann
gleich zur Champagner -Erzeugung verwendet werden.
Man kennt den Inhalt des Champagner -Cylinders und
berechnet für jede Bouteille 6 Loth weissen Rafinat-Zucker,
hackt letzteren in kleine Stücke, welche dann im Weine kalt
Champagner- Fabrikation in Ungarn. 251
gelöst werden. Die Auflösung wird nun filtrit, in den
Cylinder gefüllt und Kohlensäure bei einer Temperatur
von -\- 5° R. mit einem Drucke von 4 Atmosphären
n ~J~ *V n n r> r> rt " »
n "l 1" » » n » »'"'•*
eingepresst. Die Filtration der Weine geschieht nach zwei
Methoden. Man bedient sich eines Filzspitzbeutels, indem
man meistens Filtrirpapier in dem gesüssten Weine er-
weichen lässt und die erweichten Bogen mit einem eisernen
Schneeschläger so zerrührt, bis die Papierflocken ganz
fein zertheilt darin schwimmen, dann wird der Hut damit
ganz voll gegossen und durch einige Zeit durch immer-
währendes Zurückgiessen voll erhalten, bis sich der Papier-
brei an die Wände des Filzhutes angelegt hat und die
Flüssigkeit gar klar abläuft. Nach der zweiten Methode
filtrirt man durch Flanellspitzbeutel, welche einen Durch-
messer von 6 Zoll und die Länge von 12 Zoll besitzen.
Diese werden über entsprechenden Tenakeln aufgehängt
und ein gewöhnliches spitzes Papierfilter aus einem Bogen
weissen Filtrirpapieres eingelegt. Um dieses Filter Tag
und Nacht ohne Mühe in Gang zu setzen, wird über dem-
selben der zu filtrirende Wein in Töpfen von 10 Maass
Inhalt aufgestellt und diese mit Holzdeckeln versehen,
worin ein runder Einschnitt am Rande angebracht ist,
um einen gewöhnlichen Glasheber in den Einschnitt legen
zu können, dessen letzteres Ende mit einem kleinen Kork-
pfropf derart geschlossen wird, dass die Flüssigkeit nur
stark in das Filter abtropft. Hierbei muss genau bemerkt
werden, dass der längere Theil des Hebers mit seinem
Ende an dem Filterpapiere anliege, um nicht durch die
Schwere des fallenden Tropfens das Papier zu durchlöchern.
Unter dem Flanellbeutel steht eine Flasche mit einem
Glastrichter, welche den filtrirten Wein aufnimmt. Der
so filtrirtc Wein kommt dann in die Cylinder und wird
mit Kohlensäure imprägnirt. Das Abziehen in die Bouteillen
erfordert einige manuelle Fertigkeit und zwar Betreffs
des Korkens. Die Korke müssen insgesammt mit heissem
Wasser gebrüht, mit einer Korkzange gedrückt und durch
die Maschine 4 Tage den Bouteillen aufgepasst werden.
Nach 1 Tagen sind die Korke gewöhnlich zum Gebrauche
genug trocken und können verwendet werden, indem
man dieselben von ihren Bouteillen abnimmt und die an-
der«: mit Champagner gefüllte Masche damit verschliesst.
Zu diesem Zwecke hat man eigene Korkungsbouteillen,
um die Verunreinigung des Weins zu verhüten, welche bloss
252 Bouquet der Weine.
dazu bestimmt sind, dem Korke die Form zu geben. Die
mit Champagner gefüllte und verkorkte Bouteille kommt
nun auf den Bindetisch. Dieser gleicht einer grossen
Siegelpresse, wo durch das Gewinde der Kork durch einen
Messingstock, welcher unten halbrund abgedreht und in
der Mitte einen zwei Linien breiten, nach oben acht
Linien tiefen Durchschnitt hat, niedergepresst und dann
mit Oelfirniss getränktem dreifädigen Kordel festgebunden
wird. (Ztschr. des allg. österr. Apoth.-Ver. 1864.) B.
lieber das Bouquet der Weine.
Um den eigentümlichen Geruch der Weine, den
man der Anwesenheit verschiedener zusammengesetzter
Aetherarten zuschreibt, synthetisch nachzuahmen, hat
Mau nie ne (Compt. rend. Tom. 57, 482) Oenanthäther
oder vielmehr das Destillat von 60 Liter frischer Wein-
hefe und 60 Liter Wasser, ferner 1 Volumen valerian-
sauren Amyläther in 6 Volumen Weingeist von 36°
iBirnenessenz), endlich gewöhnlichen Butteräther ange-
wendet.
Wenn man nur wenige Tropfen der gedachten Aether-
arten nimmt, so bekommt die Flüssigkeit das Bouquet
verschiedener Weinsorten, z. B. bei Butteräther, das des
guten Bouzy; aber bei zu grosser Quantiät des Zusatzes
schwindet die Aehnlichkeit mit Wein. Der Geschmack
solcher künstlichen Gemische entfernt sich jedoch weiter
von dem der Weine als ihr Geruch.
Die Alkohole und Säuren von höheren Aequivalenten
scheinen unter den verschiedenen verwendbaren Aether-
arten den Vorzug zu verdienen. (Journ. für prakt. Chemie,
Bd. 93. 3.) B.
Heber die in den Weinen enthaltenen Aetherarten und
einige Veränderungen derselben.
Berthelot hat auf Grund seiner früheren Versuche
hinsichtlich dieses Gegenstandes schon einige Andeutungen
gegeben, aber ohne der Lösung der Frage sich einiger-
massen zu nähern. Jetzt giebt er noch weitere Resultate,
die einen Schritt mehr thun. {Compt. rend. T. 57, 287.)
Schüttelt man Wein mit seinem gleichen Volumen
Aether, so nimmt dieser nur eine höchst geringe Menge
Säure auf. Hieraus schliesst B., dass ausser der Essig-
säure keine Säuren mit 4 Aeq. Sauerstoff (fette Säuren)
lieber die in den Weinen enthaltenen Aetherarten etc. 253
vorhanden sind. Dies müsste man auch durch den Ge-
ruch wahrnehmen, aber ausser gewissen spanischen
Weinen besitzt keiner den charakteristischen Bocksgeruch
jener Säuren. Die mehrbasigen Säuren, wie Weinsäure
und Bernsteinsäure, erzeugen mit sehr verdünntem Alkohol
(10 Th. Alkohol und 90 Th. Wasser) hauptsächlich die
entsprechenden Aethersäuren und nur sehr wenig neutralen
Aether. Um den Gehalt eines Weines an neutralen
Aetherarten zu ermitteln, sättigt B. ein gewisses Maass
(etwa 500 C.C.) mit kohlensaurem Kali bis zur schwach
alkalischen Reaction, schüttelt mit 1 j 2 Volumen reinen
Aether und erhitzt die filtrirte ätherische Lösung mit
10 C.C. einer titrirten Barytlösung in zugeschmolzenen
Röhren auf 100° hinreichend lange Zeit. Schliesslich
wird der Inhalt der Röhren zurücktitrirt. Aus dem Ver-
lust des Titers könnte man den Gehalt an neutralen
Aethern, folglich auch an Alkohol darin erschliessen, wenn
letztere die einzigen anwesenden Substanzen wären, welche
den Baryt sättigen.
In dem Weine von Fornichon (Beaujolais) betrug der
in den neutralen Aethern enthaltene Alkohol weniger
als ^'30000 vom Gewicht des Weines und V3000 vom ^ e "
sammtgehalt des Alkohols.
Im Weine vom Pomard (1858) mit sehr entwickel-
tem Bouquet betrug der in den Aethern enthaltene Alko-
hol Visooo? m dem Medoc (1858) ebensoviel und im St.
Emilien (1857) i /l2Q00 vom Gewicht des Weines.
Man sieht, welche Kleinigkeit, durch die Analyse
kaum nachweisbar, auf unsern Geruch und Geschmack
schon sehr merklich einwirkt.
Die Aethersäuren wirken am wenigsten oder gar
nicht auf den Geruch, dagegen mögen sie sich dem Ge-
schmacke bemerklich machen und ihrer allmäligen Bildung
ist B. geneigt, das Gemisch von mannigfach wechselndem
Geschmack und von ungleicher Dauer bei den neuen
Weinen zuzuschreiben.
Der Einflus8 der zusammengesetzten Aetherarten auf
Bouquet der Weine scheint innerhalb sehr enger
ozen zu liegen und man kann sich nicht erklären,
wober die bedeutenden und plötzlichen Veränderungen
im Geschmack eines erhitzten Weines rühren.
Was dem Weine den weinigen Geschmack ertheilt,
ist ganz anderer Art, und man kann diese Substanzen
dem Weine durch kalte Digestion mit Aether entziehen.
Verdampft man die ätherische Lösung unter völligem Ab-
254 lieber die in den Weinen enthaltenen Aetherarten etc.
schluss der Luft in sehr niederer Temperatur, so erhält man
ein Extract — weniger als ^'iooo vom Gewicht des Weines, —
in welchem sich das Bouquet und der weinige Geschmack
concentrirt vorfinden. Der Rückstand des mit Aether
extrahirten Weines hat nach dem Vertreiben des gelösten
Aethers vermittelst eines Gasstroms einen sauren, alkoho-
lischen und unangenehmen Geschmack. Das ätherische Ex-
tract ist eben so veränderlich, wie das Bouquet im Wein,
bis 35° — 40° erwärmt, schmeckte es wie gekocht, und wenn
während der Verdunstung die Luft nicht völlig abge-
schlossen war, roch es wie vergossener Wein. Dieses
Extract besitzt gleichzeitig den allgemeinen weinigen und
den specifisch eigenthümlichen Geruch desjenigen Weins,
aus dem es gewonnen ist.
In verschiedenen Weinen Burgunds und Bordeaux
bestand dieses Extract aus ein wenig Aethylalkohol, einem
im Wasser unlöslichen ätherischen Oel (vielleicht Oenanth-
äther), einer Kleinigkeit einer Säure und zwei Substanzen,
von welchen die eine durch ihre leichte Veränderlichkeit
an der Luft und in der Wärme besonders wichtig ist für die
Erklärung des Bouquets der Weine. Diese Substanz re-
ducirt in der Kälte ammoniakalische Silbersalzlösung,
fällt weinsaure Kalikupferoxydlösung und bräunt sich mit
Kalilauge; sie ist nur mit Aetherdämpfen ein wenig
flüchtig, löst sich sehr leicht in Wasser und Alkohol und
wird aus der wässerigen Lösung durch Aether, nicht aber
durch Schwefelkohlenstoff, ausgezogen. An der Luft ver-
ändert sie sich sehr bald, in der Wärme augenblicklich.
Sie ist durchaus vom Aldehyd verschieden, mag aber
der Aldehyd eines mehratomigen Alkohols sein.
Der letzte zu erwähnende Bestandtheil jenes Extracts
ist wenig flüchtig, reducirt ammoniakalische Silberlösung
nicht und erinnert in seinem Geruch noch entfernt an
den Wein. Vielleicht ist er ein Umwandlungsproduct
der erwähnten Substanz. (Journ. für prakt. Chemie, Bd. 92.
3. u. 4.) B.
lieber die Bestimmung des Weinsteins, der Weinsäure
und des Kalis in Weinen, von Berthelot und Fleurieu.
Nach mehren Versuchen zur Bestimmung des Wein-
steins, d. h. des sauren weinsauren Kalis, welches im Weine
gelöst ist und während des Aufbewahrens sich absetzt,
kamen die Verfasser zu folgender Methode:
Bestimmung des Weinsteins, der Weinsäure etc. 255
Man bringt .10 C.C. Wein in eine kleine Flasche,
fügt 50 C. C. einer Mischung von Alkohol und Aether
zu gleichem Volumen hinzu, schüttelt durch, verschliesst
das Gefäss und lässt es 24 Stunden bei gewöhnlicher
Temperatur stehen. Der Weinstein präcipitirt sich und
haftet an den Wänden der Flasche, während die Säu-
ren, das Wasser und die übrigen organischen Bestand-
teile des Weins in dem Aetheralkohol in Lösung bleiben
zugleich mit etwa 2 Milligramm W'einstein, die man in
Rechnung bringt. Die Flüssigkeit wird auf ein kleines
Filter gebracht, der Niederschlag in derselben Flasche
ausgewaschen durch Decanthiren mit einer geringen
Menge Aetheralkohol, den man auf dasselbe Filter bringt.
Dieses wird auf der Mündung des Gefässes durchstossen,
mit Wasser gew T aschen und dann selbst in die Flasche
gebracht; man erhitzt und bestimmt bald darauf den
Säuregehalt durch Normalbarytflüssigkeit.
Die Methode wurde durch Versuche erhalten, die
mit einer wässerigen Lösung des Weinsteins angestellt
wurden, der man nach und nach l0°/ Alkohol zufügte.
Nach mehren Tagen war eine den meisten Weinen ver-
gleichbare Flüssigkeit entstanden, die etwa 3 Gramm
Weinstein im Liter enthielt. Das Barytwasser war so
titrit, dass 10 C.C. der vorigen Flüssigkeit circa 50 Th.
Baryt erforderten. Das Verfahren bewährte sich gleich-
massig bei Flüssigkeiten, die einen Ueberschuss von
Weinsäure oder kleine Mengen anderer organischen Säu-
'ren enthielten, gab annähernd richtige Resultate so-
gar bei Gegenwart beträchtlicher Mengen fremder orga-
nischen Säuren, ist jedoch nicht anwendbar, wenn diese
in einem zu grossen Ueberschusse vorhanden sind.
Die Untersuchung verschiedener Weine ergab :
1) Gehalt an Weinstein wie in einer gesättigten
Lösung desselben in Wasser und Alkohol nach den Pro-
portionen, wie diese im Weine enthalten sind. Das Total-
ster an Säure war etwa das Sechsfache des an Wein-
stein : Formichon 1860 und 18G2 (3 Grm. im Liter),
beide enthalten keine freie Weinsäure, jedoch andere
organische Säuren im freien Zustande.
Meistens ist der Gehalt an Weinstein unterhalb
Jättigungsponctes. Der Unterschied beträgt die
Hälfte im Formichon 185«.», Savigny 1860, Medoc 1858,
ordinärem Montpellier; Savigny 1*.V.* und Saint- Kinilien
enthalten nur ' , defl /ur Sättigung nöthigen Weinsteins.
Die geringsten Mengen enthielten Savigny 18G1, der dem
256 Bestimmung des Weinsteins, der Weinsäure etc.
Froste ausgesetzt war, weniger als 1 Grm. im Liter;
Sautenay 1858, etwas verändert, enthielt l j 2 Grm. im Liter.
3) Niemals übersteigt der Gehalt an Weinstein den
Sättigungspunct.
Eine Beziehung zwischen Weinsteingehalt und gesamm-
tem Säuregehalt findet nicht statt; in Weinen von gleichem
Säure- und Alkoholgehalt: Formichon 1859 und 1862,
schwankte der Weinstein bis zur doppelten Menge. Die
höchste Zahl entsprach einer mit Weinstein gesättigten
Flüssigkeit und wurde bei ganz jungen Weinen gefunden,
woraus hervorgeht, dass die Veränderungen nicht durch
eine merkliche Zersetzung des Weinsteins durch die freien
Säuren hervorgebracht werden. So enthielt drei Jahre
hindurch theils in Flaschen, theils im Fasse aufbewahrter
Formichon 1857 denselben Weinsteingehalt.
Die erwähnte Methode kann annähernd zur Bestimmung
der freien Weinsäure und des gesammten Kaligehaltes
im Weine dienen.
1) Eine verdünnte Weinsäurelösung theilt man in
zwei gleiche Theile, neutralisirt den einen genau mit
Kali und mischt beide Flüssigkeiten. Auf Zusatz von
Aetheralkohül fällt alle Weinsäure als Weinstein, bis auf
die in dem Gemische lösliche Spur. Man kann kleine
Mengen organischer Säuren zufügen, ohne die Resultate
merklich zu beeinträchtigen.
2) Um nun zu erkennen, ob ein Wein unabhängig
von dem Weinstein freie Weinsäure enthalte, sättigt man
von 50 C.C. des Weins 10 C.C. mit Kali, mischt die
restirenden 40 C.C. hinzu, nimmt von dem Gemenge ] / 5
ab und fügt 50 C.C. Aetheralkohol hinzu. Bei einem Ge-
halte an freier Säure wird ein reichlicherer Niederschlag
erhalten, als mit der ursprünglichen Flüssigkeit. Der
Säureüberschuss des Niederschlages entspricht fast genau
dem halben Gewichte der freien Weinsäure des Weines.
Die Methode war bei allen untersuchten Weinen anwend-
bar, weil ihr Gesammt-Säuregehalt viel grösser war als der,
welcher dem Weinsteingehalt entspricht. Man würde sonst
nicht das Zusamraenvorkommen des neutralen weinsauren
Kalis und einer organischen Säure erklären können, denn
eine Lösung von weinsaurem Kali mit einer Spur Essigsäure
oder einer andern Säure versetzt und mit Aetheralkohol
behandelt, lässt einen Niederschlag von Weinstein ent-
stehen. Andererseits wurde die Genauigkeit der Methode
dadurch geprüft, dass dem Weine von Formichon kleine
Krankheiten des Weines. 257
Mengen Weinsäure zugefügt wurden, die man in dem
Niederschlage wiederfand.
Die meisten Weine enthalten keine freie Weinsäure ;
in wenigen Fällen nur vermehrte ein Zusatz von kohlen-
saurem Kali den Niederschlag, so dass die freie Säure
die Hälfte der in dem Weinstein enthaltenen Säure be-
trug. Formichon 1859 enthielt die doppelte Menge freier
Säure: 2,2 Grra. im Liter, während der gesammte Säure-
gehalt, frei und gebunden, 3,3 war: es ist dieses das
Maximum von Weinsäuregehalt. Das Minimum enthielten
gefrorener Savigny 1861: Gesammt- Säuregehalt 0,7 Grm.
im Liter und Sauten ay 1858 : 0,4 Grm. In den meisten Fäl-
len ist das Gewicht der gesammten Weinsäure durch das
des Weinsteins gegeben, der davon 4 / 5 repräsentirt.
Das Fehlen freier Weinsäure in den meisten unter-
suchten Weinen ist eine Thatsache von grosser Bedeutung.
Die Säuremenge des Weinsteins ist nur ein geringer
Theil der gesammten Säure. Die Menge derselben im
Formichon 1858 ist äquivalent 7,4 Grm. Weinsäure im
Liter, die Säure des Weinsteins repräsentirt davon nur
1,1 Grm.; die überschüssige Weinsäure 0,5 Grm., es
restirt also eine Säuremenge von 5,8 Grm. für andere
Sauren. Nach Pasteur 1,5 Grm. Bernsteinsäure; nach
Bechamp einige Decigramme Essigsäure, so dass ein
Säureäquivalent von etwa 4 Grm. übrig bleibt, welches
nur wenig bekannte fixe Säuren repräsentirt. Man muss
dieser Zahl jedoch noch das Gewicht der mit Weinbasen
verbundenen Säuren zufügen.
Aus diesen Angaben ist ersichtlich, bis zu welchem
Punkte neue Untersuchungen über den Wein erforderlich
sind. (Journ. de Pharm, et de Chim. Oct.1863.) Dr. Reich.
leber die Krankheiten des Weines.
Die freiwilligen Veränderungen oder Krankheiten des
Weines hat Pasteur an verschiedenen Sorten Jura- Weinen
untersacht und ist hierbei zu dem Resultat gelangt, dass
diese Krankheiten durch mikroskopische Vegetationen,
deren Formen er in seiner Arbeit durch Zeichnung er-
läutert, bervorgerufen werden. Wenn die rothen oder
m Jura-Weine auf dem Fasa sauer werden, so ist
die Ursache davon Mycoderma acetL welches dann auf
der Oberfläche in beträchtlicher Menge sich ansammelt.
Diese Weine darf man nicht mit den umgeschlagenen
niv'sy montiiü) verwechseln.
Ar-:!,. d. Pharm. CLXXIII. Bd*. 8. Hft. 17
258 Krankheiten des Weines.
Da die gewöhnlichen weissen Weine sich nur gut aus-
bilden, wenn sie in den Fässern durch Verdunsten allraälig
an Volum der Flüssigkeit verlieren ; da es im Jura nicht
üblich ist, nachzufüllen, und da kein Wein in theilweise
leeren, selbst gut verspundeten Fässern sich hält, ohne
dass sich seine Oberfläche mit Weinblumen überzieht,
so findet man natürlich diese letzteren stets und sie be-
stehen entweder aus Mycoderma vini oder M. aceti oder
aus beiden. Nur an Ort und Stelle kann man die Ur-
sache des Sauerwerdes untersuchen, indem man von der
Oberfläche des Weines mit einem Glasstäbchen etwas
heraushebt und unter dem Mikroskop prüft.
Beobachtet man das Mycoderma aceti allein und ist
der Wein stark sauer geworden, so ist keine Besserung
möglich, und man thut am besten, ihn durch Aufheben
des Spundes völlig in Essig übergehen zu lassen. Ist
aber die Säure noch nicht stark hervortretend, so kann
der Wein wieder gut gemacht werden, falls er nicht mehr
als 2 Grm. Essigsäure pro Liter enthält. Man nimmt
genau den Titer des gesunden und kranken Weines und
sättigt den Säureüberschuss des letzteren genau durch
Kalilauge ab. Dadurch leidet sein Bouquet nicht im Ge-
ringsten. Ist endlich das Mycod. aceti eben erst in der
Entwickelung begriffen und Essiggeschmack noch nicht
bemerkbar, so thut man gut, den Wein vorsichtig abzu-
ziehen, so dass keine Mycod. aceti mit in das neue Fass
übergeht.
Beobachtet man Mycod. vini, so ist nichts zu fürchten,
im Gegentheil, der Wein ist im besten Werden ; denn
ohne Entwickelung dieses Pilzes bildet sich der Wein
nicht gut aus. Säet man nämlich dieses Mycod. auf
künstlichen Wein aus, so entwickelt sich jederzeit ein
Theil des eigenthümlichen Bouquets; überdies wirkt das
Mycod. vini der Bildung des Mycod. aceti entgegen. Wo
also keine Nachfüllung der Fässer im Gebrauch ist, sich
dennoch die Mycodermen entwickeln, würde es am zweck-
mässigsten sein, vom Beginn an das Mycod. vini aus-
zusäen.
Das Gemisch von Mycod. vini und aceti findet man
auf feinen weissen und rothen Weinen, selten auf gewöhn-
lichen, wenn man nicht fortdauernd ein Fass im Abzapfen
für den täglichen Gebrauch hält. Die ordinairen Roth-
weine führen nur Mycod. vini, weil sie viel stickstoff-
haltige und extractive Materien enthalten; aber die alten
Rothweine von gutem Boden und gutem Jahrgang, welche
Krankheiten des Weines. 259
solche Materien nicht enthalten, sind leicht zur Säuerung
geneigt und gerade die besten Rothweine des Jura gehen,
wenn sie lange auf Fässern liegen, verloren, indem sich
Mycod. aceti auf ihnen entwickelt. So lange sich auf
ihnen nur Mycod. vini zeigt, werden sie immer besser
und feiner. Die Bitterkeit der Weine (alter Geschmack)
rührt von einem Pilze her, welcher aus knotigen, vielästigen
Fäden besteht, begleitet von einer Menge kleiner brauner
Kügelchen. In der Regel findet er sich nur in rothen,
feinen Weinen und zwar häufiger in Burgund als im
Jura. Gewöhnlich erkennt man den Pilz selbst durch
die Flasche als einen schwarzen schwimmenden Nieder-
schlag, und das beste Mittel gegen ihn mag sehr baldige
erneute Schönung und frische Auffüllung des Weines sein.
Die Krankheit des Umschlagens (vins tournes, montes,
qui ont la pousse) trifft alle Arten rother und weisser Weine.
Der sich dabei zeigende Pilz bildet sehr zarte Fäden,
die im Weine herumschwimmen und ihn trüben. Hefe,
der man gewöhnlich diese Trübung zuzuschreiben pflegt,
ist nicht vorhanden. Nach Baiard findet er sich auch
in den umgeschlagenen südlichen Weinen. Anfangs ver-
wechselt man ihn mit dem Milchsäureferment, aber bei
genauer Beobachtung unterscheidet man ihn an den sehr
biegsamen einfachen Fäden ohne Einschnürung, während
das Milchsäureferment kurz gegliedert ist. Es gehört
eine genauere Beobachtung der physiologischen Eigen-
schaften dazu, um die Natur eines Ferments zu erkennen.
Häufig haben die Weine, der Champagner, die Bleicher
und Schaumweine des Jura einen unangenehmen scharfen
Geschmack, dieser rührt ebenfalls von jenem Pilze her.
Oefteres einfaches Umfüllen hilft als Heilmittel dagegen,
worauf jene Fäden sich zu Boden setzen.
Die Weine, welche anfangs stürmische Gährung und
dann wegen ihres Zuckergehaltes noch eine unmerkliche
Gährung durchmachten, enthalten oft alle drei bisher ge-
nannten Pilze.
Die Krankheit der fadenziehenden, schleimigen Weiss-
weine wird durch ein Ferment angezeigt, welches aus
aneinander gereihten, sehr kleinen Kügelchen besteht, ge-
nau von derselben Art, wie bei der künstlichen schleimigen
Gährung. Nach dem Bisherigen ist der Wein das Pro-
duet eines bestimmten Ferments und er verändert sich
durch die Entstellung anderer parasitischer Vegetationen.
zteren entzogen, reift er hauptsächlich in Folge des
Eindringens von Sauerstoff durch die Fassdauben. Um
17*
260 Echten Roihivein v. künstlich gefärbtem zu unterscheiden.
die Ursache der freiwilligen Veränderungen zu beseitigen,
ist ihre Entstehung fortdauernd mittelst des Mikroskops
zu überwachen.
Ausser den angeführten giebt Pasteur auch Zeich-
nungen vom Harnstoffferment des Urins, welches auch
das des rechtsweinsauren Ammoniaks ist, und mit dem
der schleimigen Weine grosse Aehnlichkeit besitzt, ferner
vom Milchsäureferment, welches mit Mycoderma aceti ver-
wechselt werden kann, endlich von einigen Buttersäure-
Infusorien, die eine Menge verschiedener Substanzen in
Gährung versetzen können, unter anderen sehr leicht das
Glycerin. Auch hier beobachtete Pasteur, dass diese
Infusorien ohne Sauerstoff leben können. (Journ. für prakt.
Chem. Bd. 93. 3.) B.
Heber ein einfaches Verfahren, echten Rothwein von
künstlich gefärbtem zu unterscheiden.
Das vom Apotheker Blume in Berlin ermittelte
Verfahren, künstlich gefärbte Rothweine von echten Roth-
weinen zu unterscheiden, besteht in Folgendem. In den
zu prüfenden Rothwein tauche man ein Stückchen Brod-
krume oder einen vorher ausgewaschenen Schwamm
und lasse diesen völlig sich mit dem Weine anfüllen.
Wenn dies geschehen ist, werfe man dann das so
mit Roth wein vollgesogene Stück Brodkrume oder den
Schwamm in einen mit Wasser gefüllten Porzellantel-
ler; es färbe sich das Wasser, wenn der fragliche Wein
mit künstlichen Farbstoffen gefärbt gewesen, sofort röth-
lich-violett, sei der Rothwein dagegen echt, und die Färbung
eine natürliche, so trete erst nach */ 4 bis */ 2 Stunde eine
Färbung des Wassers ein, wobei zuerst ein Opalisiren des-
selben bemerkbar wäre. Ganz genau nach diesen An-
gaben von Boettger, sowohl mit echten, natürlichen
Rothweinen, als auch mit künstlich gefärbten Weinen an-
gestellte Versuche haben demselben keine ganz befriedigende
Resultate gegeben.
Derselbe machte nun bei seinen Versuchen zufällig
die Beobachtung, dass kleine durch verdünnte Salzsäure
von etwaigen Kalkpartikelchen zuvor befreite, hierauf
wieder sehr sorgfältig ausgewaschene und dann getrock-
nete weisse Badeschwämme, sobald sie mit der zu prü-
fenden Weinsorte getränkt, hierauf wieder durch öfteres
(15-maliges) Auswaschen mit gewöhnlichem Brunnen-
wasser und dann durch Ausdrücken zwischen doppelten
Steinerne Weinfässer. 261
Lagen von Fliesspapier trocken gelegt worden, eine ganz
auffallend verschiedene Farbe angenommen hatten. Ein
im natürlichen Rothwein etwa drei Minuten gelegenes
Schwämmehen zeigte sich nämlich nach einer solchen
Behandlang gar nicht gefärbt, dagegen in einem mit
Malvenblüthen oder mit Heidelbeeren gefärbten Weine
eben so lange gelegenes und wie angegeben behandeltes
Schwämmchen erschien stets auffallend bläulichgrau bis
schieferfarben. Boettger empfiehlt das von ihm ver-
besserte Blume'sche Verfahren als probehaltig. {Polyt.
Notizbl. 1864. 7.) B.
Steinerne Weinfässer.
Stamm 's illustrirte Zeitschrift bringt folgende in-
teressante Mittheilung des Herrn Ingenieur Zander über
die Anwendung von Cisternen statt Lagerfässer für Weine:
Es dürfte manchen Leser interessiren, zu erfahren, mit
welchem ausserordentlich guten Erfolge der Grund- und
Realitätenbesitzer Carl Polley in Sessana am Karst
auf seinem namhaften Weinlager sich gegenwärtig fast
ausschliesslich der steinernen Fässer bedient. Polley
wendete vor einigen Jahren in Folge des schnellen Defect-
werdens guter eichener Lagerfässer versuchsweise eine
aus Karster Kalkquader gemauerte Cisterne, welche mit
Laibacher Cement gut gefugt war, zum Einlagern von
circa 100 Eimer seines Weines an. Nach circa ein-
jährigem Lagern war das Resultat dieses ersten Versuches
ein über Erwarten günstiges; der Wein hatte sich voll-
kommen geklärt und der Geschmack desselben übertraf
in Bouquet und Würze nicht nur den in Holzfässern ge-
lagerten Wein derselben Fassung, es stellte sich sogar das
steinerne Lager bedeutend ökonomischer heraus, weil in
demselben keine Zehrung zu finden war, das Weinniveau
war "unverändert in Folge der Dichtheit seiner Wände
bis hart an das im Schlussgewölbe befindliche Spundloch
stehen geblieben.
In Folge dessen beschloss Polley die hölzernen
Lagergefftsse ganz aufzugeben und steinerne Fässer im
Keller anzulegen. Derselbe legte bereits das Ergebniss
seiner letztem Weinernte in eine lange Reihe im directen
Verband Btehender Steinfässer, von denen jedes einzelne
einem Füllraum von 120 bis 150 Kimern entspricht.
Die einzelnen Lagerzellen sind viereckig im Grund-
mit einer nach vorn geneigten ( Jrundiläche versehen,
262 Essigsäure als Product der weinigen Gahrung.
die Umfassungswände sind vertikal aufgeführt, jede Zelle
ist mittelst solidem Tonnengewölbe geschlossen, in deren
Schlussstein das Spundloch sich befindet.
Im Horizont des Grundpflasters befindet sich in der
vorderen Wand eine circa 16 Zoll Diameter haltende
runde Oeffnung, vor welcher ein kleiner eichner Fuss-
boden mit dem Zapfen zum Abziehen des Weines durch
starke Ankerschrauben und eiserne Bügel gut befestigt
ist. (Polyt. Notizbl. 1864. 22.) B.
Unterscheidung des echten Cognacs von sog. Facon-
Cognac.
Wiederhold, der vor einiger Zeit schon ein Mittel
zur Unterscheidung des echten von sog. Facon-Rum an-
gegeben, giebt jetzt ein solches zur Unterscheidung von
echtem Cognac von sog. Fa9on-Cognac. Derechte
Cognac reagirt stets sauer, was bei dem andern nicht der
Fall ist, und giebt mit verdünnter Eisenchloridlösung so-
fort eine tiefschwarze Färbung, während der Facon-
Cognac höchstens nach einiger Zeit missfarbige Nieder-
schläge damit bildet. (Bl.fiir Hdl. u. Gewbe. 1864.) B.
Ueber die Essigsäure als Product der weinigen
Gährung,
Ueber diesen bisher von Pasteur behaupteten und
anderseits bestrittenen Gegenstand theilt auch Maumene
(Compt. rend. T. 27. 398.) seine Ansicht mit.
Er hält es mindestens für sehr zweifelhaft, dass die
Essigsäure das Product der wirklichen normalen Wein-
gährung sei. Denn dass in manchen Weinen wirklich
Essigsäure vorkomme, sei unzweifelhaft, gehöre aber in
ein anderes Gebiet chemischer Veränderungen. Die Con-
statirung der Essigsäure im Wein erfordere besondere
Aufmerksamkeit und Umsicht.
Viele halten das saure flüchtige Destillationsproduct
des Weins für Essig. Aber wenn man dieses Product,
welches in der That stark sauer reagirt und eine ziem-
liche Quantität Natron zur Sättigung erfordert, mit Kali
neutralisirt, eindampft und mit AsO 3 glüht, so beobach-
tet man keine Spur Arsendirnethyloxyd, wenigstens nicht,
wenn man die mit der grössten Sorgfalt behandelten
Champagnerweine zur Untersuchung verwendet.
Ess'jgährung und alkoholische Verbrennung. 263
Das stark sauer reagirende Destillat ist nichts An-
deres als eine Lösung von Kohlensäure in Alko-
hol, welche schon nach Malaguti's Mittheilungen diese
Eigenschaft weit stärker besitzt, als die wässerige Lösung.
Schüttelt man absoluten Alkohol mit trockner Kohlensäure,
so reagirt die Lösung gar nicht auf Lackmus, aber bei
Zusatz von Wasser sogleich, und zwar so stark, wie ver-
dünnte Schwefelsäure.
Maumene für seinen Theil betrachtet die Essig-
säure nicht als ein Product normaler Weingährung.
Bechamp behauptet gerade das Gegentheil, gestützt
auf seine Versuche in einer durchaus normalen Gährung.
(Journ. für prakt. Chemie. Bd. 93. 1.) B.
lieber die Essiggährung und alkoholische
Verbrennung.
Das Vorkommen der Essigsäure unter den mannig-
faltigsten Bedingungen, welches zu der Annahme ihrer
Entstehung durch verschiedene Ursachen führt, hat
Ch. Blondeau (Compt. rend. T. 27. 953) veranlasst,
einige dieser Ursachen aufzusuchen.
Wenn man Zuckerwasser mit einem Eiweisskörper,
z. B. mit Käsestoff, vermischt, so entwickeln sich Myco-
dermen und der Zucker verwandelt sich in Essigsäure.
So lange die Lösung sauer ist, wachsen die Mycodermen
üppig fort, wird sie aber alkalisch durch Fäulniss des
Caseins, dann entstehen Infusorien und die Mycodermen
verschwinden. Derselbe Process findet offenbar auch in
den an Essigsäure reichen Kufen der Stärkefabriken statt,
nur dass hier das Stärkemehl die Essigsäure liefert. Blon-
deau nennt dies speciell Essiggährung.
Die Ansicht Pasteur's, dass Mycoderma aceti den
Sauerstoff der Luft an Weingeist überträgt und so diesen zu
Essigsäure oxydirt, billigt B Ion de au nur mit einer gewis-
Kinschränkung, wodurch dem Mycoderma als lebender
Pflanze der Antheil an der Hssigbildung entzogen wird.
Als Beleg dafür führt Blondeau Versuche an, in
denen er Membranen aus mit Schwefelsäure behandel-
tem Papier, aus dünnen Ilolzlamellen u. a., mit Alkohol
in Berührung brachte und den besten Erfolg erzielte. Er
vergleicht diese Oxydationswirkung mit jener durch Platin-
schwamm oder der Respiration der Pflanzen und Thiere.
>i.m. für prakt. Chemie. Bd. 93* 1.) H.
264 Aetlier im Branntwein und Weinessig.
leber die Menge der in dem Branntwein und Wein-
essig enthaltenen Aether.
Berthelot zieht auf Grund seiner früheren Versuche
über Bildung und Zersetzung der Aether einige Schlüsse
über den Gehalt des Branntweins und des Essigs an
Aetherarten.
Der durch Destillation des Weins oder auch anderer
gegohrener Flüssigkeiten bereitete Branntwein enthält in
der Regel 40 — 60 Gewichtsprocente Aethylalkohol nebst
Spuren von Amylalkohol, ferner Wasser, die flüchtig-
sten Aether des Weins, Spuren ätherischer Oele, Alde-
hyde, empyreumatische Producte und einige den Fässern
entlehnte Stoffe. Nach einigen Jahren wird sich zwischen
den Säuren und dem Alkohol ein Gleichgewichtszustand
hergestellt haben und dieser wird den früheren Beobach-
tungen entsprechend folgender sein: in* dem 60 procenti-
gen Branntwein werden 2 /3, in dem 50 proc. l /5 , in dem
40 proc. J / 6 der ursprünglich vorhandenen Säure ätheri-
ficirt. Ist in einem frischen Branntwein der relative Be-
trag an Aethern geringer als der vorgenannte, so setzt
sich die Aetherificirung bis zu dieser Grenze fort, im
entgegengesetzten Falle findet Zersetzung eines Theils
derselben statt.
Setzt man daher zu einem Branntwein einen fertig
gebildeten neutralen Aether, um ihm ein gewisses Bou-
quet zu ertheilen, so kann man möglicher Weise dadurch
sehr complicirte Wirkungen hervorbringen, die man gar
nicht erwartet. Denn überschreitet dieser Zusatz nur im
Geringsten die Gleichgewichtsgrenze, so wird der Aether
zersetzt und ein Theil seiner Säure und seines Alkohols
werden frei. Diese beiden letzteren werden, namentlich
wenn der Alkohol ein vom Aethylalkohol verschiedener
ist, wieder auf die ursprünglich vorhandenen Säuren und
den Alkohol wirken und neue Aetherarten erzeugen, so
dass das Bouquet ein ganz von dem beabsichtigten ver-
schiedenes werden kann. Dasselbe gilt vom Zusatz eines
Aethers zu irgend einem Weine oder einer anderen
alkoholischen Flüssigkeit.
Im Essig finden sich durchschnittlich kleine Mengen
Weingeist, also auch Aetherarten, sei es, dass sie schon
im Wein vorhanden waren, sei es, dass sie sich erst wäh-
rend der Oxydation durch Einfluss der entstehenden Es-
sigsäure bildeten. Im Allgemeinen bestehen die Aether
aus Essigäther und tragen zum Bouquet der Essige we-
Essigsäuregehalt im Weinessig. 265
sentlich bei. Die Quantität des Essigäthers lässt sich be-
2 a A
rechnen durch die Formel — tt^t; — > worin a das Gewicht
der in 1 Liter enthaltenen Säure, A das Gewicht des
darin vorhandenen Alkohols in Grammen ausdrückt.
(Journ. für prakt. Chem. Bd. 93. 3.) B.
leber die Bestimmung des Essigsäuregehaltes im
Weinessig.
Unter den zahlreichen Methoden, welche im Gebrauch
sind, um den Essigsäuregehalt des Essigs zu bestimmen,
finden diejenigen mit Recht den Vorzug, welche sich
auf das maassanalytische Verfahren stützen. Immer leiden
dieselben aber noch an dem Uebelstande, dass durch die
im gewöhnlichen Essig noch enthaltenen organischen Stoffe,
welche zum Theil bei der Sättigung und namentlich beim
beginnenden Vorwalten des Alkalis eine Veränderung er-
leiden, die Farbe der Lackmuslösung dermaassen alterirt
wird, dass es meist kaum möglich ist, den Punct wahr-
zunehmen, wo das Roth in Blau übergeht und das Re-
sultat der Titrirung daher ein unsicheres bleibt.
Diesem Uebelstande abzuhelfen empfiehlt Jaillard,
die alkalische Titrirflüssigkeit im Ueberschusse anzuwen-
den und dann mit titrirter Schwefelsäure die genaue Sät-
tigung zu bewirken. Man soll sich nach Jaill ard's Vor-
schrift eine Auflösung von kohlensaurem Kali im Ver-
hältniss 1 : 10 bereiten und davon 20C.C, mit 190 C.C.
Wasser und 6 Tropfen Lackmuslösung vermischt, mit nach
G a j - L uss ac bereiteter Schwefelsäure - Probeflüssigkeit
titriren. Alsdann soll man zu einer der vorigen völlig
gleichen Mischung 10 C. C. des zu prüfenden Essigs hin-
zufügen und mit der Gay-Lussac'schen Schwefelsäure den
Sättigungspunct bestimmen. Aus der Differenz der er-
sten und zweiten Titrirung mit Schwefelsäure lässt sich
dann leicht durch folgenden Ansatz der Procentgehalt
des geprüften Essigs berechnen: HO, SO 3 : C 4 H 4 4 =
DifT. : x. Hätte z.B. die erste Titrirung der Kalilösung
19,5 C.C. Schwefelsäure erfordert und die zweite (nach
Zusatz des Essigs) 12 C.C, so erhält man durch Subtrac-
tion die Zahl 7,5 als drittes (Mied der Proportion und
der Essigsäuregebalt beträgt sonach (612,5:750 = 7,5:
x ss 9,113 9,18 i'rocent. (Journ. de Pharm, et de Chim*
Dec.1864.) Weinhold.
266 Wirkung von Jod u. Jodwasserstoffsäure auf Acetylen.
Heber das Verhalten von Acetylen zn Brom.
Hugo Müller versuchte aus gewöhnlichem Lon-
doner Steinkohlengas Acetylen abzuscheiden und leitete
mit Hülfe eines Wassertrommel-Aspirators das Gas durch
ammoniakalische Kupferchlorürlösung, wodurch nach eini-
ger Zeit etwa 1 Kilogrm. der bekannten rothen Acetylen-
kupferverbindung erhalten wurde. Die rothe Verbindung
wurde gewaschen, zum Zweck der Abscheidung des Ace-
tylens mit Chlorwasserstoffsäure behandelt und das sich
entwickelnde Gas aufgefangen. Zur Darstellung von
Bromacetylen wurde das Gas langsam durch einen Brom
enthaltenden Kugelapparat geleitet, wobei anscheinend
keine Einwirkung des Gases auf das Brom wahrgenom-
men werden konnte. Das im Kugelapparate befindliche
Brom wurde in verdünnte Sodalösung gelegt, wobei eine
sehr geringe Menge einer schweren ölartigen Flüssigkeit
blieb, welche möglicher Weise Bromacetylen, aber zu
gering war, um dies zu constatiren. (Ztsclir. für Chem. u.
Pharm. 3. 1864) . B.
Wirkung von Jod und Jodwasserstoflsäure auf
Acetylen.
Bei gewöhnlicher Temperatur scheint sich das Ace-
tylen mit Jod selbst im Sonnenlichte nicht zu verbinden.
Wenn man aber im zugeschmolzenen Rohre 15 — 20 Stun-
den lang auf 100° erhitzt, so erhält man nach Berthelot
ein krystallisirtes Jodür, welches dem Aethylenjodür sehr
ähnlich ist, bei 70° schmilzt und die Zusammensetzung
C4H2J2 hat.
Concentrirte Jodwasserstoffsäure absorbirt bei ge-
wöhnlicher Temperatur das Acetylen langsam und giebt
ein flüssiges Dijodhydrat C 4 H 2 , 2 HJ, welches bei 132»
ohne Zersetzung flüchtig ist. Seine Dichte ist &twa dop-
pelt so gross, als die des Wassers. Es entsteht durch
directe Vereinigung beider Körper. Es ist beständiger
als das Aethylenjodür.
Das Acetylenjodür sowohl, wie das Acetylenjodhy-
drat geben mit alkoholischem Kali behandelt wieder Ace-
tylen. Das Aethylenjodür giebt unter gleichen Umstän-
den ebenfalls eine gewisse Menge Aethylen. Aehnliches
hat Reboul bei der Einwirkung von alkoholischem Kali
auf die Bromderivate der genannten Gase beobachtet.
Mit concentrirter Bromwasserstoffsäure auf 100°
erhitzt, giebt das Acetylen eine gasförmige oder sehr fluch-
Leichte Darstellungsweise für Zinkäthyl. 267
tige bromirte Verbindung; dieselbe ist wahrscheinlich
ein Monobromhydrat C^H^Br = C 4 H 2 ,HBr und isomer
mit dem Bromäthylen. Eine analoge, aber chlorhaltige
Verbindung entsteht fast immer bei der Darstellung von
Acetylen aus einem Kupferacetylür bei Gegenwart eines
grossen Ueberschusses von Salzsäure.
Diese Körper erinnern besonders an verschiedene
Chlorhydrate des Terpentinöls: C20H16, 2H Cl und C20H*6,
HCl; ebenso an gewisse von Wurtz neuerlich entdeckte
Derivate des Allyls.
Die Beziehungen zwischen allen diesen Körpern und
den Abkömmlingen, welche man durch bekannte Methoden
leicht daraus gewinnen könnte, sind vergleichbar mit
denen, auf welche Berthelot früher bezüglich des Tri-
chlorhydrins C^CP un d des Epi-Dichlorhydrins C^H^Cl*,
die beide fähig sind, den Alkohol, das Glycerin, zu erzeu-
gen, hingewiesen hat; ebenso mit denen, welche zwischen
dem Propylenbromür C 6 H6ßr 2 und dem Allylbromür
C 6 H 5 Br bestehen, aus welchen zwei verschiedene Alko-
hole, ein zweiatomiger und ein einatomiger, entstehen.
Wenn Acetylen mit Chlorzink auf 250° erhitzt wird,
so verwandelt es sich in einen polymeren Körper, der
durch sein Aussehen, seinen Geruch und seine Dichtig-
keit an Gaskohle erinnert. (Compt. rend. 1864. — Chem.
Centrbl. 1864. 54.) B.
Leichte Darstcllungsmcthodc für Zinkäthyl.
Synthese des Propylens.
Die durch Anwendung einer Legirung von Zink mit
Natrium an Stelle des reinen Zinks schon sehr erleich-
terte Darstellung des Zinkäthyls haben P. Alexeyeff
und F. Beilstein (Compt. rend. T. 58. p. 171) dadurch
sehr vereinfacht, dass sie ein Gemisch einer kleinen
Menge von Zink- Natriumlegirung mit Drehspänen von
Zink anwenden. Es genügt, einem Gemenge von Zink«
drehspünen mit Jodäthyl einige Grammen der pulverisir-
ten Zink- Natriumlegirung zuzusetzen, um sogleich die
Reaction beginnen zu sehen; ist diese einmal im Gange,
so wird sie durch das Zink eben so rasch und regel-
mässig zu Ende geführt, wie durch die Natriumlegirung.
Eine einmalige Darstellung der Zink - Natriumlegirung
genügt also zur Bereitung einer unbestimmten Menge von
Zinkäthyl.
Geeignete Verhältnisse bei dieser Darstellung sind
268 Leichte Darstellungsweise für Zinkäthyl.
z. B. 100 Grm. Jodäthyl, 7 — 8 Grm. Natriuralegirung und
70 — 80 Grm. über Schwefelsäure getrocknete Zinkdreh-
späne.
Wirkung von Bromoform auf Zinkäthyl.
Es ist bekannt, dass das Zinkäthyl durch Chloroform
unter Bildung von Amylen zersetzt wird:
C2H C13 + 3 (Zn C4H5) = ciORio _f_ 3 ZnCl -f C*IR
Amylen = C*H5j
-f C 4 H4 = Formylo-Aethylen-Aethyl.
+ C2H )
Die Verfasser untersuchten das Verhalten des Chloro-
forms, des Bromoform s und Jodoforms zu Zinkäthyl, da
diese in den Formeln ähnlichen Körper bekanntlich nicht
immer dieselben Reactionen zeigen, wie z. B. ihr verschie-
denes Verhalten gegen Aethernatron beweist. Der Ver-
such Hess wirklich auch in diesem Falle eine Verschie-
denheit erkennen.
Das Bromoform reagirt viel lebhafter auf das Zink-
äthyl als das Chloroform; jeder Tropfen, welcher auf das
erkaltete Zinkäthyl fällt, bringt eine sehr lebhafte Reac-
tion hervor. Die entweichenden Producte wurden durch
eine erkaltete Rohre in einen Brom enthaltenden Kugel-
apparat geleitet. In der kalten Röhre verdichtete sich
eine gegen 41° C. siedende Flüssigkeit, die reines Brom-
äthyl war. Die entweichenden Gase wurden vollständig
von Brom absorbirt. Durch Sättigung des Broms mit Aetz-
natron schied sich ein bei 142° siedendes Oel ab, dasPro-
pylenbromür war. Gleichzeitig war eine kleine Menge
Aethylenbromür entstanden, durch die Entwickelung von
ein wenig Aethylen, welches fast stets als secundäres
Product bei allen Reactionen des Zinkäthyls auftritt. Die
Zersetzung ging daher nach folgender Gleichung vor sich:
C2HBr3 -f 2 (Zn C«H*j = C&H6 + G*H*Br -f 2 Zn Br.
Bei Behandlung des erhaltenen Propylenbromürs mit
Natriurnärhyl und Einleiten des entwickeltenGases in ammo-
niakalische Kupferchlorürlösung entstand der charakteristi-
sche gelbe Niederschlag von Kupfer all ylü r. Es unter-
liegt daher keinem Zweifel, dass das durch Addition der
zwei Radicale C 2 HundC 4 H 5 gebildete Propylen nicht
identisch ist mit dem durch gewöhnliche Mittel entstehen-
den Propylen.
Das Jodoform reagirt gleichfalls mit grosser Heftig-
Einwirkung von Brom und Jod auf Allylen. 269
keit auf Zinkäthyl, es konnte dabei aber keine Entwicke-
lung eines flüchtigen Products beobachtet werden.
Schliesslich erwähnen Alexeyeff und Beil stein,
dass .sie vergebens das Chromallylür darzustellen ver-
suchten. Das violette Chromsesquichlorid wirkt nur in
hoher Temperatur auf Zinkäthyl; die grüne Färbung der
Flüssigkeit beweist eine Reduction desselben zu Chroni-
chlorür. (Journ.für prallt. Ckem. Bd. 93.2.) B.
Einwirkung von Brom und Jod auf Allylen.
Das zu den Versuchen verwandte Allylen wurde von
Oppenheim nach der Methode von Sa witsch dar-
gestellt. Wegen seiner leichten Löslichkeit in Alkohol
und in Wasser muss es über concentrirter Kochsalzlösung
aufgefangen werden. Giesst man in einen mit diesem
Gase gefüllten Ballon im Schatten tropfenweise Brom, so
erhält man ein klares und durchsichtiges Gemenge von
zwei verschiedenen Bromüren. Arbeitet man in der Sonne,
so entwickelt der erste Tropfen Brom, welcher mit dem
Allylen in Berührung kommt, Bromwasserstoffsäure, und
man erhält eine schwarze, zum Theil kohlige Flüssigkeit,
welche aus verschiedenen, noch nicht isolirt erhaltenen
Producten besteht. Die beiden erstgenannten Bromver-
bindungen kann man durch Destillation im Vacuum im
reinen Zustande herstellen. Allylen -Dibromür, C 6 H 4 Br 2 ,
ist eine farblose Flüssigkeit von süsslichem Geschrnacke,
deren Dämpfe die Augen stark reizen. Dichte = 2,05
bei 0°. Sie siedet an der Luft ohne sich zu zersetzen.
Der grösste Theil geht ungefähr bei 132° über. Hier-
durch unterscheidet sich diese Verbindung von den
beiden Isomeren: dem Zweifach -Bromwasserstoffsäure-
Glycidäther, der bei 151 — 152° siedet, und dem Di-
brompropylen, dessen Siedepunct bei 120° liegt. Ally-
len -Tetrabromür, C 6 H 4 Br 4 , ist eine ungefärbte Flüssig-
keit von stark kampherartigem Gerüche, Dichte = 2,94
bei 0°. Unter einem Drucke von 1 Cent, geht es zwi-
schen 110° und 130° fast ganz über. Der Siedepunct liegt
zwischen 225° und 230°, ist also niedriger, als der des
bromirten Zweifach- Brom wasserstoffsäure- Glycidäthers,
und nicht sehr von dem des Dibrompropylenbromürs ent-
fernt. Quecksilber wirkt bei 100° nicht auf das Tetra-
bromür ein. Bei YM) {) verkohlt es dasselbe vollständig.
Jod verbindet sich mit dem Allylen. Beide Sub-
stanzen in einem geschlossenen Ballon der Sonne aus-
270 Dihydrat des Diallyls.
gesetzt, hatten sich nur langsam und theilweise mit ein-
ander vereinigt. Am Boden des Gefässes fanden sich
einige Tropfen von Allylen-Dijodür, C 6 H 4 J 2 . Die Ein-
wirkung erfolgt nicht merklich schneller, wenn man im
Wasserbade erhitzt. Mit Vortheil aber erhitzt man das
trockne Allyl mit einer Jodlösung in Schwefelkohlenstoff
oder in Jodkalium. Das Allylen-Dijodür ist eine farb-
lose Flüssigkeit, welche sich bei der Destillation zersetzt.
Auf Zusatz von Brom erhitzt sie sich beträchtlich. (Compt.
rend. T. 58. 1864. — Chem. Centrbl. 1864. 54.) B.
lieber das Dihydrat des Diallyls.
Durch Behandlung des Jodallyls C 6 H 5 J mit Na-
trium erhielten Berthelot und de Luca das Allyl =
(C 6 H 5 , C 6 H 5 ). Wenn man dasselbe in einem geschlosse-
nen Gefässe mit überschüssiger, sehr concentrirter Jod-
wasserstoffsäure behandelt, so bildet sich nach A. Wurtz
einDijodhydrat C 12 H 10 ,2HJ, welches nicht ohne Zersetzung
flüchtig ist. Durch Behandlung der von der überschüssigen
►Säure getrennten Flüssigkeit mit schwacher Lauge, Trock-
nen über Chlorcalcium und Erhitzen im Vacuum auf 130° bis
140° erhält man es ziemlich rein, obgleich etwas durch
freies Jod gefärbt. Es ist eine schwere, in Wasser un-
lösliche Flüssigkeit. Durch Natrium wird es unter Bil-
dung von Jodnatrium in ein Gemisch von Kohlenwasser-
stoffen, welches wahrscheinlich Allyl und Hexylen ent-
hält, und Wasserstoff zerlegt. Dieses Dijodhydrat wirkt
bei gewöhnlicher Temperatur auf essigsaures Silberoxyd.
Um die Reaction zu massigen, vertheilt man letzteres in
Aether und fügt eine äquivalente Menge Dijodhydrat hinzu.
Nach 24 Stunden fügt man mehr Aether hinzu, filtrirt
vomJodsilber ab und unterwirft die Flüssigkeit der frac-
tionirten Destillation. Man erhält dadurch vier Producte:
Diallyl, C 12 H 10 , Essigsäure und zwei Essigsäureverbin-
dungen, deren eine bei 154°, die andere über 200° siedet.
Die letztere enthält ein dem Dijodhydrat entsprechendes
Diallyl-Diacetat. Dieses ist eine farblose, dicke,
etwas aromatisch riechende Flüssigkeit von 1,009 specif.
Gew. bei 0°. Sie ist unlöslich in Wasser, zersetzt sich
nicht merklich bei 250« und siedet bei 225<>— 230°.
Die zwischen 200° und 215° übergegangenen An-
theile führten bei der Analyse auf die Formel des Mono-
acetats: C 12 HK>, H 2 2 , OHSCR Es existirt ein diesen
beiden Acetaten entsprechendes Dihydrat, das man durch
Einwirkung des Natriums auf Valeraldehyd. 271
vorsichtige Behandlung jener mittelst trockenen Aetzkalis
erhält; es bildet eine farblose, syrupdicke Flüssigkeit
von 0,9638 spec. Gew. bei 00 und 0,9202 bei 65<>, siedet
bei 212° — 215° und löst sich in Wasser, Alkohol und
Aether. Seine Zusammensetzung ist die des Hexylglykols =
C 12 H 14 4 . Wurtz glaubt, dass zwischen dem neuen Kör-
per und dem Hexylglykol dieselbe Isomerie besteht, wie
zwischen dem Amylhydrat und Amylalkohol. Wenn man
das Dihydrat im geschlossenen Gefasse mit sehr concen-
trirter Salzsäure erhitzt, so scheidet sich bald eine Flüs-
sigkeit aus, welche das Dichlorhydrat des Diallyls =
C12H10, H2C1 2 ist. Es siedet gegen 1700—173«. Diese
Reaction ist mit der der Jod- oder Chlorwasserstoffsäure
auf Amylenhydrat, die Amy len-, Jod- oder Chlorhydrat bil-
det, identisch. Es ist daher anzunehmen, dass das Di-
allylhydrat nur isomer mit dem Hexylglykol ist; ent-
scheiden kann sich dies erst, wenn der letztere aus dem
Hexvlen dargestellt ist.
Das Diallyl (C6H5, C6H5) verhält sich in allen die-
sen Reactionen wie ein ungesättigter Kohlenwasserstoff
der Formel C 2n H 2n-2 . Um sich zu sättigen, muss es
sich mit 2 At. Jodwasserstoffsäure oder deren Aequivalen-
ten vereinigen, um Verbindungen von dem Typus C 12 H 10
-f- 4 x zu bilden, wo x ein einatomiges Element oder
eine einatomige Gruppe ist. Es kann sich aber auch
mit 1 At. Jodwasserstoff oder dessen Aequivalent ver-
binden und entspricht dann dem ungesättigten Typus
(J12JJ10 _|_ 2 x, nach welchem es eine der zweiatomigen par-
allele Reihe einatomiger Verbindungen bildet, die Wurtz
demnächst beschreiben wird. (Compt. rend. T. 58 — Chem.
Centrbl 1864. 20.) B.
leber die Einwirkung des Natriums auf
Valeraldehyd,
Die Resultate der Arbeit A. Borodin's über die
Einwirkung des Natriums auf Valeraldehyd lassen sich
in Folgendem zusammenfassen.
Bei der Einwirkung von Natrium auf Valeraldehyd
wird Wasserstoff ausgetrieben ; die dabei sich bildende
natriuinlialtige Substanz ist aber kein einfaches Substitu-
tionsproduet, sondern ein Gemisch.
Beim Behandeln dieses Gemisches mit Wasser wird
dasselbe zersetzt.
Unter den Zersetzungsprodueten wird weder Valer-
272 Darstellung der Valeriansäure.
aldebyd, noch ein Polymeres oder Isomeres des letzteren
aufgefunden, was für die Abwesenheit eines Natrium-
valeraldehydrats in der ursprünglichen Substanz spricht.
Die wesentlichen Zersetzungsproducte sind : Aetz-
natron, baldriansaures Natron, Amylalkohol Und zwei neue
Körper: C20H22()2 und C20H»SO2.
Die Baldriansäure wird auf Kosten des in dem Alde-
hyd selbst enthaltenen Sauerstoffs gebildet und nicht als
Nebenproduct durch Oxydation des Aldehyds an der
Luft.
Der Körper C 2 0H 2 2()2 ist ein einatomiger Alkohol,
welcher mit dem der Caprinsäure entsprechenden iden-
tisch oder eher isomer sein kann.
C20H ,9 O 2 ist ein neutraler Körper von noch unbestimm-
ter chemischer Natur; erscheint aber durch Natrium ersetz-
baren Wasserstoff zu enthalten.
Weit entfernt davon, daraus Schlüsse für das Ver-
halten anderer Aldehyde zu ziehen, hat Borodin die
Absicht, weitere Forschungen zu unternehmen und zu ent-
scheiden : 1) ob die dem Valeraldehyd homologen Alde-
hyde sich ähnlich verhalten und Alkohole, die mit dem
Körper C 2 0H 2 2O2 homolog sind, geben; 2) ob nicht bei
der Einwirkung von Natrium auf ein Gemisch von zwei
Aldehyden ein intermediärer Alkohol gebildet wird, ähn-
lich z. B. wie bei der Einwirkung von Schwefelsäure zu-
gleich auf zwei Alkohole intermediäre oder gemischte
Aether, bei der Elektrolyse der Salze von zwei verschie-
denen fetten Säuren intermediäre Kohlenwasserstoffe, bei
ihrer Destillation intermediäre Kohlenwasserstoffe und bei
ihrer Destillation intermediäre Ketone gebildet werden.
Auf diese Art wäre es vielleicht möglich, bei gleich-
zeitiger Anwendung z. B. von C4H402 mit C'OHIOO 2
oder OH60 2 mit CSBPO 2 Alkohole zu bekommen,
welche mit dem der Oenanthylsäure nur isomer wären.
Dieses könnte vielleicht einiges Licht über die Isomerie
der Alkohole verbreiten. (Ztschr. für Chem, u. Pharm.
Jahrg. 7. Hft. 12.) B:
Heber die Darstellung der Valeriansäure.
N. Lawross und N. Jazukowitsch untersuchten
den Einfluss verschiedener Mengenverhältnisse an Schwe-
felsäure, Kalibichromat und Fuselöl auf die Ausbeute
an Valeriansäure. Es resultirt aus ihren Versuchen, dass
die theoretische Menge der Bestandtheile, nach der For-
Valerijlen. 273
mel: SCMH 1 **)' + 4 (KO, Cr^O« + 16(H0, S03) =
3CiOHiOO^ + 4(KO, S03 + Cr203, 3S03) 4- 22 HO
die geringste Ausbeute liefert, während nach Traut-
wein's Vorschrift (5,1 Gewth. KO, Ct^O* , 3,9 Gewth.
HO, S03, 1 Gewth. C10H12O2, 3,9 Gewth. HO) die
grosseste Menge Yaleriansäure erhalten wird. Bei der
Bereitung der Yaleriansäure ist im Allgemeinen Folgendes
zu beachten:
1) Das chromsaure Salz darf nur gröblich gepulvert
werden.
2) Die Schwefelsäure wird mit dem Fuselöl vorsich-
tig und in kleinen Mengen gemischt.
3) Das Gemisch von Schwefelsäure und Fuselöl kann
anfangs ziemlich rasch zu der in einer Retorte befind-
lichen Lösung des Kalibichromats in Wasser gegossen
werden ; das erste Viertel sogar auf einmal. Dann aber
muss das Gemenge tropfenweise zugegeben werden, doch
auch nicht zu langsam, damit die Flüssigkeit nicht aus
dem wallenden Sieden kommt.
4) Bei heftiger Reaction ist die Ausbeute an Valerian-
säure stets grösser, auch destillirt diese dann rascher ab.
Ist hierauf 2 — 2 1 / 2 mal so viel übergegangen als Fuselöl
angewandt wurde, so kann man das von Trautwein
vorgeschriebene Nachgiessen von Wasser unterlassen,
nur muss dann die Menge des angewandten Wassers
5 mal so gross sein, als die Menge des Fuselöls.
5) Lässt die Reaction nach, so unterstütze man sie
durch Erwärmen. Die Retorte kann bis zu 3 / 4 mit dem
Gemisch angefüllt werden, da sich bei der Operation kein
starker Schaum bildet. (Zeitschr. für Chemie u. Pharmac.
1864. 3.) B.
leber das Yalerylen.
Reboul hat nach der für andere Kohlenwasser-
stoffe der Reihe C 2n H 2n — 2 bereits ausgeführten Methoden
aus dem Amylen durch Darstellung des Dibromürs und
mehrstündiges Erhitzen desselben auf 140° mit weingei-
Kalilauge in geschlossenen Röhren das Valerylen
C^H 8 dargestellt. Es ist eine farblose, sehr bewegliche
Flüssigkeit von durchdringendem, knoblauchartigen Ge-
rüche, leichter als Wasser, worin es sicli wenig löst.
Siedepunct bperationen ausreicht, ein besseres Präparat, namentlich
\§t die Oleinsäure eben so schön, ja selbst besser, als die
zur Fabrikation de* Seife gesuchtesten Oele.
Hierdurch würde sich der Process der Verabeitung der
Oele umkehren. Während man jetzt die fetten Körper
auf Stearinsäure verarbeitet und Oleinsäure im Rückstände
behält, kann man künftig direct Oleinsäure fabriciren
und erhält dabei eine Stearinsäure, deren Preis sich dann
280 Glycerin zur Extraction und Conservation von Aromen.
um den Werth der gewonnenen Oleinsäure verringern
muss.
Zum Zwecke der Seifenbereitung kann man entweder
reine Oleinsäure oder dieselbe mit anderen Oelen ge-
mischt benutzen. Im ersteren Falle genügt es, die Säure mit
schwacher Lauge zu sättigen. Die Seifenkügelchen bilden
sich sofort und man kann dieselben sogleich zur Schmelzung
bringen. Wendet man einen Zusatz von Oel an, oder
benutzt man bloss Oel, wie dies gegenwärtig geschieht,
so verfährt man auf die oben für den Talg angegebene
Weise, man zertheilt das Oel, so dass es Kugelform an-
nimmt und rührt heisse gesalzene Lauge darunter, bis
die Seifenbildung vollendet ist. Darauf schmilzt man,
trennt die Seife von der Lauge und bringt sie in die
Formen. Der ganze Process erfordet nur 6 Stunden
wirklicher Arbeit und in 14 Stunden gewinnt man eine
Seife vorzüglicher Qualität. (Compt. rend. T. 58. 864. 1864.)
Pelouze knüpft an diese Mittheilung einige Bemer-
kungen und erwähnt dabei, dass man durch gewöhnliche
Seife bei einer Temperatur von etwas über 100° aus neu-
tralen Fetten die fetten Säuren abscheiden könne, und
dass verschiedene Fabrikanten durch Anwendung dieses
Mittels bereits den zur Seifenbildung nöthigen Kalk von
25 bis 5 oder 6 Proc. verringert haben, und dass diese
Operation bei Anwendung von mehren Kilogrm. Fett
ebenfalls in 4 — 5 Stunden zu vollenden sei. Schliesslich
zweifelt Pelouze, dass das von Mege-Mouries em-
pfohlene Verfahren dieses letztere verdrängen werde.
Chevreul dagegen hebt nochmals die Vorzüge des
Processes von Mege-Mouries hervor. {Compt. rend.
T. 58. 868. 869. 1864. Chem. Central. 1864. 54.) B.
Glycerin zur Extraction und Conservation von Aromen;
von Tichborne.
Frische Fliederblumen sollen sich in Glycerin ge-
taucht vollkommen unverändert erhalten und demselben
ihren Geruch mittheilen. Aus einem so aromatisirten
Glycerin kann man durch Destillation mit Wasser ein
vortreffliches Fliederwasser bereiten. Das Glycerin selbst
ist nach der Concentration zu gleichem Zwecke wieder
anwendbar. Zarte Aromata, die Erhitzung nicht ver-
tragen, gewinnt man leicht, indem man das damit impräg-
nirte Glycerin verdünnt und mit Chloroform schüttelt,
Leber Kirschlorleerivasser. 281
welches sie ihm entzieht. Nach Absonderung und Ver-
dunstung des Chloroforms bleiben die riechenden Sub-
stanzen unverändert zurück. (Pharm. Journ. and Tr ansäet.
Vol. VI. Nro. 5. Novbr. 1864. p. 206.) Wp.
leber Kirschlorbeerwasser.
Bei der Prüfung eines von einem pariser Handels-
hause bezogenen Kirschlorbeerwassers nach dem Buignet-
schen Verfahren (Titriren mit ammoniakalischer Kupfer-
lösung) bemerkten Blondlot und Fraisse, nachdem
sich der vorschriftsmässige ßlausäuregehait erwiesen hatte,
dass sich die Flüssigkeit allmälig trübte und weisse käsige
Flocken ausschied. Diese Erscheinung, welche Blondlot
bei seinen zahlreichen Prüfungen bei Gelegenheit der
Apothekenrevisionen bis dahin erst zweimal entgegen-
getreten war, veranlasste den Apotheker Fraisse zu
einer Untersuchung dieser ausgeschiedenen Substanz,
welche in folgender Weise ausgeführt wurde. 2000 C.C.
Aq. Laurocerasi wurden mit 200 C.C. Ammoniakliquor
und soviel Kupferlösung versetzt, dass die blaue Färbung
eben eintrat; hierauf wurde 8 Stunden stehen gelassen,
die auf der Oberfläche abgeschiedene Schicht weisser
Flocken gesammelt und über Schwefelsäure ausgetrocknet.
Nach abermaligem Stehenlassen der Flüssigkeit hatte sich
ein schwefelgelber Bodensatz gebildet, welcher nach
24 Stunden gesammelt und wie der vorige getrocknet
wurde. Die noch immer gelblichtrübe Flüssigkeit wurde
sodann mit Schwefelsäure schwach übersättigt, worauf sich
auf der Oberfläche einige rothe Oeltropfen und am Boden
ein grünlicher Niederschlag ausschieden und die Flüssig-
keit fast völlig klar wurde. — Die ersten beiden flockigen
Niederschläge (von denen der erste 1,615 Grm., der
zweite 1,205 Grm. betrug) besassen, ebenso wie das zu-
letzt ausgeschiedene rothe Oel, einen intensiven Geruch
nach Kirschlorbeerwasser, waren vollkommen verbrenn-
lich, gaben beim Erhitzen für sich Blausäure- und Benzoe-
geruch und zuletzt einen Geruch nach Zwiebeln, und beim
Erhitzen mit Aetzkalk, nach vorherigem Abdampfen mit
Salzsäure, eine Entwickelung von Ammoniak. Kalter
40-proc. Weingeist zog aus beiden Niederschlägen eine
rothe, ölige, stark npch Aq. Laurocerasi riechende Sub-
stanz aus. Koehender Weingeist löste die Niederschläge
auf und gab beim Verdunsten Krystalle, welche bei
dem zweiten Niederschlag besonders schon in Büscheln
282 Synthese des Benzoylchlorihrs und der Benzoesäure.
angeordnet waren, und sich auch leichter in Aether,
Chloroform und Benzin lösten, als die vom ersten. —
Frais se schloss hieraus, dass jene beiden ausgeschie-
denen Substanzen Verbindungen des Ammoniaks mit dem
Kirschlorbeeröle seien und somit dem Benzamid nahe-
ständen. — Der durch Schwefelsäure erzeugte grünliche
Niederschlag war geruchlos und erwies sich als eine Ver-
bindung des Kupfers mit Cyan. — Das durch Aether ge-
sammelte rothe Kirschlorbeeröl betrug 0,457 Gramm. Es
geht daraus hervor, dass jene Erscheinung nach dem
Titriren der Aq. Lauroc. mit ammoniakalischer Kupfer-
lösung noch als ein Zeichen von Güte des Präparats an-
zusehen ist, indem dadurch auch eine reichliche Gegen-
wart von Kirschlorbeeröl angezeigt wird.
Zum Schluss bemerkt Fraisse noch, dass er die
vonBuignet und May et gemachte Beobachtung, wonach
die Aufbewahrung des Kirschlorbeerwassers in undurch-
sichtigen Gefässen als unnöthig erscheint, vollkommen
bestätigen könne. (Journ. de Pharm, et de Chim. Juillet 1864.)
Weinhold.
Synthese des Benzoylchlorürs und der Benzoesäure.
Die homologen Säuren der Essigsäure und Benzoe-
säure spalten sich bekanntlich, wenn sie mit einem Ueber-
schuss von Kali, Kalk oder Baryt destillirt werden, in
Kohlensäure, welche mit den Basen verbunden bleibt, und
in Kohlenwasserstoff, welcher zwei Atom Kohlenstoff weniger
enthält als die angewendete Säure: C 2n H m -f- O 4 = C 2a ~ 2
H m -f~ C 2 O 4 . Unter diesen Umständen giebt z. B. die
Essigsäure Sumpfgas und Kohlensäure und die Benzoe-
säure Benzol und Kohlensäure.
Th. Harnitz-Harnitzky hat mit Erfolg versucht,
das Umgekehrte zu erreichen, nämlich durch Verbindung
der betreffenden Kohlenwasserstoffe mit Kohlensäure jene
Säuren wiederherzustellen. Reines Kohlenoxychlorür wurde
in einer erhitzten Retorte im Sonnenlichte mit Benzoldämpfen
gemischt. Letzteres verbindet sich nur in Gasform mit
dem Oxychlorür, flüssiges Benzol dagegen wirkt gar nicht
ein. Bei dieser Reaction entsteht immer Salzsäure; das
Product wurde durch Destillation im Wasserbade von
dem unveränderten Benzol getrennt, es destillirte zwischen
195° und 200°. Durch eine zweite Destillation erhielt man
eine bei 198° siedende Flüssigkeit von einem durchdringen-
den, die Augen und die Lungen stark reizenden Gerüche,
welche mit sehr stark russender Flamme brannte, in
Ueber den Perubalsam. 283
Wasser untersank und allmälig in eine krvstallinische
Masse überging. Letztere ist sehr wenig in kaltem, leich-
ter in siedendem Wasser löslich, bei der Abkühlung giebt
sie lange Krystalle, welche bei 121,5° schmelzen; sie
sublimirt leicht und giebt schöne Krystalle ganz von dem
Aussehen der Benzoesäure. Die Lösung dieser Krystalle
reagirt sauer, und wenn man dieselbe mit kohlensaurem
Kalke neutralisirt, erhält man die für den benzoesauren
Kalk so charakteristische Krystallform.
Aus allem diesen geht hervor, dass die obenerwähnte
aus dem Oxychlorür und den Benzoldämpfen entstandene
Flüssigkeit Benzoylchlorür war. Die daraus entstandene
►Säure ist Benzoesäure, wie sich aus dem Schmelzpunkte
und der Krystallform des Salzes ergiebt.
Die Reaction bei der Entstehung des Benzoylchlorürs
ist folgende C12 H6 + C2 O* Cl* == H C1 + C" H* O* Cl,
und der Uebergang des Benzoylchlorürs in Benzoesäure
Ci4 R5 02 Cl + 2H0 = C »4 H6 O* + H Cl.
Da nun Berthelot aus Schwefelkohlenstoff und Schwe-
felwasserstoff, bei Gegenwart von Kupfer Aethylen, aus
diesem gewöhnlichen Alkohol und aus letzterem wiederum
Benzol dargestellt hat, so zeigt der in dieser Abhandlung
beschriebene Versuch Harn itz- Harn itzky 's, dass man
die Benzoesäure, einen an Kohlenstoff reichen organischen
Körper, nunmehr direct aus den Elementen darzustellen
vermag. (Compt. % rend. 1864. Chem. Centrbl. 1864. 37.) ß.
lieber den Perubalsam.
Ueber die Gewinnungsart des Perubalsams an Ort
lind Stelle ist man durch Hanbury jetzt im Klaren.
Auch die chemische Constitution desselben kennt man
ziemlich genau. Dagegen weiss man nicht, wie der Bal-
sam im Baume vorkommt, und welche Veränderung er
etwa durch die Manipulationen erleidet, die man bei
seiner Gewinnung anwendet. Attfield hat in dieser Be-
ziehung einige Versuche angestellt, zu denen er theils
einen kleinen Ast, theils ein Stammstück des Baumes
vorwendete. Rinde, Splint und Kernholz wurden geson-
dert, geraspelt und die Späne besonders einer allmälig
gesteigerten Hitze ausgesetzt. Dabei wurde keine Aus-
sebwitzung wahrgenommen, auch kein dem des Peru-
balsams ähnlicher Geruch. Bei schliesslich vor sich gehen-
der trockru-f Instillation kam saures Wasser und Theer.
Die obengenannten Ilolztheile lieferten mit Aether alle
284 Nitrodracylsäure.
ein hellbraunes Weichharz von gleichem, aber nicht an
Perubasalm erinnernden Geruch, aus dem sich nach einigen
Tagen an der Oberfläche ein wenig hellbraunes Oel aus-
schied. Beim Erhitzen des Harzes mit Wasser verbreitete
sich zwar ein Geruch, aber wieder nicht nach Perubalsam,
auch nahm das Wasser keine saure Reaction durch Zimmt-
säure an, wie es unter gleichen Umständen beim Peru-
balsam der Fall ist. Auch Hess sich mit kohlensaurem
Natron aus dem Harze keine Zimmtsäure ausziehen. —
Der harzartige Bestandtheil des Perubalsams färbt sich
mit concentrirter Schwefelsäure tief purpurroth, das aus
dem Holze gewonnene Harz zeigt keine solche Reaction.
Man sieht hieraus, dass ein Aufschluss über die Bil-
dung des Perubalsams noch zu erwarten ist. (Pharm.
Journ. and Transact. Vol. VI. No. 5. Novbr. 1864. p. 204.)
Reduction der salicyligen Säure zu Saligenin.
A. Reinecke und F. Beilstein Hessen Natrium-
amalgam auf salicylige Säure einwirken. Das Natrium
löste sich mit Leichtigkeit auf, nach einigen Tagen ent-
wickelte sich Wasserstoffgas und die alkalische Flüssigkeit
gab mit Schwefelsäure neutralisirt nach dem Eindampfen
und Lösen der zurückbleibenden Masse in Alkohol Kry-
stalle, die in allen Eigenschaften mit dem Saligenin über-
einstimmten. Die Entstehung des Saligenins erklärt sich
nach der Gleichung:
CHH6Ö4 + H2 -. C14H304
salicylige Säure Saligenin.
(Ann. der Chem. u. Pharm. CXXVIII. 179 — 180.) G.
Nitrodracylsäure.
Die Nitrodracylsäure = C 14 H 5 (N0 4 )0 4 , welche
durch Kochen des Toluols mit rauchender Salpetersäure
gebildet wird, wurde bereits im Jahre 1843 von Glenard
und Boudault entdeckt und ist später von G. Fischer
unter dem Namen Paranitrobenzoesäure beschrieben
worden. Diese der Nitrobenzoesäure isomere Säure haben
jetzt J. Wilbrand und F. Beilstein einer genaueren
Untersuchung unterworfen. Ausser den schon durch
Fischer bekannten Derivaten derselben haben sie noch
folgende Verbindungen dargestellt:
Amidodracylsäure = C 14 H5(H2N) O 4 , entsteht bei
Behandlung der Nitrodracylsäure mit granulirtem Zinn
Trinitrocressol und Chrysanissäure. 285
und concentrirter Salzsäure. Schmelzpunct 186° bis 1870
(197° Fischer). Nitrobenzoesäure giebt unter gleichen
Umständen ein Doppelsalz von salzsaurer Amidobenzoe-
säure mit Zinnchlorür.
Azo-Amidodracylsäure =C 28 H 11 N 3 8 , wird ge-
bildet, wenn man eine kalt gesättigte alkoholische Lösung
von Amidodracylsäure mit einer Lösung von Salpetrig-
äther übergiesst. Es scheidet sich sehr bald der orange-
gelbe fein krystallinische Körper ab, der grosse Aehn-
lichkeit mit der analogen Benzoeverbindung hat.
Chlordracylsäure = C 14 H 5 C10 4 , gewinnt man beim
Erwärmen von Azo-Amidodracylsäure mit concentrirter
Salzsäure. Der Körper wird durch Sublimation in pracht-
vollen, glänzenden, weissen, dem Naphthalin nicht unähn-
lichen Schuppen erhalten. Ausser ihm entsteht bei der
Zersetzung der Azo-Amidodracylsäure noch Amidodracyl-
säure, wie folgende Gleichung veranschaulicht:
C28RHN308 -f- HCl = 014H5C104 -f- Ci 4 H7N0 4 -f N2
Chlordracylsäure Amidodracylsäure.
Dracylsäure — C 14 H 6 4 , erhält man, wenn man
Azo-Amidodracylsäure mit Alkohol übergiesst und durch
den zum Kochen erhitzten Alkohol einen Strom sal-
petriger Säure leitet. Die Säure krystallisirt wie Ben-
zoesäure und ist wahrscheinlich mit dieser identisch. Die
Isomerie hätte dann hier ihre Grenze erreicht. (Ami.
der Chem. u. Pharm. CXXVIIL 257 — 273.) G.
Trinitrocressol und Clirysanissäurc.
Diese beiden Körper sind nach den Untersuchungen
von W. Kellner und F. Beiist ein weder identisch,
noch isomer.
Trinitrocressol löst sich in kaltem Alkohol ziem-
lich leicht und scheidet sich beim Erkalten seiner heiss
gesättigten Lösung in gelben Nadeln aus. Mit Salzsäure
liefert es keinen Aethcr. Die Amidoverbindung, das
Amidonitrocressol, krystallisirt in gelben Nadeln, die Salze
desselben sind in Wasser grösstenteils nur wenig löslich.
Die Clirysanissäurc, ein Product der Einwirkung
von rauchender Salpetersäure auf Nitranissäure, löst
sich in kaltem Alkohol viel schwerer als Trinitrocressol
und krystallisirt aus seiner heiss gesättigten Lösung in
goldglänzenden Blättchen. Beim Einleiten von Salzsäure-
gas in die alkoholische Lösung der Chrysanissäure ent-
steht leicht Chrysanissäureäther. Die Amidochrysanis-
286 Chemische Untersuchung des Muskatnussbalsams.
säure stellt rc-the mikroskopische Krystalle dar. Auch
ist die Zusammensetzung der Chrysanissäure, abweichend
von Cahours' Formel, durch Ci*H5(N04)3 02 auszu-
drücken, so dass also Chrysanissäure und Trinitrotoluol
isomer sind.
Es existirt noch eine andere Modifikation der Chry-
sanissäure, die als ß- Chrysanissäure bezeichnet wird und
sich hauptsächlich durch ihr physikalisches Verhalten
unterscheidet. Sie bildet vollkommnere und grössere Kry-
stalle als die gewöhnliche Säure, ihr Ammoniaksalz ist
gelb gefärbt, während das Ammoniaksalz der gewöhn-
lichen Chrysanissäure braun ist. Scheidet man die ß-Chry-
sanissäure aus dem Kalksalz ab, so erhält man wieder
gewöhnliche Chrysanissäure. [Ann. der Chem. u. Pharm.
CXXVIIL 164 — 177.) G.
Chemische Untersuchung des Muskatnussbalsams.
Die Muskatnussbutter enthält nach K. Th. Koller's
Untersuchung folgende Bestandtheile in den annähernden
quantitativen Verhältnissen :
Aetherisches Oel 6 Proc.
Myristin 70 „
Elain 20 „
Saures Harz 3 „
Butyrin, Spuren einer oder zweier flüchti-i
gen Säuren, Chlornatrium und Schwefel- > 1 „
sauren Kalk )
iöa
Das ätherische Oel ist ein Hydrat des Kohlenwasser-
stoffes C 20 H 16 und hat mit dem Macisöle gleiche Zusam-
mensetzung. Es setzt kein Stearopten ab.
Das Myristin schmilzt nicht bei 31, sondern erst bei
52°; verseift sich auch nicht schwer, sondern sehr leicht
mit Alkalien. ( Wittst. Vierteljahrsschr. Bd. 13. 4.) B.
287
IV. Literatur und Kritik.
Dr. Otto Berg, die Chinarinden der pharmakognosti-
schen Sammlung zu Berlin. Mit 10 Tafeln Abbil-
dungen. Berlin 1865.
In diesem Werkchen giebt der als Pharmakognost längst rühm-
lichst bekannte, fleissige Verfasser nähere Auskunft über die in
seinem „anatomischen Atlas" abgebildeten und nur kurz beschrie-
benen Chinarinden. Er beginnt mit einer Nachricht über die phar-
makognostische Sammlung der Berliner Universität überhaupt, so
wie die Chinarinden - Sammlung insbesondere, welche besonders
durch den Ankauf der Sammlung von Klotsch vervollständigt
worden ist und Originale von Ruiz und Pavon, Howard, Wed-
dell, Pöppig, Warszo wicz, Moritz und Karsten enthält.
Energisch legt Berg sodann für die mikroskopische Bestimmung
eine Lanze ein als für die allein sicher zum Ziel führende, und
Aussprüche wie der von Klotsch, dass man nach Herbarien-Exem-
plaren ohne Weiteres die Abstammung der käuflichen Chinarinden
feststellen könne, rechnet der Verf. mit Recht zu den „landläufigen
Fictionen", weil ein einjähriger, ja überhaupt ein jüngerer Zweig
noch nicht die spätere Entwicklung des Bastes zeige. Berg giebt ein
praktisches Verfahren für die Vorbereitung der Rinden für den
Schnitt und für die Präparation, wie es ähnlich zuerst von Schiei-
den und nach ihm von Andern angegeben wurde. In der Ver-
werfung des Mikrotoms glaubt Ref. ihm völlig beistimmen zu müs-
sen. Nicht ganz stimme ich dagegen mit der Darstellung der all-
gemeinen Rindenbildung überein. Ich habe während meiner gan-
zen Lehrtätigkeit die Erfahrung bestätigt gefunden, dass dem
Anfänger, und besonders dem praktisch vorgebildeten, die Morpho-
logie und Physiologie der Pflanzen, so weit es irgend möglich ist,
auf genetischem Wege vorgeführt werden muss. Mau muss ihm
für das schwierige Verhältniss der Rinde zum Holz zuerst den Un-
terschied zwischen den erst entstandenen oder primären und den
später durch den Cambialeylinder entstandenen oder seeundären
Bindentchichten klar zu machen suchen, und ihm dann zeigen,
dass die primäre Kinde zwei wesentlich verschiedene Theile ent-
wickeln müh. .-, Dämlich den äussern Theil mit der Oberhaut als
Aussenrinde unter dem Kinfluss der äussern Luft und den inuem
lh.il a! Iniieiirinde unterPortwirkung ähnlicher Bedingungen wie
die, unter denen er entstand, daher er auch dem Mark so sehr
ähnlich bleibt. Der Ausdruck „Mittelrinde" scheint mir schon des-
halb nicht glücklich gewählt, weil er etwas Unbestimmtes enthält,
und man. 80 «renig auch die Xafursich an unsere strengen logischen
Eintheilungen bindet, doch dem Anfänger strenge Schemata zur
Krleichterung der Auflassung an die Hand geben muss.
288 Literatur.
Der Verf. bespricht zunächst die Rinden nach der Weddell-
schen Anordnung der Arten : für die Ch. condaminea H. et B. hatte
schon Seh leiden darauf hingewiesen, dass die Weddell'sche Zu-
sammenziehung mehrer wesentlich auch im Rindenbau verschiede-
ner Arten zu Varietäten unter jenem Artnamen nicht richtig sein
könne, und davon überzeugt man sich leicht bei aufmerksamer
Prüfung dessen, was Schieiden über die verschiedenen Loxa-
Rinden mittheilt. Saftröhren (Milchsaftgänge) und Steinzellen kön-
nen keinen sicheren Anhalt zur Unterscheidung nahestehender
Arten darbieten, weil ihr Vorkommen zu sehr von Altersverschie-
denheiten abhängt. Ihre Benutzung setzt wenigstens gleiches Alter
und sehr jugendliche Rinden voraus. So lassen sich z. B. C. Cha-
huarguera und C. macrocalyx nicht sicher durch das Vorkommen
von Steinzellen bei dieser unterscheiden. Meine Originale von
Ruiz und Pavon zeigen bei beiden Arten zahlreiche Stabzellen
und keine andern Formen stark verdickter Zellen. Unterschieden
sind beide nach diesen Präparaten leicht durch die Gestalt der
Bastzellen, welche bei C. macrocalyx weit kürzere, meist kaum ge-
streckte Lumina zeigen, durchschnittlich nur halb so dick sind
und ihre Reihen weit häufiger chordal verbinden, während die
dickeren Zellen der C. Chahuarguera, besonders in den innersten
Lagen, stets radial gestreckte, spaltenförmige Lumina besitzen. In
Bezug auf die Dicke verhalten sie sich also hier gerade umgekehrt
wie bei Berg, was nicht auf Altersverschiedenheiten beruht, da
gleich die äussersten Bastzellen diesen Unterschied zeigen. Wie
man aber gar auf das Vorhandensein der Borke (für C. lucumae-
folia) Gewicht legen kann, ist mir unbegreiflich. Meine Originale
von C. lucumaefolia R. et P. zeigen sehr stark entwickelte Borke.
Die Gruppirung ist bei weitem nicht so ausgeprägt in den inneren
Bastschichten wie bei C. macrocalyx, die Zellen sind weit entschie-
dener tangential gestreckt. Auf den Kreis von Milchsaftgängen
machte ich schon früher {Archiv der Pharm. 1865. p. 285 ff.) auf-
merksam. Uebrigens stimmt die Anordnung der Zellen ziemlich
gut mit Berg's Abbildung (Taf. IX. Fig. 25). #
Berg geht nun zur Beschreibung der einzelnen Chinarinden
über, seinen Abbildungen entsprechend. Hierüber lässt sich nicht
viel sagen; nur zu den vergleichenden Bemerkungen möchte ich
Weniges hinzufügen. In jener Kritik im Archiv der Pharmacie
machte ich auf die anatomische Aehnlichkeit der Quinquina Pitayo
Del. et Bouch. nach den Präparaten von Phoebus aufmerksam.
Hat nun Berg diese Notiz gesehen oder nicht: genug, es findet
sich bei ihm die kahle Behauptung: „Quinq. Pitayo Del. et B.
hat mit dieser Art nichts zu thun". Leider ist sie nicht begrün-
det und der Verf. schweigt über die Abstammung der Pitayo von
Delondre, vielleicht, weil er sie stillschweigend zur Pitayo nach
Howard rechnet. Bei der Beschreibung dieser Rinde, welche ver-
muthlich nach Originalen von Howard entworfen ist, fehlt leider
eine Abbildung. Die ziemlich unbestimmt gehaltene Beschreibung
widerspricht meiner Vermuthung durchaus nicht. Für die Quinq.
gris roule Equateur und Quinq. Carabaya, welche Berg zur C. Con-
daminea Hb. et Bpl. rechnet, bitte ich ebenfalls meine Bemerkun-
gen zu vergleichen. Die schreienden Widersprüche, welche hier
durch Vergleich verschiedener Original -Exemplare derselben Rin-
densorten von denselben Sammlern hervortreten, mahnen gewiss
zur äussersten Vorsicht in der Beurtheilung. Gerade für die selt-
neren Rinden hat eine blosse Beschreibung eigentlich gar keinen
Literatur. 289
Werth: nur die allergenauesten Zeichnungen oder besser noch Prä-
parate, in grösserer Anzahl vertheilt, wie es Phoebus in so libe-
raler Weise versuchte, können hier fördern.
Immerhin ist aber die Zusammenstellung des vorhandenen und
die Spendung neuen Materials dankend anzuerkennen und wir be-
grüssen auch dieses Werk als einen willkommenen Beitrag zur
Erleichterung späterer umfassender Arbeiten, für welche freilich
nicht in unsern Sammlungen, sondern an Ort und Stelle das Mate-
rial geholt werden muss. E- Ha liier.
Taschenbuch der Deutschen und Schweizer Flora, ent-
haltend die genauer bekannten Pflanzen, welche in
Deutschland, der Schweiz, in Preussen und in Istrien
wild wachsen und zum Gebrauch für Menschen in
grösserer Menge angebaut werden. Nach dem De Can-
dolle'schen System geordnet, mit vorangehender Ueber-
sicht der Gattungen, nach den Classen und Ordnun-
gen des Linnei sehen Systems bearbeitet von Dr.
Wilh. Dan. Koch, weil. Professor der Medicin und
Botanik an der Universität zu Erlangen und Direc-
tor des botanischen Gartens daselbst. Sechste Auf-
lage. Leipzig, im Verlage von Gebhardt und Reis-
land. 1865.
Das botanische Taschenbuch von Koch liegt uns hier in der
6ten Auflage vor. es ist wie die früheren Auflagen ein wörtlicher
Abdruck der ursprünglichen Bearbeitung des leider für die Wissen-
schaft zu früh heimgegangenen Verfassers. Ueber den wissenschaft-
lichen Werth des Buches haben sich früher Männer vom Fach
ausgesprochen, und was das Praktische der ganzen Zusammenstel-
lung als Leitfaden zu botanischen Excursionen betrifft, so ist die-
ses gewiss ein sehr günstiger Beweis, dass das Werk bereits so
viele Auflagen erlebt hat.
Unser genialer Koch hat nicht allein die Beschreibungen in
diesem Taschenbuche, sondern auch die Diagnosen in allen seinen
Werken mit solchen klaren und scharfen Zügen gezeichnet, wie
wohl kaum Einer vor ihm, so dass fast die meisten späteren Schrift-
steller und Floristen aus dem Keichthum seines Geistes geschöpft
haben. Viele haben seine Diagnosen vollständig angenommen und
Andere haben sie theilweise zu benutzen gesucht; das Erstere war
wohl meistens das nichtigere: denn eine Koch'sche Diagnose kann,
wie auch schon Ascherson in dem Vorworte seiner Flora von
Brandenburg mit Hecht sagt, in vielen Fällen nur zu ihrem Nach-
theile geändert werden.
Was mir bei der Durchsicht des Buches besonders auffiel, war
dass die späteren BeratlfgebeT desselben dieses keiner Revision in
Bezug auf die darin speeiell angegebenen Fundorte angeordnet
haben, von denen nach nein reu Forschungen manche nicht mehr
als richtig angenommen werden können. Die geographische Bota-
nik hat seit Herausgabe des Taschenbuches solche Fortschritte ge-
macht, wodurch man zu der bestimmten Erkenntniss gelangt ist,
dass manches früher angenommene Vorkommen sich auf unrich-
Arch. d. Pharm. CLXXIII.Bds. 3-IIft. 19
290 Literatur,
tige Voraussetzungen, auf Verwechslungen von Pflanzen, oder auch
auf verwilderte oder angepflanzte Exemplare bezogen haben. —
Um nun mehrere der sehr zweifelhaften oder auch unrichtigen
Fundorte, welche speciell angegeben sind, zu berichtigen, ist der
Zweck dieser Zeilen.
In dem Werke selbst folgen nach dem Vorworte ein Verzeich-
niss der gebrauchten Abkürzungen; dann die Anordnung und Cha-
rakteristik der Gattungen, welche in der Flora von Deutschland
und der Schweiz enthalten sind, nach dem Linneischen Sexual-
system, und nun eine tabellarische Uebersicht und Beschreibung
derjenigen Ordnungen des natürlichen Systems, welche in dem
Buche vorkommen.
Von pag. 1 bis 571 sind die Gefässpflanzen der Flora, nach
dem Systeme De Candolle's geordnet, die Arten beschrieben mit
Beifügung der notwendigsten Synonymen und mit allgemeinen
oder speciellen Fundorten versehen, und schliesst dann mit einem
vollständigen Register der Pflanzengattungen.
Pag. 37. Erysimum suffruticosum Spreng. Ist nach unserer
Ansicht für Limburg und Verviers sehr zweifelhaft und scheint
mir auf einer Verwechselung mit Cheiranthus Cheiri zu beruhen,
welche ich wenigstens von Limburg dafür erhielt. E. suffruticosum
Spreng, ist eine westeuropäische Pflanze, welche wohl auf den Py-
renäen wächst. Erysimum austriacum De Cand., nicht Baumg., des-
sen Pflanze E. Orientale R. Br. ist.
Pag. 40. Vesicaria utriculata Lamk. Ist am Godesberg bei
Bonn längst wieder verschwunden und war früher nur angesäet.
Pag. 41. Alyssum argenteum Vitm. Ist bei Verviers und Spaa
nur durch fremde Samen eingeschleppt, nicht wild.
Pag. 48. Thlaspi alliaceum Ein. Findet sich nicht bei Aachen.
Pag. 61. Viola rothomagensis Desf. Scheint in Belgien nicht
vorzukommen, indem das Compend. Florae Belgicae Lejeuneet Court.
ihrer nicht erwähnt. Nach Hausmann soll sie in Tyrol gefunden
werden, aber Hausmann hält die Tyroler Pflanze für eine Varie-
tät der V. tricolor. Meine Pflanzen im Herbarium sind von St.
Adrien bei Rouen.
Pag. 66. Gypsophila acutifolia Fisch. Soll nach Neilr. Nachtr.
zu Maly's Enumerat. p. 262, weder in Niederösterreich, noch in Un-
garn vorkommen. Tunica Saxifraga Scop. Ist nach Garke's Flora
von N.- u. M. -Deutschi, für Jena jetzt sehr zweifelhaft.
Pag. 66. Dianthus Seguieri Vill. Der Fundort Medebach ist
gewiss unrichtig und beruht nur auf einer früheren Verwechselung.
Pag. 68. Dianthus neglectus Loisl. Kommt nach Moritz' Flora
der Schweiz nicht in der Schweiz, wohl aber auf den Alpen von
Piemont vor. Ob in Tyrol?
Pag. 93. Althaea cannabina L. Ist nach Neilreich für Un-
terösterreich sehr zweifelhaft geworden.
Pag. 121. Melilotus coerulea Lamk. Findet sich im Bereiche
des Taschenbuches nirgendwo wild; wird aber in vielen Gegenden
angebaut und kommt dort zuweilen verwildert vor.
Pag. 136. Astragalus vesicarius L. Ist wohl für Graubünden
zu streichen, da Moritz in seiner Flora der Schweiz dieser Pflanze
nicht erwähnt.
Pag. 167. Rosa turbinata AU. Findet sich selbst im südlich-
sten Gebiete nirgendwo wirklich wild, sondern überall nur verwil-
dert.
Literatur. 291
Pag. 171. Crataegus Azarolus L. Kommt im Bereiche des
Taschenbuches nur angepflanzt oder verwildert vor.
Pag. 172. Cydonia vulgaris Pers. Stammt aus dem Orient
und ist überall nur als angepflanzt oder verwildert anzusehen.
Pag. 194. Saxifraga umbrosa L. Wächst nicht wild in Mäh-
ren, sondern ist nur aus Bauerngärten entsprungen und verwildert.
Wirklich wild findet man sie auf den Pyrenäen.
Pag. 205. Bupleurum semicompositum L. Kommt nicht in
Istrien vor, die dafür gehaltene Pflanze war B. cristatum Bartl.
Pag. 212. Conioselinum Fischeri Wim. et Grab. Findet sich
nach Maly nicht in Untersteiermark.
Pag. 235. Valeriana Phu L. Stammt nach Ledeb. Boss. II.
vom Kaukasus, ist demnach im Bereiche des Taschenbuches nir-
gends wild; da sie aber als Zier- und Heilpflanze in Gärten ange-
pflanzt ist, so findet sie sich hin und wieder verwildert.
Pag. 252. Carpeshim cernuum L. Ist nach Neil reich für
Oesterreich sehr zweifelhaft.
Pag. 262. Pinardia coronaria Less. Die Pflanze wächst wild
weder im Wallis, noch auf der Fräla im Veltlin, denn Moritzi FL
der Schweiz p. 372 erwähnt ihrer nur als Gartenpflanze.
Pag. 267. Doronicum scorpioides Willd. Findet sich nicht auf
dem Saleve bei Genf; dieses angebliche Vorkommen beruht nach
neueren Untersuchungen auf einer Verwechselung mit D. Parda-
lianches L.
Pag. 299. Tragopogon crocifolius L. Wächst wild nicht in
der Schweiz, wohl aber auf den Alpen von Piemont.
Pag. 308. Crepis nicaeensis Balb. Ist im Bereiche des Taschen-
buches wohl nirgends wirklich wild, sondern durch fremden Wie-
sensamen eingeschleppt und hin und wieder verwildert.
Pag. 328. Campanula Elatines L. Findet sich nicht auf der
Insel Cherso, sondern nur im westlichen Alpenzuge von Piemont.
Pag. 331. Arbutus Unedo L. Das Vorkommen in Krain ist
zu streichen.
Pag. 343. Cuscuta planifolia Tenore. Wächst nicht in Oester-
reich, wohl aber C. planifolia Koch Syn. (nicht Tenor.) nach En-
gel mann Cuscut. 17 nur Var. von C. Epithymum L.
Pag. 348. Pulmonaria saccharata MM. Die echte Pflanze fin-
det sich weder bei Stettin noch in der Rheingegend und die dafür
gehaltene Pflanze ist P. officinalis L. foliis maculatis.
Pag. 366. Veronica saxatilis Scopol. Carn. 7., nicht Jacq.
Pag. 367. Veronica peregrina L. Stammt aus Amerika, ist
demnach als eingeschleppte Pflanze nur als verwildert anzusehen.
Pag. 388. Calamintha thymifolia Rchb. Findet sich nach Kchb.
D. Fl. Icon. plant, p. 52 T. 1279 nur am südlichen Littorale der
Adria, Istrien etc., aber nicht in Krain und Kärnthen und scheint
auch nicht in der Schweiz vorzukommen, da Moritzi sie nicht
in seiner Flora erwähnt.
Pag. 389. Nepeta Nepetella L. Ist eine Pflanze des südwest-
lichen Europas, die auf der Grenze der Schweiz und Italiens, am
Fu88C des Matterhorns, aber nicht in Unterösterreich wild wächst.
Pag. 401. Lytimachia punctata L. Muss für die Schweiz ge-
strichen werden, nach Moritzi Fl. p. 251 findet sie sich dort nicht
mehr.
Pag. 417. Coritipcrrnum hyttopifolium h. Wuchst nicht in Oester-
reich, denn die dafür gehaltene Pflanze ist nach Neureich C.ni-
tidum Kitaib.
292 Literatur,
Pag. 428- Daphne collina Sm. Ist eine Pflanze Unteritaliens,
welche in neuerer Zeit im Isonzothale nicht mehr aufgefunden
worden ist.
Pag. 440. Quercus Hex L. Beruht für den Canton Tessin auf
einer Verwechselung, indem Moritzi den Baum nicht erwähnt,
aber p. 572 der Schw. Flora sagt, dass auf dem Monte Generosa in
Tessin sich ein Baum von Quercus Cerris L. vorfinde.
Pag. 477. Gladiolus communis L. Scheint wirklich wild nur
im Süden vorzukommen und alle Fundorte diesseits der Alpen sich
auf verwilderte Exemplare zu beziehen, da die Pflanze häufig in
Gärten angepflanzt ist.
Pag. 486. Ornithogalum arcuatum Stev. Die Erscheinung die-
ser Pflanze in einem Baumgarten bei Steier ist nach Neil reich
nur eine zufällige gewesen und ist später nicht mehr wiedergefun-
gen worden.
Pag. 494. Endymion mutans Du Mort. Der Fundort Körren-
ziger Wald liegt nicht in Westphalen, sondern in der Rheinprovinz
bei Aachen; bei Coesfeld wächst sie nach Prof. Kar seh nicht,
soll aber später bei Bentlage am Ems-Ufer bei Rheine aufgefunden
sein, ob wild?
Pag. 518. Carex microstaehya Ehrh. Ist nach Garke für Stet-
tin zweifelhaft.
Pag. 529. Carex punctata Gaud. In Salzburg ist sie nicht
mehr aufgefunden worden, Hausmann giebt sie aber dafür in
Südtirol bei Meran an.
Pag. 542. Arundo Donax L. Kommt im Bereiche des Taschen-
buches nicht wild vor und an den südlichen Abhängen der Alpen
findet sie sich nur durch Anbau verwildert. Die Pflanze gehört
dem warmen Südwesten an.
Pag. 543. Sesleria microeephala DC. Wächst nach Neilr. Nach-
trägen p. 23 weder in Ober- noch Unterösterreich.
Pag. 567. Triticum rigidum Sehr ad. Findet sich weder in
Oesterreich, noch in Böhmen.
Die Ausstattung des Werkes ist in jeder Beziehung zweck-
entsprechend und lobenswerth; nur wäre nach unserer Ansicht im
Interesse des Buches zu wünschen, dass bei der nächsten Auflage
die begründeten Fortschritte der wissenschaftlichen und geogra-
phischen Botanik so viel wie thunlich berücksichtigt würden.
Dr. M. J. Löhr.
Bibliographischer Anzeiger für Pharaiaceuten,
1865. No. 3.
Bibliotheca historico-naturalis, physico-chemica et mathe-
matica. Herausgeg. von Ernst A. Zuchold. 14. Jahrg. 1864.
2. Heft Juli — Decbr. gr. 8. (S. 85—211.) Göttingen, Van-
denhoeck u. Ruprecht's Verl. J /3 «?•
Arago, Frz., kosmische Meteore. Anh. zu der Schrift: „Die Sonne
brennt". Mit 2 Abbild, in eingedr. Holzschn. gr. 8. (79 S.)
Leipzig, 0. Wigand. n. J /3 «$•
Artus, Prof. Dr. Wilib., Atlas aller in den neuesten Pharmako-
poen Deutschlands aufgenommenen officinellen Gewächse. 13te
bis 15. Lief. gr. 4. (15 color. Kupftaf. u. Text S.113 — 13G.)
Leipzig, Baensch's Verl. ä ^2 *$•
Bibliographischer Anzeiger. 293
Baenitz, C, Nord- und Mitteldeutschlands Gramineen (Gräser).
5. Lief. Fol. (13 Bl. mit aufgekl. Pflanzen.) Bromberg, Carow
in Commiss. In Mappe n. 1 *$ 9 syr. (1— 5. n. 6 4>.)
— Nord- u. Mitteldeutschlands Juncaceen u. Cyperaceen (Halbgrä-
ser). 2. Lief. Fol. (30 Bl. mit aufgekl. Pflanzen.) Ebd. in
Commiss. In Mappe n. 2 4-
Bauer, A., über einige Reactionen des Monochloräthers. Lex.-8.
(11 S.) Wien, Gerold's Sohn. n. 2 s$r.
Beer, Aug., Einleitung in die Elektrostatik, die Lehre vom Magne-
tismus u. die Elektrodynamik. Nach dem Tode des Verf. herausg.
v. Prof. Jul. Plücker. gr. 8. (XIV u. 418 S.) Braunschweig,
Vieweg u. Sohn. n. 2 4-
Berg, Prof. Dr. Otto, die Chinarinden der pharmakognostischen
Sammlungen zu Berlin. Mit 10 lith. Taf. Abbild, gr. 4. (IV
u. 48 S.) Berlin, Gärtner, n. 2/ 3 4.
Böhm, Jos., Wird das Saftsteigen in den Pflanzen durch Diffu-
sion, Capillarität oder durch den Luftdruck bewirkt? Lex.-8.
(39 S.) Wien, Gerold's Sohn. n. n. l/ 4 4.
Boue, Dr. Ami, über den wahrscheinlichen Ursprung des mensch-
lichen Geschlechts, nach den jetzigen naturhistor. Kenntnissen,
so wie auch über die paläontologischen Menschen. Lex. -8.
(47 S.) Wien, Gerold's Sohn. n. n. 6 sgr.
Calnet-d'Huart, Prof. Dr. de, nouvelle theorie mathematique de
la chaleur et de l'electricite. 2. Partie, gr. 8. (VII u. 148 S.
mit 3 Steintaf.) Luxemburg, Bück, lwfösgr. (1.2. 2,$6sar.)
Deutschlands Flora oder Abbild, u. Beschreib, der daselbst
wild wachs. Pflanzen. 7. Aufl. 13—15. Lief, hoch 4. (15 col.
Kupftaf.) Leipzig, Baensch' Verl. a n. ] /3 4-
Emsmann," Prof. Dr. Aug. Hugo, physikalisches Handwörterbuch.
Mit in den Text eingedr. Holzschn. 2. Lief. gr. 8. (S. 193 —
384.) Leipzig, 0. Wigand. ä 24 sqr.
Flora von Deutschland. Herausg. von Dir. Prof. Dr. D. F. L. v.
Schlechtendal, Prof. Dr. L. F. Langethal u. Dr. Ernst Schenk.
XX. Bd. 5. u. 6. Lief. Mit 20 col. Kupftaf. 8. (40 S.) Jena,
Mauke, ä n. V3 4-
Fresenius, Geh. Hofr. Prof. Dr. R., Analyse der Trinkquelle, der
Badequelle und der Helenenquelle zu Pyrmont, gr. 8. (63 S.)
Arolsen, Speyer in Commiss. n. 6 syr.
Frick hinger, Alb., Katechismus der Stöchiometrie. Für Phar-
maceuten, stud. Mediciner, Chemiker u. Techniker. 4. verm.
Aufl. gr. 8. (X u. 188 S.) Nördlingen, Beck. 1 4.
Fritsch, Vice-Dir. Carl, Ergebnisse mehrjähriger Beobachtungen
über die periodischen Erscheinungen in der Flora und Fauna
Wiens. Imp. 4. Wien, Gerolds Sohn in Commiss. Vfo 4-
Fuhlrott, Prof. Dr. E., der fossile Mensch aus dem Neanderthal
und sein Verhältnis zum Alter des Menschengeschlechts, gr. 8.
(78 S.) Duisburg, Folk u. Vollmer. I/o 4.
Goullon, Geh. Med.-Rath Dr. H., Beschreibung der in der homöo-
pathischen Pharmakopoe aufgenommenei] Pflanzen. 2 — 4. Lief,
hoch 4. (15 col. Kpftf. u. Text S. 17—40.) Leipzig, Baensch'
Verl. a 1/2 4-
Griesbach, A., die geographische Verbreitung der Pflanzen West-
indiens. gr. 4. (80 S.) Göttingen, Dietrich, d. 24 «gr.
Grosse, Dr. Ernst, Taschenbuch der Flora von Nord- und Mittel-
deutschland. 8. (VI u. 23G S.) Aschersleben, Corsted. n.
294 Bibliographischer Anzeiger.
Grüner, Cand. Leop., Versuch einer Flora Allentackens und des
im Süden angrenz. Theiles von Nord-Lievland. gr. 8. (162 S.)
Dorpat 1864, Gläser, n. 1 «$ 6 s y r -
Haidinger, Hofr. Dr. Wilh. Carl Ritter v., Handbuch der bestimm-
ten Mineralogie. Mit 560 Holzschn. Neue (Titel-) Ausg. gr. 8.
(LH u. 630 S.) Wien 1848, Braumüller, n. 3«/3 4-
Hertzer, Oberlehrer Wilh., über die Temperatur der Flüsse. 4.
(22 S.) Wernigerode. Nordhausen, Förstemann's Verl. n. 1/3 •$-
Heubel, Emil, pharmakologische Untersuchungen über das Ver-
halten verschiedener Körper-Organe zur Jodkalium-Resorption,
gr. 8. (71 S.) Dorpat, Gläser, baar n. 12 s^r.
Hlasiwetz, Prof. H., über das Catechu u. das Catechin. Lex.-8.
(4 S.) Wien 1864, Gerold's Sohn. V/ 2 syr.
— über die Einwirkung des Oxaläthers auf den Harnstoff. Zur
Synthese der Parabansäure. Lex.-8. (3 S.) Ebd. 1864. 1 V2 Ä g r -
— u. L. Barth, über einige Harze. Zersetzungsproducte durch
schmelzendes Kali. Lex.-8. (22 S.) Ebd. n. 4 sgr.
Hoppe-Seyler, Prof. Dr. Fei., Handbuch der physiologisch- und
pathologisch-chemischen Analyse für Aerzte u. Studirende. 2te
verm. u. gänzl. umgearb. Aufl. Mit 14 eingedr. Holzschn. u.
1 lith. Taf. in Farbendr. gr. 8. (VIII u. 404 S.) Berlin, A.
Hirschwald. n. 2 2 /3 $.
Kanitz, Aug., Geschichte der Botanik in Ungarn. (Skizzen.) 16.
(III u. 199 S.) Hannover 1863. (Wien, Czermach.) n. 31/3 *$•
Karsten, H., gesammelte Beiträge zur Anatomie u. Physiologie
der Pflanzen. 1. Bd. 1843-1863. gr. 4. (VIII u. 459 S. mit
25 Steintaf.) Berlin, Dümmler's Verl. n. 4 *$.
Ketteier, Dr. Ed., Beobachtungen über die Farbenzerstreuung
der Gase. Abhängigkeit der Fortpflanzung des Lichtes von
Schwingungsdauer und Dichtigkeit. Mit 1 lith. Taf. gr. 8.
(III u. 90 S.) Bonn, Henry, n. 16 sf.
K ob eil, Frz. v., Tafeln zur Bestimmung der Mineralien mittelst
einfacher chemischer Versuche auf trocknem u. nassem Wege.
8. verm. Aufl. gr. 8. (XX u. 108 S.) München 1864, Lin-
dauer. 18 s$r.
Koch, weil. Geh. Hofr. Prof. Dr. Wilh. Dan. Jos., Handbuch der
deutschen u. schweizer Flora. 6. Aufl. 8. LXXX u. 583 S.)
Leipzig, Gebhardt u. Reisland. 1^2 $-
Kot seh y, Dr. Theod., de plantis nilotico-aethiopicis Knoblecheria-
nis. (Additae sunt 3 tab.) Lex.-8. (15 S.) Wien 1864, Ge-
rold's Sohn. n. n. 18 syr.
Kützing, Prof. Dr. Frdr. Traug., Tabulae phycologicae oder Ab-
bildungen der Tange. 15. Bd. 1 — 5. Lief. od. 141 — 145. Lief,
des ganzen Werkes, gr. 8. (50 Steintaf. u. 24 S. Text.) Nord-
hausen, Förstemann's Verlag. In Mappe ä Lief, baar n. 1 4'i
col. k 11. 2 4
Lieb ig, Just, v., chemische Briefe. 5. wohlf. Aufl. 1. u. 2. Lief,
gr. 8. (288 S.) Leipzig, C. F. Winter, ä n. 12 s?r.
Induction und Deduction. Rede. gr. 4. (19 S.) München,
Franz. 1/4 4-
Lorentz, Dr. P. G., bryologisches Notizbuch. Zum praktischen
Gebrauch zusammengest. 8. (IV u. 90 S.) Stuttgart, Schwei-
zerbart. 3 / 4 4-
Verzeichniss der europäischen Laubmoose. Zum prakt. Gebr.
zusammengest. 8. (29 S.) Ebd. 6 syr.
Bibliographischer Anzeiger. 295
Lobschmidt, J., Kryetallbestimmungen einiger Oxalsäure-Verbin-
dungen. Mit 1 lith. Taf. Lex.-8. (9 S.) Wien, Gerolds Sohn.
Malv Privatdoc. Dr. Rieh. L., neue Synthese der Ameisensäure.
Lex.-8. (3 S.) Wien, Gerold's Sohn. D/ 2 «F- , ™_ '
Marquart, Dr. Clamor, Lehrbuch der prakt. u. theoret. Pharma-
cie 2 Aufl. Beavb. v. Prof. Dr. Herrn. Ludwig u. Ernst Hal-
lier. 7. u. 8. Heft.' gr. 8. (2. Bd. S. 433-676 u. 3. Bd. S.
1—64. Mainz, Kunze.) ä 2 / 3 4- m
Mineralwasser-Anstalten, die Struve'schen. 3. verand. Autl.
er. 8. (30 S.) Leipzig, Vogel, n. n. 2»/- 2 «ST- /c _ a . .
Moleschott, Jac, Natur und Heilkunde. Vortrag. 8. (52 S.)
Giessen Roth 1/3 «$•
Redte nba eher, Jos., über die .Trennung von Rubidium und Cä-
sium in Form der Alaune. Lex.-8. (5 S.) Wien, Gerolds
Sohn. IV2 s y r - „ — . n t«j r> •
Reichenbach fil., Prof. Dr. Heinr. Gust., Xenia Orchidacea. Bei-
trag zur Kenntniss der Orchideen. 2. Bd. 4. Heft. gr. 4.
(S 73 — 96 mit 5 schw. u. 5 col. Kpftaf.) Leipzig, Brockhaus.
n/22/3^. (I-II.4.n.37V3^;) ,."....•, , u v
Reinson, Ed., Untersuchungen über die Ausscheidung des Kali
u. Natrons durch den Harn. gr. 8. (29 S.) Dorpatl864, Gla-
ser, baar n. 6 sgr. _
Rolle, Dr.Frdr., der Mensch, seine Abstammung u. Gesittung im
Lichte der Darwinschen Lehre von der Art -Entstehung und
auf Grundlage der neueren geologischen Entdeckungen dar-
gestellt. Mit Holzschn. 1. Heft. gr. 8. (80 S.) Frankfurt
a. M., Hermanns Verl. n. 1/3 «#• „ , , ,. ,, ., A
Schiel J, die Methode der induetiven Forschung als die Methode
der Naturforschung in gedrängter Darstellung, hauptsächlich
nach John Stuart Mill. gr. 8. (VIII u. 184 S.) Braunschweig,
Vieweg u. Sohn. n. 24 8f.
Schmidlin, Ed., populäre Botanik. 2. Aufl. 2. u 3. Lief, gr. 8.
(S 49-144 mit 7 col. Steintaf.) Stuttgart, G. Wiese, a V 4 4«.
Schmidt, Dr. Alex., hämatologische Studien, gr. 8. (III U.128S.)
Dorpat, Gläser, n. 16 nyr.
Schnittspahn, Hof-Gartendir. Lehr. G. F., Flora der Gefäßpflan-
zen des Grosshrzgth. Hessen u. der angrenz. Lander. 4. Auii.
12 (CX u. 444 S.) Darmstadt, Diehl. n. 1 4.
Schnizlein, Prof. Dr. Adalb., Iconographia familiarum naturalium
rezni veeetabilis. Abbild, aller natürlichen Familien des Ge-
wächsreiches. 18. Heft. gr. 4. (48 S. mit 22 theilweis color.
Steintaf.) Bonn, Cohen u. Sohn, a n. 2 4 \.
Schönlein, weil. Geh.-Rath Dr. J. L., Abbi dungen von fossilen
Pflanzen aus dem Keuper Frankens. Mit erlaut. Text nach
seinem Tode herausg. v. Prof. Dr. Aug. Schenk Mit 13 lith.
Taf. Abbild. Fol. (21 S.) Wiesbaden, Keidel. In engl. Einb.
Bchrinf? Doc. Dr. Albr., Beitrag zu den Berechnungsmethoden
der Ärilling«kry.talle. Mit 1 lith. Taf. Lex.-8. (8 S.) Wien,
Binger, Lyc-Prof. Dr. .1-, EJora RatwbonenB«. Verzeichnis« der
U11 , Regensburg wildwach«. Phanerogamen. Ib. (»1 D.) «e-
rensburg, l'ustcl in (.'oinmiss. Vr> 4>- . , _, .. .
Bpiller. Prof. IM.., populäre Phytikflr : Handwerker, Gew erbtrei-
bende, Fabrikanten etc. 6. u. 7 v Lief, gr. 8. (S. 321— 448.)
Berlin, Oehmigke'i Verl. a n. % 4-
296 Bibliographischer Anzeiger.
Stefan, J., Theorie der doppelten Brechung. Lex.- 8. (19 S.)
Wien 1864, Gerold's Sohn. 3 sgr.
Stehr, L., der Magnetismus als Urkraft in seinen verschiedenen
Wirkungen geschild. gr. 8. (VII u. 160 S.) Berlin, Th. Grie-
ben, n. 2/3 4-
Stieren, Dr. Ed., chemische Fabrik. Ein auf 33jährige durchaus
eigene Erfahrung gestütztes prakt. Handbuch zur fabrikmässi-
gen Darstellung chemischer Präparate. Mit 97 eingedr. Holz-
schnitten, gr. 8. (VI. u. 621 S.) München, Grubert. n. 4 4.
Tschermach, Dr. Gust., chemisch-mineralogische Studien. I. u. IL
Mit 2 lith.Taf. Lex.-8. (55 S.) Wien, Gerold's Sohn. n. 14 «gr.
Vivenot jun., Doc. Dr. R. v., über die Messung der Luft-Feuch-
tigkeit, zur richtigen Würdigung der Klimate. gr. 8. (25 S.)
Wien 1864, Seidel u. Sohn. n. 6 syr.
Vogl, Privatdoc. Dr. Aug., phytosiologische Studien. II. Die Blät-
ter der Saracenia purpurea L. Mit 2 lith. Taf. Lex.-8. (21 S.)
Wien, Gerold's Sohn. n. 12 sgr. (1. 2. n. 16 s$r.)
Waagen, Dr. W., Versuch einer allgem. Classification der Schich-
ten des obern Jura. gr. 8. (31 S.) München, Manz. n. 6 syr.
W alpers, Dr. Wilh. Ger., Annales botanices systematicae. Tom.
VI. Synopsis plantarum phanerog. novarum omnium per 1851
— 1855 descript. Auetore Dr. Car. Müller. Fase. VII. gr. 8.
(S. 961-1120.) Lipsiae, Abel. n. 1 4 6 sar. (I — VI. 7. n.
43 4 22 «gr.) '
Wretschko, Gymn. -Lehrer Dr. M., Beitrag zur Entwicklungs-
geschichte getheilter und gefiederter Blattformen. Mit 2 lith.
Taf. Lex.-8. (24 S.) W T ien, Gerold's Sohn. n. 8 sgr.
Wüllner, Dir. Dr. Ad., Lehrbuch der Experimental- Physik, mit
theilw. Benutzung von J am in 's Cours de physique de l'ecole
polytechnique. 2. Bd. 2. Abth. 1. Lief. Lex.-8. (S. 489 —
888 mit eingedr. Holzschn.) Leipzig, Teubner. n. 2 4- (I —
IL 1. 2. n. 9V.3 4.)
Mr.
Hofbuchdruckerei der Gebr. Jänecke zu Hannover.
DER
PHARMACIE.
Eine Zeitschrift
des
allgemeinen deutschen Apotheker- Vereins.
SthttiriliiEg JSnrtotatjlmtiL
Herausgegeben
von
JL. Bley und HL Ludwig.
XV. Jahrgang,
HANNOVER.
Im Verlage der Hahn'schen Hofbuehhandlung.
1865.
DER
PHARMACIE.
Zweite Eeihe. CXXIV. Band.
Der ganzen Folge CLXXIV. Band.
Unter Mitwirkung der Herren
Böhnke - Reich, Erlenmeyer, Gerlach, Hallier, Hosäus, Husemann,
Krcmayer, Landerer, Löhr, Meurer, Monheim, Reichardt, Wittstein
heraus gegeben
von
Ii. Bley und H. Ludwig«
JE, Iflitsclicrlicli'sclies Vereins jähr.
*C"
BANNOVER.
Im Verlage der Hahn'schen Ilofbuchliandlung.
186 5.
Inhaltsanzeige.
Erstes und zweites Heft.
I. Physik, Chemie und praktische Pharmacie. Seite
Ueber eine interessante Bildung von salpetersaurem Aetbyl-
oxyd: von G. C. Wittstein 1
Ueber den Gebalt der Pflanzen an Ammoniak und Salpeter-
säure während der Vegetationsperiode: von Dr. A. Ho-
saus, erstem Assistenten am agriculturcbemischen Labo-
ratorium zu Jena 13
Ueber das Menyanthin; von Dr. August Kromayer, Apo-
theker in Geisa 37
Düngungsversuche mit Kartoffeln: von Dr. Heinrich Böhnke-
R e i ch in Regenwalde 48
Zur Darstellung von Silberspiegeln; von Professor Dr. E. Rei-
ch ar dt in Jena 53
Zur Darstellung des Magnesiums: von Demselben 56
Ein gegenseitiger Vergleich der allgemeinen Aräometer-Scalen.
Zusammengestellt von Dr. G. Th. Ger lach in Kalk bei
Deutz. (Mit einer graphischen Darstellung.) 58
II. Naturgeschichte und Pharmakognosie.
Ueber die medicinische Bedeutung der Pilze mit besonderer
Rücksichtnahme auf ihre toxischen und diätetischen Eigen-
schaften: von Dr. Th. Ilusemann, Privatdocent in Göt-
tingen 81
Naturwissenschaftliche Section der schleeischen Gesellschaft für
vaterländische Cultur 08
III. Monatsbericht.
ie ( »<;1 aus den Fruchten von Abies Regi-
Amaliae 8. 106. — Ueber den Terpinäther 106. —
Kampfer, ein sehr empfindliches Reagens auf Albumin 107.
— Einwirkung der Salpetersäure auf Kampfex 108. —
Menthol 109.— Untersuchung des ätherischen Muskatnuss-
öls 111. - Helenin Hl'. Turpethin lia — Schwefel-
Vi Inhaltsanzeige.
Seite
gehalt des Beinsteins 114. — Collodium ohne Aether 114.
Lenk's verbesserte Schiessbaumwolle 115. — Löslichkeit
des Stärkemehls und sein Verhalten zum polarisirten Lichte
118. — Bestimmung des Stärkemehls in den Pflanzen 118.
— Prüfung der Tapioca 118. — Erkennung von Getreide-
mehl oder Stärkemehl in der Chocolade oder Cacaomasse
120. — Einwirkung des Lichts auf den durch Schwefel-
säure veränderten Rohrzucker 120. — Einfluss optisch un-
wirksamer Substanzen auf das Drehungsvermögen des
Zuckers 121. — Wirkung des Jods, Broms und Chlors auf
Zucker 122. — Darstellung des Stärkezuckers in krystalli-
sirtem Zustande 122. — Ueberführung der Stärke in Zucker
durch die Schalen roher Kartoffeln 123. — Umwandlung
der Schlangenbaut in Zucker 124. — Trehala oder Tri-
kala 126. — Ueber die Verwendung des Glycerins zu viel-
fachen Zwecken 127. — Verfälschung des Glycerins mit
Zuckersyrup 128. — Glycerinpflaster 128. — Schädlichkeit
einer Inhalation von Nitroglycerin 128. — Doppelsalz von
glykolsaurem Kalk mit Chlorcalcium 129. — Neue Bil-
dungsweise der Malonsäure und Bernsteinsäure 130. —
Specielles Reagens für Brechweinstein 131. — Tartramid
und Tartraminsäure 131. — Zur Werthbestimmung gerb-
säurehaltiger Materialien 132. — Zur volumetrischen Be-
stimmung von Gerbsäure, Gallussäure, Eisen u. s. w. 133. —
Einfache Methode, Chrysophansäure darzustellen 135. —
Digitalin 136. — Giftige Substanz der Coriaria myrtifolia
137. — Eigentümlicher Stoff im weissen Gänsefuss (Che-
nopodium album) 137. — Chenopodin 138. — Zur quanti-
tativen Bestimmung der Alkaloide 139. — Chinacultur in
Indien 139. — Verfälschung der China rubra 140. — Chi-
novasäure 140. — Bestimmung des Gehalts an Alkaloiden
in den verschiedenen Chinarinden 141. — Prüfung des
Chinins auf Chinidin, Cinchonin und Cinchonidin 142. —
Prüfung des käuflichen schwefelsauren Chinins auf Chini-
din und Cinchonin 143. — Unterscheidung von Chinin-
und Cinchoninsalzen 143. — Prüfung des Chinins auf Chi-
nidin und Cinchonidin 144. — Chinolin- und Leukoiin-
reihe 145. — Englische schwarze Tropfen (black drops) 146.
Reaction auf Morphin und Narkotin 147. — Jodsäurereac-
tion auf Morphin 149. — Einwirkung von Schwefelsäure
auf A tropin 150. — Solaningehalt junger Kartoffeln 150.
— Darstellung von Aconitin 150. — Oleandrin und Pseu-
docuravin 151. — Ricinin, ein Alkaloid aus dem Ricinus-
samen 152. — Wrightin 153. — Ueber Pflanzenernährung
Inhaltsanzeige. VII
Seite
154. — Zur Ernährung der Pflanzen 155. — Zersetzung
des Kohlensäuregases durch verschieden gefärbte Blätter
157. — Verfälschung des Safrans 158.
IV. Literatur und Kritik 159
» itn »-
Drittes Heft.
I. Physik, Chemie und praktische Pharmacie.
Ueber einige Eigenthümlichkeiten in dem Verhalten des Amy-
lens; von Professor Dr. Erlenmeyer in Heidelberg 169
Künstliches Aachener Badesalz 187
II. Naturgeschichte und Pharmakognosie.
Ueber die medicinische Bedeutung der Pilze mit besonderer
Rücksichtnahme auf ihre toxischen und diätetischen Eigen-
schaften; von Dr. Th. Husemann, Privatdocent in Göt-
tingen (Fortsetzung und Schluss) 197
Ueber Heilung der Bisswunden von giftigen Thieren; von Dr.
X. Landerer 217
III. Monatsbericht.
Vegetationsversuche unter Abschluss des Lichts S. 219. —
Falsche Jalape 221. — Falsche Röhrenkassie 224. — Du-
longia acuminata, ein kräftiges Heilmittel gegen die Blat-
tern 225. — Untersuchung über die Bestandteile der Va-
nille 225. — Tabaksblätter 225. — Untersuchung des
Tabakssamens 226. — Eiweissverbrauch in den Zeugdrucke-
reien 226. — Zusammensetzung eines fossilen Eies 227. —
Donnd'sche Milchprobe 227. — Flüssiger Leim 228.— Ab-
sorption löslicher Substanzen durch die Haut 228. — Tem-
peratur-Maximum der kranken Haut 229. — Geringe Be-
deutung der chemischen Harnanalyse als diagnostisches
und prognostisches Kennzeichen des typhoiden Fiebers 230.
— Zur Kenntniss des menschlichen Harns 231. — Hippur-
säure im Menschenharn 232. — Abscheidung des Cantha-
ridins 233. — Chemische Untersuchung der rothen Koral-
len 233. — Farbstoff der Euglcna sanguinea 234. — Blut-
stillende Mischung 235. — Blutinfusorien bei Milzkrank-
heit der Schafe 286. — Erkennung von Blutflecken 236.
viii Inhaltsanzeige»
Seite
— Septische Blutvergiftung 237. — Anwendung des Mikro-
skops in der Toxikologie 239. — Färbung der Butter
durch chromsaures Bleioxyd 240. — Gallerte von Leber-
thran 241. — Copaivabalsam und Storax als Specifica gegen
Croup und Diphtheritis 241. — Anwendung des Sassafras-
öles 242. — Mittel gegen Keuchhusten 243. — Antiasthma-
tisches Papier 243. — Injectio et Syrupus Matico 244. —
Rother eisenhaltiger Cbinasyrup 245. — Ueber zwei Ge-
heimmittel: den China -Eisensyrup und eine von Schwä-
bisch -Gmünd aus verschickte Gichttinctur 246. — Boone-
camp of Maagbitter 246. — James' Stomachin 247. — Der
Theer als Heilmittel 247. — Neues Argument gegen das
Selbstdispensiren der homöopathischen Aerzte 248. — Aus
dem Protokolle der pharmaceutischen Gesellschaft zu Pa-
ris 249. — Tincturen 250. — Maiweinessenz 251. — Zur
Filtration des Himbeersaftes 251. — Putzpulver für Gold-
arbeiter 251. — Darstellung phosphorfreier Zündhölzer 252.
Bibliographischer Anzeiger 253
Register über Bd. 121, 122, 123 und 124 der zwei-
ten Reihe des Archivs 257
im »
ARCHIV DER_PHARM1CK.
CLXXIV. Bandes erstes und zweites Heft.
I. Physik. Chemie und praktische
Pharmacie.
Ueber eine interessante Bildung von salpetersaurem
Aethyloxyd;
von
G. C. Wittstein.
(jregen Ende des Jahres 1863 erhielt ich von Herrn
J. C. Sticht, Chemiker in einem Etablissement zu New-
York, ein Schreiben folgenden Inhalts:
„Die zufällige Entdeckung eines mir unbekannten
Körpers veranlasst mich, Sie um gütigen Aufschluss über
denselben zu bitten. Seit einiger Zeit wird hier in New-
York, wie auch in andern Städten Amerikas, salpeter-
saures Ammoniak in grossen Massen von den Zahnärzten
gebraucht, welche daraus Lustgas zur Narkose bereiten.
Jn unserer Fabrik werden jetzt circa 100 Pfd. täglich,
theils geschmolzenes, theils krystallisirtes salpetersaures
Ammoniak bereitet. Ich stellte es lange Zeit dar durch
Sättigen von Salpetersäure mit kohlensaurem Ammoniak;
da dies aber sehr theuer wurde, so suchte ich eine bil-
lige Bereitungsmethode ausfindig zu machen. Sättigen
der Salpetersäure mit wässerigem Ammoniak gab kein
günstiges Resultat, da die Lauge bloss 15° B. stark wurde,
das Eindampfen bis zum Krystallisationspuncte, 30 — 32° B.,
zu viel Zeit und Dampf kostete, und keine passenden
befasse zum Eindampfen so grosser Massen dieser em-
pfindlichen Lauge sich finden Hessen. Ich kam nun auf
Arch.d. Pharm. CLXXI V. Bds. 1. u.2. Hft. 1
2 Wütete™ ,
die Idee, Ammoniakgas in die Salpetersäure zu leiten.
Zu diesem Behufe gab ich 125 Pfd. nur Spuren Salzsäure
enthaltende Salpetersäure von 41° B. in eine irdene
Woulfe'sche Flasche, in einen eisernen Kessel flüssiges
Ammoniak von 20° B. und erwärmte den Kessel sehr lang-
sam durch Dampf. Das übergehende Ammoniak wurde
von der Salpetersäure begierig verschluckt und die Tem-
peratur in der Woulfe 'sehen Flasche stieg auf 240° F.
(115,5° C). Um die anfangs entweichende Salpetersäure
aufzufangen, leitete ich das Ausgangsrohr der Woul fe-
schen Flasche in ein Gefäss mit Wasser. Dabei destillirte
nun in letzteres Gefäss ein Ölartiger Körper über, der
sogleich im Wasser untersank. Die Bildung desselben
fand am reichlichsten statt in der Mitte der Operation
und hörte kurz vor Sättigung der Salpetersäure ganz auf.
In Zeit von 8 Stunden war die Säure gesättigt und die
Lauge von 31° B. konnte sogleich nach abfiltrirtem Eisen-
oxyde zum Krystallisiren hingestellt werden. Die Woulf e-
sche Flasche habe ich nie abgekühlt. Ich habe seit die-
ser Zeit viel salpetersaures Ammoniak auf vorstehende
Weise bereitet, da es nach hiesigen Verhältnissen das
billigste ist. Ich bekam von 125 Pfd. Salpetersäure jedes-
mal circa 3 / 4 Pfd. des Oeles, beinahe immer schön roth
gefärbt durch freies Jod, was sich durch Blaufärbung
damit in Berührung gebrachter Stärke leicht zu erkennen
giebt-, das Jod stammt von der aus Chilisalpeter bereite-
ten Salpetersäure her."
„Die von mir bis jetzt beobachteten Eigenschaften
dieses ölartigen Körpers sind: Er ist nach Entfernung
des Jods durch Kalilauge wasserhell, hat bei -J- 60° F.
(15,5° C.) im rohen Zustande 1,117, rectificirt 1,120 spec.
Gewicht, siedet constant bei 194° F. (90<> C); die Dämpfe
gehen nur bei gut bedeckter Retorte leicht über; riecht
und schmeckt sehr Chloroform ähnlich, erregt eingeathmet
Schwindel, brennt mit blasser, grün gesäumter Flamme;
ein Tropfen auf ein heisses Eisen fallen gelassen, giebt
eine grosse gelbe Flamme; löst sich in Alkohol, wird
Bildung von salpetersaurem Aeihyloxyd. 3
von Kalilauge nicht zersetzt. Mit concentrirter Schwefel-
säure gelinde erwärmt, findet heftige Einwirkung statt,
salpetrige Dämpfe entweichen; etwas länger erhitzt, färbt
sich die Schwefelsäure ganz schwarz, und lässt beim
Verdünnen mit Wasser reichlich schwarze Flocken fallen."
„Da das vorstehende Verhalten noch keinen befrie-
digenden Aufschluss über die Natur dieses Körpers gab
und es doch sehr erwünscht und interessant wäre, dar-
über ganz ins Klare zu kommen, mir aber zur weiteren
Forschung die Zeit fehlt, so würden Sie mir eine grosse
Freude machen, wenn Sie die Sache in die Hand neh-
men und erledigen wollten. Das dazu erforderliche Roh-
material steht Ihnen jederzeit zu Gebote."
Als ich mich zur Vornahme einer genauen Unter-
suchung des fraglichen Körpers bereit erklärte, schickte
mir Herr Sticht im Juni 700 Grm. (23 V3 Unzen) davon;
und später, im Juli, war einer der Chefs der Fabrik,
worin Herr Sticht angestellt ist, welcher sich gerade
damals in Deutschland befand und mich mit einem per-
sönlichen Besuche beehrte, so gütig, mir noch eine gleiche
Quantität des Körpers zum Geschenk zu machen, was
ich hier, nochmals dankend, hervorhebe.
Mit Untersuchungsmaterial war ich also überreich
versehen, doch fand ich erst in den nächstfolgenden Herbst-
ferien die zur Vornahme der Arbeit erforderliche Zeit.
Das Resultat lege ich in den nachstehenden Zeilen nieder.
Die Flüssigkeit besitzt eine schöne weinrothe Farbe,
ist vollkommen klar, riecht dem Chloroform sehr ähnlich,
hinterher deutlich nach Jod, schmeckt süsslich- ätherisch,
wie Chloroform, reagirt sehr schwach sauer und besitzt
bei 10,750 C. ein speeifisches Gewicht von 1,1072.
lieim Schütteln mit Kalilauge, um das Jod und die
freie Säure- zu binden, wurde die Flüssigkeit rasch ent-
färbt, während die Lauge eine gelbe Farbe annahm *).
*) Diese Gelbfärbung tritt übrigens bei jeder Lösung von Jod
in überschüssiger Kalilauge ein. Man vergleiche Witts te in 's
Werteljantstchr. XI. M
1*
4 Wittstein,
Nachdem durch wiederholtes Waschen mit Wasser jede
Spur Kali entfernt worden war, nahm die Flüssigkeit den-
noch nach kurzer Zeit wieder eine, wenn auch nur schwach
röthliche Farbe an, die zwar auf Zusatz von einigen
Tropfen Kalilauge verschwand, aber, nachdem diese durch
Waschen beseitigt war, nach einigem Stehen abermals,
diesmal allerdings in noch minderem Grade wiederkehrte.
Um nun diese anhängende Spur freien Jods endlich rasch
und gründlich zu beseitigen, schüttelte ich die so weit
mit Kali behandelte und gewaschene Flüssigkeit mit ein
wenig metallischem Quecksilber, was auch bald den ge-
wünschten Erfolg hatte, denn die von dem feinsuspen-
dirten Gemenge metallischen Quecksilbers und oliven-
grünen Quecksilberjodürs abfiltrirte Flüssigkeit behielt
auch bei längerem Stehen ihre Farblosigkeit bei. Da
eine Probe derselben beim Schütteln mit Wasser, welchem
ein wenig Stärkekleister hinzugefügt war, diesem nicht
den mindesten Stich ins Violette mehr ertheilte, so konnte
ich jetzt von der vollständigen Abwesenheit freien Jods
überzeugt sein.
Es handelte sich hierauf um die Beseitigung des etwa
noch anhängenden Wassers, zu welchem Zwecke die Flüs-
sigkeit mit einer Anzahl Stücke geschmolzenen Chlorcal-
ciums eine Woche lang unter öfterm Schütteln in Be-
rührung gelassen wurde. Die Chlorcalciumstücke blieben
dabei anscheinend ganz unverändert, von einem Zergehen
oder Aufgelöstwerden derselben war also nichts wahr-
zunehmen und die Flüssigkeit Hess sich bis auf den letzten
Tropfen davon wieder abgiessen. Da aber doch mög-
licher Weise etwas von dem Salze aufgelöst sein konnte,
so war schon deshalb eine Rectification der Flüssigkeit
erforderlich 5 als weitere Zwecke dieser Rectification
mussten die Ermittelung des Siedepuncts und der Uni-
formität der Flüssigkeit betrachtet werden.
Die Rectification geschah bei einem Barometerstande
von 721,5 M.M. in einer Retorte, deren Tubulus ein in
Celsius'sche Grade getheiltes Thermometer enthielt. Die
Bildung von salpetersaurem Aeihyloxyd. 5
Flüssigkeit kam zwischen 85° und 86° ins Kochen, hob
sich aber bald auf 86°, 75, wo sie eine Zeit lang stehen
blieb. Nachdem etwa */ 7 übergegangen war, fing das
Quecksilber an, höher zu steigen ; nach 5 Minuten stand
es auf 87<>,1; 20 Minuten später auf 88°; 8 Minuten spa-
ter auf 90°. Jetzt betrug das Destillat 3 / 5 , die Tempera-
tur des kochenden Retorteninhalts nahm aber noch fort-
während zu, und als sie bei 105° angelangt war, waren
19 )20 überdestillirt. Man Hess nun erkalten. Zuletzt hatte
der Retorteninhalt nicht mehr aufgewallt, sondern trieb
nur noch wie ein schmelzendes Metall, war also offenbar
überhitzt.
Der Destillationsrückstand, also ^q des in Arbeit
Genommenen, hatte eine hell weingelbe Farbe, erth eilte
dem Lackmuspapier eine spurweise Röthung, roch etwas
scharf, schmeckte aber ähnlich der ursprünglichen Flüs-
sigkeit. In einer Schale einer gelinden Wärme ausgesetzt,
hinterblieb ein goldgelber Syrup, der noch warm sehr
scharf, fast zu Thränen reizend (wie Senföl, doch diesem
rieht ähnlich) roch. Wasser damit geschüttelt, löste ihn
nicht auf, nahm aber denselben scharfen Geruch, eine
ganz schwach saure Reaction an, gab mit salpetersaurem
Silber und Salpetersäure eine Spur Chlor und mit oxal-
saurem Ammoniak eine Spur Kalk zu erkennen. — Ein
genaueres Studium dieses Rückstandes, von welchem bis-
her nur eine kleine Menge erhalten wurde, ist vorbehalten
und dadurch ermöglicht, dass noch über 2 Pfd. der rohen
Verbindung zur Verfügung stehen.
Die vereinigten Destillate unterwarf man bei 721,5
Millirn. Barometerstand einer Rectification. Die Tempe-
ratur stieg auf 91°, ohne dass die Flüssigkeit ins Kochen
kam und ohne dass etwas überdcstillirte; sie trieb viel-
mehr auf der Oberfläche wie schmelzendes Metall, woran
wieder nur Ueberhitzung Schuld war, denn plötzlich ge-
rieth sie in regelmässiges Wallen, das Quecksilber sank
rasch auf 87,5°, bald darauf 87,2° herab, und blieb da
während der ganzen Dauer der Destillation stehen, so
G Wittstein,
dass eine Fractionirung derselben gar nicht nothwendig
war, sämmtliche Flüssigkeit sich mithin als Ein chemi-
sches Individuum herausstellte.
Eigenschaften der reinen Verbindung. Was-
serhell, ziemlich dünnflüssig, im Geruch und Geschmack
von der rohen Verbindung nicht verschieden, also chlo-
roformähnlich, specif. Gewicht bei -f- 17° C. = 1,0948
(wiederholt mit gleichem Erfolge ermittelt), Siedepunct
87°,2 (bei 721,5 M.M. Druck). Liess sich schon bei ge-
wöhnlicher Temperatur durch eine Flamme entzünden, und
verbrannte mit sehr blass fleischrother, grünlich-gelb ge-
säumter Flamme vollständig. Wasser löste nichts davon
auf, aber Alkohol so wie Aether mischten sich damit in
jedem Verhältniss. Eingetauchtes Curcumapapier erlitt
keine Veränderung; blaues Lackmuspapier ebenfalls nicht
und im Laufe der Zeit zeigte die Verbindung keine Nei-
gung zum Sauerwerden. Auch Natrium blieb darin ganz
unverändert; selbst beim Erhitzen damit zum Kochen
behielt es sein metallisches Ansehen. Concentrirte Kali-
lauge übte ebenfalls, weder in der Kälte noch in der
Hitze, eine sichtbare Wirkung darauf aus. Alkoholische
Kalilösung reagirte zwar nicht in der Kälte, wohl aber
in der Hitze und zersetzte dann die Verbindung (siehe
weiter unten). Concentrirte Schwefelsäure mischte sich
nicht damit, sondern lagerte sich darunter ab, ohne eine
sichtbare Einwirkung zu veranlassen; als man aber noch
concentrirte Eisenvitriollösung hinzufügte, erwärmte sich
das Ganze, nahm eine braune Farbe an und stiess braun-
gelbe Dämpfe aus ; ein dicht darüber angebrachter, mit
Mehlkleister bestrichener Streifen Papier färbte sich nicht
violett, sondern blieb weiss, eine Jodverbindung schien
mithin nicht im Spiele zu sein. Schwach angesäuerte
Eisenvitriollösung allein war hingegen nicht im Stande,
die Verbindung zu zerlegen.
Zusammensetzung. Bis hierh er konnten über
die Natur der Verbindung nur Vermuthungen Platz grei-
Bildung von salpetersaurem Aethyloxyd. 7
fen; erst das Verfahren der Elementar- Analyse verbreitete
Lieht darüber und brachte die Frage zur Entscheidung.
I. 6 5425 Gran der Verbindung wurden mit Kupfer-
oxyd und vorgelegter Schicht von Kupferdrehspänen ver-
brannt, und lieferten 6,375 Gran Kohlensäure = 1,7386
Kohlenstoff, nebst 3,456 Gran Wasser = 0,3840 Wasser-
stoff.
II. 4,6250 Gran gaben 4,4468 Gran Kohlensäure =
1,2127 Kohlenstoff, und 2,381 Gran Wasser = 0,2645
Wasserstoff.
III. Da die Oxydationsstufen des Stickstoffs durch
Katronkalk sich nur unvollständig zerlegen lassen*), so
musste im vorliegenden Falle der Stickstoff als Gas aus-
geschieden werden.
3,336 Gran der Verbindung lieferten durch Verbren-
nen mit Kupferoxyd, mit vorgelegten Kupferdrehspänen
und einer hinten befindlichen Schicht von doppelt kohlen-
saurem Natron (dessen Kohlensäure dazu bestimmt war,
zuerst alle atmosphärische Luft und zuletzt den Rest des
Stickstoffs aus dem Apparate zu treiben) 28,3 C.C. feuch-
tes Stickstoffgas bei -f- 160 C. Temperatur und 730 M.M.
Barometerstand, welche 25,2 C.C. trocknem Stickstoffgas
bei 0« und 760 M.M. gleich sind, und diese 25,2 C.C.
betragen 0,5065 Gran an Gewicht.
Zur beiläufigen Controle dieses Resultates versuchte
ich auch, aus dem, mittelst alkoholischer Kalilauge er-
zeugten Salpeter den Stickstoffgehalt zu bestimmen, be-
kam aber merklich weniger; doch will ich den Versuch
mittheilen. 60 Gran Kalihydrat, welches keine weiteren
Verunreinigungen (weder Sulfat noch Chlorid) als etwas
kohlensaures Kali enthielt, wurden bei gewöhnlicher Tem-
*) Um zu erfahren, wie weit sieh bei der Behandlung mit Na-
tronkalk das Resultat von der Wahrheit entfernt, unterwarf
Ich 7,0626 Gran der Verbindung einer solchen und erhielt
1,600 Gran Salmiak, worin 0,393 Gran Stickstoff = 6\ö64Proo M
alM DIU etwaj über ein Drittel der Torhaudenen Menge Stick-
stoff.
8 Wittstein,
peratur in 500 Gran absoluten Alkohols aufgelöst, das
ungelöst gebliebene kohlensaure Kali durch Decantiren da-
von getrennt, die nur ganz schwach gelblich gefärbte
Lösung zu 52,625 Gran der Verbindung, welche sich be-
reits in einem Stöpselglase befanden, gegossen, das Glas
sofort fest verschlossen und einen ganzen Tag hindurch
einer Temperatur von 30 — 40° C. ausgesetzt. Das wieder
vollständig erkaltete Gemisch, welches jetzt eine schwarz-
braune Farbe besass, wurde auf ein Filter gebracht, der
Inhalt desselben so lange mit absolutem Alkohol gewaschen,
bis dieser ganz farblos und neutral ablief, und bei 100°
getrocknet. Der Filterinhalt wog 41,250 Gran und stellte
ein graubraunes Pulver dar, das sich in Wasser, unter
Zurücklassung von 1,25 Gran einer leichten pulverigen
chocoladebraunen geschmacklosen Substanz, ohne Farbe
auflöste; das Lösliche betrug also 40,00 Gran. Die So-
lution reagirte sehr schwach alkalisch, von ein wenig
kohlensaurem Kali herrührend, und bestand im Uebrigen
aus salpetersaurem Kali. Alle 40 Gran als letzteres Salz
betrachtet, enthalten 5,5336 Gran Stickstoff, welche also
aus 52,625 Gran der Verbindung in der Form von sal-
petersaurem Kali erhalten worden waren, und würden sich
hiernach auf 100 Gewth. der Verbindung 10,515 Gewth.
Stickstoff berechnen, nur etwas über 2 / 3 der im vorigen
Versuche gefundenen Menge. — Die von dem graubrau-
nen Pulver getrennte, tief braune alkoholische Kalilösung
wurde durch Erwärmen und späteren Zusatz von Wasser
von dem Alkohol befreit, mit Salpetersäure übersättigt,
von der dabei entstandenen Ausscheidung abfiltrirt und
hierauf mit salpetersaurem Silberoxyd versetzt; es trat
dadurch keine Trübung ein, die Verbindung konnte da-
her als von Chlor oder Jod gänzlich frei angesehen werden.
Die in den Versuchen L, II. und III. erhaltenen
Zahlen geben folgende Uebersicht:
i. ii. in.
In 100 In 100 In 100
Kohlenstoff 1,7386 26,573 1.2127 26,220
Wasserstoff 0,3840 5,869 0,2645 5,718
Stickstoff. 0,5065 15,182.
Bildung von Salpeter saurem Aethyloxyd. 9
C, H und N stehen hier in dem Aequivalenten- Ver-
hältnisse von 4:5:1; da der Verlust an 100 nur in Sauer-
stoff bestehen kann und dieser sich auf 6 Aequivalente
berechnet; so ergiebt sich daraus auf die ungezwun-
genste Weise die Zusammensetzung des salpetersauren
Aethyloxyds = C^HSO + NO*:
Gefunden Aequivalente Berechnet
Kohlenstoff 26,396 4 26,373
Wasserstoff 5,793 5 5,495
Stickstoff 25,182 1 15,385
Sauerstoff. 52,629 6 52,747
100,00(T" 100,000.
In den über die Eigenschaften des salpetersauren
Aethyloxyds vorliegenden Angaben finden sich allerdings
einige Differenzen mit meiner Verbindung; zwar sind
dieselben, wie mir scheint, ganz untergeordneter Natur,
doch will ich nicht unterlassen, sie hier zur Sprache zu
bringen.
Millon*), der Entdecker des salpetersauren Aethyl-
oxyds, bezeichnet die Farbe der brennenden Verbindung
als weiss. Das specifische Gewicht ist nach ihm bei
170 C. == 1,112, nach H. Kopp**) bei 0<> = 1,1322,
bei 15°,5 = 1,1123. Der Siedepunct liegt nach Millon
bei 85° (der Luftdruck nicht angegeben), nach Kopp
bei 860,3 unter 728,4 M.M. Luftdruck.
Gegenüber diesen Angaben kann ich doch nicht um-
hin, die Tüchtigkeit der mit meiner Verbindung be-
kommenen Resultate aufrecht zu halten ; und jedenfalls wird
dadurch der Schluss, dass dieselbe salpetersaures Aethyl-
oxyd ist, nicht erschüttert.
Was das indifferente Verhalten des Natriums gegen
die Verbindung betrifft, so hat schon Lea***) beobach-
tet, dass dieses Metall in salpetersaurem Aethyloxyd Stun-
lan# seinen Glanz behält.
Annal. de Chiin. et de I'l.ys. 1848. VIII. 283.
**) Annal. der Chem. und Pharm. 1866. XCYIII. 867.
***) Sillim. Americ. Jou.n. 1862. XXXIII. 86.
10 Wittstein,
Nun entsteht aber noch die Frage: Wie hat sich
diese Aetherverbindung beim Einleiten von Ammoniak-
gas in starke Salpetersäure erzeugen können, da doch
beide Ingredienzien keinen Kohlenstoff enthalten? Hier
kann nur eine Verunreinigung des Einen oder Andern
die Veranlassung gegeben haben, und am wahrschein-
lichsten fällt der Verdacht auf das Ammoniak, welches,
aus Gaswasser gewonnen, Alkohol oder Aetherdampf aus
diesem aufgenommen haben müsste. Wäre diese Ver-
muthung richtig, so sähen wir hier auf einmal ein neues
Product der trocknen Destillation der Steinkohlen vor uns,
nämlich den Aeth ylalkohol oder Aether — wenigstens ist
mir nicht bekannt, dass der eine oder andere dieser Kör-
per schon unter den Producten der trocknen Destillation
organischer Materien beobachtet worden. Entscheiden
Hesse sich die Sache sofort, wenn Gaswasser mit Schwe-
felsäure gesättigt (unter der Vorsicht, dass die Säure
nicht vorwalte, um den etwa vorhandenen Alkohol nicht
in Aether zu verwandeln), dann destillirt und das Ueber-
gegangene von Zeit zu Zeit weggenommen und geprüft
würde. Man müsste aber gleich 100 — 200 Pfd. Gas-
wasser in Arbeit nehmen, denn sonst mochte der Ver-
such wohl immer negativ ausfallen, weil der etwaige Ge-
halt des Gaswassers von Alkohol oder Aether gewiss nur
ein äusserst geringer ist.
Die oben aufgeworfene Frage hat unterdessen bereits
ihre Beantwortung gefunden, wenn auch nicht in der
eben angedeuteten, sondern auf einfachere Weise. Nach-
dem ich nämlich Herrn Sticht das Resultat meiner
Untersuchung mitgetheilt hatte, erhielt ich folgende Ant-
wort :
„Wäre mir das Resultat Ihrer Analyse des Ihnen
zugesandten Körpers früher bekannt gewesen, so würde
ich mich darüber sehr gewundert haben; seit 2 Monaten
aber hat sich das Geheimniss der Kohlenstoffquelle im
Ammoniakliquor aufgeklärt. Der Fabrikant nämlich,
welcher schon seit einer Reihe von Jahren die Ammo-
Bildung von Salpeter saurem Aethyloxyd. 11
niakflüssigkeit für unsere Fabrik lieferte, leitete das Gas
zuerst durch ein mit Alkohol gefülltes Fass, um die thee-
rigen Bestandteile zurückzuhalten; die Ammoniakflüssig-
keit wurde auf diese Weise allerdings wasserhell und verlor
den Theergeruch, behielt aber etwas Alkohol zu-
rück, was ich jedoch niemals bei irgend einer Anwendung
desselben bemerkte. Vor einigen Monaten bekamen wir
von demselben Fabrikanten gelbes, nach Theer stark
riechendes Ammoniak, und auf die deshalb erhobene
Klage erwiederte derselbe, er hätte früher das Ammoniak
durch Alkohol gereinigt, das käme aber nun zu theuer
(Alkohol kostet jetzt per Gallone 3 3 / 4 Doli, gegen */ 2 Doli,
früher), da ziemlich viel dabei verloren ginge. Auf das
hin bekam ich Ordre, das Ammoniak selbst zu machen,
und von der Zeit an ist bei der Bereitung des salpeter-
sauren Ammoniaks (durch Einleiten von Ammoniakgas
in Salpetersäure) der fragliche Körper nicht wieder auf-
getreten."
„Das Geständniss jenes Fabrikanten brachte mich
auf die Vermuthung, dass der fragliche Körper Salpeter-
säure -Aether sei, indem bei seiner Bildung das Ammo-
niak vielleicht die Rolle des Harnstoffs gespielt haben
möchte. Als nun Ihr Brief diese Vermuthung (dass der
Körper Salpetersäure- Aether sei) bestätigte, machte ich
mehrere Versuche, um die Verbindung direct darzustel-
len, da sie, wenn die Bereitung im Grossen mit Vortheil
geschehen könnte, den vielgebrauchten und so leicht zer-
setzbaren Salpetrigsäure-Aether gewiss verdrängen würde.
Zuerst Hess ich ein Gemisch von 3 Theilen stärksten
Ammoniakliquors und 1 Theil Alkohol von 95 Proc. in
eine mit Salpetersäure von 1,42 halbgefüllte Retorte trö-
pfeln; es bildeten sich hier salpetersaures Ammoniak,
sulp uref Anthyloxjd und braune Dämpfe, aber keine
Spur der gewünschten Verbindung. Hierauf verband ich
einen Glaskolben mittelst eines zweimal gebogenen Roh-
iner tubulirten Retorte, in welcher sich 2 Pfd.
Salpetersäure von 1,42 befanden; «las Rohr tauchte nur
12 Wiltstein, Bildung von salpetersaurem Aethyloxyd.
ganz wenig in die Säure; den Retortenhals verband ich
mit einer Flasche, in welcher ich Wasser vorschlug. Im
Glaskolben befand sich ein Gemisch von 4 Th. Ammo-
niakflüssigkeit von 280 B. (0,886 spec. Gew.) und 1 Th.
Alkohol von 95 Proc. ; ich erwärmte dasselbe gelinde im
Wasserbade, worauf alsbald eine lebhafte Reaction statt-
fand. Zuerst färbte sich die Salpetersäure dunkelbraun,
dann wurde sie sehr heiss, entfärbte sich wieder und es
zeigten sich kleine Jodkrystalle im Retortenhalse ; hierauf
bildeten sich dicke weisse Nebel und bald darauf trat
zu meiner grossen Freude Salpetersäure- Aeth er
(salpetersaures Aethyloxyd) auf, welcher das Jod
löste und in schweren Öligen Tropfen in die Vorlage
überdestillirte. Das mit übergehende salpetersaure Am-
moniak löste sich im Wasser und der Aether sammelte
sich unten an. Gegen Ende der Operation löste sich
derselbe in dem Wasser auf, offenbar weil dieses allmälig
reicher an unzersetztem Alkohol wurde. Aus diesem
Wasser konnte durch Destillation der Aether wieder für
sich gewonnen werden, indem er zuerst überging. Aus
den in Arbeit genommenen 2 Pfd. Salpetersäure erhielt
ich l ] / 2 Unzen des Aethers."
„Ich versuchte dann ein Gemisch gleicher Theile
Ammoniakliquor und Alkohol in die Salpetersäure zu de-
stilliren ; dabei traten braune Dämpfe und salpetrigsaures
Aethyloxyd, aber kein salpetersaures Aethyloxyd auf. Wei-
tere zahlreiche Versuche haben mich überzeugt, dass sich
letzteres im Grossen nicht vortheilhaft darstellen lässt,
weil man das oben angegebene Verhältniss von Ammo-
niak und Alkohol nicht überschreiten darf."
Herr Sticht geht von der Ansicht aus, dass die
Bildung des salpetersauren Aethyloxyds bei Einleitung
von alkoholhaltigem Ammoniakgas in Salpetersäure durch
die gleichzeitige Anwesenheit des Ammoniaks bedingt
werde, indem hier das letztere die Rolle des Harnstoffs
spiele. Allein wir wissen bereits durch Persoz*), dass
*) Wittstein's Vierteljahrsschr. XIII. 603.
Hosiius, Ammoniak und Salpetersäure in Pflanzen. 13
zur Darstellung des salpetersauren Aethyloxyds der Harn-
stoff nicht nothwendig ist, wenn man nur die Reaction
des Alkohols auf Salpetersäure bei möglichst niedriger
Temperatur vor sich gehen lässt — vorausgesetzt, dass
Alkohol und Säure von möglichster Stärke sind.
Mitteilungen der agriculturchemischen Versuchs-
station an der Universität zu Jena.
lieber den Gehalt der Pflanzen an Ammoniak und
Salpetersäure während der Vegetationsperiode;
von
Dr. A. Hosäns.
erstem Assistenten am agriculturchemischen Laboratorium zu Jena*).
Anschliessend an meine Untersuchung über das Vor-
kommen und die Bestimmung des Ammoniaks und der Sal-
petersäure in den Pflanzen (Ztschr.f. deutsche Landio. 1864,
Heft XI. u. dies. Archiv, 1865, Juniheft, S. 198) habe ich,, die-
selbe dort ausführlich angegebene Methode benutzend, im
Laufe des vergangenen Sommers versucht, den Gehalt meh-
rer Gewächse an den genannten Substanzen während der
Vegetation festzustellen. Vorzüglich sind es die Getreide-
arten, welche den Versuchen unterworfen wurden, eine Wahl,
zu der theils die in der schon genannten Arbeit gemach-
ten Keimungsversuche, theils die leichte Beschaffung des
zu bearbeitenden Materials, so wie auch die grosse Wich-
tigkeit derselben als Culturpflanzen veranlassten.
Die zu den Versuchen verwendeten Pflanzen wurden
immer von einem und demselben Felde entnommen und
der Gehalt an Ammoniak und Salpetersäure darin von
4 Wochen zu 4 Wochen bestimmt.
Während der ersten Zeit der Entwickelung oder so
lange, als die einzelnen Theile der Pflanze nicht völlig
ausgebildet waren, um zur Untersuchung dienen zu kön-
*) Vom Herrn Verfasser im Abdruck aus der Ztschr. für die Landw.
XVI. Jahrg. 1866, Heft 4. mitgetheilt. Die Red.
14 HosmiSy
nen, wurden dieselben ungetheilt, als ganze Pflanzen ver-
braucht, später die einzelnen Theile, als: Blätter, Sten-
gel, Aehren, von einander geschieden. Zu gleicher Zeit
sind auch Bestimmungen des Wassergehalts aller unter-
suchten Pflanzen und Pflanzentheile durch Trocknen bei
100° C. ausgeführt worden, um dann auf wasserfreie Sub-
stanz berechnen zu können. Bei allen Versuchen wur-
den immer möglichst gesunde und kräftig entwickelte
Exemplare der Pflanzen ausgesucht und entweder direct
nach dem Einsammeln verarbeitet, oder wenn dieses nicht
thunlich, bis dahin unter Alkohol aufbewahrt, welcher
zugleich bei der Destillation zu verwenden war.
1. Versuche mit Koggen.
Die Pflanzen entstammten einem in guter Oultur
stehenden Felde am Lichtenhainer Wege (thoniger Sand-
boden).
Am 28. April enthielten die jungen kräftigen Pflan-
zen, welche, da sie noch keine Trennung ihrer Theile
erlaubten, im ungetheilten Zustande angewandt wurden, in
Ammoniak Salpeters.
4 Grm. = 2,5 C.C. IPN u. 1,0 C.C. NO* == 0,132 u. 0,168 o/
Nach Verlauf von 4 Wochen, am 28. Mai, waren bereits
Aehren und Stengel gebildet und wurden getrennten Be-
stimmungen unterworfen; es enthielten:
4 Grm. Blätter =±> 3,0 C.C. H3N und 1,0 C.C. NO* =
0,159 Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure
4 Grm. Stengel = 2,0 C.C. H3N und 1,0 C.C. NO* =
0,106 Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure
4 Grm. Aehren = 3,5 C.C. rPN und 1,5 C.C. NO* =
0,185 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure.
Im Vergleich zu dem vorigen .Versuche findet hier
eine unbedeutende Erhöhung des Ammoniaks in den Blät-
tern und Aehren statt, während der Stengel etwas weni-
ger davon enthält, als die ganze Pflanze.
Am 28. Juni. Die Pflanzen standen in voller Blüthe.
4 Grm. Blätter == 2,0 C.C. JEPN und 1,0 C.C. NO* =
0,106 Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure
Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 15
4 Grm. Stengel = 1,0 C.C. H3N und C.C. NO* =
0,053 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure
4 Grm. Aebren = 2,5 C.C. H3N und C.Cr NO* =
0,132 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure.
Bei diesem Versuche macht sich eine ziemlich bedeu-
tende Verminderung der betreffenden Bestandtheile be-
merkbar. Von Beiden ist weniger vorhanden, als bei
dem Vorhergehenden, vorzüglich aber hat sich die Sal-
petersäure verringert, welche in den Aehren und dem
Stengel nicht mehr gefunden wurde.
Am 28. Juli. Die Körner waren der Reife sehr
nahe; Blätter nicht mehr vorhanden, schon abgestorben.
4 Grm. Körner == 3,5 C.C. H3N und 1,5 C.C. NO* =
0,185 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure
4 Grm. Aehren = 1,5 C.C. H3N und 2,5 C.C. NO* =
0,079 Proc. Ammoniak u. 0,421 Proc. Salpetersäure
4 Grm. Spelzen = 1,0 C.C. H3N und 1,5 C.C. NO* ==
0,053 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure
4 Grm. Stengel = 2,0 C.C. fPN und 2,0 C.C. NO* =
0,100 Proc. Ammoniak u. 0,337 Proc. Salpetersäure.
* Verglichen mit dem Resultate der Analyse der zu
den Keimungsversuchen angewendeten Roggenkörnern
(siehe die frühere Arbeit, welche einen Gehalt von 0,318
Procent Ammoniak und 1,012 Proc. Salpetersäure ergab),
enthalten die oben untersuchten, noch nicht ganz reifen
und mehr wasserhaltigen Samen bedeutend weniger von
den betreffenden Substanzen, während der Stengel, dem
im Juni untersuchten gegenüber, eine nicht unbedeutende
Zunahme aufzuweisen hat. Vorzüglich ist der Mangel
der Salpetersäure darin, ebenso wie in den Aehren, ganz
verschwunden; es scheint, als wenn der Verbrauch der
Salpetersäure geringer würde, je näher die Zeit der voll-
ständigen Fruchtreife kommt.
Wa88erbesti m mung. Bei 100°C. getrocknet be-
trug der Verlust
am 28. April bei der ganzen Pflanze = 75,0 Proc.
„ 28. Mai „ Blättern = G9,0 „
16 Hosäus,
am 28. Mai bei Stengel = 78,5 Proc.
r Aehren = 73,5
„ 28. Juni ., Blättern.. = 52,0
Stengel = 54.5
r Aehren = 57,5 „
„ 28. Juli r Körnern = 35,0
_ Aehren — 35,0 „
„ Stengel =: 35,0 „
n Spelzen = 35,0 „
Hieraus berechnet sich für die trockne Substanz fol-
gender Gehalt. an Ammoniak und Salpetersäure:
Ammo- Salpeter-
niak säure
vom 28. April, ganze Pflanze == 0,528 u. 0,672 Proc.
„ 28. Mai, Blätter = 0,512 „ 0,514 „
Stengel = 0,493 „ 0,781 „
Aehren = 0,698 „ 0,950 „
„ 28. Juni, Blätter = 0,220 „ 0,350 „
Stengel = 0,116 „
Aehren == 0,310 r
„ 28. Juli, Körner = 0,284 „ 0,398 „
Aehren = 0,121 „ 0,694 „
Spelzen = 0,081 „ 0,398 „
Stengel = 0,126 „ 0,518 „
Da bei der hier benutzten Titriranalyse die Cubik-
Centimeter (=C.C. vergl. die frühere Arbeit) genau die
äquivalenten Mengen des Ammoniaks und der Salpeter-
säure angeben, so können sie einen neuen Gesichtspunct
der Auffassung bieten. Nimmt man nämlich, sowohl der
leichten Uebersicht halber, als auch um einen Vergleich
zu ermöglichen, und abgesehen davon, dass die Pflanzen
aus sehr verschiedenen Gewichtsmengen der untersuch-
ten Theile bestehen, die durch die angegebenen Cubik-
centimeter ausgedrückten äquivalenten Mengen des Am-
moniaks und der Salpetersäure zusammen, also beide ver-
einigt, und berechnet den Durchschnittsgehalt der jedes-
mal untersuchten Theile, so ergeben sich folgende Zah-
Gehalt der Pflanzen an Aoimonia 1 * u. Salpetersäure etc. 17
len, welche also die in der Pflanze enthaltenen vereinig-
ten Mengen des Ammoniaks und der Salpetersäure aus-
drücken und die Schwankungen derselben deutlicher an-
schaulich machen. Es ergiebt sich für die
darin verhalten sich
.m
frische Pflauze
auf trockne Sub-
stanz berechnete
Ammoniak zu Sal
petersäure
H*H : NO*
April = 3,5
14,0
1 :
: 0,4
Mai = 4,0
14,0
1 :
0,4
Juni = 2,2
4,8
1 :
0,2
Juli = 4,0
5,8
1 :
: 0,9
Bei der Berechnung auf trockne Substanz, als der
schliesslich richtigste Ausgangspunct, zeigt die Roggen-
pflanze im April und Mai den grössten Reichthum an
Ammoniak und Salpetersäure, im Juni dagegen, in der
vollen Blüthezeit, den geringsten Gehalt an derselben.
In dieser Zeit fehlt die Salpetersäure in dem Stengel und
den Aehren gänzlich, während nach vier Wochen die
letzte, einige Tage vor der Ernte gemachte Bestimmung
wiederum eine höhere Summe der vereinigten Substan-
zen erweist und namentlich auch Salpetersäure ergiebt.
2. Versuch mit Weizen.
Die zu den Analysen gebrauchten Pflanzen wurden
demselben thonigen Sandboden entnommen, wie die vor-
hergehenden.
Am 29. April, zu welcher Zeit die erste Unter-
suchung unternommen wurde, befanden sich die Pflanzen
auf derselben Stufe der Entwicklung, wie diejenigen des
:gens. Sie versprachen ein kräftiges, gesundes Ge-
deihen und enthielten in
4 Grm. = 2,0 C.C. ll'N und 1,0 C.C. NO» =fc 0,106
Proc. At&moniak und 0,108 Proc. Salpetersäure.
Am 29. Mai, also 4 Wochen nach dem ersten Ver-
suche, waren die Pflanzen in ihrer Ausbildung noch nicht
so weit, wie der Roggen, und mussten, da noch keine
Trennung der einzelnen Tlieil«- möglieh war, nochmals
' Aroh.d. Pharm. CLXXIY. Iids. l.u.2. Hfl. 2
18 Ho saus,
ungetheilt, als ganze Pflanzen angewendet werden. Es
enthielten
4 Grm. == 1,5 C.C. IPN und 1,5 C.C. NO* = 0,079
Proc. Ammoniak und 0,252 Proc. Salpetersäure.
Dieser Versuch ergiebt demnach äquivalente Men-
gen von Ammoniak und Salpetersäure. Dem Vorigen
gegenüber zeigt er eine Abnahme des ersteren und Zu-
nahme des zweiten und hat sich äquivalent Salpetersäure
mehr gebildet, als Ammoniak weniger vorhanden ist.
Am 29. Juni. Die Pflanzen standen in voller Blüthe
und erlaubten eine getrennte Untersuchung ihrer Theile.
4 Grm. Aehren = 1,5 C.C. H3N und 1,0 C.C. NO* ==
0,079 Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Stengel = C.C. H3N und 1,0 C.C. NO* ==
Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Blätter = 2,0 C.C. PPN und 1,5 C.C. NO* =
0,106 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure.
Am auffallendsten ist hier die Abwesenheit des Am-
moniaks in den Stengeln, eine Erscheinung, die in ähn-
licher Weise schon bei dem in Blüthe stehenden Roggen
bemerkbar war, mit dem Unterschiede, dass die Stengel
des blühenden Roggens keine Salpetersäure enthielten,
während diejenigen des blühenden Weizens wohl Sal-
petersäure, aber kein Ammoniak enthalten.
Am 29. Juli. Die Körner waren ihrer völligen Aus-
bildung nicht mehr fern und die Blätter theils abgestor-
ben, theils dem Absterben nahe.
4 Grm. Aehren = 1,0 C.C. H3N und 3,0 C.C. NO* =
0,053 Proc. Ammoniak u. 0,506 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Stengel = C.C. IPN und 1,0 C.C. N05 =
Proc. Ammoniak u, 0,168 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Blätter = 2,0 C.C. H3N und 1,0 C.C. NO* ==
0,106 Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure.
Die bei dem vorigen Versuche bemerkte Abwesen-
heit des Ammoniaks in den Stengeln tritt auch hierbei
wieder auf, und eine Zunahme an Salpetersäure, vorzüg-
lich in den Aehren, ist deutlich zu bemerken.
Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 19
Am 10. August. Die Körner waren völlig reif,
Blätter nicht mehr vorhanden, oder doch so vertrocknet,
dass sie nicht mehr zur Untersuchung dienen konnten.
4 Grm. Körner = 4,0 C.C. 1PN und 2,5 C.C. NO* =
0,212 Proc. Ammoniak u. 0,421 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Aehren = 2,5 C.C. rPN und 3,5 CC. NO* =
0,132 Proc. Ammoniak u. 0,589 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Spelzen = 1,5 C.C. rPN und 1,5 C.C. NO* =
0,079 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Stengel = 1,0 C.C. IPN und 1,5 C.C. NO» =
0,053 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure.
Wie die Roggenkörner, zeigen auch diejenigen des
Weizens einen geringeren Gehalt an Ammoniak und Sal-
petersäure, denen gegenüber, die bei den Keimungsver-
suchen (siehe die frühere Arbeit) verwendet wurden.
Ebenso ähnlich ist das Verhalten der Stengel beider
Pflanzen. Wie schon erwähnt, enthält der Stengel der
Roggenpflanze zur Zeit der Blüthe und beginnenden Aus-
bildung der Frucht keine Salpetersäure, derjenige des
Weizens zu denselben Zeiten kein Ammoniak. Bei Been-
digung der Fruchtreife findet sich aber in beiden die
vorher fehlende Substanz und es scheint, als wenn der
Verbrauch der Salpetersäure bei dem Roggen und der-
jenige des Ammoniaks bei dem Weizen um so geringer
würde, je näher die Zeit der völligen Fruchtreife kommt.
Wasserbestimmung. Bei 100° C. getrocknet, be-
trägt der Verlust
am 29. April, bei der ganzen Pflanze = 78,0 Proc.
„ 29. Mai, B „ ', n = 75,0 „
„ 29. Juni, bei den Blättern = G4,0 n
„ „ Stengeln == 05,0 „
„ „ Aehren = G8,0 „
„ 29. Juli, „ „ Blättern = G5,0
„ „ Stengeln — 45,0
„ „ Aehren = 45,0
„ 12. Aug., „ „ Körnern = .'5H ;
„ „ Aehren = .'58,0
2*
n
20 HosäiiSj
am 12. Aug., bei den Stengeln = 38,0 Proc.
„ „ Spelzen = 38,0 „
Für die trockne Substanz berechnet sich hieraus fol-
gender Gehalt an Ammoniak und Salpetersäure:
Ammo- Salpeter-
niak säure
29. April, ganze Pflanze = 0,481 und 0,763 Proc.
29. Mai, „ „ = 0,316 „ 1,008
29. Juni, Blätter = 0,294 „ 0,700
Stengel = „ 0,480
Aehren =0,246 „ 0,525 „
29. Juli, Blätter =0,192 „ 0,305
Stengel = „ 0,305
Aehren = 0,096 „ 0,915
12. Aug., Körner = 0,341 , 0,679
Aehren = 0,212 „ 0,950
Stengel = 0,085 „ 0,406
Spelzen =0,127 „ 0,406
Aus den bei dem Roggen angegebenen Gründen fol-
gen auch hier, ebenso wie bei den nachfolgenden Ver-
suchen, die vereinigten Aequivalente des Ammoniaks und
der Salpetersäure im Durchschnitt der untersuchten Pflan-
zentheile genommen. Sie betragen
Im
im frischen
Zustande
April = 3,0
auftrockne Sub-
stanz berechnet
14,0
darin ve
Ammoni
pete
H3N :
1
rhalten sich
ak zu Sal-
rsäure
NO*
: 0,5
«
Mai = 3,0
12,0
1
1,0
V
Juni = 2,3
8,0
1 :
1,0
V
Juli =2,7
6,0
1
1,7
n
Aug. = 4,5
7,2
1
: 1
Analog dem Verhalten der Roggenpflanzen, zeigt sich
auch bei den obigen Versuchen der Gehalt an Ammo-
niak und Salpetersäure im April und Mai, und zwar
vorzüglich bei Berechnung auf trockne Substanz in Folge
des grossen Wassergehalts der Pflanzen höher, als in den
folgenden Monaten. Ebenso wie bei dem Roggen ergiebt
Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 22
sich ferner im Juni und Juli zur Zeit der Blüthe und
beginnenden Fruchtreife der geringste Gehalt an den
obengenannten Verbindungen. Abweichend aber ist das
Verhalten des Weizens dem Roggen gegenüber im Be-
treff der Salpetersäure. Während nämlich der Roggen
im Juni zur Zeit der Blüthe keine Salpetersäure in Sten-
gel und Aehren enthält, zeigt der Weizen zu derselben
Zeit in denselben Pflanzentheilen eine nicht unbedeu-
tende Menge derselben, und tritt in dieser Zeit bei dem
Weizen eine ebenso völlige Abwesenheit des Ammoniaks
in den Stengeln auf, wie bei dem Roggen eine solche
der Salpetersäure bemerkt wurde. Die im August zur
Erntezeit ausgeführten Versuche zeigten dann ferner wie-
der einen grösseren Gehalt an den betreffenden Substan-
zen, ebenso wie dieses bei dem Roggen erwiesen wurde,
und scheint es, als ob zu verschiedenen Vegetationszeiten,
vorzüglich aber zur Zeit der Blüthe und Fruchtreife, die
Pflanze mehr von dem genannten Stoffe verbrauche und
dieser Mehrverbrauch auf Kosten der übrigen Organe
und zwar vorzüglich des Stengels gedeckt würde.
3. Versuche mit Gerste.
Derselbe thonige Sandboden, welcher das Material
zu den vorhergehenden Versuchen geliefert hatte, gab
auch die hierbei nÖthigen Pflanzen.
Die erste Untersuchung der Gerstenpflanzen wurde
am 26. Mai unternommen, zu welcher Zeit sich diesel-
ben auf derselben Stufe der Entwickelung befanden, wie
Roggen und Weizen, welche vier Wochen früher zum
ter Mal untersucht worden waren. Sie enthielten am
genannten Tage in
1 (Irm. = 2,5 C.C. II *N und 2,5 C.C. NO* = 0,132
Proc. Ammoniak und 0,421 Proc. Salpetersäure.
28. Juni; die Pflanzen standen in voller Blüthe:
4 Grm. Blätter = 2,0 C.C. 1R\ und C.C. N05 =
0,106 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure.
22 Hosäus,
4 Grm. Stengel = C.C. H3N und C.C. NO* =.
Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Aehren = 0,5 C.C. IPN und 0,5 C.C. NO* =
0,02.6 Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure.
Wie bei dem Roggen und Weizen zur Zeit der
Blüthe nur eine geringere Quantität von Ammoniak und
Salpetersäure gefunden wurde, so ist dieses auch bei der
Gerste der Fall, und noch deutlicher, wie bei den vor-
hergehenden, tritt hier der Verbrauch der Substanzen auf
Kosten des Stengels auf, da dieser bei dem obigen Ver-
suche weder Ammoniak noch Salpetersäure enthielt, wäh-
rend in den Stengeln des Roggens und Weizens wenig-
stens das Eine oder die Andere vorhanden war.
28. Juli. Die Körner waren fast ganz ausgebildet,
aber noch unreif. Einzelne Blätter fingen bereits an ab-
zuwelken.
4 Grm. Blätter = 4,0 C.C. rPN und C.C. NO* =
0,212 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Stengel = 1,5 C.C. H3N und 0,5 C.C. N05 ==
0,079 Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Aehren = C.C. H3N und 0,5 C.C. NO* =
Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure.
Die Resultate dieser letzten Versuche reihen sich
vollständig den früher erhaltenen an. Sie ergeben einen
geringen Gehalt an den oft genannten Substanzen und
lassen auf einen Verbrauch derselben während der Frucht-
reife schliessen.
16. August. Die Körner waren völlig reif, Blät-
ter nicht mehr vorhanden.
4 Grm. Stengel == 1,0 C.C. H3N und C.C. NO* =
0,053 Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Körner == 3,0 C.C. H3N und 1,0 C.C. NO* =
0,159 Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure.
Mehr als bei den entsprechenden Versuchen mit Rog-
gen und Weizen stimmt der Gehalt der Körner mit dem-
jenigen überein, welcher sich bei der Prüfung der zu
den Keimungsversuchen verwendeten Gerste herausstellte,
Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 23
während im Allgemeinen die obigen Zahlen dasselbe Ver-
hältniss ergeben, welches bei dem Roggen und Weizen
zur Zeit der beendigten Fruchtreife bemerkt wurde.
Wasser bestimmun g. Bei 100° C. getrocknet be-
trug der Verlust:
am 26. Mai, bei der ganzen Pflanze = 81,0 Proc.
„ 28. Juni, in den Blättern = 70,0 „
„ „ Stengeln == 72,0 "„
„ „ Aehren = 74,0 „
„ 26. Juli „ „ Blättern = 45,0
„ , Stengeln = 45,0
„ „ Aehren = 45,0 „
„ 16. Aug., „ „ Stengeln =40,0
„ „ Aehren = 40,0 „
Der Salpetersäure- und Ammoniakgehalt der trock-
nen Pflanze beträgt demnach:
Ammo- Salpeter-
niak säure
Am 26. Mai, ganze Pflanze = 0,694 und 2,215 Proc.
„ 28. Juni, Blätter = 0,353 „ „
Stengel = „ „
Aehren =0,192 „ 0,323 „
„ 28. Juli, Blätter =0,385 „
Stengel =0,143 „ 0,152 „
Aehren == „ 0,152 „
„ 16. Aug., Stengel =0,088 „
Aehren =0,265 „ 0,280 ,
Der Durchschnittsgehalt der untersuchten Pflanzen-
theile an den vereinigten Aequivalenten von Ammoniak
und Salpetersäure beträgt:
darin verhalten sich
im frischen auf trockne Sub- Ammoniak zu Sal-
Xustaude stanz berechnet petersäure
I13N : N05
Im Mai = 5,0 26,3 1 : 1
„ Juni = 1,0 3,6 1 : 0,2
„ Juli = 2,16 3,9 1 : 0,18
„ Aug. =2 4,17 1 : 0,25
24 HosäuSj
Wie bei dem Roggen und Weizen zeigt sich auch
bei der Gerste im Mai die grösste Menge von Ammoniak
und Salpetersäure, ebenso wie im Juli zur Zeit der Blüthe
die geringsten Quantitäten derselben darin enthalten sind.
Auffallender indess, als bei den vorigen Versuchen, tritt
bei der in Blüthe stehenden Gerste vom 28. Juni eine
Verminderung der betreffenden Nährsubstanzen in den
einzelnen Organen der Pflanze auf, und zwar ist es aber-
mals der Stengel, dem die genannten Stoffe vollständig
entzogen sind, in der Art, dass weder vom Ammoniak,
noch von der Salpetersäure eine Spur darin gefunden
werden konnte, während die Stengel des in der Blüthe
stehenden Roggens und Weizens wenigstens das Eine
oder Andere enthielten. Im Juli zeigt sich wieder eine
Zunahme der vereinigten Aequivalente, die bei dem im
August mit völlig reifer Gerste gemachten Versuche noch
deutlicher hervortritt. Die Blätter wurden bei dem letz-
ten Versuche weggelassen, weil sie schon zu welk und
abgestorben waren.
4. Versuche mit Hafer.
Die Pflanzen entstammten einem in guter Cultur -ste-
henden Felde (schwerer Thonboden) am Löbstedter Wege.
Am 30. Mai, zu welcher Zeit die Pflanzen so weit ent-
wickelt waren, dass die Untersuchungen begonnen wer-
den konnten, enthielten die kräftig und gesund aussehen-
den Pflanzen :
in 4 Grm. = 2,5 CG. IPN und 2,5 C.C. NO* =
0,132 Proc. Ammoniak u. 0,421 Proc. Salpetersäure.
Genau also dieselben Mengen, welche bei den Gersten-
pflanzen zu derselben Zeit gefunden wurden.
30. Juni. Die Pflanzen waren zu dieser Zeit noch
nicht so weit entwickelt, dass sie eine Trennung ihrer
Theile erlaubt hätten, und mussten nochmals ungetheilt
der Analyse unterworfen werden.
4 Grm. = 1,0 C.C. H^N und C.C. NO* = 0,053
Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure.
Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 25
30. Juli. Es hatten sich bereits Körner gebildet,
doch konnten diese nicht von den Hüllen befreit werden
und wurden mit ihnen untersucht.
4 Grin. Blätter = 1,0 C.C. H3N und C.C. N05 =
0,053 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Stengel = 1,0 C.C. IPN und C.C. NO* =
0,053 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Körner = 0,5 C.C. H3N und 0,5 C.C. NO =
0,026 Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure.
Eben so auffallend, wie bei der Gerste, zeigt dieser,
so wie der im Juni gemachte Versuch, die beträchtliche
Verminderung des Gehalts an Ammoniak und Salpeter-
säure zur Zeit der Fruchtbildung, und zwar ist es hier
vorzugsweise die Salpetersäure, welche dazu in Anspruch
genommen zu werden scheint.
17. August. Die Körner waren der völligen Reife
sehr nahe und konnten von den Spelzen getrennt unter-
sucht werden. Blätter waren nicht mehr vorhanden.
4 Grm. Stengel = 1,5 C.C. IPN und C.C. N05 =
0,079 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Körner = 2,5 C.C. IPN und 1,5 C.C. NO* =-
0,132 Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure.
Von allen im Vorhergehenden besprochenen mehr
oder weniger reifen Körnern sind die des Hafers die
einzigen, welche, wenigstens in Betreff der Salpetersäure,
mit den Resultaten übereinstimmen, welche bei den schon
oft genannten Keimungsversuchen gewonnen wurden und
die im Allgemeinen höhere Zahlen ergeben, als hier bei
den frischen Samen auftraten.
Der Wasserverlust betrug nach dem Trocknen bei
100« C. :
•'•'». Mai, bei der ganzen Pflanze = 83,2 Proc.
;u - Jini, » ,' , n = 72,0 „
'. Juli, bei den Blättern = 60,0 „
„ „ Stengeln = 70,0 „
„ „ Körnern = 59,0 „
26 Hosäus,
16. Aug., bei den Stengeln — 46,5 Proc.
„ „ Körnern = 43,0 „
Auf trockne Substanz berechnet beträgt hiernach der
Gehalt an Ammoniak und Salpetersäure:
Ammo- Salpeter-
niak säure
im Mai, bei den ganzen Pflanzen = 0,786 u. 2,500 Proc.
„ Juni, „ n n „ == 0,189 „
„ Juli, in den Blättern = 0,132 „ „
„ „ Stengeln = 0,176 „
„ „ Körnern == 0,083 „ 0,270 „
„ August, in den Stengeln . . . . = 0,147 „ „
„ , Körnern == 0,232 „ 0,147 „
Der Durchschnittsgehalt der untersuchten Pflanzen-
theile an den vereinigten Aequivalenten von Ammoniak
und Salpetersäure beträgt:
im frischen
Zustande
auf trockne Si
stanz berechn
üb-
et
darin verl 1
Ammon]
Salpet(
H3N
alten sich
ak und
jrsäure
N05
Im Mai = 5,0
29,7
1 '
1
n Juni = 1,0
3,5
1 :
0,0
„ Juli = .1,0
3,4
1
0,2
, Aug. = 1,5
2,7
1
: 0,12
Aus dem Vorstehenden ergiebt sich, dass auch die
Haferpflanze im Allgemeinen dasselbe Verhalten zeigt,
wie diejenigen des Roggens, Weizens und der Gerste,
dass nämlich im Mai die grösste Menge von Ammoniak
und Salpetersäure darin enthalten ist, während bei der
weiteren Entwicklung meist eine Abnahme und am Ende
der Vegetationsperiode wiederum eine Zunahme derselben
bemerkt wird. Salpetersäure enthält die Haferpflanze in-
dess weniger, als die vorhergehenden, eine Thatsache,
auf die schon Sie wert in seiner Arbeit über die Bestim-
mung der Salpetersäure, Annalen der Chemie 125, 293,
aufmerksam macht.
Bei dem im Juli gemachten Versuche wurden die
Körner mit den Spelzen angewandt, während im August,
Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 27
bei fast völliger Reife, die Körner davon getrennt
wurden.
Da die Versuche mit den Getreidearten hiermit be-
endet sind, so folgt zur raschen Uebersicht eine Zusam-
menstellung des Gehalts der frischen Pflanzen an Ammo-
niak und Salpetersäure, im Durchschnitt der untersuch-
ten Pflanzentheile genommen und in Procenten ausge-
drückt.
Roggen Weizen Gerste Hafer
H3\ u. N05 H3N u. NO* H3N u. NO^ H3N u. NO*
Im April =0,132 „ 0,168 0,106 „ 0,168 — — — —
„ Mai =0,150 „ 0,196 0,079 „ 0,252 0,132 „ 0,421 0,132 „ 0,421
„ Juni = 0,079 „ 0,056 0,061 „ 0,196 0,043 „ 0,026 0,053 „
„ Juli = 0,106 „ 0,315 0,053 „ 0,280 0,097 „ 0,059 0,044 „ 0,026
„ Aug. = — — 0,119 „ 0,278 0,101 „ 0,084 0,105 „ 0,026
Bei allen der Untersuchung unterworfenen Getreide-
arten zeigt sich demnach eine gewisse Uebereinstim-
mung.
Sie zeigen sämmtlich im Frühjahre, am Anfang der
eigentlichen Vegetationsperiode, einen grösseren Gehalt
an Ammoniak und Salpetersäure, als bei ihrer weiteren
Entwickelung, und nur am Ende der Vegetation tritt
eine grössere Quantität der genannten Substanzen vor-
züglich in den reifen Früchten auf. Im Juni, zur Zeit
der Blüthe, zeigen sie sämmtlich den geringsten Gehalt
an den betreffenden Stoffen und von der Blüthe bis zur
Fruchtreife ein ganz allmäliges Zunehmen derselben. Aus-
ser den oben besprochenen Getreidearten wurden auch
noch mit Chelidonium maj., Schöllkraut, und Colchicum
autumnale, Herbstzeitlose, Versuche während ihrer gan-
zen Vegetationszeit gemacht. Die Pflanzen wurden auf
freiem Felde gesammelt und zwar möglichst von ein und
demselben Platze, so weit sich dieses im Laufe von ver-
schiedenen Monaten durchführet) Hess. So lange die ein-
zelnen Tbeile der Pflanzen nicht vollständig ausgebildet
waren, um zur Untersuchung verwendet werden zu kön-
nen, wurden dieselben als ganze Pflanzen untersucht,
28 Hosäus,
während bei ihrer weiteren Entwicklung die Theile ge-
trennt und einzeln der Analyse unterworfen wurden.
Chelidonium majus, Schöllkraut.
19. April. Die Pflanzen fingen bereits an, Stengel
zu bilden. Sie waren einem Orte entnommen, der einem
zufälligen Empfangen ammoniakalischer Stoffe möglichst
wenig ausgesetzt war, versprachen ein frisches, kräftiges
Gedeihen und enthielten in
4 Grm. = 3,0 C.C. H3N und 2,0 C.C. NO* --= 0,158
Proc. Ammoniak und 0,337 Proc. Salpetersäure.
23. Mai. Einzelne Blüthen waren vorhanden und
die Entwickelung der zu untersuchenden Exemplare war
so weit fortgeschritten, dass Blätter und Stengel getrennt
werden konnten.
4 Grm. Blätter = 3,0 C.C. H3N und 6,0 C.C. NO* =
0,158 Proc. Ammoniak u. 1,012 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Stengel = 2,0 C.C. tPN und 11,5 C.C. NO =
0,106 Proc. Ammoniak u. 1,940 Proc. Salpetersäure.
Während dem vorigen Versuche gegenüber der Am-
moniakgehalt hier ziemlich derselbe bleibt, steigt die
Menge der Salpetersäure bei den Blättern sowohl, als bei
dem Stengel so bedeutend, wie es bisher noch nicht be-
obachtet wurde.
22. Juni. Neben den Blüthen zeigten sich bereits
junge Schötchen, und zwar so viele, dass sie der Unter-
suchung unterworfen werden konnten.
4 Grm. Blätter = 3,0 C.C. IPN und 4,0 C.C. NO^ =
0,156 Proc. Ammoniak u. 0,675 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Stengel = C.C. H3N und 3,0 C.C. NO* =
Proc. Ammoniak u. 0,506 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Schoten = 2,5 C.C. IPN und 2,0 C.C. NO* =
0,132 Proc. Ammoniak u. 0,337 Proc. Salpetersäure.
Auffallender und entschiedener, als bei den Getreide-
arten, tritt hier am Anfang der Fruchtbildung eine Ver-
minderung des Ammoniaks und der Salpetersäure auf,
und vorzugsweise ist es abermals der Stengel, welcher
Gehalt der Pflanzen an Ammoniak v. Salpetersäure etc. 29
diese Verminderung am deutlichsten zeigt, da in ihm das
Ammoniak gänzlich und die Salpetersäure bis auf den
vierten Theil des durch den vorigen Versuch ermittelten
Gehalts verschwunden ist.
24. Juli. Die Früchte waren mehr oder weniger
ausgebildet und einzelne Blüthen noch vorhanden.
4 Grm. Blätter = 1,5 C.C. H3N und 2,5 C.C. NO* =
0,079 Proc. Ammoniak u. 0,421 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Stengel = 0,5 C.C. IPN und 2,0 C.C. NO* ==
0,026 Proc. Ammoniak u. 0,337 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Schoten = 1,0 C.C. IPN und 2,5 C.C. NO* =
0,053 Proc. Ammoniak u. 0,421 Proc. Salpetersäure.
Im Allgemeinen zeigen diese Versuche, dem Vori-
gen gegenüber, eine noch geringere Menge der betreffen-
den Substanzen, der Stengel enthält indess wieder eine
Spur Ammoniak und die Schoten eine grössere Quantität
Salpetersäure.
Im August und September konnten leider keine Ver-
suche angestellt werden, und wurde die letzte Analyse
dieser Pflanze im October unternommen.
28. October. Die vorgeschrittene Jahreszeit hatte
die Vegetation so sehr beeinträchtigt, dass eine Trennung
der noch übrigen Blätter und Stengel nicht mehr räthlich
erschien und diese zusammen der Untersuchung unter-
worfen wurden.
4 Grm. = 3,5 C.C. H3N und 1,5 C.C. NO* = 0,185
Proc. Ammoniak und 0,252 Proc. Salpetersäure.
Das hier erhaltene Resultat stimmt fast ganz mit
dem überein, welches im April bei Beginn der Vegeta-
tion erhalten wurde, und zeigt den letzten Versuchen
gegenüber eine Zunahme des Ammoniaks und der Sal-
rsäure.
WasBcrbcstimmung. Bei 100<>C. getrocknet, be-
trug der Verlort am
19. April, bei der ganzen Pflanze = 84,0 Proc.
23. Mai, „ den Blättern == 75,0 „
„ „ Stengeln = 85,0 *
30 Hosäus,
22. Juni, bei den Blättern = 79,0 Proc.
„ „ Stengeln = 80,5 „
„ Schoten = 82,0 „
24. Juli, „ „ Blättern — 83,0 „
„ Stengeln = 82,0
„ „ Schoten = 75,0 „
280ct -{ BiaSei e :::::::::; = ^o
»
Auf trockne Substanz berechnet ergiebt sich hieraus
folgender Gehalt an Ammoniak uud Salpetersäure:
Ammoniak. Salpeters.
im April, in der ganzen Pflanze = 0,987 u. 2,106 Proc.
„ Mai, „ den Blättern =0,632 „ 4,048 „
„ „ Stengeln =0,706 „ 5,173 „
„ Juni, , „ Blättern =0,752 „ 3,209 „
„ „ Stengeln = „ 2,594 n
„ „ Schoten = 0,694 „ 1,800 „
„ Juli, „ „ Blättern = 0,464 „ 2,476 „
„ „ Stengeln = 0,144 „ 1,872 B
„ „ Schoten = 0,212 „ 1,684 „
■ 0ct -{ : : BuSn::: = o."°. y»? .
Die vereinigten Aequivalente von Ammoniak und
Salpetersäure betragen hiernach, im Durchschnitt der
untersuchten Pflanzentheile genommen:
darin verhalten sich
im frischen auf trockne Sub- Ammoniak zu
Zustande stanz berechnet Salpetersäure
H3N : NO
Im April = 5,0 31,0 1 : 0,66
„ Mai =11,2 56,0 1 : 3,5
„ Juni = 4,8 24,0 1 : 1,6
B Juli = 3,3 16,5 1 : 2,3
„ Oct. = 5,0 20,8 1 : 0,43
Die schon mehrfach beobachtete Erscheinung, dass
die als Unkraut vorkommenden Pflanzen häufig sehr viel
Salpetersäure enthalten, dürfte auch durch vorstehende
Versuche abermals Bestätigung gefunden haben, denn die
Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 31
Salpetersäure tritt während der ganzen Entwickelung der
Pflanze in so grossen Mengen auf, dass sie das Ammo-
niak bei weitem überwiegt und würde das Schöllkraut
als eine sehr viel Salpetersäure enthaltende Pflanze zu
bezeichnen sein. Bei dem Versuch im April begann die
Pflanze Stengel zu treiben. Im Mai waren bereits ein-
zelne Blüthen vorhanden, im Juni zeigten sich neben den
Blüthen einzelne. Schötchen, im Juli waren die Früchte
mehr oder weniger ausgebildet und der Reife nahe, und
im October war die Pflanze von dem gänzlichen Eingehen
nicht sehr weit entfernt. Auffallend erscheint der hohe
Salpetersäuregehalt im Mai, am Anfang der ersten Frucht-
bildung, und die bedeutende Verminderung desselben bei
der weiteren Ausbildung der Früchte im Juni. Vorzüg-
lich ist es abermals wie bei den Cerealien der Stengel,
in welchem die Verminderung am deutlichsten sichtbar
wird, und zwar nicht nur eine Verminderung der Sal-
petersäure von circa 2 Proc. auf 0,5 Proc, also um das
Vierfache, sondern auch des Ammoniaks, welches gar
nicht mehr im Stengel gefunden wurde. Um dieses gänz-
liche Fehlen des Ammoniaks in dem Stengel zur Zeit
der Fruchtbildung zu controliren, wurde ein zweiter Ver-
such mit den Stengeln einer andern Pflanze gemacht und
darin 0,026 Proc. Ammoniak gefunden, also so wenig,
dass die Richtigkeit des ersten Versuches wohl nicht be-
zweifelt werden kann, da, wie schon gesagt, eine andere
Pflanze genommen werden musste.
Im Juli schreitet die Verminderung der betreffenden
Substanzen noch weiter vor, im October enthält die Pflanze
schon wieder etwas mehr und zeigt dieselben Mengen
der vereinigten Aequivalente wie im April, am Anfang
der Vegetation.
( alchicum autumnale, Herbstzeitlose.
26. April. Die sich kräftig entwickelnden Pflan-
zen hatten eine Hohe von circa 2 Zoll erreicht.
4 Gim as 1,5 CO. 1I : 'N und 1,5 C.C. NO* = 0,079
Proc, Ammoniak und 0,252 Proc. Salpetersäure.
32 Hosäus,
28. Mai. Die Grösse der. Pflanzen hatte sich mehr
als verdoppelt. Samen hatten sich noch nicht angesetzt.
4 Grra. = 1,5 C.C. H^N und 2,5 C.C. NO* = 7 079
Proc. Ammoniak und 0,421 Proc. Salpetersäure.
Die Salpetersäure hat sich also nicht unbedeutend ver-
mehrt.
28. Juni. Es waren vollständig ausgebildete, aber
noch ganz unreife Samen vorhanden. •
4 Grm. Blätter = C.C. rPN und 0,5 C.C. NO» =
Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Samen = 1,0 C.C. H3N und 2,0 C.C. NO* ==
0,052 Proc. Ammoniak u. 0,337 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Samenkapseln = C.C. rPN u. 0,5 C.C. NO =
Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure.
Wie bei allen früher gemachten Versuchen, wird
auch hier zur Zeit der Fruchtreife eine Verminderung
des Ammoniaks und der Salpetersäure bemerkt.
15. Juli. Die Früchte waren völlig reif. Stengel
und Blätter wurden zusammen untersucht, da die letzte-
ren theilweise dem gänzlichen Eingehen nicht mehr fern
waren.
4 Grm. Stengel u. Kraut — 1,5 C.C. rPN und NO 5
= 0,079 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Samen =-- 2,0 C.C. H3N und 2,0 C.C. NO* =,
0,106 Proc. Ammoniak u. 0,337 Proc. Salpetersäure.
4 Grm. Sammenkapseln = 1,0 C.C. tPN und 0,5 C.C.
NO 5 = 0,053 Proc. Ammoniak und 0,084 Proc.
Salpetersäure.
Das Ammoniak tritt hier also nach beendigter Frucht-
reife im Vergleich mit dem letzten Versuch wieder in
grösserer Menge auf, eine Erscheinung, die ebenfalls schon
oft bemerkt wurde, während die Salpetersäure in dem
Stengel und den Blättern ganz verschwunden ist.
28. October. Den Schluss dieser Untersuchungen
bildete die Bestimmung des Gehalts an den betreffenden
Substanzen bei den Blüthen.
-
n
Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 33
4 Grm. Blüthen = 2,5 C.C. H3N und NO» = 0,132
Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure.
Was serbestimmung. Bei 100<> C. getrocknet be-
trug der Verlust am:
26. April, in der ganzen Pflanze... = 80,5 Proc.
28. Mai, „ „ , • . . . = 80,5
28. Juni, in den Blättern = 75,0
Samen = 60,0
77 77
„ „ Samenkapseln = 66,0 „
15. Juli, , „ Stengeln u. Kraut = 70,0
„ r Samen = 37,5
„ „ Samenkapseln .... — 40,0 „
28. Oct., „ „ Blumen = 81,5 „
Auf trockne Substanz berechnet, ergiebt sich hier-
aus folgender Gehalt an Ammoniak und Salpetersäure:
Ammoniak Salpeters.
Im April, in der ganzen Pflanze . . = 0,405 u. 1,292 Prc.
. Mai, ,*.-.-. . = 0,405 „ 2,158 .
Juni, in den Blättern — „ 0,336 „
„ „ Samen = 0,132 „ 0,841 „
„ n Samenkapseln.. = „ 0,217 „
„ Juli, in Stengeln u. Kraut . . = 0,262 „ „ „
„ Samen = 0,169 „ 0,539 „
, Samenkapseln = 0,088 B 0,140 „
Oct., in den Blumen = 0,713 „
Der Durchschnittsgehalt der untersuchten Pflanzen-
theile an den vereinigten Aequivalenten von Ammoniak
und Salpetersäure beträgt:
darin verhalten sich
im frischen auf trockne Sub- Ammoniak zu
Zustande stanz berechnet Salpetersäure
H3N : NO*
Im April = 3,0 15,5 1:1
„ Mai = 4,0 20,5 1 : 1,6
, Juni = 1,3 3,9 1 : 3,0
„ Juli == 2,3 4,5 1 : 0,5
„ Oct. sa 2,5 12,8 1:0
Die zu den Versuchen verwendeten Pflanzen wurden
Arch.d. Pharm. CLXXIV.Bdf. l.u.2. Hft. 3
34 Hosäus,
von einer Wiese in der Nähe der Stadt genommen, sie
waren im April und Mai in einer kräftigen Entwicklung
begriffen, hatten aber in dieser Zeit noch keine Samen
angesetzt. Im Juni dagegen waren vollständig ausgebil-
dete, aber unreife Samen vorhanden, welche im Juli ihre
völlige Reife erreicht hatten. Die Prüfung der Blüthen
hätte wohl richtiger im Herbst des vergangenen Jahres
geschehen müssen, da diese bekanntlich in ihrer Ent-
wicklung den Blättern vorausgehen. Die Versuche selbst
ergeben dieselben Resultate, wie sämmtliche vorhergehende.
Im Mai, vor Beginn der Fruchtbildung, ist der Gehalt
an Ammoniak und Salpetersäure am grössten. Im Juni,
bei der Bildung der Samen, nimmt er bedeutend ab, um
bei der völligen Reife wiederum etwas höher zu steigen.
Versuche mit Liliaceen und Irideen, zwiebelartige
Gewächse.
In der schon genannten ersten Abtheilung dieser
Arbeit sprach ich die durch Versuche begründete Ansicht
aus, dass die oben genannten Gewächse keine Salpeter-
säure enthielten. Weitere Untersuchungen der genannten
Pflanzen im Lauf dieses Sommers berichtigen diese An-
gabe dahin, dass sie nur im Herbst, also am Ende der
Vegetationszeit, völlig frei von Salpetersäure sind, nicht
aber im Sommer, während ihrer Entwickelung. Im Herbst
1863 ergaben die Untersuchungen von Iris germanica,
deutsche Schwertlilie, Allium Porrum, Porree, Allium sati-
vum, Knoblauch, und Allium Cepa, Hauszwiebel, keine
Spur von Salpetersäure, und zwar nicht nur die Knollen,
sondern auch die Blätter. Im Sommer 1864 wurden die-
selben nochmals der Untersuchung unterworfen und von
demselben Orte im botanischen Garten entnommen, wie
diejenigen im vorhergehenden Herbst. Da diese Ver-
suche, wie schon erwähnt, einen nicht unbedeutenden Ge-
halt an Salpetersäure ergaben, so wurden sie im Herbst,
zu derselben Zeit, wie im vorhergehenden Jahre, unter
denselben Bedingungen, d. h. von demselben Standorte
Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 35
und in demselben Zustande, nochmals untersucht, bei
welchen letzten Versuchen gleiche Resultate wie im vori-
gen Herbst, also Abwesenheit der Salpetersäure,
erhalten wurden.
Die im Juni gemachten Versuche ergaben bei
Allium Cepa, Hauszwiebel
in 4 Grm. Blätter = 1,5 C.C. H3N und 2,0 C.C. N05 =
0,079 Proc. Ammoniak u. 0,337 Proc. Salpetersäure.
„ 4 Grm. Zwiebel = 2,0 C.C. H3N u. 1,0 C.C. NO* =
0,106 Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure.
Allium Porrum, Porree
„ 4 Grm. Blätter = 2,0 C.C. H3N u. 1,5 C.C. MOS =
0,106 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure.
„ 4 Grm. Zwiebel = 2,5 C.C. H3N u. 1,5 C.C. NO* =
0,159 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure.
Iris germanica
„ 4 Grm. Blätter = 1,5 C.C. H3N u. 1,5 C.C. NO =
0,079 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure.
„ 4 Grm. Knollen = 2,0 C.C. H3N u. 0,5 C.C. NO* =
0,106 Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure.
Dagegen zeigten die im October unternommenen Ana-
lysen bei
Allium Cepa
in 4 Grm. Blätter = 2,0 C.C. H3N und C.C. NO =
0,106 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure.
„ 4 Grm. Zwiebel = 1,0 C.C. H3N und C.C. NO* =
0,053 Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure.
Allium Porrum
„ 4 Grm. Blätter = 3,0 C.C. PPN und C.C. NO* ==
0,159 Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure.
„ 4 Grm. Zwiebel = 3,5 C.C. H3N und C.C. NO* =
o ; 185 Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure-
Iris germanica
„ \ Grm. Blätter = 1,5 C.C. H»N und C.C. NO* =
o ; 079 Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure.
, 4 Grm. Knollen = 1,5 C.C. IPN und C.C. NO* =
0,079 Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure.
3*
36 Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc.
Die Versuche vom vorigen Jahre sind demnach durch
die diesjährigen vollständig bestätigt worden und muss
nur noch dabei bemerkt werden, dass die Salpetersäure
den betreffenden Pflanzen während ihrer Entwickelung
nicht fehlt, sondern nur im Herbst, nachdem sie mehr
oder weniger abgestorben sind, nicht mehr in ihnen ent-
halten ist. Die Erklärung dieser Erscheinung, so nahe
sie bei der Bildung der Eiweisskörper, vielleicht auch
der Allylverbindungen liegen mag, muss für jetzt noch
anderweitigen Versuchen überlassen werden.
Alle übrigen Versuche, mit den Cerealien sowohl,
als auch mit Chelidonium und Colchicum, ergeben einen
verschiedenen Gehalt der betreffenden Pflanzen an Am-
moniak und Salpetersäure während der verschiedenen
Stadien ihrer Entwickelung. Fast sämmtliche zeigen im
April, bezüglich Mai, den grössten Reichthum an den
betreffenden Substanzen. Bei ihrer weiteren Entwicke-
lung tritt eine bedeutende Erniedrigung desselben ein
und erst gegen Ende der Fruchtreife wird eine Erhöhung
wieder bemerkbar. Während dieser Zeit scheint ein
förmliches Wandern dieser Bestandtheile aus einem Theil
der Pflanze in den andern statt zu finden, je nachdem
der eine Theil zu seiner Ausbildung mehr oder weniger
davon braucht. Vorzugsweise ist es der Stengel, bei dem
eine völlige Ausziehung wiederholt zu bemerken, und zwar
am deutlichsten zur Zeit der Blüthe und der beginnen-
den Fruchtreife. Während dieser Zeit enthalten sämmt-
liche untersuchten Pflanzen die geringsten Mengen von
Ammoniak und Salpetersäure, und scheint es, als wür-
den bedeutende Quantitäten derselben während der Blüthe
und Fruchtbildung verbraucht. Ein sehr auffallendes Bei-
spiel für diesen Verbrauch giebt Colchicum autumnale.
Während im Mai in den ganzen Pflanzen noch 0,079 Proc.
H 3 N und 0,421 Proc. NO 5 enthalten waren, enthielten
dieselben nach 4 Wochen, während welcher sich Samen
gebildet hatten, gar kein Ammoniak und nur noch 0,084
Procent Salpetersäure, also noch den fünften Theil der
Kromayer, über das Menyanthin. 37
durch den früheren Versuch bestimmten Menge. Später,
am Ende der Fruchtreife, tritt dann, wie schon erwähnt,
wieder ein grösserer Gehalt an den genannten Stoffen
auf. Worauf aber diese gewiss auffalligen Erscheinun-
gen beruhen, ob sie sich vielleicht mit der Bildung der
Eiweisskörper oder den sonstigen sticksoffhaltigen Bestand-
teilen des Samens in Uebereinstimmung bringen lassen,
sind Fragen, die weiteren Untersuchungen überlassen wer-
den müssen.
Ueber das Menyanthin;
von
Dr. August Kromayer,
Apotheker in Geisa.
In meiner ersten Untersuchung über den Bitter-
stoff des Fieberklees, Menyanthes trifoliata L., (Arch.
der Pharm. Dec. 1861, Bd. CVlll. p. 263) gelang es mir,
denselben zu isoliren und dessen Glykosidnatur darzu-
thun. Weitere Untersuchungen über denselben Gegen-
stand veranlassen mich zu dieser Mittheilung.
Was zunächst die Darstellungsmethode des Menyan-
thins anbelangt, so hatte ich schon in meiner früheren
Untersuchung die Fällbarkeit desselben durch Gerb-
säure benutzt, indem aus dem wässerigen Auszuge des
Bitterklees der Bitterstoff direct mittelst Galläpfelauf-
guss gefällt wurde. Durch dieses Verfahren konnte
aber immer nur eine geringe Ausbeute erzielt werden,
indem der grössere Theil des gerbsauren Menyanthins in
u»<; blieb. Um nun diesen Verlust an Menyanthin
fliehst zu vermeiden, habe ich folgende Abscheidungs-
methode befolgt:
Ich benutzte die Eigenschaft des Menyanthins, von
der Kohle aufgenommen zu werden. Hierbei
kommt es aber darauf an, einen möglichst concen-
trirten, v rigen Bitterklee-Auszug darzu-
stellen, ohne dabei viel abdampfen zu müssen.
38 Kromayer,
Der trockne Bitterklee wurde mit so viel Wasser
übergössen, dass letzteres eben darüber stand, hierauf
erhitzt und scharf ausgepresst. Die Pressflüssigkeit auf
eine neue, eben so grosse Menge Bitterklee gegeben,
nach dem Erhitzen ausgepresst und mit der erhaltenen
Pressflüssigkeit noch eine dritte Portion frischen
Bitterklees behandelt. Sämmtliche Pressrückstände
wurden mit einer neuen, hinreichenden Menge heissen
Wassers nochmals ausgezogen.
Die vereinigten wässerigen Bitterklee- Auszüge wur-
den bei 60° — 70° C. auf 2 ' 3 ihres Volumens eingedunstet,
sodann bei derselben Temperatur mit gekörnter Kno-
chenkohle behandelt. Auf 12 Pfund trocknen Bitter-
klee wurden 8 Pfund Knochenkohle verwendet und nach
zweistündiger Einwirkung der letzteren eine völlige
Entbitterung der Flüssigkeit erzielt.
Nach längerem Stehen giesst man die entbitterte
Flüssigkeit von der Kohle ab und wäscht letztere wieder-
holt mit kaltem Wasser aus, bis letzteres farblos ab-
läuft. Die allen Bitterstoff enthaltende Kohle kocht
man nun zweimal hintereinander mit Weingeist
aus*). Man hat darauf zu achten, dass die weingeistige
Lösung noch heiss von der Kohle getrennt werde, weil
beim Erkalten letztere mehr oder weniger Bitterstoff wie-
der aufnimmt. Aus diesem Grunde ist es nöthig, ge-
körnte Knochenkohle anzuwenden, obgleich die ge-
pulverte Knochenkohle (sog. Ebur ustum) sehr gut ent-
bittert, sich aber immer nur langsam und unvollständig
absetzt und daher durch Wiederaufnahme von Bitterstoff
Verlust an letzterem veranlasst.
Der heisse weingeistige Auszug der bitterstoffhalti-
gen Kohle erscheint hellbraun und besitzt den inten-
siv bittern Geschmack des Fieberklees. Man
*) Dies geschieht am besten bei grösseren Quantitäten in einer
Destillir blase: den überdestillirenden Weingeist giesst man
immer wieder zurück.
über das Menyanthin. 39
filtrirt die vereinigten weingeistigen Auszüge, destillirt
den Weingeist ab, bringt den Retortenrückstand in eine
Porcellanschale, erwärmt auf dem Wasserbade, bis aller
Weingeist verdampft ist und behandelt den extractarti-
gen Rückstand wiederholt mit Aether, bis letzterer
nichts mehr davon aufnimmt. Der Aether lost eine
kratzend schmeckende Substanz auf.
Die mit Aether behandelte Masse löst man hierauf
in Wasser und fällt aus der braunen Lösung das Menyan-
thin mittelst Galläpfelaufguss oder besser gleich mit
reiner Gerbsäure (mit Tannin). In beiden Fällen
erhält man einen dicken, breiartigen Niederschlag von
geibgrauer Farbe, welche letztere je nach An-
wendung von Galläpfelaufguss oder reiner
Gerbsäure dunkler oder heller erscheint. Beim
Umrühren geht der breiartige Niederschlag von gerbsau-
rem Menyanthin zu einer zähen, pflasterartigen
Masse zusammen. Die überstehende Flüssigkeit erscheint
noch trübe, klärt sich aber nach längerem Stehen, indem
sich die letzten Reste von gerbsaurem Menyanthin noch
absetzen.
Die Menyanthinlösung darf beim Fällen mit Gerb-
säure nicht zu concentrirt sein, in welchem Falle
kein Niederschlag entsteht; erst bei einem ge-
wissen Wasserzusatz scheidet sich die gerbsaure Ver-
bindung ab.
Das pflasterartige gerbsaure Menyanthin knetet man
wiederholt mit reinem Wasser, löst es dann in der sechs-
fachen Menge Alkohol auf, entfernt durch Filtration
einen geringen flockigen Rückstand, mischt das klare
Filtrat in einer Porcellanschale mit einer hinreichenden
Menge reinen zerriebenen Bleiweisses*) und setzt
*) Früher weudele ich zur Zersetzung des gerbsauren Menyan-
thiriH, überhaupt gerbsaurer BitterstofFveibindungen , ge-
blämmtei Bleioxyd an. Durch letzteres gebt aber die
ZertetsUDg bei weitem nicht so leicht, wie bei Anwendung
von Biet weist von statten. Im ersteren Falle inuss die Mi-
40 Kromayer,
das gleiche Volumen der alkoholischen Lösung Wasser
hinzu.
Das Gemisch erhitzt man auf dem Wasserbade unter
beständigem Umrühren, bis sich keine Kohlensäurebläschen
mehr entwickeln. Dies ist der Punct, wo die Zersetzung
beendet ist. Man kann jetzt zur Trennung des Menyan-
thins vom gerbsauren Bleioxyd das Gemisch sogleich auf
ein Filter bringen, besser ist es aber, wenn man letzteres
erst auf dem Wasserbade zur Trockne eindunstet und aus
dem Rückstande das Menyanthin mit heissem Alkohol
auszieht; die alkoholische Menyanthinlösung lässt sich in
diesem Falle leicht von dem gerbsauren Bleioxyd abgiessen.
Die ^alkoholische Menyanthinlösung erscheint gelb-
braun. Zur Entfernung des Farbstoffs behandelt man
dieselbe mit etwas gemahlener Knochenkohle *).
Die Entfärbung der Lösung geht rasch und unter Anwen-
dung von wenig Kohle vor sich; man trennt noch heiss
die alkoholische Menyanthinlösung von der Kohle, destil-
lirt von ersterer den Alkohol ab, dunstet den Retorten-
rückstand auf dem Wasserbade ein, bis aller Alkohol
entfernt ist, nimmt den Rückstand wieder mit etwas Was-
ser auf und fällt zur völligen Reinigung das Menyanthin
nochmals mit reiner Gerbsäure. Das gerbsaurc
Menyanthin erscheint jetzt fast weiss; man wäscht
dasselbe sorgfältig mit Wasser und scheidet das Menyan-
thin wie früher daraus ab. Erscheint die nach der Tren-
schung immer erst zur Trockne gebracht werden, ehe völlige
Zersetzung erfolgt, und oft muss das Verfahren wiederholt
werden. Aber ausserdem kann auch das Bleioxyd wegen sei-
ner alkalischen Reaction verändernd auf manche
Bitterstoffe einwirken, was bei Anwendung von Blei-
weiss in keiner Weise zu fürchten ist. Die Zersetzung gerb-
saurer Bitterstoffe mittelst Bleiweiss erfolgt beim blossen Er-
wärmen vollständig, und der Process ist beendet, sobald sich
keine Kohlensäurebläschen mehr entwickeln.
*) Zu diesem Zwecke muss die Kohle vorher hintereinander mit
Wasser und Alkohol ausgekocht und gut ausgewaschen
werden, um alles Lösliche daraus zu entfernen.
über das Menyanthin. 41
nung von gerbsaurem Bleioxyd erhaltene, alkoholische
Menyanthinlösung noch gefärbt, so behandelt man die-
selbe nochmals mit Kohle, dunstet hierauf die farb-
lose Menyanthinlösung bei gelinder Wärme ein und
trocknet den nur schwach gelblich gefärbten Rück-
stand über concentrirter Schwefelsäure.
Das vollkommen über Schwefelsäure getrocknete Me-
nyanthin liefert zerrieben ein rein weisses Pulver.
Aus 25 Pfund (12 l / 2 Kilogrm.) trocknen Bitterklees
wurden das eine Mal 22 Grm v ein zweites Mal 26 Grm.
reines Menyanthin erhalten.
Die Eigenschaften des nach dieser Methode abge-
schiedenen Menyanthins sind dieselben, wie die in mei-
ner früheren Arbeit angegebenen.
Vollkommen über Schwefelsäure getrocknetes Menyan-
thin verliert bei 115° C. getrocknet nicht sehr merklich
an Gewicht. ♦
0,776 Grm. über Schwefelsäure getrocknetes Menyan-
thin verloren bei 115° C. längere Zeit erhitzt, 0,008
Gramm HO = 1,03 Proc. Wasser.
Die Elementaranalyse ergab Resultate, die von dem
früher analysirten Menyanthin etwas abweichen. Der
Kohlenstoffgehalt wurde gegen früher etwas höher und
der Wasserstoffgehalt etwas niedriger gefunden.
I. 0,271 Grm. bei 115° C. getrocknetes Menyanthin
gaben :
0,172 Grm. HO = 0,0191 Grm. H = 7,047 Proc. II
und
0,563 „ C02 =z 0,1535 „ C = 56,642 „ C.
Die Formel C60H46O28 _f- HO = OOH47 029 ver-
langt
berechnet gefunden
C = 66,338 '»42 Proc.
H == 7,365 7,047 „
— 36,307 36,311 „
TÖÖfiOO 100,000.
II. 0,270 Grm« über Schwefelsäure getrocknetes Me-
nyanthin gaben :
42 Kromayer,
0,178 Grra. HO == 0,0197 Grm. H = 7,296 Proc. H
und
0,563 „ C02 = 0,1535 „ G = 56,855 „ C.
Die Formel O>H46 028 verlangt:
berechnet gefunden
O ö 360 57,143 56,855
H 4 6 = 46 7,301 7,296
028 — 224 35,556 35,849
630 ~~ 100,000 100,000.
Bei meiner ersten Analyse des Menyanthins {siehe
Archiv der Pharm. 1861. Bd. 108. S. 273) erhielt ich aus
0,266 Grm. über concentrirter Schwefelsäure getrockne-
tem Menyanthin beim Verbrennen mit Kupferoxyd 0,543
Gramm CO 2 und 0,184 Gramm Wasser. Ich berechne
jetzt daraus die Formel C6<>H48O30 = O60H46()28_|_ 2 HO,
welche verlangt:
berechnet
gefunden
C60
= 360
, 55,56
55,676
R48
== 48
7,41
7,669
O30
= 240
37,03
36,655
648 100,00 100,000.
Das Menyanthin ist sonach = C 60 H 46 O 28 und ent-
hält in verschiedenen Trocknungsgraden bald HO, bald
2 HO.
Spaltung.
Wird Menyanthin mit verdünnter Schwefelsäure oder
Salzsäure zum Sieden erhitzt, so spaltet es sich in Zucker
und ein ätherisches Oel (Meny an thol). Eine voll-
ständige Spaltung ist jedoch nur schwierig zu erzielen,
wenn es darauf ankommt, die Spaltungsproducte nicht zu
verändern. Weder Hefe noch Emulsin vermögen das
Menyanthin zu spalten.
Sobald man zu der wässerigen Menyanthinlösung
verdünnte Schwefel- oder Salzsäure hinzufügt, trübt sich
die Flüssigkeit stark milchig und beim Erhitzen wird die-
selbe wieder klar; sobald aber die Temperatur bis zum
Siedepunct gestiegen ist, scheiden sich bräunliche ter-
penthinartige Massen ab, die der Einwirkung der
Säuren nur sehr allmälig unterliegen.
über das Menyanihin. 43
I. 0,701 Grm. über Schwefelsäure getrocknetes Me-
nyanthin wurden in Wasser gelöst, die Lösung wurde
mit verdünnter Schwefelsäure vermischt und längere Zeit
der Siedehitze ausgesetzt, hierauf die Flüssigkeit von der
harzartig ausgeschiedenen Masse abgegossen, letztere mit
Wasser gut abgewaschen, die vereinigten zuckerhaltigen
Flüssigkeiten mit kohlensaurem Baryt gesättigt und der
schwefelsaure Baryt durch ein Filter von der Lösung
getrennt. Das bräunlich gefärbte Filtrat wurde auf dem
Wasserbade zum Syrup verdampft und letzterer mit rei-
ner Hefe in dem Kohlensäure -Apparate der Gährung
unterworfen.
Es wurden erhalten: 0,093 Grm. CO 2 .
Daraus berechnen sich nach
180 X 0,093
= 0,190 Grm. Zucker, und
88
0,190 X 100
0,701
= 27,1 Proc. Zucker.
Die harzige Masse, welche sich während der Spal-
tung abgeschieden hatte, wurde in Weingeist gelöst und
die Lösung mit verdünnter Schwefelsäure längere Zeit
gekocht, dabei trat abermals Geruch nach Menyanthoi
auf und die Flüssigkeit reducirte nach dem Verdunsten
des Weingeistes noch deutlich die alkalische Kupferoxyd-
lösung zu Kupferoxydul, also ein Beweis, dass die harz-
artige Masse noch nicht völlig gespalten war.
II. 0,584 Grm. über Schwefelsäure getrocknetes Me-
nyanthin wurden in Weingeist gelöst, der Lösung 3 Grm.
Salzsäure hinzugefügt und das Gemisch an einem mas-
sig warmen Orte über Nacht stehen gelassen. Nach die-
ser Zeit hatte die Flüssigkeit eine gelbbraune Farbe an-
genommen und zeigte schon deutlich den Geruch nach
Menyanthoi. El war also schon Spaltung unterhalb des
Siedepunctea eingetreten. Die Flüssigkeit wurde nun
lungere Zeit zum Sieden erhitzt, unter Krsetzumg des
verdampfenden Weingeiste«. Als die Flüssigkeit nicht
merklich mehr nach Menyanthoi roch, wurde die Erhitzung
44 Kromayer,
unterbrochen. Die Flüssigkeit war stark dunkelbraun
und nach dem Verdunsten des Weingeistes schied
sich nur eine geringe Menge einer schwarzbraunen Sub-
stanz ab. Die von letzterer getrennte, braune Flüssigkeit
wurde mit kohlensaurem Bleioxyd neutralisirt, auf
dem Wasserbade zur Trockne gebracht und die trockne
Masse wiederholt mit wässerigem Weingeist aus-
gekocht. Die vereinigten weingeistigen Auszüge wurden
eingedunstet und der zurückbleibende braune Syrup mit
wenig Wasser aufgenommen, wobei sich eine reichliche
Menge brauner Flocken abschieden, diese wurden von
der Flüssigkeit getrennt und letztere mit reiner Hefe der
Gährung unterworfen.
Es wurden erhalten: 0,088 Grm. CO 2 .
Daraus berechnen sich nach
180 X 0,088
— = 0,180 Grm. Zucker und
88
0,180 X 100
= 30,822 Proc. Zucker.
0,584
III. 10 Grm. Menyanthin wurden in Wasser gelöst,
die Lösung in eine Retorte mit Vorlage gegeben, 30 Grm.
verdünnte Schwefelsäure hinzugefügt und zum Sie-
den erhitzt, unter zeitweiliger Ersetzung des überdestil-
lirenden Wassers. Das Destillat war milchig und auf
der Oberfläche schwammen bräunlich-gelbe Oeltropf-
chen von Menyanthol. Die Destillation wurde so
lange fortgesetzt, als noch Menyanthol überging, was circa
3 Stunden in Anspruch nahm. Der saure Retortenrück-
stand wurde von der ausgeschiedenen braunen Masse
getrennt, die Lösung mit kohlensaurem Bleioxyd
neutralisirt, filtrirt und das gelbbraune Filtrat auf dem
Wasserbade zum Syrup gebracht. Letzterer wurde in
Weingeist gelöst und die Lösung mit dem gleichen
Volumen Aether vermischt. Es schied sich ein roth-
braun&r Syrup von süssem Geschmack aus; nach län-
gerem Stehen erstarrte derselbe zu einer harten war-
zig krystallinischen Masse. Durch Pressen zwischen
Fliesspapier wurde noch anhängende Mutterlauge entfernt,
über das Menyanthin. 45
hierauf die Krystallmasse in Wasser gelöst, mit T hier-
kohle entfärbt, filtrirt, das wasserhelle Filtrat zum Syrup
verdunstet und letzterer krystallisiren lassen. Die«jetzt
erhaltenen Krystalle waren fast farblos (schwach gelblich)
und bestanden aus warzigen Anhäufungen.
Die Krystalle lösten sich leicht in Wasser, die wäs-
serige Lösung schmeckte süss und reducirte mit Leich-
tigkeit die alkalische Kupferoxydlösung zu gelbrothem
Kupferoxydul.
0,807 Grm. der lufttrocknen Krystalle wurden bei
100° C. getrocknet. Dabei schmolzen dieselben zu einem
gelblich sn Syrup und verloren
0,072 Grm. HO = 8,92 Proc. HO.
Die zum Syrup geschmolzenen und entwässerten Kry-
stalle erstarrten, im offenen Gefässe längere Zeit stehen
gelassen, zu einer krystallinischen Masse.
I. 0,306 Grm. der lufttrocknen Krystalle wurden mit
Kupferoxyd verbrannt. Es wurden erhalten
0,203 Grm. HO = 0,022 Grm. H = 7,353 Proc. H.
IL 0,291 Grm. lufttrockne Krystalle gaben:
0,183 Grm. HO = 0,0203 Grm. H = 6,976 Proc. H
0,374 „ C02 = 0,102 „ C := 35,051 „ C.
Die Formel C 12 H 12 12 + 2 HO verlangt in 100
Theilen:
I. II.
berechnet gefunden
C'2 = 36,363 "^"" 35,051
H" = 7,071 7,353 6,976
Ol* = 56,566 — 57,973
100,000 100,000.
C12H12()12_J_ 2 HO enthalten der Rechnung nach in
100 Theilen 9,09 Proc. HO,
gefunden wurden in 100 Theilen 8,92 „ „
0,314 Grm. der lufttrocknen Krystalle wurden mit
reiner Hefe in dem Kohlensäure- Apparate der Gährung
unterworfen, die Gährung trat rasch ein und verlief regel-
mässig. Ks wurden erhalten: 0,136 Grm. CO 2 . Diese
entsprechen nach der Gleichung:
46 Kromayer,
4 CO 2 : C12HHCM4 = 0,136 : x
198.0,136 - . -, „ .
x = = 0,306 Grm. Zucker.
88
Also wurden 97,452 Proc. Zucker wiedergefunden.
Aus dem Mitgetheilten geht sonach klar hervor, dass
neben dem Menyanthol bei der Spaltung des Menyan-
thins mittelst Säuren Krümelzucker von der Formel
C12H12012 4- 2 HO resultirt.
Das bei der Spaltung III. gewonnene Destillat wurde
mit reinem Aether geschüttelt, letzterer hierauf ab-
gehoben und verdunsten gelassen. Es blieb ein hell-
bräunliches Oel zurück von angenehmem, bit-
termandelölartigen Geruch. Das Oel wurde aus
einem Retörtchen über Chlore alcium aus dem Sand-
bade rectificirt. Das rectificirte Oel war farblos und
von noch intensiverem und angenehmerem Geruch als
vorher. Es reagirte sauer und reducirte aus einer
Silberlösung metallisches Silber.
0,169 Grm. Oel gaben mit Kupferoxyd verbrannt:
0,117 Grm. HO == 0,013 Grm. H = 7,692 Proc. H,
0,489 „' CO 2 == 0,1333 „ C = 78,875 „ C.
Hieraus liesse sich die Formel C 16 H 9 2 ableiten.
berechnet gefunden
C16 = 96 79,34 78,875
H9 = 9 7,43 7,692
O 2 = 16 13,23 13,433
121 100,00 100,000.
Da diese Formel aber theoretisch nicht annehmbar
ist, so steht die Formel C 16 H 8 2 als die nächst passende
zur Auswahl. Dieselbe verlangt:
berechnet
C16 = 96 80,00
H8 = 8 6,67
02 = 16 13,33
120 100,00.
Die Spaltung des Menyanthins lässt sich sonach
durch folgende Gleichung ausdrücken:
C60H48Q30 = C12R12012 _|- 3 C16H802 + 12 HO.
über das Menyanthin, 47
Diese Gleichung verlangt 27,778 Proc. Krümelzucker
C 12 H 12 12 . Es wurden gefunden früher {Archiv der
Pharm. .1861, Bd. 108. S. 272) 22 Proc. und ein zweites
Mai 26 Proc. Krüinelzucker C 12 H 12 12 ; jetzt fand ich
bei einer Bestimmung 27,1 Proc. und bei einer zweiten
Bestimmung 30,82 Proc. Krümelzucker C l2 H 12 12 . Lässt
man die erste offenbar zu niedrige Bestimmung ausser
Betrachtung, so ist das Mittel der gefundenen Krümel-
zuckermenge =
26,0 + 27,1 + 30,82 83,92
' ^ '-^- — = -— = 27,973 Prc.Ci 2 Hi 2 0i 2 ,
3 3 ' '
welche Zahl gut mit der verlangten Zahl (= 27,778
Proc. Zucker) stimmt.
Das Menyanthol hat, ausser seinem bittermandel-
ölartigen Geruch, auch sonst noch Aehnlichkeiten mit
dem Bittermandelöl.
Der Geschmack des Menyanthols ist sehr bren-
nend. Schon nach wenigen Tagen erstarrt das recti-
ticirte Menyanthol zu einer weissen Krystallmasse.
Diese Krystalle schmelzen leicht und geben, stärker er-
hitzt, einen die Schleimhäute reizenden Dampf. Im Glas-
röhrchen erhitzt, sublimiren die Krystalle leicht und ge-
schmolzen erstarren dieselben beim Abkühlen zu einer
krystallinischen Masse. In heissem Wasser löst sich das
krystallinisch erstarrte Menyanthol vollständig auf; die
Lösung reagirt sauer, Bleisalze fällen diese Lösung nicht,
wohl aber entsteht auf vorsichtigen Zusatz von Eisen-
chlorid ein bräunlicher Niederschlag. Mit Baryt-
wasser gesättigt, giebt die wässerige Lösung der Säure
ein in Wasser leicht lösliches, in warzigen Anhäufungen
krystallisirendes Barytsalz.
So wie das Bittermandelöl in schmelzendes Kali-
hydrat eingetragen, unter Wasserstoffgas- Entwickeiung
rasch in Benzoesäure übergeführt wird, so erleidet eine
analoge Veränderung durch diesen Process auch das Me-
nyanthol. Man erhält dadurch dieselbe Säure, wie solche
durch Oxydation vermittelst des atmosphärischen Sauer-
stoffs aus dein Menyanthol hervorgeht.
4 8 BöJinke - Re ich,
Leider reichte die Menge des Menyanthols nicht hin,
um weitere Untersuchungen damit anstellen zu können.
Es geht aber doch aus dem Mitgetheilten so viel hervor,
dass das Menyanthol, wie das Bittermandelöl, ein Alde-
hyd sein müsse, welcher durch Aufnahme von Sauerstoff
in eine Säure (Menyanthsäure) übergeht.
Die nähere Untersuchung der Menyanthsäure wird
jedenfalls zu der richtigen Erkennung des Atomgewichts
des Menyanthins führen.
Geisa 7 Februar 1865. Dr. A. Kromayer.
Die Formel C 16 H 8 2 , welche für das Menyanthol
die meiste Wahrscheinlichkeit hat, lässt sich schreiben
CHR5 (C 2 H3) O 2 , d. i. ein methylirtes Bitterman-
delöl. Da das Methyl mit Wasserstoff verbunden Sumpf-
gas darstellt und Menyanthes trifoliata eine Sumpfpflanze
ist, so hätten wir am Menyanthin das Glykosid eines
versumpften Bittermandelöls. Im Amygdalin ist statt des
Methyls Cyanwasserstoff mit Bittermandelöl und Krümel-
zucker gepaart vorhanden. H. Ludwig.
Düngungs versuche mit Kartoffeln;
von
Dr. Heinrich Böhnke-Reich
in Regenwalde.
Mulde r, in seinem Werke: „De Voeding in Neder-
land in Verband tot den volksgeest" (Die Ernährung im
Zusammenhange mit dem Volksgeiste) spricht sich über
die Kartoffel unter anderm so aus: „Jetzt, wo der Kar-
toffelbau ein Paar Jahre misslungen und es möglich ist,
dass er noch öfters misslingen wird, ist es nicht ganz
unnütz, an einigen Stellen mit Erfolg gegen den Miss-
brauch dieser Nahrung zu warnen. Ich für meinen Theil
denke denn auch nicht so ungünstig über das allmälige
Verschwinden der Kartoffeln, sondern ich möchte es eher
für ein Glück als für ein Unglück halten, wenn diese
Düngungsversuche mit Kartoffeln. 49
Frucht allmälig von unserem Planeten vertilgt würde.
Das Menschengeschlecht muss den alten Schlendrian nicht
fortschleppen, sondern kräftig vorwärts streben. Der
Thee, der Branntwein, die Kartoffeln, der Reis lähmen,
wenn sie übermässig genossen werden. Dadurch muss
das Menschengeschlecht in seiner Entwickelung gehemmt
werden." — Der Verbrauch der Kartoffeln ist höchst
verschieden auf die verschiedenen Länder und die ver-
schiedenen Stände vertheilt; es lässt sich im Allgemeinen
als gültig hinstellen, dass in Ländern mit geringem Na-
tionalwohlstande oder mit extremer Vertheilung des Be-
sitzes der Verbrauch an Kartoffeln grösser ist, als an
andern Orten. Der arme Theil der Bevölkerung grosser
Städte, namentlich das Proletariat der Fabriken, nährt
sich fast allein von Kartoffeln, was nach Wren in Ir-
land bei vier Fünftheilen der Bevölkerung ausschliesslich
der Fall ist. Die Folge davon sind Krankheiten, ist der
Tod, bewirkt durch Inanition ; alle Krankheiten der aus-
schliesslich Kartoffeln essenden Menschen lassen sich auf
dieselben Ursachen, auf Ernährungsanomalien, zurück-
führen.
Wenn nun auch einerseits das Angeführte sich lei-
der nicht bestreiten lässt, so ist doch andererseits die
gegenwärtige hohe Bedeutung der Kartoffel als Nänrungs-
mittel nicht zu leugnen, so dass man gerade diese Frucht
zum Gegenstände sorgfältiger und umfassender Beobach-
tungen machen muss.
Die hier mitgetheilten Versuche hatten den Zweck,
den Einfluss verschiedener künstlicher Düngemittel auf
die Erträge an Kartoffeln festzustellen. Zur Anwendung
kamen Knochenmehl, aufgeschlossenes Knochenmehl, Baker-
Guano, Baker-Guano-Superphosphat und Chilisalpeter, de-
ren Zusammensetzung weiter unten angeführt wird. Der un-
gedüngte Versuchsacker zeigte folgende Zusammensetzung:
100 Theile lufttrockne Erde enthielten:
Hygroskopische! Wasser 0,74 Proc.
Cnem. gebund. Wasser u. organ. Substanz 2,06 „
Darin Stickstoff... 0,056 Proc.
Arch. d. Phunn. CLXXIV. Uda. 1. u.2. Hft. 4
50 Böhnke - Reich,
Der Ausizug der Erde mit kalter Salzsälire von 1,15
8pec. Gew. enthielt:
Eisenoxyd 0,3529 Proc.
Thonerde 0,2989 „
Kalk 0,1659 „
Magnesia 0,0111 „
Schwefelsäure 0,0082 „
Phosphorsäure 0,0520 „
Kali 0,0253 „
Natron 0,0671 „
Kieselsäure 0,0052 „
Organische Substanzen 0,0674 „
In Salzsäure löslich 1,0540 Proc.
In Salzsäure unlöslich 98,9460 „
100,0000.
Die Schlamm-Analyse, mittelst des von Nobel con-
struirten Apparates ausgeführt, ergab:
darin organ.
Substanz
Steinchen 53,823 Proc. 0,167 Proc.
(Quarz- u. Feldspathfragmente
mit sehr wenig Glimmer)
Groben Sand 32,557 „ 0,380 „
Feinen Sand 3,313 „ 0,060 „
Thonigen Sand 3,100 „ 0,310 „
Feinste thonige Substanz 7,207 „ 1,143 „
100,000 2,060 Proc.
Die wasserhaltende Kraft der lufttrocknen Erde be-
trug 24,021 Proc, der wasserfreien Erde 24,201 Proc;
die zu dieser Ermittelung benutzte, dann ausgetrocknete
Erde absorbirte 22,559 Proc Wasser.
Die Düngemittel hatten folgende Zusammensetzung:
Knochenmehl.
Hygroskopisches Wasser 4,800 Proc.
Chem. gebund. Wasser u. org. Substanz 37,540 „
Darin Stickstoff. . . 4,2 Proc.
Phosphorsaure Erdsalze 46,800 „
Phosphorsaures Eisenoxyd 0,280 „
Phosphorsäure. . . 21,1604 Proc.
Kohlensauren Kalk und Alkalien 6,240 „
Sand 4,340 „
. 100,000.
53,320 Proc.
Düngung sver suche mit Kartoffeln. 51
Aufgeschlossenes Knochenmehl.
Lösliche Phosphorsäure 8,400 Proc.l
Unlösliche „ 8,14t „ Jl6,541 Proc
Schwefelsäure 15,066 „
Kalk 23,179 „
Magnesia 0,300 „
Eisenoxyd 0,159 „
Stickstoff 2,530 „
Wasser, Sand u. 8. w 42,225 „
100,000.
Auf Salze berechnet:
Saurer phosphorsaurer Kalk 11,712 Proc.
Basisch „ „ 17,772 „
Schwefelsaurer Kalk 24,857 „
Freie Schwefelsäure 0,445
Baker-Guano.
Wasser und organische Substanz 19,82 Proc.
Kalk 36,63 „
Magnesia 4,64 „
Eisenoxyd 1,15 „
Phosphorsäure 36,10 „
Sand 1,66
100,00.
Baker-Guano-Superphosphat.
Lösliche Phosphorsäure 20,24 Proc.l
Unlösliche „ 2,12 „ / 22 ' 36 Proc *
Eisenoxyd 0,08 „ .
Magnesia 3,35 „
Kalk 9,80 „
Wasser, org. Subst., Sand, Gyps 64,41 „
100,00.
Chilisalpeter.
Wa88er J' 000 Prc ' \ Cl = 0,638 Proc.
Chlornatrium 1,052 „ j
Schwefels. Kalk 0,372 „ S03 = 0,219 „
Salpeters. Kalk 0,100 ,
„ Magnesia.. . 0,740 ,
„ Natron 00,684 ,
Unlösl. Rückstand.... 0,052 ,
100,00.
> NO&=: 61,996 t | N = 16,073
Proc.
52 Böhnke-Reich, Düngungsversuche mit Kartoffeln.
Die Art der Düngung und die Erträge giebt die
nachstehende Tabelle kurz an. Ich enthalte mich einer
eingehenden Darstellung, ebenso auch aller Raisonne-
raents, weil die Tendenz des Archivs der Pharmacie trotz
ihrer anerkannten Vielseitigkeit, doch naturgemäss dem
Gebiete der Agriculturchemie nicht allzu viel Raum ge-
statten darf, und ich weiss es der geehrten Redaction
schon Dank, wenn sie diesem kurzen Auszuge aus einer
ausgedehnten Arbeit einige wenige Seiten ihres Journals
opfern will.
"Erträge an Kartoffeln.
Art der Düngung. Spec. Gew. Trocken- Stärke.
Substanz.
Proc. Proc.
1. Ungedüngt 1,11028 29,088 21,384
2. , 1,10788 28,072 20,656
3. „ 1,10769 28.028 20,586
Mittelwerthe.
1,10862 28,396 20,875
4. Knochenmehl 1,11834 30,568 22,913
5. „ mit Jauche 8 Tage
in Berührung gebracht 1,10869 28,118 20,713
6. Aufgeschlossenes Knochenmehl 1,10830 28,108 20,701
7. Baker-Guano 1,11563 30,026 22,326
8. Baker- Guano -Superphosphat 1,11594 30,088 22,388
9. „ „ mit
Chilisalpeter 4:1 1,11061 29,231 21,483
10. Chilisalpeter 1,10907 28,564 21,021.
Die besten Erträge lieferte demnach die Düngung
mit gedämpftem Knochenmehl, die schlechtesten die Dün-
gung mit durch Schwefelsäure aufgeschlossenem Knochen-
mehl, die noch hinter der Mittelzahl der Erträge des
ungedüngten Bodens zurückblieben.
Reichardt) zur Darstellung von Silberspiegeln. 53
Zur Darstellung von Silberspiegeln;
von
Professor Dr. E. Reichardt in Jena*).
Die mannigfachen Verfahren, Silber auf Glas u. s. w.
metallisch niederzuschlagen und besonders zur Spiegel-
fabrikation zu verwenden, sind bekannt und bei der un-
schweren Abscheidung des Silbers aus seinen Lösungen
gewiss noch zu vervielfältigen. Ein Nachtheil bei die-
ser Fabrikation scheint mir besonders darin zu liegen,
dass so äusserst leicht fleckige Producte, wie ungleiche
Ablagerungen erzielt werden, hervorgerufen durch mei-
stentheils höchst unbedeutende Umstände. Die geringste
Verunreinigung des Glases macht sich bei dem fertigen
Fabrikate sichtbar, weshalb die meisten Methoden be-
sonders darauf Rücksicht nehmen, das Glas zu reinigen,
mit Ammoniak oder Kali, Salpetersäure u. s. w., kurz die
ebenso vielfachen Weisen der Reinigungsarten in Vor-
schlag bringen. Das ist ein grosser Uebelstand und
macht das Gelingen selbst bei genauester Ausführung oft
von reinen Zufälligkeiten abhängig.
Hierbei nahm man als unumgänglich nothwendig an,
wie bisher bei den meisten derartigen Reductionsproces-
sen, wenn das Metall sich glänzend anlegen sollte, dass
die grösste Ruhe dem sich absetzenden Metalle gegeben
werden müsse, indem hierdurch der Metallüberzug um
so gleichmässiger, dichter und cohärenter werde. Meine
Versuche damit führen gerade zum Gegen theil und dürf-
ten die praktische Ausführung derartiger Arbeiten auf
eine andere Gestaltung hinführen.
Als Methode der Versilberung gebrauche ich die von
Martin vorgeschlagene.
Man bereitet sich :
*) Als Separatabdruck vom Hrn. Verfasser erbalten.
Die Ked.
54 Reichardtj
1) eine Lösung von 10 Grm. salpetersaurem Silber-
oxyd in 100 Grm. Wasser;
2) Ammoniak von 13° Cartier oder 0,984 spec. Ge-
wicht ;
3) eine Lösung von 20 Grm. Aetznatron (ganz rein)
in 500 Grm. Wasser;
4) eine Lösung von 25 Grm. reinen Zuckers in
200 Grm. Wasser wird mit 1 Cubikcentimet. Salpeter-
säure von 36° Baume 20 Minuten lang im Sieden erhal-
ten, um Invertzucker zu erzeugen. Nach dem Erkalten
fügt man 50 Cubikcentimet. Alkohol von 36° Cartier oder
89,6 Volumprocenten zu und so viel Wasser, dass die
ganze Flüssigkeit 500 Cubikcentimet. beträgt.
Von diesen Flüssigkeiten mischt man 12 Cubikcen-
timeter Silberlösung mit 8 Cubikcentimet. Ammoniak und
20 Cubikcentimet. Natronlösung, und verdünnt bis auf
100 Cubikcentimet. mit Wasser. Diese Mischung bleibt
vor dem Gebrauche noch 24 Stunden stehen, kann je-
doch dann gut verschlossen beliebig lang aufbewahrt
werden.
Zur Ausführung der Versilberung werden der letzt-
genannten Mischung noch ! / 10 — !/ 12 der Invertzucker-
lösung zugefügt und nach Martin wird das sehr bald
sich trübende Gemisch auf die Glasfläche so angebracht,
dass die zu versilbernde Fläche auf den Flüssigkeiten
aufliegt.
Nach meinen Erfahrungen gelingt die Versilbe-
rung bei Hohlgläsern weit leichter und ohne
allen Tadel durch starkes Schütteln.
Man gebraucht hierbei gleichzeitig weit weniger Flüs-
sigkeit; 50 — 100 Cubikcentimet. der Silbermischung ge-
nügen vollständig, um ein Glas mit Silber zu überziehen,
welches % — 1 Pfd. Inhalt an Wasser fassen könnte.
Bei kleineren Gläsern genügen 20 — 30 Cubikcentimet.
u. s. w.
Die eigentliche Versilberung beginnt, wenn das sich
gleich anfangs trübende Gemisch fast dunkelschwarz er-
zur Darstellung von Silberspiegeln. 55
scheint; bis zu diesem Puncte ist das Schütteln noch un-
nöthig und ergiebt auch leicht ersichtlich, dass von dem
Silber noch nichts an den Glaswandungen haften bleibt.
Ist diese dunkelste Färbung eingetreten, so färbt sich
das Glas bei der nunmehr lebhaftesten Bewegung sogleich
dunkelschwarz, schwarz glänzend — jedoch immer noch
durchsichtig oder durchscheinend, endlich sehr rasch den
Silberglanz bietend. In drei, höchstens fünf Minuten ist das
Experiment vollendet und das Glas mit einem ganz dich-
ten, völlig reinen Silberspiegel innen umzogen, so rein,
dass auch die innerste Fläche denselben reinsten Glanz
gewährt.
Nicht allein für die Technik, zur Darstellung von
versilberten Hohlgefässen, sondern namentlich auch als
Collegien versuch dürfte sich dieses beschleunigte Verfah-
ren sehr gut eignen. Der Erfolg ist für Laien und Nicht-
laien überraschend.
Versuche, bei geraden Flächen die gleiche Weise
anzuwenden, ergaben zwar keineswegs gegenteilige Re-
sultate, die so erlangten Spiegel zeichneten sich gleich-
falls durch grosse Reinheit und hellen Glanz aus; jedoch
ist hier, namentlich bei kleinen Proben, die Bewegung
nicht so leicht auszuführen. Ich Hess die zu versilbernde
Fläche auf gerader Unterlage mit einer dünnen Schicht
der Silbermischung übergiessen und durch gleichmässiges
Hin- und Herschieben die Bewegung erzeugen. Im Gros-
sen würden vielleicht Fässer dienen können, an deren
Seiten geeignet die Spiegelflächen anzubringen wären
u. s. w.
Merkwürdig und interessant erscheint es, dass die
Haftung des doch nur an der Glasfläche adhärirenden
Silbers gerade durch Bewegung, möglichst starke Bewe-
gung, befördert wird und dürfte diese Beobachtung An-
lass geben, andere ähnliche Processe gleichartig zu ver-
suchen.
56 Reichardt,
Zur Darstellung des Magnesiums;
von
Demselben*).
Die gewöhnliche Methode, Magnesium abzuscheiden,
ist jetzt diejenige von Deville und Caron, mit den
Verbesserungen von Wöhler**). 600 Grm. Chlormag-
nesium werden mit 100 Grm. vorher geschmolzenen Chlor-
natriums (oder besser einer Mischung von 7 Th. Chlor-
natrium und 9 Th. Chlorkalium) und 100 Grm. reinen
Fluorcalciums nach vorherigem Pulvern der Zusätze ge-
mengt, dem Gemenge 100 Grm. Natrium in Stücken zu-
gesetzt und diese darin vertheilt. Diese Masse wird
mittelst eines Eisenbleches in einen stark glühenden Tie-
gel eingetragen und letzterer geschlossen, bis die Ein-
wirkung beendigt ist, worauf man umrührt und vor dem
völligen Erstarren nochmals rührt, um die zerstreuten
Magnesiumkügelchen zu vereinen. Nach Wöhler lässt
man dann den Tiegel ruhig erkalten und nimmt nach
dem Zerschlagen die Magnesiumkugel heraus. Durch
Behandeln mit Wasser kann noch das weitere, in kleinen
Kugeln vorhandene Metall von der Schlacke gesondert
werden. Wöhler wendete an Stelle des Chlormagne-
siums auch ein Gemisch von Chlormagnesium und Chlor-
natrium an, durch Eindampfen der Lösungen und Schmel-
zen des Rückstandes erhalten.
Die Bereitung des Chlormagnesiums geschieht hierzu
nach der von Liebig angegebenen Vorschrift, dass man
Chlorammonium mit Chlormagnesium in Lösung mischt,
verdunstet und den Rückstand schmilzt, bis sämmtliches
Ammoniaksalz verflüchtigt ist. Diese Operation hat sehr
viel Lästiges, die Menge der Dämpfe und vor Allem die
Masse, welche in dem grossen Tiegel zusammenschwin-
*) Als Separatabdruck vom Hrn. Verfasser erhalten.
Die Red.
**) Annal. der Chemie und Pharmacie, Bd. CI. S. 359 und 632;
Jahresbericht von Lieb ig und Kopp 1857, S. 148.
zur Darstellung des Magnesiums. 57
det und endlich das wasserfreie geschmolzene Chlormag-
nesium ergiebt. Sollte vor dem Glühen das Gemisch von
Salmiak und Chlormagnesium nicht ganz scharf ausgetrock-
net worden sein, so erhält man sehr leicht überhaupt
kein reines MgCl, sondern nicht brauchbare Gemische
desselben mit MgO.
Weit leichter lässt sich für diesen Zweck das jetzt
in Stassfurt in so grosser Menge, auch ganz rein vor-
kommende Doppelsalz von KCl und MgCl anwenden —
der Carnallit. H. Rose und Oesten bewiesen die-
ses wichtigste Kalisalz Stassfurts als KCl -f- 2 MgCl
-|- 12 HO und gaben ihm den Namen Carnallit. Dieses
Mineral findet sich entweder ganz rein und ungefärbt
oder gewöhnlich röthlich, bis lebhaft fleischfarben. Die
Färbung ist dann durch äusserst wenig Eisenglimmer
hervorgerufen, welcher bei dem Lösen in Wasser sich
abscheidet und unter dem Mikroskop als sehr schöne
regelmässige sechsseitige Tafeln sichtbar ist. Ohne alle
Schwierigkeiten kann man den Carnallit scharf eintrock-
nen und bei allmäliger Steigerung der Wärme schmel-
zen. Gewöhnlich hat diese geringe Beimischung von
Eisenglimmer auf das zu erzielende Magnesium gar kei-
nen Einfluss, jedoch kann durch einmaliges Lösen und
Filtriren der Lösung auch diese fremde Substanz entfernt
werden. Den geschmolzenen Carnallit giesst man sogleich
auf blankes Eisen oder Stein aus und kann ununter-
brochen weiter entwässern und schmelzen, so lange der
Tiegel es gestattet, welcher auch hier bei dem Erkalten
fast regelmässig zerspringt. Obigen 600 Grm. MgCl ent-
sprechen genau 10G8 Grm. KCl -f- 2 MgCl, worin natür-
lich über 400 Grm. KCl enthalten sind, welche in dieser
Verbindung die leichte Schmelzbarkeit bedingen. Mit
geringen Abänderungen gestaltet sich die Methode von
Deville und.Caron bei Anwendung von Carnallit fol-
ud:
lOoo Grm. geschmolzener Carnallit werden fein zer-
rieben, schnell mit 100 Grm. reinen Flussspathes ge-
58 Gerlach,
mischt und mit 100 Grm. Natrium in Stückchen ge-
eignet gemengt wie oben behandelt. Die Ausbeute ent-
spricht der gewöhnlichen bei Anwendung von Mg Cl.
Grössere Variationen hinsichtlich des Carnallites oder
des Flussspathes ergaben mir keine günstigen Re-
sultate.
Die Einwirkung des Natriums auf das Gemisch geht
äusserst ruhig vor sich, jedoch muss darauf geachtet
werden, dass der Carnallit nicht mit Kieserit — schwe-
felsaurer Talkerde — gemischt sei. Ein solches Gemisch
zeigt sich schon durch das ungleiche Aussehen des Mi-
nerals — Kieserit ist weiss, opak bis undurchsichtig —
durch die Abscheidung bei dem Schmelzen u. s. w. Sollte
Kieserit mit in die Natriumreaction gelangen, so ent-
stehen Detonationen oder Explosion.
Von den zahlreichen Fabrikanten in Stassfurt dürfte
der Carnallit leicht völlig rein zu erhalten sein.
Ein gegenseitiger Vergleich der allgemeinen
Aräometer -Scalen.
Zusammengestellt von
Dr. G. Th. Ger lach in Kalk bei Deutz.
(Hierbei eine graphische Darstellung.)
Die Aräometrie hat zum Zweck, die Dichtigkeit der
Flüssigkeiten zu messen. Die Instrumente, welche man
hierzu benutzt (Aräometer), sind aber auf den Vorschlag
verschiedener Physiker mit sehr verschiedenen Scalen
versehen worden, welche entweder auf wissenschaftliche
Principien gestützt, als rationelle Scalen zu bezeichnen
sind, oder denen nur willkürliche Annahmen, ohne wis-
senschaftliche Basis, zu Grunde liegen und die somit als
empirische Scalen zu betrachten sind.
Man hat durch vergleichende Zahlentabellen die ver-
schiedenen Aräometer- Scalen mit einander verglichen und
Vergleich der allgemeinen Aräometer- Scalen. 59
hat sie bei gleichen Temperaturverhältnissen auf die ent-
sprechenden specifischen Gewichte zurückgeführt. Es
bieten aber derartige Zahlentabellen, wie ich glaube, nicht
diejenige allgemeine Uebersicht über die obwaltenden
Verschiedenheiten, als dies durch eine vergleichende gra-
phische Darstellung der Scalen in umfangreicherem Maasse
ermöglicht werden kann. Ich habe daher diesen letzteren
Weg zum Vergleiche eingeschlagen, und habe ihn um
so lieber gewählt, als bei dem Beaume'schen Aräometer,
welches in der Praxis die ausgedehnteste Anwendung
findet, erhebliche Abweichungen beim Vergleich der Re-
ductionsangaben auf das specifische Gewicht gefunden
wurden. Da die Construction der verschiedenen Aräo-
meter-Scalen in den Lehrbüchern der Physik ausführlich
beschrieben ist, beschränke ich mich hier auf eine ganz
kurze Wiederholung der Principien, welche den einzel-
nen Scalen zu Grunde liegen. Nur bei der Besprechung
der Beaume'schen Scalen habe ich eine eingehende Be-
handlung dieses Gegenstandes für nöthig erachtet, weil
in der That mehrfach durch irrige Annahmen und feh-
lerhafte Bestimmungen im Laufe der Zeit Unsicherheiten
beim Vergleiche mit andern Scalen herbeigeführt worden
sind. Eine strenge kritische Sichtung des Brauchbaren
von dem Unbrauchbaren war aber nur durch eine genaue
experimentelle Wiederholung der Fundamentalversuche
zu ermöglichen.
Die Volumeter- Scalen nach G ay-Lussac.
Unter allen Scalen, welche man auf Aräometern an-
gebracht hat, sind unstreitig die von G ay-Lussac die
einfachsten und zweckmässigsten. Die Volumeter-Scalen
nach Gay-Lussac geben die Raumtheile der Flüssig-
keiten in Zahlen an, welche ein schwimmendes Aräo-
meter verdrängt, ein gleich grosses Gewicht Wasser von
derselben Temperatur = 100 Raumtheile angenommen.
So wird beispielsweise ein schwimmendes Aräometer, wel-
ches vom Wasser 100 Raumtheile verdrängt, von einer
60 Gerlach,
doppelt so schweren Flüssigkeit 50 Raumtheile verdrän-
gen. Der Punct an der Scala, bis zu welchem das
schwimmende Aräometer im Wasser einsinkt, ist also mit
100, und derjenige, bis zu welchem dasselbe Aräometer
in einer Flüssigkeit vom specinschen Gewicht 2 einsinkt,
ist mit 50 zu bezeichnen. Der erhaltene Zwischenraum
ist in 50 gleich grosse Unterabtheilungen oder Grade zu
theilen und diese Theilung wird in gleichen Abständen
auch oberhalb des Punctes 100 für Flüssigkeiten, leich-
ter als Wasser, fortgeführt. Es entspricht demnach jeder
Grad dem hundertsten Theil von demjenigen Volumen
des Instrumentes, welches sich beim Schwimmen im Was-
ser unter dem Wasserspiegel befindet.
Die hundertgradiye Aräometer -Scala.
In Frankreich ist hier und da das hundertgradige
Aräometer gebräuchlich. Merkwürdiger Weise hat die-
ses vorzügliche Instrument sich in Deutschland keinen
Eingang verschaffen können und ist hierorts nur wenig
bekannt, obgleich dasselbe auf streng wissenschaftlichen
Principien beruht und alle Vortheile für praktische und
wissenschaftliche Zwecke im hohen Grade vereinigt, welche
nur irgend eine andere allgemeine Aräometer- Scala bie-
ten kann.
Da selbst die deutschen Lehrbücher der Physik die-
ses Aräometer kaum erwähnen, so sei über seine Con-
struction in der Kürze Folgendes bemerkt:
Der Punct an der Scala, bis zu welchem das Aräo-
meter beim Schwimmen im Wasser von 4° C. (dem Maxi-
mum der Wasserdichte) einsinkt, ist der Nullpunct der
Scala; das ganze im Wasser schwimmende Volumen des
Aräometers wird von diesem Nullpunct aus, so weit es
die Scala erlaubt, für Flüssigkeiten, schwerer als Wasser,
in 100 gleiche Raumtheile oder Grade getheilt, und diese
Theilung in gleichen Abständen wird auch aufwärts vom
Nullpunct für Flüssigkeiten, leichter als Wasser, auf-
getragen.
Vergleich der allgemeinen Aräometer -Scalen. 61
Da nun beispielsweise in einer Flüssigkeit vom spec.
Gewichte 2 nach bekannten physikalischen Gesetzen das
Instrument in der Weise schwimmen muss, dass von
jenem Nullpunct aus gerechnet 50 Raumtheile des vor-
hin erwähnten Volumens ausserhalb der Flüssigkeit sich
befinden und 50 Raumtheile in der Flüssigkeit einge-
taucht bleiben, so wird der Theilstrich 50 dem spec. Gew.
2,0 entsprechen. Das Volumen des Instrumentes, wel-
ches beim Schwimmen im Wasser von 4°,1 C. bis zum
Nullpunct eintaucht, wird der Model (module) genannt,
und da jeder Grad dem hundertsten Theil dieses Models
entspricht, so ist die Beziehung der einzelnen Grade des
Instruments zum specifischen Gewichte der Flüssigkeiten
immer eine sehr einfache.
Bei den Graden für Flüssigkeiten schwerer als Was-
ser findet man das specifische Gewicht nach der Formel:
100
bei den Graden für Flüssigkeiten leichter als Wasser fin-
det man das specifische Gewicht nach der Formel:
100
100 -f n = 8 '
In diesen Formeln entspricht
n der Anzahl der Grade,
8 dem zu suchenden specifischen Gewichte.
Anleitungen zur Construction des hundertgradigen
Aräometers gab u. A. Francoeur. (Vergl. Dingl. polyt.
Jount. Bd. 85. S. 349.)
Das Instrument kann natürlich auch für jede belie-
bige andere Temperatur angefertigt werden, jedoch schlug
Francoeur die Temperatur von 4°,1 C. vor.
Die Scala für specifische Gewichte.
Die specifischen Gewichte zweier Flüssigkeiten ver-
halten sich bei gleich grossem absoluten Gewichte um-
gekehrt wie deren Volumina. Man findet daher leicht
daa specifische Gewicht durch Division des Volumens in
62 Gerlach,
das absolute Gewicht, und umgekehrt lässt sich leicht
durch Division des speciflschen Gewichtes in das abso-
lute Gewicht das Volumen ermitteln, welches die Flüs-
sigkeit einnimmt. Da jeder Körper beim Schwimmen
diejenige Menge der Flüssigkeit verdrängt, deren abso-
lutes Gewicht dem absoluten Gewicht des Körpers gleich-
kommt, so bleiben die Gewichtsmengen, welche ein schwim-
mendes Aräometer verdrängt, immer dieselben, nur die
Raumtheile werden gemessen. Setzt man das absolute
Gewicht der verdrängten Flüssigkeit = 100, so entspre-
chen folgende specifische Gewichte den untenstehenden
Raumtheilen. Diese Zahlen dienen dem Vergleiche der
Volumeter-Scala nach Gay-Lussac mit der Scala für
die specifischen Gewichte als Grundlage.
Man verfertigt bekanntlich die Scalen für specifische
Gewichte auch auf geometrischem Wege nach der all-
gemein eingeführten Methode von G. G. Schmidt.
Specifische Entsprech. Specifische Entsprech.
Gewichte Raumtheile Gewichte. Raumtheile.
0,68 147,060 0,90 111,111
0,69 144,928 0,91 109,890
0,70 142,857 0,92 108,696
0,71 140,845 0,93 107,527
0,72 138,889 0,94 106,383
0,73 137,000 0,95 105,263
0,74 135,135 0,96 104,166
0,75 133,133 0,97 103,093
0,76 131,580 0,98 102,040
0,77 129,870 0,99 101,010
0,78 128,205 1,00 100,000
0,79 126,582 1,05 95,238
0,80 125,000 1,10 90,909
0,81 123,457 1,15 86,956
0,82 121,951 1,20 83,333
0,83 120,482 1,25 80,000
0,84 119,047 1,30 76,923
0,85. 117,647 1,35.. .....; 74,074
0,86 116,280 1,40 71,428
0,87 114,942 1,45 68,965
0,88 113,636 1,50 66,666
0,89 112,359 1,55 64,516
Vergleich der allgemeinen Aräometer- Scalen. 63
Specifische Entsprech. Specifische Entsprech.
Gewichte. Raumtheile. Gewichte. Raumtheile.
1,60 62,500 1,85 54,054
1,65 60,606 1,90 52,632
1,70 58,824 1,95 51,282
1,75 57,143 2,00 50,C0O
1.80, 55,555
Diese beschriebenen drei Instrumente:
das Volumeter,
das hundertgradige Aräometer und
das Aräometer für specifische Gewichte,
sind von dem genialen Gay-Lussac in Vorschlag ge-
bracht worden. In ihrer Einfachheit umfassen sie das
ganze Gebiet der Aräometrie und sie allein haben die
rationellen Scalen.
Die Aräometer - Scala nach Tioaddle.
Twaddle's Aräometer, auch Hydrometer genannt,
ist hauptsächlich in England gebräuchlich. Der Null-
punct liegt bei Twaddle's Scala beim specifischen Ge-
wichte des Wassers, und jeder Theilstrich seiner Scala
entspricht einer constanten specifischen Gewichtszunahme
von 0,005, der Theilstrich 10 liegt also beim specifischen
Gewichte 1,05, der Theilstrich 20 beim spec. Gew. 1,10
u. s. w. Die ganze Länge vom specifischen Gewichte 1
bis zum specifischen Gewichte 2 ist somit in 200 Grade
getheilt. Twaddle hat seine Scala nur für specifisch
schwerere Flüssigkeiten als Wasser (Salzlaugen, Säuren
u. 8. w.) construirt, sie ist nicht für specifisch leichtere
Flüssigkeiten fortgesetzt und in Gebrauch genommen.
Um eine grössere Theilung zu erzielen und die ein-
zelnen Grade grösser und mithin genauer zu machen,
besteht das Hydrometer von Twaddle aus 6 Aräometern
mit aufeinander folgenden Scalen. Die specifischen Ge-
wichte ß, welche den einzelnen Graden n dieses Instru-
mentes entsprechen, ergeben sich aus der Formel
100 "~ 8 '
64 Gerlach,
Bei den vier bis jetzt beschriebenen Scalen ist ab-
sichtlich auf der beigefügten lithographischen Tafel keine
Temperatur angegeben, da das Verhältniss der einzelnen
Grade dieser vier Scalen zu einander bei allen gleichen
Temperaturen dasselbe bleibt. Beim Vergleiche mit den
übrigen Scalen gelten natürlich auch für diese vier Sca-
len die nämlichen Temperaturen, welche der jedesmaligen
Scala beigefügt sind.
Die Aräometer-Scalen nach Beck.
Ebenfalls auf eine specifische Gewichtsannahme ge-
gründet ist das Aräometer nach Beck.
Beck in Bern fertigte nach Benteley's Vorschlag
Aräometer und bezeichnet den Punct, bis wohin ein Aräo-
meter in Wasser von 10° R. einsinkt, mit 0, und den
Punct, bis wohin dasselbe Aräometer in einer Flüssigkeit
von 0,85 bei derselben Temperatur einsinkt, mit 30. Den
Zwischenraum theilt er in 30 gleich grosse Theile und
trägt diese Eintheilung sowohl weiter aufwärts (für spe-
cifisch leichtere Flüssigkeiten), als abwärts vom Wasser
(für specifisch schwerere Flüssigkeiten) fort. Seine Scala
ist also eine empirische.
Zur Zurückführung der Grade auf die specifischen
Gewichte kann man sich folgender Formel bedienen:
a) für specifisch leichtere Flüssigkeiten als Wasser:
100
,„o + [( -. -_ r) . .]
= s. oder
100
= a.
100 -f (0,5882353 . n)
b) für specifisch schwerere Flüssigkeiten als Wasser:
100
r/KV! " — -T^ 8 ' ° der
100 —
m^>-\
Vergleich der allgemeinen Aräometer - Scalen. 65
100
s.
100 — (0,5882353 . n)
n sind die Anzahl der Grade, s das specifische
Gewicht.
Es entspricht also beispielsweise der Grad 70 nach
Beck für specifisch leichtere Flüssigkeiten als Wasser
100
dem specifischen Gewichte „ . . ._„ . = 0,708334: und
r 141,1764
der Grad 70 nach Beck für spec. schwerere Flüssigkei-
100
ten als Wasser dem specifischen Gewichte — =
r 58,8236
1,700000.
Da ich für die Reduction der einzelnen Grade auf
das specifische Gewicht bei den übrigen Aräometerscalen
ähnliche Formeln in Vorschlag gebracht habe, so will ich
mir erlauben, ganz in der Kürze noch einige Worte zur
Entwickelung dieser Formeln beizufügen.
In den erwähnten Formeln entspricht der Zähler 100
dem absoluten Gewicht der Flüssigkeit, der Nenner hin-
gegen dem Volumen, welches diese Flüssigkeit einnimmt.
Das absolute Gewicht dividirt durch das Volumen, ist
aber gleich dem specifischen Gewichte.
Beck theilte den Raum in der Scala zwischen dem
specifischen Gewichte 0,85 und 1,00 in 30 gleiche Theile.
Das Volumen einer Flüssigkeit von 0,85 spec. Gew. be-
100
trägt aber = 117,64706 Raumtheile, während das
0,85
Volumen des Wassers (spec. Gew. 1) 100 Raumtheilen
entspricht. Der Raum von (117,64706 — 100) 17,64706
Volumtheilen wurde also in 30 Theile getheilt, so dass
jeder einzelne Grad dem Volumen von - =
' 30
0,5882353 Raumtheilen entspricht. Diese letztgenannte
Zahl ist mit der Anzahl n der Grade zu multipliciren,
um zu finden, wie viel Raumtheile n Grade entsprechen,
und diese gefundenen Raumtheile sind zu dem Volumen
Arch.d.Pluum CLXXIV.IMB.l.u.2.FIft. 5
66 Gerlach,
des Wassers =100 bei specifisch leichteren Flüssigkei-
ten als Wasser zu addiren, oder bei specifisch schwere-
ren Flüssigkeiten als Wasser von 100 zu subtrahireu,
um die Raumtheile zu finden, welche 100 Gewth. der
fraglichen Flüssigkeit (von n Grad Beck) verdrängen;
dieses letztere Volumen bildet den Nenner der obigen
Formel.
Die Aräometer-Scalen nach Beaume.
Beaume construirte zwei Instrumente, das eine für
specifisch leichtere Flüssigkeiten als Wasser, das andere
für specifisch schwerere Flüssigkeiten. Beiden Instru-
menten lagen ursprünglich verschiedene Ausgangs-
puncte zu Grunde.
a) Die Scala für specifisch leichtere Flüssig-
keiten als Wasser.
Zur Construction dieser Scala stellte sich Beaume
eine Lösung von 10 Gewth. Kochsalz und 90 Gewth.
Wasser dar, senkte ein Aräometer hinein und bezeich-
nete den Punct, bis zu welchem dasselbe einsank, an der
Scala mit Null; denjenigen Punct aber, bis zu welchem
dasselbe Aräometer in Wasser einsank, bezeichnete er
mit 10. Der Zwischenraum wurde in 10 gleiche Theile
getheilt und diese Eintheilung aufwärts in gleichen Ab-
ständen fortgeführt.
Eine lOprocentige Kochsalzlösung, wie sie Beaume
zur Herstellung seines Instrumentes benutzte, hat bei
15° C, das specifische Gewicht 1,07335, Wasser von der-
selben Temperatur = 1. (Dieses specifische Gewicht be-
zieht sich auf das Vacuum. Durch den praktischen Ver-
such mit chemisch reinen Substanzen wurde es bei zwei
Lösungen und einem Barometerstand von 28" 1'" und
140 C. Zimmertemperatur zu 1,073464 und 1,0734305 ge-
funden, also im Mittel zu 1,0734487, welches reducirt
auf das Vacuum dem spec. Gew. 1,07335 entspricht.)
Um das spec. Gewicht dieser Losung auch für an-
dere Temperaturen zu berechnen, ist es nöthig, die Volum-
Vergleich der allgemeinen Aräometer -Scalen. 67
Veränderungen der lOprocentigen Kochsalzlösung einer-
seits und die Ausdehnung des Wassers andererseits zu
kennen, welche diese Flüssigkeiten bei Aenderung der
Temperatur erleiden. Ich habe diese Volumveränderun-
gen wie folgt bestimmt:
Volumen der lOprocentigen Kochsalzlösung
bei 00 C. = 00 R. — 1,000000
, 120,5 C. = 100 R. _ 1,001900
„ 150 C. = 120 R. _ 1,002450
„ 170,5 C. = 140 R. — 1,003075.
Volumen des Wassers
bei 00 C. = 00 R. — 1,000000
„ 120,5 C. = 100 R. _ 1,000380
„ 150 C. == 120 R. _ 1,000700
„ 170,5 C. = 140 R. _ 1,001105.
Um beispielsweise das specifische Gewicht der zehn-
procentigen Kochsalzlösung bei 10° R. zu berechnen, hat
man also nur nöthig, das spec. Gewicht der lOprocenti-
gen Kochsalzlösung bei 15° C. = 1,07335 durch das Vo-
! • ^AT> / 1,00190 \ .„ ...
lumen dieser Losung bei 10 ü K. ( — T^rrr- 1 ZLl dividi-
\ 1,00245 /
ren und mit dem Volumen des Wassers bei 10° R.
( — - ) zu multipliciren. Den obengenannten Brü-
\ 1,00070 / * ö
chen Hegt das Volumen der Flüssigkeiten bei 15° C.
(120 R.) als Einheit zu Grunde.
Das specifische Gewicht der lOprocentigen Kochsalz-
lösung ist also
bei 100 R.
1,07335 X 1,00038 X 1,00245
^ — — 1.07359G, Wasser von
1,00070 X 1,00190 ' '
10*R, = 1
l l" 1 R 1,07335, Wasser von
120R. = 1
bei i l°K.
1,07335 - 1,001 105 V 1,002450
— ' = 1,0731105, "Wasser
1,00070 / 1,003* ' '
von 14°R. = 1.
68 Gerlach,
Je nachdem also ein Beaume'sches Instrument für
Flüssigkeiten leichter als Wasser für die Temperatur
10° R., 120 R. oder 14° R. angefertigt ist, muss der Null-
punct dem spec. Gewichte 1,073596 oder 1,07335 oder
1,0731105 bei der betreffenden Temperatur gleich sein.
Das specifische Gewicht einer lOprocentigen Koch-
salzlösung bei 120 R. i s t also 1,07335 und das Volumen
einer solchen Lösung ist demnach = 93,166
1,U i ööö
des Volumens eines gleichen Gewichts Wasser bei 12° R.
== 100 gesetzt. 10° Beaume entsprechen demnach (100
— 93,166) = 6,834 Volumeneinheiten.
Der Grad Volumeneinheiten
der Beaume'schen Scala entspricht 93,166
10 100,00
20 106,834
30 113,668
40 120,502
50 127,336
60 134,170
Durch Division dieser Zahlen für die Volumeneinheiten
in das absolute Gewicht 100 findet man die specifischen
Gewichte, welche den Graden nach Beaume entsprechen.
0° Beaume entsprechen 1,07335 spec. Gew.
100 1,00000
200 0,93603
300 0,87975
400 0,82986
500 0,78532 „
600 0,74532
Diese berechneten specifischen Gewichte, welche sich
auf die Temperatur von 12° R. beziehen, stimmen mit
denen überein, welche Francoeur durch den prakti-
schen Versuch (10°R.) fand. Francoeur verglich zwei
fertige Instrumente durch Eintauchen in dieselben Flüs-
sigkeiten, und zwar ein Beaume'sches Instrument und ein
Aräometer, auf dessen Scala die specifischen Gewichte
Vergleich der allgemeinen Aräometer - Scalen. 69
verzeichnet waren. Ausser Francoeur hat u. A. auch
Delezennes solche Versuche angestellt (vergl. Liebig's
Handwörterbuch, Bd. I. S. 473) ; aber seine Angaben sind
unrichtig 5 auch S ch b e r und P e ch e r (Dinglers polyt.
Journ. Bd. XXVII. S. 63) verglichen beide Scalen u. v. A.
Die specifischen Gewichte lassen sich, wie aus Obi-
gem erhellt, für jeden Grad Beaume bei der Temperatur
12° R. leicht nach folgender Formel berechnen:
100
(lOO ™—\ . n
100 1,07335 7
+
= s, oder
1,07335 ■ 10
100
93,166 -f- (0,6834 . n)
100
oder auch
= s,
= s.
100 + [0,6834 . (n — 10)]
Formel für ein Beaume'sches Instrument für speci-
fisch leichtere Flüssigkeiten, welches für die Temperatur
10° R. gültig ist:
100
100 4- [0,6855 . (n— 10)] ' ' S '
Formel für ein Beaume'sches Instrument für speci-
fisch leichtere Flüssigkeiten, welches für die Temperatur
140 R. gültig ist:
100
100 -f [0,6813 . (n — 10)] = " S *
Wie immer in folgenden Formeln ist n der betref-
fende Aräometergrad, s das zu berechnende specifische
Gewicht.
Es ist noch ausdrücklich hervorzuheben, dass bei
einem Instrumente, welches den Namen Beaume's trägt
und welches für specitisch leichtere Flüssigkeiten als Was-
ser benutzt wird, allemal der Grad 10 beim specifischen
viclite des Wassers liegen muss. Abweichungen hier-
von, wenn sie nicht ganz besonders auf der Scala be-
merkt sind, sind als fehlerhaft und als Verwechslungen
70 Gerlach,
mit andern Scalen (dem holländischen Aräometer) zu be-
zeichnen.
b) Die Scala für specifisch schwerere Flüssig-
keiten als Wasser.
Zur Herstellung dieser Scala benutzte Be au me nicht
dieselbe lOprocentige Lösung, sondern stellte sich eine
Lösung von 15 Gewth. Kochsalz in 85 Gewth. Wasser
her, also eine 15procentige Kochsalzlösung. Den Punct,
bis zu welchem ein Aräometer in dieser 15procentigen
Kochsalzlösung einsank, bezeichnete Beaume an der
Scala mit 15; denjenigen Punct aber, bis zu welchem
dasselbe Aräometer in Wasser einsank, mit Null; der
Zwischenraum wurde in 15 gleiche Theile getheilt und
diese Theilung in gleichen Abständen abwärts weiter
fortgeführt.
Eine genaue Bestimmung ergab mir, dass das spe-
cifische Gewicht der löprocentigen Kochsalzlösung im
Vacuum bei 150 C. = 1,11146 ist, Wasser von 15<> C.
= 1. (Durch Versuche wurde es bei zwei Lösungen
gefunden zu 1,111603 und 1,111588, im Mittel also zu
1,1115955 bei 28" V" Barometerstand und 140(1 Zim-
mertemperatur.) Es lassen sich die specifischen Gewichte,
welche den Beaume'schen Graden für Flüssigkeiten schwe-
rer als Wasser bei 15° C. (12° R.) entsprechen, leicht
nach der Formel berechnen :
100
(
100 \
' - -14Ü46-) • n
100 - —
15
100
= s, oder
100 — (0,66855 . n)
Nach dieser Formel findet man
für 660 B. das spec. Gewicht *??-- = 1,789687;
für 700 B. das spec. Gewicht — * p = 1,879646.
53,2015
Vergleich der allgemeinen Aräometer - Scalen. 71
Dieses Instrument, welches Beaume für specifisch
schwerere Flüssigkeiten als Wasser construirte, hat heut-
zutage nur noch ein geschichtliches Interesse. Ich habe
es nur der Vollständigkeit halber mit erwähnt, da in
allen Hand- und Lehrbüchern sich die Angabe befindet,
dass dem Beaume'schen Instrumente für specifisch schwe-
rere Flüssigkeiten als Wasser die löprocentige Kochsalz-
lösung zur Bestimmung des Grades 15 zu Grunde liege.
Auch für die Flüssigkeiten, welche specifisch schwe-
rer als Wasser sind, wird jetzt der Zwischenraum an der
Scala zwischen dem specifischen Volumen des Wassers
und dem specifischen Volumen der lOprocentigen Koch-
salzlösung in 10 gleiche Theile getheilt und diese Thei-
lung wird auf die übrige Scala fortgesetzt. Es ist dies
ein stillschweigendes Uebereinkommen, welches sich seit
langer Zeit eingebürgert hat. Durch die Aenderung die-
ses Princips in der Construction ist auch eine Aenderung
der relativen Grösse der einzelnen Grade veranlasst wor
den, denn es verhalten sich keineswegs die Raumtheile
zwischen dem specifischen Volumen des Wassers und
dem specifischen Volumen der zehnprocentigen Kochsalz-
lösung einerseits, und die Raumtheile zwischen dem spe-
cifischen Volumen des Wassers und der funfzehnpro-
centigen Kochsalzlösung andererseits, genau wie 10 zu 15.
Bei der Lösung eines jeden Salzes findet eine
Verdichtung statt, die relativ um so grösser ist,
je verdünnter die Lösung ist. Ich hebe ausdrück-
lich hervor, dass nur unter der Voraussetzung, dass die
loprocentige Kochsalzlösung als Ausgangspunct gewählt
wird, der Grad 66 Beaume dem specifischen Gewichte
der käuflichen Schwefelsäure entspricht, und die Mecha-
niker benutzen ja bekanntlich jetzt allemal die Schwefel-
säure von bestimmtem speeif. Gewichte (1,815, richtiger
1.817 bei 11° II.) zur Feststellung des Grades 66 an
Beaura6'fl Scala und theilen die übrige Scala hiernach
ein. Ea ist diese allgemein übliche Art der Feststellung
jedenfalls weit zweckmässiger, als die von Beaume vor-
72
Gerlachy
geschlagene, da sich eine weit grössere Genauigkeit erzie-
len lässt, wenn eine ganze Scalenlänge in Unterabthei-
lungen getheilt wird, als wenn von einem kleinen Theil
der Scala ausgegangen und diese Theilung auf die übrige
Scalenlänge übertragen wird.
Die Grade der Beaume'schen Scala sind vielfach mit
den specifischen Gewichten verglichen worden, ich führe
zum Vergleiche einige Angaben an:
Nach
Dele-
zennes
(b.lOOR.)
Nach
Fran-
coeur
(b.lO°R.)
Nach
Bohnen-
berger
(bei
11,5° R.)
Nach
Gilpin
(bei
10° R.)
Nach
Schober
und
Pecher
14° R.
Grahams
Lehrb.
Bd. I.
S.158
Nach
Maro-
seau
10° R.
10°B.=
15°B.=
20°B.=
30°B.=
40°B.=
50°B.=
60°B.=
66°B.=
70°B.=
1,0769
1,0704
1,069
1,075
1,0740
1,073
1,1200
1,1095
1,107
1,116
1,1152
1,113
1,1666
1,1515
1,148
1,161
1,1598
1,157
1,2727
1,2459
1,239
1,261
1,2605
1,256
1,3999
1,3571
1,347
1,384
1,3804
1,375
1,5555
1,4902
1,532
1,5255
1,515
1,7501
1,6522
1,714
1,7047
1,690
1,8922
1,7674
1,848
1,8340
1,815
2,0003
1,8537
1,946
1,9316
1,909
1,075
1,116
1,161
1,263
1,384
1,530
1,711
1,842
1,942
Man erstaunt über die Abweichungen, welche die
verschiedenen Physiker erhielten. Diese Abweichungen
haben zum Theil darin ihren Grund, dass z. B. Fran-
coeur sein Instrument nach der ursprünglichen Angabe
Beaüme's construirte, während die übrigen Physiker
sich der lOprocentigen Kochsalzlösung bedienten.
So stellten beispielsweise Schober und Pech er
(Dingl. polyt. Journ. Bd. XXV IL S. 63) sich 3 Lösun-
gen dar, jede mit 10 Proc. Kochsalzgehalten und bestimm-
ten das specifische Gewicht einer Lösung bei 14° R., aus
reinem Steinsalz zu 1,07305, aus käuflichem Kochsalz zu
1,07372 und aus einem Salze, welches sie durch Sättigen
von reinem kohlensauren Natron mit reiner Salzsäure dar-
gestellt hatten, zu 1,07518. Hiernach nehmen sie als
Mittel das specifische Gewicht der 10 procentigen Koch-
Vergleich der allgemeinen Aräometer -Scalen. 73
Salzlösung zu 1,074 an; offenbar war aber die letztere
der drei Bestimmungen unrichtig ausgefallen.
Die genauen specifischen Gewichte einer 10 procen-
tigen Kochsalzlösung bei den verschiedenen Temperatu-
ren habe ich schon weiter oben angegeben, je nachdem
also ein Beaume'sches Instrument für die Temperatur
10° R., 120 R. oder 14° R. angefertigt ist, muss der Theil-
strich 10 der Scala dem specifischen Gewichte 1,073596
oder 1,07335 oder 1,0731105 bei der betreffenden Tem-
peratur gleich sein und es lassen sich leicht nach folgen-
den 'Formeln die specifischen Gewichte berechnen, welche
bei den betreffenden Instrumenten den einzelnen Graden
nach Baume entsprechen.
Formel für ein Beaume'sches Aräometer, welches für
die Temperatur 10° R. gültig ist:
100
100
[(— #4i
oder
100
100 — (0,6855 . n)
Hiernach berechnet sich beispielsweise das specifische
Gewicht
für den Grad 66 Beaume zu — — — — == 1,82625,
r „ , 70 Beaume* zu ., 0/MK = 1,92252.
52,015
Formel für ein Beaume'sches Aräometer, welches für
die Temperatur 12°R. gültig ist:
100
100 — (0,6834. n) ' = 8 *
Hiernach berechnet sich beispielsweise das specifische
Gewicht
für den Grad 66 Beaume zu — — — - — 1,82164,
.»1 ; H96
, <0 Beaume zu - , . , = 1,917105.
52,162
74 Ge?'lach }
Formel für ein Beaume'sches Aräometer, welches für
die Temperatur 14° R. gültig ist :
100
100 — (0,6813. n) == S '
Hiernach berechnet sich beispielsweise das specifische
Gewicht
für den Grad 66 Beaume zu — — = 1,81706,
55,034
70 Beaume zu = 1,91172.
o z,ouy
Da die meisten Aräometer nach Beaume für die
Temperatur 14° R. angefertigt werden, so hat das spe-
cifische Gewicht des Grades 6,6 Beaume bei dieser Tem-
peratur ein besonderes Interesse. Ich bemerke, dass
man meistens (wiewohl mit Unrecht) das specifische Ge-
wicht der 10 procentigen Kochsalzlösung willkürlich auf
3 Decimalstellen abkürzt und zu 1,073 annimmt, bei die-
ser Abkürzung berechnet sich alsdann das specifische Ge-
wicht für den Grad 66 Beaume zu 1,815; und dieses
letztgenannte specifische Gewicht, 1,815 ist es, welches
man dem Grade 66 Beaume bei 14° R. nach den ge-
bräuchlichen Tabellen bei der Anfertigung der Instru-
mente zu Grunde legt.
Der Umstand, dass der Grad 66 Beaume dem spe-
cifischen Gewichte der käuflichen Schwefelsäure entspricht,
ist Veranlassung gewesen, dass man bei den vermehrten
Ansprüchen an die Concentration der englischen Schwe-
felsäure auch den Grad 66 Beaume tiefer an der Scala
verlegt wissen wollte, so dass er einem höheren speci-
fischen Gewichte entspräche. Man stellte die Behaup-
tung auf, dass die englische Schwefelsäure eigentlich das
reine Schwefelsäurehydrat sein sollte, zusammengesetzt
nach der Formel HO, SO 3 und weil nach Bineau's
Tabellen, welche Otto für die Temperatur 15° G. nach
Bineau's eignen Angaben berechnete, das specifische
Gewicht des Schwefelsäurehydrates bei 15° C. — 1,8426
ist, so wollte man wahrscheinlich aus diesem Grunde den
Vergleich der allgemeinen Aräometer- Scalen. 75
Grad 66 Beaume auch bei diesem specifischen Gewichte
(1,842) angebracht wissen. Eine solche Tabelle hat u. a.
Gmelin in seinem Lehrbuch der Chemie aufgenommen;
auch Fehling in seiner Uebersetzung von Payen's
Gewerbschemie (1,84 a.a.O. 1,847); Fehling spricht
sich auch dahin aus, dass man bei der Prüfung der
Beaume'schen Aräometer die käufliche Schwefelsäure vor-
her kochen und in einem verschlossenen Gefässe erkal-
ten lassen soll, ehe man das Aräometer einsenkt, jetzt
soll es bis 66 Beaume einsinken.
Dieses Stellen der Scala nach Beaume auf das
reine Schwefelsäurehydrat ist aber in den Angaben Beau-
me 's nicht begründet, und ist meiner Ansicht nach auch
deshalb nicht zu billigen, w r eil die gewöhnliche englische
Schwefelsäure aus technischen Gründen (Angreifen des
Platinkessels) niemals als reines Hydrat in den Handel
kommt. Eine englische Schwefelsäure genügt in der Re-
gel den Anforderungen, hinsichtlich ihrer Concentration,
wenn sie zusammengesetzt ist nach der Formel HO, SO 3 —
*/ 2 HO, sie enthält alsdann 91,6 Proc. Schwefelsäurehv-
drat, hat nach Bineau's Tabellen bei 15° C. das speci-
tisehe Gewicht 1,83 und nach der Tabelle von Ure bei
1572° C. das specifische Gewicht 1,82. Diese speciiischen
Gewichte der käuflichen Schwefelsäure stimmen hinrei-
chend mit dem specifischen Gewichte 1,82164, welches
dem Grad 66 Beaume bei lo» C. (12<>R.) entspricht.
Will man sich eines Aräometers bedienen, dessen
Grad 66 dem specifischen Gewichte des reinen Schwefel-
säurehydrates gleich kommt, so kann man das hollän-
dische Aräometer wählen, welches ich sogleich besprechen
werde.
Bei Zugrundelegung von Bineau's Bestimmungen
und Beinen Correctionsangaben, findet man das speci-
fische Gewicht des Schwefelsäurehydrates 110, SO 3 bei
100 B. (120,5 C.) = 1,345, und der Grad 66 am hollän-
dischen Aräometer, welches bei 10° R. gültig ist, ent-
76 Gerlach,
spricht dem specifischen Gewichte 1,846 (in manchen
Tabellen irrthümlich 1,847 und 1,848).
Die holländischen Aräometer - Scalen.
Das holländische Aräometer, wie es die Pharmaco-
poea batava eingeführt hat, reiht sich eng an das Beau-
me'sche Instrument an. Auch bei dem holländischen
Aräometer soll der Theilstrich 10 durch eine lOprocen-
tige Kochsalzlösung (10 Gewth. Kochsalz und 90 Gewth.
Wasser) bestimmt werden, der Nullpunct aber durch
Schwimmen im Wasser; der Zwischenraum wird auch
hier in 10 gleiche Theile getheilt und diese Theilung
gleichmässig nach abwärts für specifisch schwerere Flüs-
sigkeiten, und aufwärts für specifisch leichtere Flüssig-
keiten fortgeführt. Zwei Hauptunterschiede sind es, welche
die holländischen Aräometer-Scalen von den Scalen nach
Beaume unterscheiden.
Der erste Unterschied besteht darin, dass das speci-
fische Gewicht der lOprocentigen Kochsalzlösung bei 10° R.
zu 1,074626 angenommen wird, Wasser von 10° R. = 1.
Diese Annahme, so falsch und irrig sie ist, ist sehr we-
sentlich für das Instrument, da hierdurch die relative
Grösse der einzelnen Grade bedingt wird. Die Commis-
sion, welche die Pharmacopoea batava ausarbeitete, scheint
die Versuche von Gilpin ihrer Annahme zu Grunde ge-
legt zu haben; trotz dieser Autorschaft muss jene An-
nahme als unrichtig bezeichnet werden; sie ist aber durch
den Machtspruch einer Commission in Geltung getreten,
wenn ihr auch die wissenschaftliche Basis ermangelt.
Der zweite Unterschied besteht darin, dass bei dem
Instrumente für specifisch leichtere Flüssigkeiten als Was-
ser der Nullpunct nicht bei dem specifischen Gewicht
der lOprocentigen Kochsalzlösung liegt (wie dies bei
dem Beaume'schen Aräometer der Fall ist), sondern viel-
mehr durch Einsenken in Wasser von 10° R. bestimmt
wird, er liegt also beim specifischen Gewicht 1.
Die specifischen Gewichte, welche den einzelnen Gra-
Vergleich der allgemeinen Aräometer -Scalen. 77
den nach diesem holländischen Aräometer entsprechen,
lassen sich nach folgenden Formeln berechnen :
a) bei dem Instrumente für specifisch leichtere Flüs-
sigkeiten als Wasser
100
IY 10Q - ümkx | ■ n l
= s, oder
100 -f-
= s.
100 -f (0,69444 . n)
Es entsprechen demnach beispielsweise 70° dieses
Aräometers dem specifischen Gewichte
10 ° n = 0,672889:
148,613 ' '
b) bei dem Instrumente für specifisch schwerere Flüs-
sigkeiten als Wasser
100
100 — (0,69444 . n)
Es entsprechen demnach beispielsweise 66° dieses
Aräometers dem specifischen Gewichte
„ 10 ° = 1,84614;
54,167 ' '
70° dieses Aräometers dem specifischen Gewichte
'<* = 1,94602.
51,387 '
Es ist auffallend, dass das holländische Aräometer
überaus häufig mit dem Beaume'schen Aräometer ver-
wechselt wird, obgleich die Unterschiede beider Scalen
wichtig genug sind, um die Verschiedenheiten der In-
strumente ins Auge zu fassen.
Die Aräometer - Scala nach Cartier.
Cartier, welchem Beauine die Anfertigung sei-
ner Instrumente übertragen hatte, beschloss in seiner
Weisheit, die Beaume'schen Instrumente für leichtere
Flüssigkeiten als Wasser dahin abzuändern, dass 16°
Beaume nur 15 Unterabtheilungen erhielten; ausserdem
78 Gerlach,
verlegte er den Punct für das specifische Gewicht 1 bei
11° Cartier, während er am Beaume'schen Instrumente
bei 10° Beaume liegt.
Die specifischen Gewichte, welche der Scala nach
Cartier bei 12° R. entsprechen, lassen sich demnach
berechnen nach der Formel:
100
= s, oder
™ . U 0,6834 . 16 \ . - x 1
100
= s,
100 -f [0,72896 . (n — 11)]
oder für die Temperatur 10° R. nach der Formel:
100
= s, oder
0,6855 . 16 \ , „v/l
100
= s.
100 + [0,7312 . (n — 11)]
Diese Angaben über die Construction des Aräome-
ters von Cartier wurden von mir aus Lieb ig 's Hand-
wörterbuch, Gerstenhöfer's Hülfsbuch für Techniker
und Hoffmann's chemischen Tabellen entnommen; nach
anderen Angaben (z.B. Prechtel's technologischer En-
eyklopädie) ist der Grad 22 Beaume dem Grade 22 Car-
tier gleich, und sowohl aufwärts als abwärts von diesem
Grade 22 entsprechen dann 16 Grad Beaume 15 Grad
Cartier.
In Wasser sinkt alsdann das Aräometer von Cartier
nicht bis zum Grad 11 ein, sondern bis zum Grad 10 3 / 4 .
Ich habe nicht entscheiden können, welche Angaben die
richtigen sind.
Da 22 Grad Beaume bei 10° R. das Volumen ein-
nehmen von 100 -f- [0,6855.(22—10)] = 108,226 (spe-
cifisches Gewicht 0,924), so berechneten sich die speci-
fischen Gewichte für die Grade über 22 Grad Cartier
nach der Formel
Vergleich der allgemeinen Aräometer • Scalen. 79
100
108,226 -f- [0,7312. (n — 22)]
und für die Grade unter 22 Grad Cartier bei 10° R. nach
der Formel:
100
108,226 — [0,7312.(22 — n)]
Auch die Grade nach Cartier wurden durch ver-
gleichende Versuche mit fertigen Instrumenten von De-
lezennes undFrancoeur auf die specifischen Gewichte
reducirt. Beider Angaben weichen erheblich von ein-
ander ab und verdienen nur die Versuche von Fran-
coeur Berücksichtigung, sie stimmen vollkommen mit
den Resultaten überein, welche nach den zuletzt ent-
wickelten Formeln erhalten werden, wo 22° Beaume gleich
22° Cartier sind (specifisches Gewicht 0,924).
Endlich giebt es noch eine dritte Angabe, nach wel-
cher der Grad 10 Cartier, gerade so wie der Grad 10
Beaume dem specifischen Gewicht des Wassers bei 10° R.
(12°, 5 C.) entspricht, (vergl.: Maroseau's Abhandlung
Journ. de Pharm. 16. 482, entnommen Gmelin's Hand-
buch, Bd. I. S. XX). Nach dieser Tabelle entsprechen
die einzelnen Grade den specifischen Gewichten, welche
man nach der Formel findet
100
= s:
100 -f [0,761234. (n — 10)]
es liegt also dieser Tabelle eine falsche Annahme für
das specifische Gewicht der 10 procentigen Kochsalzlösung
zu Grunde, und statt der Zahl 0,761234 wäre die Zahl
0,7312 einzusetzen.
Man sieht aus dieser Zusammenstellung, welche Un-
sicherheiten die Anwendung der Cartier'schen Instru-
mente bietet, da nicht einmal über die Construction des
Instrumentes eine bestimmte, allgemein gültige Regel
vorliegt.
80 Gerlach, Vergleich der allgemeinen Aräometer -Scalen.
Die übrigen Aräometer -Scalen, welche zum Theil
nur in Vorschlag gebracht, zum Theil nur kurze Zeit
in Gebrauch waren, übergehe ich; es gilt dies z.B. von
der Scala nach Richter, welche jetzt der Vergessenheit
übergeben ist.
Zu wünschen wäre, dass alle empirischen Scalen
diesen Weg der Vergessenheit theilten, und dass in der
Aräometrie nur ein Führer sei, das ist der unsterbliche
Name Gay-Lussac.
81
II. Naturgeschichte und Pharma-
kognosie.
Ueber die medicirische Bedeutung der Pilze mit
besonderer Rücksichtnahme anf ihre toxischen
und diätetischen Eigenschaften;
von
Dr. Th. Husemann,
Privatdocent in Göttingen *).
Wie dem französischen Worte „Champignon" ist es
auch dem deutschen Ausdrucke „Pilz" ergangen. Ur-
sprünglich gleich ersterem als Bezeichnung eines bestimm-
ten Cryptogams oder doch wenigstens einer sehr geringen
Anzahl von Arten gebraucht, angeblich corrumpirt aus
dem lateinischen Boletus, worunter die Römer den Kaiser-
pilz, Agaricus caesareus L. verstanden, während die An-
gehörigen unserer heutigen Pilzgattung Boletus, nament-
lich Boletus edulis L. bei Plinius u. A. Suilli benannt
werden, ist Pilz jetzt bei den Botanikern Name einer
Classe geworden, in welcher eine grosse Reihe in ihren
Eigenschaften unter einander sehr abweichender Zellpflan-
zen vereinigt werden. So mannigfach die jetzt als Pilze
bezeichneten Cryptogamen in Giösse, Form, Farbe u. a.
Qualitäten sind, so ausgedehnt^ ist auch das Interesse,
welches sie dem Arzte darbieten, so vielfach sind ihre
1J( Ziehungen zum menschlichen Organismus im gesunden
oder kranken Zustande.
Da haben wir zunächst eine bunte Reihe winziger,
nur mit Hülfe des Mikroskops nachweisbarer Gebilde, die
in und an dem menschlichen Körper vegetiren und ins-
*) loa Separatabdnwk aus Schuchardt's Zeitschrift für prakt.
Heilkunde, 1865, eingesandt. D. R.
Arch.d. Pharm. CLXXIV. Bds. 1. u. 2. Hft. G
82 Huseraann,
gemein als pflanzliche Parasiten des Menschen zu-
sammengefasst werden. Diese Cryptogamen, um deren
Kenntniss sich namentlich Robin Verdienste erworben,
gehören zum grössten Theile der Classe der Pilze an;
ein kleiner Theil steht auf der Grenze zwischen ihnen
und den naheverwandten Algen; nur wenige sind nach
völliger Uebereinstimmung der Autoren unbedingt den
Algen beizuzählen. Gerade diejenigen aber, welche, wie
der Pilz bei Soor und Favus bestimmte pathologische
Veränderungen in oder am Körper bedingen, sind mei-
stens Pilze, während die gar nicht pathognomonischen,
z. B. Cryptococcus, Leptomitus, dem Gebiete der Algen
vorwiegend anheimfallen.
Die experimentell nachgewiesene Uebertragbarkeit
diverser Krankheiten, vorzugsweise Hautkrankheiten, durch
Uebertragung der sie bedingenden Pilze von Menschen
auf Menschen und sogar von Thieren auf Menschen, das
stete Auffinden neuer, zum Theil gewiss nur accidentel-
ler Parasiten bei verschiedenen pathologischen Processen,
die Leichtigkeit der Verbreitung der vom Winde mühe-
los getragenen Fortpflanzungskörper der Pilze, der sog.
Sporen, haben zu der Hypothese des Miasma und Con-
tagium vegetabile geführt, die zwar heute kaum noch in
toto Anerkennung findet, nichts desto weniger aber für
manche Verhältnisse der ansteckenden Krankheiten eine
bessere Erklärung abgiebt, als andere an ihre Stelle ge-
setzten es vermögen.
Hiermit ist übrigens die Bedeutung der Pilze für
die Pathogenese keineswegs erschöpft. Ziemlich irrele-
vant ist das durch neuere Erfahrungen Eichmann's be-
stätigte Siech thum, welches zuerst Jahn durch die Aus-
dünstungen des bekannten, im Bauholz sich entwickeln-
den sog. Hausschwamms (Merulius lacrymans) bewirkt
fand, und noch weniger Bedeutung haben die Beschwer-
den, welche von dem widrigen, cadaverösen Gerüche
einiger Angehörigen der Gruppe der Phalloideen, nament-
lich des Gichtpilzes, Phallus impudicus L., bei em-
medicinische Bedeutung der Pilze etc. 83
pfindlichen Personen hervorgerufen werden. Viel wich-
tiger sind die pathologischen Processe, welche durch den
Genuss von schädlichen Pilzarten bedingt erscheinen.
Mögen die Angaben älterer Autoren über Epizootieen in
Folge von Getreide, das durch Brandpilze, Angehörige
der Gattung Ustilago, zum Theil zerstört war, nach den
von Parmentier angestellten Experimenten als irrig
erscheinen: so ist doch durch neuere Erfahrungen dar-
gethan, dass der Genuss von Nahrungsmitteln, auf wel-
chen sich Schimmelpilze (Mucor Mucedo L. y Penicil-
lium glaucum L. u. a.) entwickelt haben, nicht immer
unschädlich ist und dass der Genuss von Pflanzen, auf
welchen sich Arten von Erysiphe oder Alphitomorpha,
die den sog. Mehlthau (Albigo) bilden, angesiedelt ha-
ben, bei Thieren und Menschen zu verschiedenen krank-
haften Erscheinungen Veranlassung geben kann. Dr. P er-
roch etz theilte im Jahre 1851 einen Fall von Gastritis,
bewirkt durch Johannistrauben, auf welchen sich Erysi-
phe divaricata befunden haben soll, mit, und von ganz
jungem Datum sind eine Reihe von Berichten italieni-
scher Aerzte über ganz ähnliche Erkrankungen, hervor-
gerufen durch den Genuss von Weintrauben, die an der
T rauben k rank he it litten, einer Krankheit, welche be-
kanntlich von einem Pilze herrührt, der unter dem Na-
men O'idium Tuckert Berkeley meist aufgeführt, übri-
gens von Berkeley selbst nicht als besondere Species,
sondern als Entwickclungszustand einer Erysiphe betrach-
tet wird. Eine Sphaema, welche auf Schilf vorkommt,
soll nach Rosenbaum bei Thieren Lähmungserschei-
nungen, Tympanites und Dyspnoea hervorrufen. Noch
weit bekannter und wichtiger für die Pathogenese ist
das sog. Mutterkorn, jenes vorzugsweise am Roggen
vorkommende (iebilde, dessen botanische Verhältnisse
erst vor einigen Jahren durch die Gebrüder Tulasne
einigermafiS6D aufgeklärt sind, nach welchen man es als
das Mycelium eines höher entwickelten, der auf Raupen
und Puppen von Abend- und Nachtfaltern schmarotzen-
G*
84 Husemann,
den Sphaeria s. Cordiceps entomorrhiza sehr ähnlichen,
als Claviceps s. Cordiceps purpurea bezeichneten Pilzeö
anzusehen hat. Lange schon weiss man, dass das Mutter-
korn und nichts Anderes die Ursache eigentümlicher
Epidemieen abgiebt, welche in verschiedenen Ländern
Europas vom Mittelalter ab bis in die neueste Zeit hinein
von Zeit zu Zeit geherrscht haben; lange schon hat man
sich überzeugt, dass die in Deutschland vorwaltend auf-
getretene Kr iebelk rankheit sowohl, als die nament-
lich in Frankreich zur Beobachtung gekommene Gan-
grene des Solognais, welcher die Epidemieen des Ignis
sacer im Mittelalter entsprechen, nur Formen einer und
derselben Affection, der chronischen Mutterkornvergif-
tung, des Ergotismus chronicus, sind. Auf einer ana-
logen chronischen Pilzvergiftung beruhen vielleicht auch
einige Krankheitsformen, die man ausserhalb Europa oder
in bestimmten europäischen Gegenden beobachtet hat:
das Maispellagra in Columbien, nach Roulin vom Mais-
mutterkorn abzuleiten, der Cak in Sennaar, vielleicht
von einem dem Mutterkorn ähnlichen Pilze der Durra
herrührend, Burning of thefeet der ostindischen Soldaten,
nach Campbell vielleicht Folge von Pilzbildung am
Reis, das Pellagra, in Italien, Spanien und Frankreich
endemisch und, jedoch nicht mit grosser Wahrscheinlich-
keit, von Baiardini pilzkrankem Mais zugeschrieben,
endlich die 1828 — 29 in und um Paris epidemisirende
Akrodynie. Bei diesen aber ist das ätiologische Mo-
ment nicht strict erwiesen, während bei der Kriebel-
krankheit und der Gangrene des Solognais der Nachweis,
dass das Mutterkorn sie hervorrufe, in einer keinen Zwei-
fel übrig lassenden Weise geführt ist. Wir kennen jetzt
nicht allein die Erkrankungen durch den länger fortge-
setzten Gebrauch von mutterkornhaltigem Brode, es sind
auch acute Vergiftungen durch einmaligen Genuss gros-
ser Quantitäten Mutterkorn vorgekommen, und endlich
ist selbst, obschon allerdings nicht mit absolutester Ge-
nauigkeit, die Wirkung der toxischen Substanz bekannt,
medicinische Bedeutung der Pilze etc. 85
welcher Seeale comutum seine Giftigkeit dankt, des Er-
gotins, zu dessen Entdeckung eine Preisfrage der Uni-
versität Göttingen die erste Veranlassung gab.
Gegenüber der ungemein grossen Bedeutung des
Mutterkorns für die Pathogenese treten die insgemein
als „giftige Pilze" xax £;o/r ( v bezeichneten Arten der Hy-
meno- und Gastromyceten entschieden in den Hintergrund,
wenn auch Erkrankungen in Folge des Genusses giftiger
Pilze an Stelle wirklich essbarer in Frankreich, Belgien,
Oestereich und Russland keineswegs selten sind, wie denn
z. B. in Russland 1845 nicht weniger als 40 lethal ver-
laufene Pilzvergiftungen zur Beobachtung gelangten. Noch
mehr verlieren diese Pilze an Bedeutung, wenn man die
Excentricitäten beseitigt, welche eine Menge von Schrift-
stellern in Bezug auf dieselben begeht. Sehr wenige
Toxikologen haben Lust gehabt, die sich ihnen in den
Weg stellenden botanischen Schwierigkeiten zu überwin-
den. Hauptsächlich schrecken die vielen Synonyme ab,
die bei einer der artenreichsten Pilzgattungen, der Gattung
Agaricus L., Blätterpilz, eine geradezu babylonische Sprach-
verwirrung veranlasst haben ; es ist äusserst schwierig,
sich durch diese durchzuarbeiten und selbst für einen
Toxikologen von Fach ist es lockend, sich mit dem Nach-
schlagen eines grösseren Pilzwerks mit Abbildungen zu
begnügen, sobald ihm ein Fall von Vergiftung durch be-
stimmte Species vor Augen kommt. Es kann ihm dann
freilich passiren, wie es einem Berichterstatter im Cann-
statt'schen Jahrsberichte ging, der bei Gelegenheit eines
Referats über eine Vergiftung mit IJypophyllum albo-ci-
trinum (Synonym von Agaricus phalloides L. y einem der
gewöhnlichsten Giftpilze) naiv bemerkt, Ref. könne den
Pilz bei Krombholz nicht finden. Das Gebiet der
Mykologie ist anscheinend ein so unnahbares, dass selbst
die grösseren Abtheilungen von manchen Pharmakologen
nicht gekannt werden, wie denn z. B. im ebengenannten
Jahrsberichte alle Pilze als Gastromyceten bezeichnet
werden, was nun zufällig der Name einer Unterabthci-
86 Husemann,
lung ist, die für die Pharmakologie weit weniger in Be-
tracht kommt, als die der Hymenomyceten. Man kann
sich deshalb nicht wundern, wenn in den Handbüchern
Unsummen giftiger Pilze figuriren und wenn sich offen-
bare Uebertreibungen und Unrichtigkeiten durch alle
möglichen Werke fortschleppen. Taylor führt, um die
Unübersehbarkeit des Gebietes der giftigen Pilze zu de-
monstriren, den Ausspruch Badham's an: es gebe 5000
wohl charakterisirte Species von Pilzen und nur wenige
seien geniessbar. Sehen wir davon ab, ob diese Zahl zu
hoch oder zu niedrig ist, in keinem Falle giebt sie einen
Maassstab für die Zahl der giftigen Pilze. Bei weitem
die Mehrzahl der Pilze ist indifferent und kann in Folge
ihrer gar zu zähen oder zu weichen Consistenz dem Ge-
nüsse gar nicht unterliegen. Von der Minderheit der
fleischigen ist aber eine ganze Reihe in Folge vorgefass-
ter Meinung einzelner Autoren oder in Folge von Ver-
wechselung mit synonymen, aber verschiedenen Species
in den Büchern für „verdächtig" erklärt, ohne dass ein
Beweis oder sogar irgend ein Grund zur Verdächtigung
vorliegt. Manche dieser sind schon auf dem Wege des
Experimentes als unschuldig erwiesen, bei manchen hat
es bisher noch an Gelegenheit zu experimenteller Prü-
fung gemangelt, so dass es noch nicht angeht, den in-
exacten Ausdruck „verdächtig" überall durch „schädlich"
oder „unschädlich" zu ersetzen. Auf der Grundlage
eines umfassenden Studiums der in der medicinischen
Literatur aufgespeicherten Intoxicationen durch giftige
Pilze und der veranstalteten experimentellen Prüfungen
wird Jedermann zu dem Resultate gelangen, dass es bis
jetzt nur eine sehr beschränkte Anzahl Pilze giebt, deren
Giftigkeit nicht in Zweifel gezogen werden kann.
Von deutschen Pilzen kommen hauptsächlich vier in
Betracht, von welchen drei der Gattung Agaricus, einer
der Gattung Boletus angehören; ihnen reihen sich viel-
leicht noch vier oder fünf andere, der Gattung Agaricus
zufallende Species an, denen mit hoher Wahrscheinlich-
keit das Prädicat „giftig" zukommt.
medicinische Bedeutung der Pilze etc. 87
Die Gattung Agaricus umfasst diejenigen Hutpilze,
welche an der Unterfläche des Hutes vom Rande nach
dem Stiele zu stehende senkrechte, überall mit der sog.
Sporenhaut, Hymenium, überzogene Lamellen tragen. Man
unterscheidet Agarici mit weissen und mit gefärbten
Sporen. Eine Unterabtheilung ersterer, welche auch von
manchen Botanikern als eigne Gattung, Amanita, betrach-
tet wird, zeichnet sich dadurch aus, dass die ihr ange-
hörigen Pilze im Jugendzustande mit einer allgemeinen
Hülle {Volvo) umschlossen sind, die beim entwickelten
Pilze zum Theil am Grunde, zum Theil auf der Hut-
fläche warzen- oder flockenartig zurückbleibt. Zu die-
ser Tribus gehören zwei der unbedingt giftigen Pilze,
der Fliegenpilz, Ag. muscarius L., und der gicht-
sch warn mahn liehe Knollenblätterpilz, Agaricus
phalloides L. und einige der mit hoher Wahrscheinlich-
keit als giftig zu bezeichnenden, z. B. Ag. vernus, der
Frühlingshüllenpilz, wahrscheinlich nur Varietät von Ag:
phalloides, Ag. pantherinus, der pantherfleckige Hüllen-
schwamm, auch Krotenschwamm genannt. Der dritte ent-
schieden giftige Agaricus gehört einer Abtheilung der
Weissporigen an, welche ebenfalls als besondere Gattung
unter dem Namen Russida figurirt, und deren botanischer
Charakter darin besteht, dass die Lamellen steif, saftlos,
mit scharfer Schneide versehen, gebrechlich, und dass
weder Hülle, noch Schleier, noch King vorhanden sind.
Hierher gehört der bekannte Speiteufel oder Bläu-
ling, Agaricus integer L. {Ag. Russula Scop.), der in
mannigfacher Färbung in den Wäldern vorkommt und
eine Menge von Varietäten bietet, die von verschiedenen
Schriftstellern als eigene Arten aufgeführt werden, ohne
dass es jedoch deutliche und bestimmte Kennzeichen giebt,
durch welche sich dieselben unterscheiden lassen. Zu
der nämlichen Abtheilung gehört der Schmierung, Aga-
iHcus foetene Fers., welcher mit hoher Wahrscheinlichkeit
als Giftpilz anzusehen ist, da die Verdächtigungen von
Cord i er und Roques durch eine Beobachtung auf der
88 Husemann,
Schönl ein'schen Klinik im Jahre 1849 Bestätigung er-
fahren haben.
Unter den farbigsamigen Blätterpilzen sind noch zwei
zu erwähnen, welche höchst wahrscheinlich Giftpilze sind,
und zwar beide mit rostbraunen Sporen, der Untergattung
Derminus angehörig, beide ohne Ring und Hülle. Es
sind Agaricvs rimosus Bull, und der Ekelschwamm, Ag.
fastibilis Fers., dem auch wohl Ag. crustuliniformis bei-
zuzählen ist. Von diesen Pilzen ist die Giftigkeit schon
von verschiedenen früheren Schriftstellern (Balbi, P ollin i)
behauptet und nach neueren Erfahrungen eines bedeuten-
den Pilzkenners, des Sanitätsraths Staude in Coburg,
der wirkliche Vergiftungen ganzer Familien nach dem
Genüsse der genannten Schwämme beobachtet haben will,
müssen wir ihre Angaben als begründet ansehen.
Was sonst noch von giftigen Blätterpilzen in den
Büchern figurirt, bedarf entweder neuer Untersuchungen
oder ist völlig irrig. Fast überall finden sich wider-
sprechende Angaben. Am meisten in Betracht gezogen
ist die Unterabtheilung der Milchblätter pilze, Lac-
tarii, Tribus Galorrheus nach Fries, deren Hauptcharak-
ter, die milchenden Lamellen, zu der Benennung Anlass
gegeben hat. Diese Abtheilung ist verdächtig und eine
Reihe der ihr angehörigen Pilze führt Namen, die nur
eine schreckhafte Phantasie erfunden haben kann. Da
haben wir z. B. einen Mordpilz, Agaricus necator Pers.
(mit weissem, an der Luft grau werdenden Milchsafte),
der keinem Menschen etwas Böses thut, einen Giftreiz-
ker, Ag. torminosus Schäfer, von Bulliard Agaricvs
necator genannt, mit unveränderlich weissem Milchsafte,
der zwar etwas widrig bitter und scharf schmeckt und
ein wenig Kratzen im Halse erregt, aber nach den Ver-
suchen von Paulet, Letellier, Ascherson und
Krombholz gekocht recht gut gegessen werden kann.
Scharf ist der Milchsaft noch bei mehreren anderen und
diese Eigenschaft hat sogar einer Reihe der Lactarii die
Benennung Pepperlinge, einer Species, die von Aga-
medicinische Bedeutung der Pilze etc. 89
ricus piperatus zugezogen; aber das Kochen entfernt die
Schärfe vollständig und macht die Pilze geniessbar, wo-
bei freilich zu bemerken ist, dass sie ziemlich schwer
verdaulich erscheinen und selbst im zubereiteten Zustande
zu Indigestion, Erbrechen, Durchfall fuhren können.
Die Gattung Boletus Opatoxcsky, Röhrenpilz, charak-
terisirt sich dadurch, dass das Fruchtlager an der unte-
ren Fläche des Hutes Röhren bildet, die an der inneren
Oberfläche mit dem Hymenium ausgekleidet und mit
der Substanz des Hutes nicht verwachsen, daher trenn-
bar sind. Hier haben wir eine Art als giftig hervor-
zuheben, Boletus luridus Fries, von welcher die Mykolo-
gen verschiedene Species abgetrennt haben, die zum gröss-
ten Theile gewiss als Varietäten anzusehen sind. Dahin
rechnen wir auch Boletus Satanas Lenz, welchem beson-
dere Giftigkeit zugeschrieben wird; ferner B. pachypus,
calopus, eythropus, torosus, lupinus, über deren toxische
Eigenschaften besondere Beobachtungen nicht bestehen.
Boletus luridus Fries, deutsch Saupilz, Donnerpilz, Feuer-
pilz, hat einen polsterformigen, von '/j 'bis 5 Zoll dicken,
filzigen, l r 2 bis 5 Zoll breiten, olivengrün, braun oder um-
brafarbenen Hut, einen bis 5 Zoll hohen und 3 Zoll dicken,
festen, selten knolligen, fast mennigrothen, bisweilen reti-
culirten Stiel und freie, runde, gelbe, später grünliche,
an ihren Mündungen orangerothe Röhren. Das Fleisch
des Hutes ist weiss oder gelblich und geht beim Bruche
ins Dunkelblaue über. Sonstige Boleten, welche als
giftig bezeichnet sind, entbehren der toxischen Eigen-
schaften gänzlich, namentlich Boletus luteus L., dessen
zartes, weisses Fleich in frischem Zustande keineswegs
dem Genüsse entzogen zu werden braucht.
Die Frage, ob es unter den übrigen Gattungen der
lly m e nomy ceten noch bestimmte giftige Arten giebt,
inuss unseres Erachtens verneint werden. Vielleicht könnte
man 10 noch I'olyporus ojficinalis Fries (/boletus laruis
Jacq.), den Lärche nsch w am m, bezeichnen, dessen in-
nere Substanz all Agaricum, Agaricus albus, Fvi^gus La-
90 Husemann,
ricis in der Medicin gebraucht wird und welcher dra-
stische Wirkungen zu 1 — 2 Drachmen im getrockneten
Zustande entfaltet. Sonst aber sind die Gattungen Po-
lyporus, Hydnum, Ciavaria, so wie Helvella und Morchella
(wenn man diese Genera, auf welche wir später zurück-
kommen, den Hymenomyceten zuzählen will), ohne be-
sondere giftige Species.
Von den Gastromyceten ist Elaphomyces granula-
tus Fries (Lycoperdon cervinum L.\ Hirschpilz, Hirsch-
brunst, jetzt noch hier und da in veterinärärztlicher Pra-
xis als sog. Boletus cervinus benutzt, früher grundlos ver-
dächtigt. Nahe verwandt ist demselben Scleroderma citri-
num Pers. {Lycoperdon aurantiacum Bull.), dessen Genuss
von Lenz als schädlich bezeichnet wird; dieser Pome-
ranzenbovist, der zur Verfälschung der Trüffel dienen
soll, ist scharf; eigentliche Vergiftungen durch denselben
sind aber nicht bekannt. Andere giftige Gastromyceten
existiren nicht.
So haben wir denn das Gebiet der giftigen Pilze
auf einen sehr kleinen Raum eingeschränkt und es be-
darf, um dasselbe übersehen zu können, gewiss keiner
besonderen optischen Hülfsmittel. Noch mehr es einzu-
engen oder gar, wie Einige thun, zu behaupten, es gebe
gar keine absolut giftigen Pilze und nur unter bestimm-
ten Bedingungen, namentlich unter dem Einflüsse be-
stimmter Klimate und Localitäten, entwickle sich in ein-
zelnen eine toxische Substanz, halten wir für unzulässig.
Eher konnte noch die Rede sein von Ungiftigwerden
sonst giftiger Pilze unter Verhältnissen, welche bis
jetzt noch nicht völlig enträthselt sind; aber auch die
Mehrzahl der Angaben in dieser Richtung stützt sich auf
unrichtige oder doch unvollkommene Beobachtung, die
hier um so leichter Platz greifen kann, als ja die Kennt-
niss der Mykologie nicht Jedermanns Sache ist. Wenn
sich hier und da angegeben findet, in Russland gäbe es
keine giftigen Pilze, so ist das irrig, denn es giebt nir-
gends massenhaftere Pilzvergiftung, als gerade in Russ-
medicinische Bedeutung der Pilze etc. 91
land. Wenn ein französischer Arzt (Leclerc) behaup-
tet, er habe während des Krimkrieges alle Pilze, selbst
die giftigsten, roh, ohne Schaden verzehrt, so rauss er ent-
weder einen besonders guten Magen, oder eine Immunität
gegen Pilzvergiftung oder grosses Glück im irrigen Bestim-
men der, übrigens von ihm nicht speciell angeführten
Pilze, oder endlich einen tüchtigen Beruf zu Gasconaden
gehabt haben. Wenige Angaben über das Ungiftigwer-
den sehr giftiger Pilze erscheinen völlig constatirt und
lassen keine andere Erklärungsweise zu. Ein italienischer
Mykologe, Vittadini, erzählt, dass Agaricus phalloides
in einigen Gegenden gekocht ohne Nachtheil gegessen
werde. Agaricus integer wird ebenfalls in Böhmen, Oester-
reich, Russland bisweilen ohne Schaden genossen. Bole-
tus luridus wird nach Raben hörst in Prag und Wien
als essbare Sorte auf den Märkten verkauft. Es mag bei
den letzten Pilzen einige Varietäten geben, welche min-
der oder gar nicht schädlich sind ; die uns bekannten
Vergiftungen durch Boletus luridus und dessen Varietät
Boletus Satanas sind sämmtlich bedingt durch rohe oder
gebratene Pilze ; es ist nicht unmöglich, dass durch das
Abkochen derselben das Gift zersetzt wird. Möglich ist
es aber auch, dass, wie bestimmte Phanerogamen in ge-
wissen Monaten stärker giftig sind, als in anderen, so
auch die Pilze in ihren toxischen Eigenschaften nach der
Jahrszeit differiren. Man hat hierüber übrigens bis jetzt
nur sehr widersprechende Angaben, die sich allein auf
den Fliegenpilz beziehen. Krombholz und Langs-
dorff legen den kleineren, hochrothen und mit vielen
Warzen besäeten Exemplaren höhere Wirkung bei, wäh-
rend Hayne die jüngeren geradezu für weniger giftig
erklärt. Leider sind wir bis dato ausser Stande, durch
chemische Untersuchungen die grössere oder geringere
Giftigkeit der Pilze zu bestimmen, da derjenige Stoff
oder wohl richtiger, da es wahrscheinlich mehrere sind,
diejenigen Stoffe, denen sie ihre toxischen Eigenschaften
verdanken, noch in geheimnissvolles Dunkel gehüllt sind.
92 Husemann,
Berkeley u. A. reden von einem giftigen Alkaloide,
wahrscheinlich im Hinblicke auf den mit dem Namen
Amanitin belegten Körper, den Letellier im J. 1826
aus Agaricus muscarius, phalloides und integer dargestellt
haben wollte. Leider haben neuere Untersucher den-
selben nicht wiederfinden können und es scheint nach
den neuesten Arbeiten von Kussmaul und Bornträ-
ger, dass nicht sowohl ein Alkaloid, als vielmehr eine
Säure als Principium venenosum des Fliegenschwamms
anzusehen sei. Dass sich der nämliche giftige Stoff auch
bei den übrigen Pilzen findet, ist kaum anzunehmen, da
die Wirkung derselben eine ganz verschiedene ist, wie
eine genaue Analyse der vorhandenen Krankengeschichten
leicht lehrt. Viele der Intoxicationen sind zwar durch
Gemenge verschiedener Giftpilze hervorgerufen; aber es
giebt auch eine Reihe von Fällen, wo eine einzige Spe-
cies unserer vier hauptsächlichsten Giftpilze die Intoxica-
tion bedingte. Sehr nahe scheinen sich die Vergiftungen
mit dem Speiteufel und dem Satanspilze zu stehen. Hier
finden wir rasch eintretende Gastroenteritis von grosser
Heftigkeit, mit intensiven Unterleibsschmerzen, violenten
Ausleerungen nach oben und unten, selbst blutigem Er-
brechen und blutiger Diarrhöe, endlich von Collapsus
gefolgt. Neurotische Symptome fehlen primär gänzlich.
Möglich, dass hier ein harziger Stoff, wie in dem oben
erwähnten Fungus laricis, die Wirksamkeit bedingt; er-
wiesen ist diese Vermuthung Roque's übrigens durch
chemische Untersuchungen nicht. Ganz anders sind die
Erscheinungen, welche Agaricus phalloides hervorbringt.
Wir kennen sie namentlich aus Vergiftungsgeschichten
neueren Datums, welche Goudin und Maschka mitge-
theilt haben. Sie pflegen erst 24 Stunden und noch län-
ger nach dem Genüsse der Pilze einzutreten und sind
gemengte irritirende und neurotische. Aus Magenschmer-
zen, Kolik, Erbrechen, unlöschbarem Durst, allgemeiner
Hitze einerseits, Abgeschlagenheit und Angstgefühl, Kopf-
schmerz, Schwindel, Delirien, Sopor, Coma, Trismus,
medicinische Bedeutung der Pilze etc. 93
tetanischen Convulsionen andererseits ist das Krankheits-
bild zusammengesetzt. Interessant ist der Leichenbefund
nach Mas ch k a's Angaben : von Todtenstarre keine Spur,
Augen tiefliegend, Pupillen bedeutend erweitert, Blut
flüssig, kirschroth, Ecchymosen in grosser Anzahl an al-
len Parthien des serösen Ueberzuges der Lungen, in der
Substanz der Lungen, im Herzbeutel und der Muskel-
substanz des Herzens, in der Leber, im Fundus ventri-
culi und serösen Ueberzug und der Corticalsubstanz der
Nieren, Abwesenheit von Entzündung im Tractus ; enorme
Ausdehnung der mit blassem Urin gefüllten Harnblase.
Wiederum ganz anders sind die Vergiftungserscheinun-
gen nach dem Genüsse des Fliegenpilzes, die in der Re-
gel kaum 1 — 2 Stunden auf sich warten lassen. Fast
immer sind auch hier irritirende und neurotische gemengt,
doch walten letztere vor. Man erinnere sich an den
eigenthümlichen Gebrauch, den die Kamtschadalen von
dem Fliegenpilze machen, wenn wir den übereinstimmen-
den Zeugnissen von Steller, Georgi, v. Langsdorff
und Er man trauen dürfen. Sie benutzen ihn als nar-
kotisches Genussmittel und versetzen sich dadurch in
einen Zustand, der durch die Steigerung des Bewegungs-
triebes und die Pupillenerweiterung an Belladonnawir-
kung erinnert. Man hat die Angaben bezweifelt, weil
man bei uns als Erscheinungen von Fliegenpilzvergiftung
niemals Rausch oder überhaupt Zustände der Exaltation,
sondern Depressionszustände, Betäubung und Bewusstlosig-
keit wahrnimmt. Letztere bleiben übrigens bei den
Kamtschadalen auch nicht aus, und erstere fehlen bei
uns nicht, wenn man mit kleinen Quantitäten Fliegen-
schwamm experimentirt. Es ist ein bedeutender Unter-
schied zwischen dem Genüsse eines ganzen Gerichtes
giftiger Pilze und eines einzigen Exemplares (das ist die
Mitteldosis der Kamtschadalen) und es lässt sich einzig
aus der Differenz der Quantitäten die Wirkungsdifferenz
ableiten, die nichts Auffallendes hat, wenn wir z. B. die
Verschi'-dciilioit der Wirkung grosser und kleiner Dosen
94 Husemanrij
Alkohol, Opium u. s. w. dagegen halten. Möglich auch,
dass eine Gewöhnung an das Gift von Agaricus muscarius
in ähnlicher Weise, wie bei den eben genannten Narco-
ticis, statt findet.
Wir beschränken uns auf diese oberflächlichen An-
deutungen über Symptomatologie der durch die genann-
ten vier Giftpilze hervorgebrachten Intoxicationen und
bemerken nur noch, dass die in den Handbüchern früher
meist figurirenden drei Formen der Pilzvergiftung, die
narkotische, irritirende und gemengte, einigermaassen den
Vergiftungen durch die einzelnen Species, die narkotische
der durch den Fliegenpilz, die irritirende der durch Spei-
teufel und Satanspilz und die gemengte der durch den
gichtschwammähnlichen Knollenblätterpilz entsprechen.
Wenden wir uns nun zu der Bedeutung der Pilze
für die Arzneimittellehre, so finden wir diese, welche
bei der Verschiedenheit und der Grösse der Wirkung
einzelner a priori als nicht unbeträchtlich vermuthet wer-
den könnte, in Wirklichkeit nicht besonders erheblich.
Fast scheint es, als sollten auch hier die kleineren Spe-
cies die entwickelteren an Ansehen übertreffen. Am mei-
sten Verwendung in der Therapie findet das obengenannte
Mutterkorn und die aus ihm dargestellten Präparate,
Bonjeans Extrait hemostatique u. a., bald zur Förderung
der Wehen, bald zur Stillung von Blutungen, bald ge-
gen Nervenkrankheiten aller Art, Spasmen sowohl als
Paralysen, Incontinentia urinae sowohl, als Tnssis convul-
siva. Mag Oesterlen in mancher Beziehung Recht ha-
ben, wenn er im Hinblicke auf die manchmal inepten
Empfehlungen des Mutterkorns, z. B. gegen Lungenphthise,
Struma, kalte Abscesse, Exophthalmus, dasselbe „ein ecla-
tantes Beispiel jener Verirrungen und Absurditäten, an
welche sich die medicinische Praxis durch Arzneiglau-
ben, schlechte Beobachtung und Fachinteresse, wo nicht
Quacksalberei, von jeher hat verlocken lassen", bezeich-
net, mag sogar die Opposition, die sich von Seiten ver-
schiedener Geburtshelfer gegen Miss- und Gebrauch des
medicinische Bedeutung der Pilze etc. 95
Seeale cornutum erhoben, nicht unbegründet sein : immerhin
bleibt das Mutterkorn der interessanteste aller derjenigen
Stoffe, welche die Heilmittellehre der Classe der Pilze ent-
nommen hat. Die Zahl derselben ist übrigens nicht gross,
selbst wenn man diejenigen hinzurechnet, welche nur als
Volksmittel eine Rolle spielen oder bei minder eultivirten
Nationen in medicinischem Ansehen stehen. Ausserhalb
Europas haben mehrere Pilze grossen Ruf als Heilmittel;
vor Allem ein kleinerer Pilz, Sphaeria s. Cordiceps sinen-
sis Berit. , den man auf einer grossen Raupe im Reiche
der Mitte schmarotzend antrifft und welchen die Chinesen
als Farce in einer gebratenen Ente genossen, für ein
grosses Medicam ent halten — wobei, wie Berkeley
nicht unwitzig bemerkt, die Heilkräfte wohl mehr auf
Rechnung der Ente fallen — ; ausserdem mehrere unseren
Bovisten, Trüffeln und Gichtmorcheln nahe verwandte
Species, theils äusserlich als Krebsmittel, Maturantia oder
Styptica, theils innerlich als Tonica *). Keiner dieser
Pilze hat für uns Bedeutung ; so sehr man auch eine Zeit
lang bemüht gewesen ist, Europa mit exotischen Medi-
camenten zu überschwemmen: die Pilze sind davon un-
berührt geblieben. Auch unsere europäischen, dem Pilz-
reiche entnommenen Volksmittel haben die Aerzte meist
unberücksichtigt gelassen. Nur eine Anwendung der Bo-
viste (Lycoperdon), welche in England seit langen Jah-
ren von den Bienenzüchtern gemacht wurde, hat man eben-
*) Als Krebsmittel Podaxon Carcinoma ? e Fries (Lycoperdon Car-
cinoma^ L.), am Cap auf Termitengebäuden vorkommend (die
Sporen auf Geschwüre gestreut) und Lysurus Mocusin Fr.
{Phallus Mocusin L.) in China (die Asche): zur Zeitigung ver-
härteter Geschwülste in Ostindien Ilymenophalh/s Daemonum
Nees v. Esenb. (PhaUut Daemonum Bumph.); als Stypticum in
Westindien die Sporen von Geaster fornicatus Fries. Bei
Durchfall, Fieber, Entzündungen u. s. w. rühmen die Einge-
borenen von Java und Amboina Paehyma Tuber regit/m Fr.
und Agairicui Tuber regiwm Fr. .- in der chinesischen Provinz
Bonchong gilt als kriiftiges Koborans bei Zehrkrankheiten
Paehyma HoeZen und Paehyma Cocos.
96 Husemann,
daselbst für die medicinische Praxis verwerthet. Man hat
den Rauch, der sich beim Verbrennen der Lycoperdon-
arten entwickelt, als anästhesirendes Mittel benutzt und
gepriesen; Richardson hat dies vermeintlich neue, in
Wirklichkeit aber ziemlich alte Anästheticum, dessen
Wirksamkeit auf dem Gehalte an Kohlenoxydgas und
flüchtigen Kohlenwasserstoffen beruht, sogar dem Aether
und Chloroform vorgezogen. Sonst haben die den Pilzen
angehorigen Volksmittel *) die Aerzte nicht zu therapeu-
tischen Versuchen reizen können ; im Gegentheil, es ist
manches der Volksmedicin überlassen, was man von Pil-
zen in den Officinen früher als theures Kleinod barg. So
das Judasohr oder der Hollunderschwamm, (Fungus
Sambuci, Auricula Judae), von Laien noch hie und da als
kühlendes Mittel bei Augenentzündungen benutzt, Tre-
mella mesenterica, woraus früher ein destillirtes Wasser
bereitet wurde, dem man Heilkräfte bei Augenleiden und
Lähmungszuständen zuschrieb; Phallus impudicus L., der
Gichtpilz, der heutzutage nicht mehr gegen die Gicht
hilft und, wenn ihm auch die Natur nach dem Glauben
der Alten den Stempel eines Aphrodisiacums aufgedrückt
hat, doch mit der Zerstörung des Glaubens an die Sig-
natur auch seine zauberische Kraft verloren hat; Polypo-
rus suaveolens, früher als Weidenschwamm gegen Phthi-
sis pulmonalis viel verwandt und gelobt, jetzt vergessen ;
der Bovist, dessen vom Volke als den Augen schäd-
lich angesehene Sporen der Chirurg nicht mehr zur Blut-
stillung gebraucht, obschon er damit vielleicht nicht
*) Dahin gehört Polyporus annosus Fries, den man in Schweden
zum Ausbrennen von Vipernbissen benutzt, Agaricus otramen-
tarius Bull., welcher ebendaselbst zur Heilung von Brandge-
schwüren dient u. a. m. Einige rechnen zu den Pilzen auch
das wahrscheinlich besser bei den Algen stehende Veilchen-
moos, Amphiconium Linnaei Spr. (Byssus Jolithus L.), ein auf
Steinen vorkommendes, violenartigen Geruch verbreitendes
Cryptogam, das mit der Unterlage vom Volke hie und da ge-
gen Hautausschläge benutzt werden soll.
medicinische Bedeutung der Pilze etc. 97
weniger erreicht, als mit dem neuerdings aus Java impor-
tirten Penghaicer Djambi u. a. m. Von den sechs Pilzen,
welche Murray im ' Apparatus medicaminvm aufführt,
stehen heute nur noch zwei in den Pharmakopoen, und
auch diese beiden sind in der Achtung der Aerzte nicht
wenig gesunken. Es gab eine Zeit, wo dem einen der-
selben, Polyporus fomentarius Fries, Zunderschwamm, in
der neuesten Pharmakopoe nicht ganz passend als Bole-
tus igniarius aufgeführt, ein derartiges hämostatisches
Vermögen beigelegt wurde, dass man ihn der Arterien-
ligatur vorzog, dass man Araputationsstümpfe pure ac sim-
pliciter mit demselben verband: ein Verfahren, gegen
welches schon im Jahre 1755 Parker zu Felde zu zie-
hen sich genöthigt sah. Auch der zweite der officinell ver-
bliebenen Pilze, Polyporus Laricis, der Lärchenschwamm,
welchen wir schon oben erwähnten, der älteste aller the-
rapeutisch benutzten Pilze, dessen schon Dioskorides
gedenkt, stand früher in höherem Ansehen, sei es als
Drasticum für sich gebraucht oder als Bestandtheil ver-
schiedener Mischungen, wie des Extractum panchymagogum
Crollii, der Pilulae hierae cum Agarico; jetzt ist er vor-
zugsweise Palliativ bei den colliquativen Schweissen Tu-
berculöser, gegen welche ihn de Haen zuerst empfahl.
Ganz in neuester Zeit ist auch eine Tinctura Boleti lari-
cis canadensis als Mittel gegen Rheumatismus gepriesen,
ohne jedoch, wie aus Versuchen von Watson hervor-
geht, irgend etwas zu leisten. So ist denn unsere Be-
hauptung gerechtfertigt, dass die Anwendung der Pilze
als Medicament als nicht sehr erheblich sich herausstellt,
wenn sie auch als einigermaassen mannigfach bezeichnet
werden kann.
(Fortsetzung folgt.)
Arch. d. Pharm. CLXXIV. Bds. 1. u. 2. Ilft.
98 Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur.
Naturwissenschaftliche Section der schlesischen
Gesellschaft für vaterländische Cultur.
In der Sitzung vom 15. März 1865 hielt Herr Geb.
Rath Prof. Dr. Göppert einen Vortrag über Urwälder
Deutschlands, insbesondere des Böhmerwaldes.
Wenn man von Urwäldern spricht, pflegt man ge-
wöhnlich eher an die primitiven Wälder der Tropen zu
denken, als dergleichen noch in Europa oder gar mitten
in Deutschland zu vermuthen. Schweigen doch alle Be-
schreiber deutscher Wälder und Waldbäume von der-
gleichen und begnügen sich nur mit Abbildungen schwäch-
licher Epigonen, statt die Natur in ihrem Urzustände
aufzusuchen. Bereits im Jahre 1855 schilderte F. von
Hochstetter die Urwälder des Böhmerwaldes
denn von ihnen soll hier vorzugsweise die Rede sein,
nach allen ihren Verhältnissen eben so anziehend als treu
(„Allgemeine Zeitung« 1855, Nr. 167, 175, 182, 197, 219,
220, 252), und unter den Mannern von Fach war unser
Herr Ober -Forstmeister v. Pannewitz der erste und
so viel ich weiss bis jetzt auch der einzige, der sie wie-
derholt besuchte und uns auf sehr interessante Weise
mit ihren ausserordentlichen Wachsthumsverhältnissen be-
kannt machte. (Verhand. des schles. Forstvereins vom
Jahre 1856, S. 280 — 296, 1864, Beil. S. 24 u. f.).
Hierdurch vielfach angeregt, gelang es im Jahre
1858, eine, wenn auch nur kleine, aber doch fast alle
Eigenthümlichkeiten zeigende Urwaldstrecke in der Herr-
schaft Seitenberg der Grafschaft Glaz nachzuweisen, wo-
durch ich mich aber nur noch mehr veranlasst sah, jene
klassischen Gegenden selbst aufzusuchen, was ich im
August des vorigen Jahres in Begleitung eines meiner
Schüler, Herrn Apotheker Müncke, ausführte. Nach-
stehend versuche ich in möglichst gedrängten Sätzen
den Hauptinhalt meines Vortrages wiederzugeben, der,
von Abbildungen begleitet, als selbstständige Arbeit in
Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultar. 99
den Acten der kaiserl. Leopoldinisch-Carolinischen deut-
schen Akademie der Naturforscher veröffentlicht wer-
den soll.
1) Die Urwälder befinden sich im Böhmerwalde,
welcher sich in fast 30 Meilen Länge von den Grenzen
des Voigtlandes bis nach Ober-Oesterreich hinzieht und
die natürliche Grenze zwischen Böhmen und Bayern bil-
det, und zwar vorzugsweise im Ursprungsgebiet der Mol-
dau auf den Herrschaftsgütern des regierenden Herrn
Fürsten Adolph v. Schwarze nberg, Herzog von
Kr um mau, auf den Herrschaften Krummau, Winter-
berg, Stubenbach, so wie auch auf der gräflich Thun'schen
Herrschaft Gross-Zdikau *). Nach Hochstetter wird das
Gesammtareal dieser Urwälder etwa auf 33,000 Joch
(1 Joch = 2 J / 4 preuss. Morgen) geschätzt, während der
gesammte Waldbestand jener eben genannten vier Herr-
schaften mit dem regenerirten oder cultivirten Walde
zusammen ungefähr 100,000 Joch beträgt. In völlig pri-
mitivem Zustande ist vorzugsweise ein auf dem sich bis
zu 4298 Fuss erhebenden Kubany befindlicher Urwald
von 7200 Mrg. preuss. erhalten, von welchem auch ein
höchst wesentlicher Theil nach einer Verordnung des
Herrn Fürsten möglichst conservirt werden soll, wo-
durch sich Se. Durchlaucht ein in seiner Art einzi-
ges Denkmal gründen, welches die Wissen-
schaft stets in hohen Ehren halten wird.
2) Der Charakter europäischer Urwälder kann
bei der geringen Mannigfaltigkeit unserer Baumvegeta-
tion im Vergleich zu denen der Tropen nur ein ein-
förmiger sein, und steigert sich diese Einförmigkeit
noch auf grösserer Höhe, beschränkt sich zuletzt auf
Nadelhölzer, weil eben nur dort sich bei dem Zustande
unserer socialen Verhältnisse dergleichen zu erhalten ver-
*) Qb in dem angrenzenden bayerischen Walde noch Urwälder
in unterem Sinne vorhanden sind, ist mir unbekannt. Ein-
zelne kolossale Stämme sah ich auf diesem Gebiete in der
Umgegend des Dreisesselberges.
7*
100 Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur.
mochten. So besteht denn auch in der That die etwa
700 Morgen grosse, im Gläzergebirge in 3500 Fuss Höhe
gelegene Urwaldstrecke nur aus Rothtannen (Pinus Äbies
L.), im Böhmerwalde die untere Region auf unserem
Hauptbeobachtungspuncte, dem Kubany, von 2000 — 3500
Fuss aus Weiss- und Rothtannen mit beigemischten Bu-
chen und einzelnen Bergahorn, die obere Region von
3400 — 4000 Fuss nur aus Rothtannen oder Fichten (Pinvs
Abies L.).
3) Als Hauptcharakter tritt uns nun in der Buchen-
und Weisstannen -Region die erst in der bedeutenden
Höhe von durchschnittlich 60 — 100 Fuss vorhandene
Kronenbelaubung entgegen, daher die Helligkeit und
auch die Möglichkeit der Entwicklung des jungen Auf-
schlages, welche freilich erst bei Bildung irgend einer
Lücke erhebliche Fortschritte macht, dann aber rasch,
selbst nach hundertjähriger Unterdrückung, das unfrei-
willig Versäumte nachholt, wie das Studium der Quer-
schnitte solcher Stämme zeigt. Die Regeneration oder
Verjüngung dieser Wälder erfolgt also fortwährend, und
man hat daher nicht nöthig, wie von Einigen angenom-
men wird, an einen in grossen, etwa 4 — 500jährigen
Zeiträumen eintretenden, sogenannten säcularen Wechsel
der gesammten Baumvegetation zu denken. Die gröss-
ten Dimensionen erreicht die Weisstanne. Stämme von
120 — 150 Fuss Höhe bei 4 — 6 Fuss Umfang sind ge-
wöhnlich, von 200 Fuss Höhe, im Durchm. von 6 — 8
Fuss nicht selten, mehrere maass ich zu 8 Fuss, daher
denn auch pro Joch 142 — 200 Kl. im Urwalde häufig
vorhanden erscheint. Die stärkste bis jetzt beobachtete,
noch in ihren Ruinen von Hochstetter gesehene Weiss-
tanne maass 30 Fuss Umfang und 200 Fuss Länge. Auf
30 Kl. 30 zölligen Brennholzes schätzte man die Holz-
menge des jetzt leider nicht mehr vorhandenen Riesen.
Buchen, Rothbuchen (Fagus sylvatica), obschon von ge-
ringerer Stärke, doch in einzelnen Exemplaren von 14
Fuss Umfang, wetteifern im Höhenwachsthum und errei-
Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. 101
chen nicht selten die bedeutende Höhe von 100 — 130
Fuss bei 80 — 90 Fuss Kronenbelaubung. Fichten, auch
in dieser Region häufig, erreichen zwar nicht die Hohe
und Stärke der Weisstanne, aber doch eine so imposante
Grösse in Tausenden von Stämmen, wie sie nur als Selten-
heiten in unseren Wäldern angetroffen werden. Ihre Ent-
wickelungs- und Wachthums weise auf abgebro-
chenen stehenden und liegenden Stämmen und
dazu noch die Verwachsung der Wurzeln neuer
und alter Stöcke untereinander liefein die charakte-
ristischen Merkmale des deutschen Urwaldes,
welche nach vielfach eingezogenen Erkundigungen von
Reisenden der Tropen keine dortige Baumart zeigt. Ent-
wickelung auf abgebrochenen stehenden Stöcken oder
Stämmen bedingt zuletzt bei allmäliger Zersetzung und
Schwinden des Mutterstammes das zuerst von Ratze bürg
(1831) beschriebene stelzenartige oder pandanenartige
Wachsthum, wo die Bäume wie von Säulen getragen er-
scheinen, und Entwickelung aufliegenden Stämmen,
die reihenweise Stellung der Bäume im Urwalde, die
hier auf die ausgezeichnetste Weise hervortritt. Oft ste-
hen 5 — G an 150 Fuss hohe und 3 — 4 Fuss dicke Fich-
ten in geraden, oft sich kreuzenden Linien und tausend
und abermals tausend jüngeren Anfluges verschiedener
Grösse wuchern auf den überall wild durcheinander lie-
genden, in allen Stadien der Zersetzung befindlichen Zeu-
gen vergangener Jahrhunderte. Nur die kräftigeren er-
halten sich und bleiben zuletzt in fast gleichen Entfer-
nungen und in geraden Linien zurück, welche der Rich-
tung des Stammes entspricht, auf dem sie einst entspros-
sen. Nach den genauen von Herrn Forstmeister John,
dem verdienten Pfleger des Kubany, angestellten, mir
gütigst mitgetheilten Messungen befinden sich in etwa
2 — 3200 Fuss Seehöhe hier auf 1 preuss. Morgen an
100 Klaftern Holzmasse, wovon etwa 5 / 8 auf lebenden
und die übrigen 3 / 8 auf todten stehenden und lagernden
Stämmen, hier Ronen genannt, kommen. Von 3400 Fuss
102 Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur.
ab mindert sich das gewaltige Hohenwachsthum, ver-
mehrt sich aber die Festigkeit, und in dieser Region von
3500 — 4000 Fuss finden sich Stämme von 6— 700jähri-
gem Alter bei nur 2 — 3 Fuss Dicke, deren Holz unter
anderem zu Resonanzböden verwendet wird, welches be-
sonders im Stubenbacher Revier in unübertrefflicher Güte
gefunden und durch die hier befindliche Fabrik des Herrn
Bienert, als des Gründers dieser Industrie, in allen Ge-
genden der Erde verbreitet wird.
4) Von den anderweitigen Bäumen finden sich hier
noch Ulmen, Bergahorn, doch im Ganzen von keinem
bemerkenswerthen Umfange, so wie die in allen nordi-
schen Wäldern als Baum und Strauch einheimische Eber-
esche; dann als Unterholz fast nur Salix caprea, Loni-
cera, Sambucus racemosa, u. s. w., von krautartigen Ge-
wächsen in besonderen, auf feuchten, von fliessendem
Wasser berieselten, nicht eigentlich sumpfigen Lagen, auf
welchen auch die Bäume vorzugsweise zur massenhafte-
sten Entwickelung gelangen, die gewöhnlichen Pflanzen
unserer höheren Vorgebirge. Im Ganzen aber ist die
von uns auch möglichst berücksichtigte Phanerogamen-
Flora des ganzen Böhmerwaldes, der trotz der Höhe
von 4 — 4600 Fuss seiner Berg- Gipfel, durchaus keinen
alpinen Charakter, wie etwa das Riesengebirge besitzt,
arm zu nennen, aber dennoch eben wegen ihrer Dürftig-
keit mit Hinsicht auf Verbreitung der Gewächse von
grösstem Interesse. Auf dem höchsten Punct, dem Ar-
ber, in 4600 Fuss Seehöhe, meint man die Flora eines
Wiesen- oder Waldrandes der Ebene vor sich zu sehen,
wenn nicht zwischen den die Rasenflächen begrenzenden
Felsengruppen Juncus trifidus und Agrostis rupestris her-
vorsprossten und mit den Gyrophoren und Andreaeen auf
dem Gestein die hohe Lage verriethen.
5) Wenn wir nach den Ursachen der Erhaltung die-
ser wunderbaren Wälder forschen, so haben wir wohl als
ein Hauptmoment ihre geographisch schwer zugängliche
Lage, die erst sehr spät und nur durch Anlegung von
ßchlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. 103
kostbaren Kanälen ihre allgemeinere technische Benutzung
gestattete, und die beschränkte Zahl von Holz consunii-
renden Fabriken zu nennen. Denn nur Glashütten sind
vorhanden, Eisenwerke fehlen wegen Mangels an Eisen-
erzen. Zu ihrer ausserordentlichen Entwickelung trägt
die durch Beobachtung nachgewiesene, überaus feuchte
Atmosphäre wesentlich bei, welche durch die mit Krumm-
holzkiefern bewachsenen, das Moldau- und alle ihre Sei-
tenthäler bis hoch herauf erfüllenden Moore *) veranlasst
wird, wie denn endlich auch die Entfernung jeder Ein-
wirkung des Menschen nicht hoch genug anzuschlagen
ist. Man überliess die Lichtung der Natur, vielleicht
die Hauptursache der so merkwürdig hohen Kronenbelau-
bung; alle Ab fälle der Vegetation, sowohl der baum-
als krautartigen, kamen ihr hier wieder zu Gute, daher
auch die im Allgemeinen sehr gesunde Beschaffenheit
dieser Wälder und ihre so massenhafte Holzproduc-
tion, wie sie in vielen unserer meist vielfach regenerirten,
durch Entfernung der Abfälle und Untervegetation in
ihrem natürlichen Wechselverhältnisse von Nahrung und
Consumtion gestörten, also wie man wohl mit Wahrheit
sagen kann, durch Raubbau geschwächten Wäldern so
leicht niemals wieder zum Vorschein kommen kann, und
auch dort sich vermindern wird, wenn mit der Zeit die
Verhältnisse zur Benutzung der sämmtlichen Erzeugnisse
des Waldes drängen sollten. Ich verwahre mich hier
im Voraus gegen alle Einwürfe und Vorwürfe, die man
*) Diese Bedeutung dieser viele tausend Morgen grossen und
oft 20 — 30 Fuss mächtigen Moore ist für die Erhaltung des
Wasserreichthums der Moldau, somit für das ganze
Land gewiss nicht hoch genug anzuschlagen, worin mir Jeder
beistimmen wird, der auf Gebirgen Gelegenheit hatte, den
Kinfluss von Mooren und Sumpf- oder Knieholz -Kiefern auf
Bildung und Unterhaltung von Quellen zu beobachten. Sphagna
scheinen die Entstehung jener Moore vorzugsweise vermit-
telt zu haben, die an vielen Orten eben durch den Einfluss
jener winzigen, im Haushalt der Natur aber so bedeutungs-
vollen Moose uoch in weiterer Bildung begriffen sind.
104 Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur.
mir wegen dieser Ansicht machen dürfte, lasse alle Noth-
wendigkeits- und Nützlichkeitsrücksichten bei Verwal-
tungen gelten, mir liegt nur daran, auf eines der gross-
artigsten naturhistorischen, bis jetzt nichtsdestoweniger
ausser Böhmen nur wenig berücksichtigten wahren Phä-
nomens die allgemeine Aufmerksamkeit zu lenken.
Denn die Wälder interessiren uns nicht mehr
alleinwegen ihrer Holzproduction, sondern auch
wegen ihrer hohen klimatischen Bedeutung,
wegen ihrer Wichtigkeit für die Regelung der
Gewässer zur Verhütung der Gefahren von Ueber-
schwemmungen, womit so viele Länder eben in Folge
der Vernachlässigung ihrer Pflege auf das Empfindlichste
heimgesucht werden. Nur auf solchem primitiven Bo-
den kann die bis jetzt freilich kaum noch gegründete
Forstchemie, die alleinige Basis einer rationel-
len Forstbewirthschaftung, wer wollte dies leugnen,
entscheidende Erfahrungen über Nahrung und
Production sammeln und so vielen kostspieligen phy-
siologischen Einsichten widersprechenden Versuchen ent-
gegentreten, welche oft so schwere Opfer ohne Erfolg
und Nutzen kosten. Dem bei allen solchen Untersuchun-
oren eben so betheiligten Botaniker bietet sich dort ein
unerschöpfliches Material für morphologische und physio-
logische Studien dar, und der Oekonom kann sich wie
so leicht nirgends überzeugen, was ein Boden, den man
nicht seiner natürlichen Hülfsmittel beraubt, zu leisten
vermag. Dem Paläontologen zeigt die trotz viel tau-
sendjähriger ungestörter Vegetation in so geringer Menge
vorhandene Dammerde, dass die Steinkohlenlager
nicht direct aus Urwäldern und ihrem Abfalle einst ent-
standen sein können.
Mögen recht Viele jene klassischen Gegenden be-
suchen, an welche sich auch zugleich bei mir dankbare
Erinnerungen, insbesondere an den hohen Besitzer,
knüpfen, durch dessen Anordnungen meinen Bestrebun-
gen die wesentlichste Förderung zu Theil ward.
105
III. Monatsbericht.
Heber das ätherische Oel aus den Früchten von
Abies Reginae Anialiae.
Buchner erhielt durch Li ndermay er in Athen
eine Sendung von Samen oder vielmehr Früchten jener
Tanne, welche man vor einigen Jahren in den Wäldern
Arkadiens aufTand, und weil man sie für eine neue Art
hielt, der Königin von Griechenland zu Ehren Abies Re-
tinae Amaliae benannte.
Buchner wagt nicht zu entscheiden, ob diese Tanne
wirklich eine besondere neue Species, oder ob sie, wie
Einige glauben, nur eine Varietät einer der schon be-
kannten Abies -Arten sei; ihre Früchte erregten sein In-
teresse, besonders wegen des sehr angenehm riechenden
ätherischen Üeles, welches in der Fruchtwand in so reich-
licher Menge enthalten ist, dass es beim Zerdrücken der-
selben ausfliesst. Dieses Oel lässt sich daher sehr leicht
durch Destillation der zerquetschten Früchte mit Wasser
gewinnen; aus 150 Grm. Früchte wurden auf diese Weise
etwas über 26,25 Grm. Oel erhalten, welches auf dem
überdestillirten Wasser schwamm, ein kleiner Theil des
Oeles bleibt im Wasser gelöst.
Dieses Oel ist von E. Thiel aus Cassel in ßu eb-
ner 's Laboratorium einer Untersuchung unterworfen wor-
den, aus welcher sich ergiebt, dass es wie die übrigen
bekannten flüchtigen Oele der Coniferen zur Gruppe der
Camphene mit der Formel C 20 H 16 gehöre.
Das Oel ist frisch destillirt ganz farblos und sehr
dünnflüssig. Sein Geruch ist von demjenigen des Terpen-
thinöles ganz verschieden ; es riecht nämlich sehr ange-
nehm balsamisch, eitronenartig und noch feiner als das
ätherische Oel aus den Zweigen von Pinna Pumilio IL,
welches vor einigen Jahren in Buchner's Laboratorium
von Mikolasch aus Lemberg untersucht worden ist.
Das speeif. Gewicht des entwässerten Oeles wurde
bei mittlerer Temperatur = 0,80« gefunden. Es zeigte
bei einer Temperatur von -j- 20,2 U C. und einer Länge
der Flüssigkeitssäule von 25 Centim. eine Ablenkung
106 Terpinäther.
der Ebene des polarisirten Lichts von bloss 5° nach Links.
Unter dem gewöhnlichen Luftdrucke begann es bei 156°
zu sieden; der Kochpunct stieg aber bald auf 170° und
erhöhte sich eine Zeit darauf bis auf 192°.
Die Elementaranalyse ergab in drei Versuchen auf
100 Theile:
1. 2. 3. Mittel.
Kohlenstoff 85,91 86,00 85,96 85,96
Wasserstoff 12 ; 77 12,67 12,73 12,72.
Die Eigenschaft, den Sauerstoff aus der Luft anzu-
ziehen und zunächst zu ozonisiren, besitzt dieses Oel in
viel stärkerem Grade, als das Terpenthinöl, und verharzt
sich dabei sehr rasch.
Gegen Jod verhält sich dieses Oel ganz anders, als
das Terpenthinöl, es löst das Jod vollkommen ruhig, ohne
Dampfentwickelung und Erhitzung auf. Die Auflösung
ist braunroth gefärbt und besitzt den unveränderten Ge-
ruch des Oeles und des Jods zugleich.
Nach seinen weiteren Versuchen schliesst Thiel,
dass dieses ätherische Oel aus den Früchten der arkadi-
schen Tanne homogen und nicht wie das Terpenthinöl ein
Gemisch von zweierlei Camphenen sei.
Als Heilmittel kann das neue Oel, wie die von Seitz
in der Münchener Polyklinik angestellten Versuche be-
weisen, in allen den Fällen benutzt werden, in welchen
man das Terpenthinöl anzuwenden pflegt; wegen seines
angenehmen Geruches verdient es jedoch diesem vorge-
zogen zu werden. (A. d. Gel. Anz. der k. bayer. Akad. der
Wissensch. 1864. — Journ. für prakt. Chem. Bd. 92. Hft. 2.)
B.
Heber den Terpinäther: von Oppenheim.
Das Terpin löst sich beim Erhitzen mit verdünnter Essig-
säure, ohne sich in Terpinol zu verwandeln und krystallisirt
beim Erkalten in schönen Nadeln aus; concentrirte Säure
bildet aus diesen aber sogleich wieder den Kohlenwas-
serstoff; die ßuttersäure, die erst bei 200° einwirkt,
führt zu demselben Erfolge. Ein anderes Resultat erhält
man jedoch, wenn man wasserfreie Essigsäure mit dem
Terpin in Berührung bringt; erhitzt man das Gemenge
über 160° oder lange Zeit weniger hoch, so erhält man
zwar anfangs Terpinol und bei längerem Erhitzen Koh-
lenwasserstoffe, aber unter gewissen Vorsichtsmaassregeln
Kampfer, empfindliches Reagens auf Albumin. 107
liefert dieses Verfahren mehr oder minder beträchtliche
Mengen einfach essigsaures Terpin. Man erhitzt den zuge-
schmolzenen Kolben, welcher beide Substanzen in äqui-
valenten Mengen enthält, auf 1400 C.; von Zeit zu Zeit öff-
net man den Ballon und nimmt einige Tropfen heraus,
die man mit Wasser mischt; so lange das Wasser noch
«ine beträchtliche Menge Terpinkrystalle abscheidet, er-
hitzt man weiter, ist aber ihre Menge gering, so unter-
bricht man das Erhitzen. Man kühlt die Flüssigkeit zur
Abcheidung des gelösten Terpins ab, wäscht sie mit Was-
ser, dann mit verdünnter Sodalösung und trocknet sie über
Chloralcium ; die so erhaltene Substanz ist entweder ziem-
lich reines essigsaures Salz, oder es muss durch eine im
Vacuum vorgenommene fractionirte Destillation gereinigt
werden, wobei das Acetat bald Anfangs, bald am Ende
übergeht, je nach der Art und Condensation der beige-
mengten Substanzen.
Folgende Zahlen sind bei der Analyse von vier, zu
verschiedener Zeit dargestellten Proben von Oppenheim
erhalten worden:
Berechnet 1. 2. 3. 4.
C 67,28 fi7,63 66,91 65,94 66,13
H 10,28 11,49 10,76 11,14 —
Das Terpinmonoacetat zersetzt sich beim Kochen; es
siedet bei etwa 140° — 150° C, riecht ähnlich wie Pome-
ranzenöl und Terpinol, zugleich erinnert aber der Geruch
auch an den der Essigsäure. Verbindungen des Terpins
mit andern Sauerstoffsäuren konnten nicht dargestellt wer-
den. Wasserfreie Blausäure löst bei 10° mehr als ihr
doppeltes Gewicht Terpin, scheidet es aber beim Erkalten
wieder in schönen Krystallen ab. (Compt. rend. T. 57.
— Chem. Centrbl. 1864. 18.) B.
Kampfer, ein sehr empfindliches Reagens auf
Albumin.
Nach Lightfoot ist wässerige Kampferlösung ein
sehr empfindliche! Reagens auf Albumin. Giebt man ein
Stück Kampfer in ein Glas Wasser und lässt man nach
i inigen Minuten einen Tropfen Eiweiss hineinfallen, so
wird dies sofort coagulirt und bildet, von unten her ge-
sehen, eine opalisirende Schicht. Wenn das Eiweiss zähe
ist, fällt der Tropfen zu Boden und bildet dann eine
108 Einwirkung der Salpetersäure auf Kampfer,
biegsame Säule, die bald opalisirend wird. Man entdeckt
und bestimmt auf diese Weise äusserst geringe Mengen
Albumins. (Photog. Archiv. 1864.) B.
Einwirkung der Salpetersäure auf Kampfer.
Beim Kochen des Kampfers mit concentrirter Sal-
petersäure entsteht ausser "Wasser, Kohlensäure und der
schon länger bekannten Kampfersäure eine dicke, nicht
krystallisirbare, bis auf den Geruch dem venetianischen
Terpenthin völlig gleichende Masse. Diese terpenthinähn-
liche Masse hat H. Schwanert untersucht und gefunden,
dass sie im Wesentlichen aus einer dreibasischen
Säure besteht, deren Zusammensetzung sich durch die
Formel C 20 H 14 O 14 ausdrücken lässt und die er Campf-
resinsäure nennt. Im reinen Zustande ist die Säure
durchsichtig, blassgelb, schwerfliessend, klebrig anzufühlen,
speeifisch schwerer als Wasser, geruchlos, schmeckt sauer,
scharf und bitterlich und löst sich leicht in jeder Menge
Wasser, Weingeist und Aether; ihre Lösungen reagiren
stark sauer. Diese terpenthinähnliche Beschaffenheit be-
sitzt und behält die Campfresinsäure unverändert jedoch
nur dann, wenn ihre wässerige Lösung gleich von vorn-
herein dick eingedampft wird. Concentrin, man sie da-
gegen nur zu einem dünnen Syrup und lässt diesen an
der Luft oder neben Schwefelsäure langsam verdunsten,
so scheidet sich die Campfresinsäure darin allmälig als
feste, weisse, körnige Masse aus; nach sehr langem Ste-
hen neben Schwefelsäure wird sie sogar ganz fest zu
einer weissen krümeligen Substanz, die aber wegen ihrer
zähen Beschaffenheit sich doch nicht zerreiben lässt und
klebrig bleibt.
Beim Erhitzen auf 220<> bis 270<> in einer Retorte
zerlegt sich die Campfresinsäure in Pyro- und Meta-
campfresinsäure, Kampfersäureanhydrid, Ace-
ton, Wasser, Essigsäure, Kohlensäure und Kohle.
Die Pyrocam pfresinsäure von der Formel C 20 H 14 O 8
zeigt eine ölartige Beschaffenheit und siedet bei 206° — 210°,
die Metacam pfresinsäure, nach der Formel C 20 H 10 O 10
zusammengesetzt, krystallisirt in durchsichtigen rhom-
bischen Tafeln, die bei 89° schmelzen und bei 66° wieder
erstarren. Beide Säuren sind drei basisch.
Von allen dargestellten Salzen der Campfresinsäure
war keines krystallisirt zu erhalten. Die Mehrzahl
der neutralen Salze ist fest, amorph, die sauren Salze
Ueber das Menthol. 109
sind meistens ebenso wie die sauren und neutralen Aether
dicke, zähe, terpenthinähnliche Oele. Von den Aethern.
wurden der Campfresinsäure - Aethyläther, die
Diäthylcampfresinsäure, die Aethylcampfresin-
säure und der Campfresinsäuremethyläther un-
tersucht.
Was die Mengenverhältnisse betrifft, die bei der Zer-
setzung des Kampfers durch siedende Salpetersäure auf-
treten, so hat sich herausgestellt, dass der Kampfer nur
i/ 4 Kampfersäure, dagegen ^ Campfresinsäure liefert.
Von letzterer, die meist direct aus Kampfer, in geringer
Menge aber auch aus der gleichzeitig entstehenden Kam-
pfersäure gebildet wird, wird um so mehr gewonnen, je
grösser die Menge der einwirkenden Salpetersäure ist und
je länger die Einwirkung derselben dauert.
Die Campfresinsäure ist nicht bloss ein Zersetzungs-
product des Kampfers, sondern sie kann auch aus vielen
ätherischen Oelen und Harzen erhalten werden, wenn
diese mit concentrirter Salpetersäure lange genug (etwa
20 Stunden lang) gekocht werden. Man darf annehmen,
dass sie aus allen Stoffen gebildet wird, die entweder nach
der Formel C 20 H 16 zusammengesetzt sind, oder die eine
in diesem Verhältniss zusammengesetzte Verbindung gleich-
zeitig mit O und dann auch wohl noch mit grösserem Ge-
halt von II enthalten; und somit wird sie aus den mei-
sten Kampferarten, flüchtigen Oelen, vielen Harzen und
Balsamen durch Salpetersäure dargestellt werden können.
Und in der That hat H. Schwanert bei der Einwir-
kung von Salpetersäure auf Kampferöl, WermuthÖl, Bor-
neo -Kampfer, Cajeputöl, Pfeffermünzöl, Pfeffermünzkam-
pfer, Terpenthinöl", üzokerit, Bernstein, Ammoniakgummi,
Galbanum, Kautschuk, Elemi, Olibanum, Mastix und
Guttapercha Kampfresinsäure unter den Zersetzungspro-
ducten nachgewiesen. (Ann. der Chem. u. Pharm. CXXVIIL
77—125.) G.
Heber das Menthol.
Oppenheim fügt den schon beschriebenen Aethern
des Menthyls jetzt das Chlorid und Bromid, so wie einige
Abkömmlinge dieser Substanzen zu.
Das Mcnthyljodür, C 20 II I9 J, erhält man rein, wenn
man 3 Aeq. Menthol mit 2 Aeq. Jodphosphor und 2 Aeq.
Jod verreibt, wobei die Masse flüssig wird. Man wäscht
sie mit verdünnter Sodalösung und schüttelt mit Queck-
110 Ueber das Menthol.
silber, um das überschüssige Jod zu entfernen. Das Men-
thyljodür ist eine schwere, hellgelbliche Flüssigkeit. Bei
der Einwirkung einer alkoholischen Lösung von Schwe-
felkalium auf das Jodür entsteht nicht der dem Knob-
lauchöle homologe Körper, sondern Menthen C 20 H 18 und
Schwefelwasserstoff.
Das Menthylbromür, C 20 H ,9 Br, erhält man bei der
Einwirkung von 2 Aeq. Bromphosphor auf 3 Aeq. Men-
thol. Es ist eine fast farblose Flüssigkeit, die sich beim
Kochen zersetzt, wie das Jodür, dem das Bromür übri-
gens in den meisten Reactionen ähnlich ist. Das Brom
giebt mit ihm mehrere Substitutionsproducte, deren er-
stere flüssig sind; aber wie beim Mischen verschiedener
Salze immer das weniger lösliche entsteht, so entstehen
immer feste Bromüre, die sich als ein weisses Pulver ab-
setzen. Dieses in Alkohol unlösliche und in Aether nur
wenig lösliche Pulver löst sich leicht in Schwefelkohlenstoff
und besteht aus mindestens zwei verschiedenen Körpern.
Setzt man nur eine zur vollständigen Lösung ungenügende
Menge Schwefelkohlenstoff zu, so erhält man durch Ver-
dunsten des Filtrats kleine, harte, glänzende Prismen
von der Formel C 20 H 14 Br6. Behandelt man Menthyl-
chlorür mit Brom, so entsteht fünffach gebromtes
Menthylchlorür, C 20 H ,4 Br 5 Cl, welches aus Schwefel-
kohlenstoff in weissen, warzenförmig gruppirten Kryställ-
chen sich abscheidet und einen charakteristischen Moschus-
geruch besitzt; die Krystalle zeigen rhombische, stark
glänzende Flächen.
Das Menthylchlorür ist sehr beständig. Natrium
greift das Menthylchlorür langsam an und bedeckt sich
dabei mit einer violetten Schicht. Werden beide Kör-
per 48 Stunden lang bei 150° gehalten, so erhält man
eine Flüssigkeit, deren Analyse gut mit der Formel
des Menthyls stimmt, aber deren Dampfdichte nur halb
so gross ist, als die berechnete, und die nur einige Grad
oberhalb des Siedepuncts des Menthens kocht. Da die
von Cannizzaro nnd Rossi erhaltenen Radicale der
aromatischen Alkohole feste und krystallisirte Körper
sind, deren Dichte dem allgemeinen Gesetze entspricht,
so muss man die eben beschriebene Reaction in folgender
Weise ausdrücken: 2C 2 <>Hi9Cl + 2 Na == 2NaCl -f
C20H18 _j- C 2 °H 20 . Diese zwei Kohlenwasserstoffe, das
Menthen und der Menthylwasserstoff, besitzen so nahe
an einander liegende Siedepuncte, dass sie durch De-
stillation nicht getrennt werden können, und da man
Untersuchung des ätherischen Muskatnussöls. 111
keine directe Verbindung des Menthens mit dem Brom
kennt, so kann man nur die Dampfdichte und den Siede-
punct benutzen, um sich von der Bildung- dieser Kohlen-
wasserstoffe zu überzeugen.
Bei der Behandlung des Menthols mit Oxydations-
mitteln, wie Manganhyperoxyd, Kaliumbichromat und
Schwefelsäure, Brom und Wasser oder Salpetersäure, erhält
man harzige, gebromte und nitrirte, schlecht bestimmbare
Substanzen. Wenn man alle diese Keactionen in Betracht
nimmt, die Schwierigkeit, wenn nicht die Unmöglichkeit,
den dem Menthol entsprechenden Aldehyd und die zu-
gehörigen Säuren zu erhalten, und besonders das Frei-
werden von Menthen in so vielen verschiedenen Reac-
tionen, so fällt die Analogie auf, welche dieser Körper mit
den von Wurtz entdeckten Pseudo- Alkoholen der ge-
wöhnlichen Reihe darbietet. Man ist indessen nicht be-
rechtigt, das Menthol für ein Hydrat zu halten, so lange
ein ähnlicher Parallelismus in der Reihe des Allylalkohols
nicht nachgewiesen ist.
Die Wirkung auf das polaristirte Licht, welche das
Menthol und in noch höherem Grade der Essig- und
Buttersäureäther ausüben, kann am Menthyljodür und
-chlorür und dem gebromten Chlormenthyi nicht nach-
gewiesen werden. Diese Ausnahmen sind um so merk-
würdiger, als das aus dem Menthyljodür durch Ammoniak
oder Schwefelkalium erhaltene Menthen das polarisirte
Licht sehr beträchtlich nach Rechts dreht und sich hier-
durch vom inactiven Menthen unterscheidet, welches durch
Einwirkung von Zinkchlorür auf das Menthol entsteht,
welch' letzteres wieder die Polarisationsebene links dreht.
(Compt. rend. T. 57. — Chem. Centrbl 1864. 16.)
B.
Untersuchung des ätherischen Muskatnussöls.
Das ätherische Muskatnussöl kann man zwar durch
Destillation der zerstossenen Nüsse mit Wasser darstellen;
doch erhält man so nur einen Theil desselben, daher ist es
nach J. C loez' Angabe vorteilhafter, sie zuerst mit Schwe-
felkohlenstoff oder Aether auszuziehen, das Lösungsmittel
abzudestilliren und aus dem butterartigen Rückstande
entweder durch Destillation im Oelbade bei 200° oder
besser durch Einleiten eines Dampfstromes das ätherische
( >cl zu gewinnen. Dasselbe ist keine chemische Verbin-
dung. Es beginnt bei 1(>0° zu sieden, die Temperatur
steigt rasch auf 108° und steigt zuletzt bis 210°. 95 Proc.
112 Ueher das Helenin.
der ganzen Menge gehen unter 175° über. Das Destil-
lat hat alle Eigenschaften eines Kohlenwasserstoffs,
den man durch Behandlung mit Aetzkali in Stücken und
Destillation über Natrium rein erhält. Das so gereinigte
Oel ist farblos, sehr dünnflüssig, von 0,8533 spec. Gew.
bei 15°, erstarrt nicht bei — 18°, siedet bei 165° und
destillirt vollständig ohne Zersetzung über, schmeckt
scharf und brennend und riecht nach Muskatnüssen, es
dreht die Ebene des polarisirten Lichtstrahls nach Links;
sein moleculares Drehungsvermögen ist — 13,5°. Seine
Zusammensetzung ist die des Terpenthinöls ; es gab 87,664
Procent Kohlenstoff und 11,814 Proc. Wasserstoff, während
letzteres aus 88,2 C und 11,8 H besteht. Die Dampfdichte,
bei 244° zu 4,866 gefunden, stimmt ebenso mit der For-
mel C 20 H 16 , welche 4,7144 erfordert, überein.
Unter einer Glocke über Quecksilber der Luft aus-
gesetzt, absorbirt das Muskatnussöl langsam Sauerstoff
und verliert seine Dünnflüssigkeit; von Chlor und Brom
wird es unter Erzeugung einer zähen, nicht krystallini-
schen Verbindung heftig angegriffen. In Wasser ist es in
geringer Menge, in absolutem Alkohol vollständig löslich.
Salpetersäure greift es unter Entwickelung röthlicher
Dämpfe und Bildung von oxalsaurem Ammoniak und an-
deren Verbindungen heftig an. Chlorwasserstoff, langsam
in das kalte Oel eingeleitet, wird in grosser Menge zu
einer Verbindung absorbirt, die aber nicht, wie die des
Terpenthinöls, fest ist. Sie bildet eine dünnflüssige, farb-
lose, unangenehm aromatisch, dem festen TerpenthinÖl-
kampfer ähnlich riechende Flüssigkeit von 0,9827 spec.
Gew. Sie gab bei der Analyse 69,99 Proc. C, 10,25 Proc. H
und 19,57 Proc. Cl; die Formel C20H16 ? HC1 würde 69,66 C,
9,86 H und 20,58 Cl fordern.
Das Muskatnussöl ist also eine bestimmte, dem Ter-
penthinöle isomere Verbindung, die sich durch mehrere
wichtige Eigenschaften von demselben unterscheidet, in-
dem es sich mehr dem Thymen nähert, aber auch von
diesem dadurch verschieden ist, dass letzteres ohne Wir-
kung auf die Polarisationsebene des Lichts zu sein scheint.
(Compt. rend. T. 58. — Chem. Centrbl. 1864. 20.) B.
lieber das Helenin.
Das Helenin oder der Alantkampfer, eine in der Wur-
zel von lmda Helenium vorkommende, flüchtige, krystal-
linische Materie, lässt sich nach Delffs leicht gewinnen,
Turpethin. 113
wenn man die frische, in Scheiben geschnittene Wurzel
mit Weingeist von 80° auskocht und die heiss filtrirte Flüs-
sigkeit mit ihrem 3 — 4 fachen Volumen kalten Wassers ver-
mischt, worauf sich das Helenin binnen 24 Stunden in
langen weissen Nadeln vollständig abscheidet. Dasselbe
ist jetzt von C. Hoyer von Neuem untersucht worden.
Es ist weiss, krystallinisch, von schwachem Geruch und
Geschmack, leicht löslich in Alkohol und Aether, schmilzt
bei 720 C un d siedet zwischen 2750 — 2800 unter theil-
weiser Zersetzung. Mit wasserfreier Phosphorsäure er-
hitzt, liefert es ein öliges Product, von Gerhardt „Hele-
nen" genannt und nach ihm aus C 38 H 26 bestehend. Zwei
Verbrennungen des Helenins bei der Elementaranalyse
gaben ein gleichlautendes Resultat.
In 100 Theilen Helenin sind danach enthalten:
64,0056 Kohlenstoff
9,2708 Wasserstoff
26,7236 Sauerstoff
100,0000.
Hoyer leitet deshalb für das Helenin als einfache
Formel C16H>405 ab.
(Wittst. Viertel) ahrsschr. Bd. 13. 4.) B.
Turpethin.
Die Wurzel der Ipomoea Turpeihum liefert 4 Proc.
Harz, wovon ^o in Aether löslich ist. Der in Aether
unlösliche Theil des Harzes ist von Spirgatis unter-
sucht und Turpethin genannt worden. Seine Zusam-
mensetzung stimmt mit der des Jalapins überein und
führt zu der Formel C 68 H 56 32 . Durch Behandlung
mit starken Basen geht das Turpethin ähnlich wie das
Jalapin in eine Säure, die Turpethsäure über, die
sich von den Säuren jenes nur durch den Mehrgehalt
von 1 110 unterscheidet und aus dem Turpethin durch
Aufnahme von 4 H O entsteht.
Diese Turpethsäure sowohl, als wie das Turpethin wer-
den durch Mineralsäuren in eine fettartige Säure, die
Turp ethol säur e, und in Zucker gespalten, es gehört
somit das Turpethin, wie das Convolvulin, Jalapin und
Seammonium zu den gepaarten Zuckerverbindungon, ist
aber mit diesen Harzen nicht identisch, sondern den-
Arch.d. Pharm. CLXXlv.lMs. l.u.2.Ilit. 8
114 Schwefelgehalt des Bernsteins. — Collodium ohne Aether.
selben nur isomer, da es sich von ihnen, sowohl durch
seine Unlöslichkeit in Aether, wie auch durch die ab-
weichende Zusammensetzung seiner Derivate unterscheidet.
Der Spaltungsprocess des Turpethins in Turpetholsäure
und in Zucker lässt sich durch folgende Gleichung aus-
drücken :
C66H56032 -f 12 HO = C32H3208 -f (C™R™0™).
(Sitzungsber. der K. Bayer. Akad. der Wissensch. 1864. —
N. Jahrb. für die Pharm. Bd. 21. 6.) B.
Schwefelgehalt des Bernsteins.
Erhitzt man einige Stücken Bernstein in einem Probe-
röhrchen bis zur Destillation, so färben die weissen Dämpfe
Bleizuckerpapier schwarz. Alle Bernsteinsorten, die
E. Baudrimont untersucht hat, geben diese Reaction.
In gelbem durchscheinenden Bernsteine fand er 0,2403
Procent, in weissem undurchsichtigen, welcher für bern-
steinsäurehaltiger gilt, eben so viel Schwefel. Der in
Aether lösliche Theil des Bernsteins entwickelt ebenfalls
Schwefelwasserstoff bei der Destillation. Da sich der
Schwefel bei der trockenen Destillation als Schwefelwas-
serstoff entwickelt — die bei beginnender Zersetzung des
Bernsteins entwickelten Gase fand Baudrimont aus
Schwefelwasserstoff, Kohlensäure, Kohlenoxyd und Koh-
lenwasserstoff bestehend — so ist höchst wahrscheinlich,
dass der Schwefel mit der organischen Substanz verbun-
den ist und nicht etwa von den Lagerstätten des Bern-
steins herrührt. Copal und Dammar, dem Bernsteine im
Aeussern ähnliche Harze, gaben bei der Destillation kei-
nen Schwefelwasserstoff. (Compt. rend. 1864. — Chem.
Centrbl. 1864. 42.) B.
Collodium ohne Aether; von Sntton.
Das dazu nöthige, in Alkohol lösliche Pyroxylin wird
erhalten, indem man in eine Porcellanschale von etwa
700 Grm. Capacität 100 Grm. Schwefelsäure von 1,83
bringt und 80 Grm. Salpetersäure von 1,4 hinzufügt. Die
Schale steht in einem Gefasse mit siedendem Wasser,
und wenn die Säure etwa 77° C hat, bringt man völlig
weisse, durchaus gereinigte Watte bester Qualität hinein
in einer Menge, dass man mit einem Glasstabe bequem
durchrühren kann. Man lässt 5 Minuten in Contact, in-
Lenk's verbesserte Schiessbaumwolle. 115
dem man Sorge trägt, dass alle Wattenflocken in die
Säure getaucht sind. Die Flüssigkeit wird schnell de-
cantirt, die Schiessbaumwolle in ein Gefäss mit Wasser
geworfen, mehrmals gewaschen, eine Nacht hindurch in
Wasser liegen gelassen, von Neuem mehrmals ausgewaschen
und dann zum Trocknen ausgebreitet.
Eine Hauptsache ist die angegebene Concentration
der Säure, das erhaltene Pyroxylin ist sehr kurz, fast ein
grobes Pulver, weshalb man, um Verluste zu vermeiden,
mit grosser Vorsicht auswaschen muss. Die trockene Baum-
wolle wird in ein Gefäss mit Alkohol gebracht, so dass
sie davon völlig bedeckt ist, und geschüttelt, bis eine
dickflüssige Lösung erhalten ist. (Journ. de Pharm, et de
Chirn. Nov. 1863.)
Die erforderliche Stärke des Alkohols ist nicht an-
gegeben. Ob dieses Collodium das mit Aether dargestellte
ersetzen kann, ist doch fraglich, schon wegen der gerin-
gen Flüchtigkeit des Alkohols. Dr. Reich.
Leiik's verbesserte Schiessbaumwolle.
Dieselbe weicht in chemischer Beziehung von der
gewöhnlichen käuflichen Schiessbaumwolle dadurch ab,
dass sie aus einer bestimmten, sich stets gleichbleiben-
den chemischen Verbindung C ,2 H 7 7 , 3 NO 5 besteht,
während die andere des Handels eine wechselnde Zu-
sammensetzung hat. Bei der Darstellung der von Lenk-
schen Schiessbaumwolle, welche sich jedoch nicht zur
Bereitung von Collodium eignet, ist erforderlich : die Baum-
wolle zuerst gut zu reinigen und vollständig auszutrock-
nen, die stärksten Säuren des Handels zu verwenden,
der ersten Behandlung mit Säure eine zweite mit einer
neuen Quantität gleich starker Säure folgen und die
Mischung 48 Stunden lang stehen zu lassen; ferner die
Schiessbaumwolle nach dem Auspressen der Säure von
allen noch anhängenden Theilen der letzteren durch Wa-
schen mit Wasser vollständig zu befreien, was mehre
Wochen in Anspruch nimmt. Erfüllt man die genannten
Bedingungen, so erhält man ein Product, welches von
den fehlerhaften Eigenschaften der bisher dargestellten
Präparate völlig frei ist. Eine Probe so dargestellter
Schiessbaumwolle bat sich 15 Jahre hindurch unverän-
dert erhalten. Sie entzündet sich erst bei einer Tempe-
ratur von 136°, nimmt aus der Luft nur wenig Feuch-
116 Lentis verbesserte Schiessbaumwolle.
tigkeit auf, hinterlässt nach dem Verbrennen wenig Asche
und bildet keinen Rauch. Auch greifen die beim Ver-
brennen im verschlossenen Räume sich bildenden Gase
die Schiesswaffe nicht an und üben auch keinen schäd-
lichen Einfluss auf die dieselben bedienende Mannschaft
aus. Um beim Gebrauche eine langsame Verbrennung
zu erzielen, empfiehlt von Lenk dieselbe nach dem Aus-
waschen in Säure noch mit einer Losung von Wasserglas
zu behandeln, wobei sie nach dem Trocknen um etwa
3 Proc. an Gewicht zunehmen würde.
Was den mechanischen Effect anbelangt, so scheinen
die aus dieser Schiessbaum wolle erzeugten Gase eine
grössere Wirkung hervorzubringen, als die Gase des
Schiesspulvers. Die Schnelligkeit der Explosion kann
durch die Art der Behandlung vergrössert oder vermin-
dert werden, was je nach dem Zwecke der Verwendung
von Bedeutung ist.
Nach den Erfahrungen von Lenk 's bringen im All-
gemeinen 11 Pfd. Schiessbaumwolle, in einem Räume
von 1 Cubikfuss eingeschlossen, eine den Bedingungen
gewöhnlicher Schiessgewehre entsprechend stärkere Wir-
kung hervor, als eine denselben Raum einnehmende Menge
von 50 bis 60 Pfd. Schiesspulver. Schiessgewehre sowohl
als Geschosse erfordern aber je nach ihrer Verschieden-
heit verschiedene Stärken der Patronen. Schiessbaum-
wolle zeigt sich praktisch am wirksamsten, wenn man sie
im Gewichte von J / 4 bis 2 / 3 der sonst verwendeten Pul-
vermenge verwendet. Nicht weniger von Bedeutung für
die Wirksamkeit der Schiessbaumwolle ist die Art und
Weise, wie die Fäden zu einem Ganzen vereinigt wer-
den. Zum Gebrauch für Schiessgew ehre wird sie zu Fä-
den versponnen und diese in cylindrische Stücke von
verschiedener Grösse verwebt, aus welchen man dann
die Patronen für gewöhnliche gezogene Büchsen fertigt,
indem man sie in erforderlicher Form entsprechend zu-
schneidet und in steife Pappdeckelcylinder einschliesst. Bei
dieser Form ist die Schnelligkeit der Verbrennung an der
Luft 10 Fuss per Secunde. Auch zum Füllen von Bomben
dient dieselbe Cylinderform. Zum Sprengen von Fel-
sen und c ? jr Minenzwecke wird die Schiessbaumwolle in
Taue uis zu 2 Zoll im Durchmesser geflochten, die im
Innern hohl gelassen werden. Die Patronen für Kanonen
werden direct aus den Schiessbaumwollengarne durch Auf-
wickeln auf Spulen, welche aus hohlen Röhren von Papier
oder Holz bestehen, gefertigt und daraus Spindeln, ahn-
Lentis verbesserte Schiessbaumivolle. 117
lieh den in den Spinnereien gebrauchten, gebildet. Zum
Zwecke von Zündschnüren wird das oben beschriebene
cylindrische Gewebe in Röhren von Kautschukleinwand
eingeschlossen.
Da die Schiessbaumwolle beim Verbrennen keinen
Russ bildet, setzt sich in den Geschützen nur wenig Un-
reinigkeit ab, es braucht daher bei deren Construction
weniger Spielraum für die Geschosse gelassen zu werden,
als bei Anwendung von Pulver der Fall ist. Praktische
Versuche zeigten, dass, wenn die Ladung aus Schiess-
baumwolle bestand, ohne Unterbrechung 100 Schüsse,
wenn sie aus Schiesspulver bestand, dagegen nur 30 ab-
gefeuert werden konnten; dabei ist die Erhitzung im er-
steren Falle so gering, dass mittelst eines Sechspfünders
binnen 34 Minuten 100 Schüsse abgefeuert werden konn-
ten, ohne dass die Temperatur des Geschützes höher als
50° stieg, während bei Anwendung von Schiesspulver bei
100 Schüssen, welche 100 Minuten erforderten, die Tem-
peratur schon so gesteigert war, dass Wasser rasch auf
den Geschützen verdunstete. Auch ist der Rückschlag
der Geschütze bei einem Schusse mit Schiessbaumwolle
nur 2 /3 so stark, als bei einem Schusse mit Schiesspulver.
Auch hinsichtlich der der Kugel mitgetheilten Schnelligkeit
zeichnet sich die Schiessbaumwolle vor dem Schiesspul-
ver aus: bei einer Ladung mit lS 1 ^ Unzen Schiessbaum-
wolle (Krupp'sche Gussstahlkanonen) ergab sich nämlich
eine Schnelligkeit von 1563 Fuss per Secunde, mit der
gewöhnlichen Ladung von 30 Unzen Schiesspulver jedoch
nur 1338 Fuss. Eben so lehrte die Erfahrung, dass für
Schiessbaumwolle leichtere und kürzere Geschosse ohne
Nachtheil verwendet werden können und dass selbst nach
Abfeuern von 1000 Schüssen noch keine Spur von Ab-
nutzung sich merklich macht. Endlich zeigte sich auch
die zerstörende Wirkung der Bomben bei einer Ladung
mit Schiessbaumwolle viel grösser, als bei einer Ladung
mit Schiesspulver. In gleicher Weise leistet beim Spren-
gen von Felsen 1 Gewth. Schiessbaumwolle eben so viel
als 6,274 Gewth. Schiesspulver, wobei sich herausstellte,
dass die Stärke der Explosion mit dem Widerstände, den
Gestein bietet, zunimmt. (Nach ein. Ber. der BriL
Assoc. durch Polyt. Centrbl. 1863. S. 1645.) B.
118 Bestimmung des Stärkemehls in den Pflanzen.
Heber die Löslichkeit des Stärkemehls und sein
Verhalten zum polarisirteu Lichte.
Nach W. Kabisch werden die Polarisationserschei-
nungen der Stärkekörner durch den Einfluss der Wärme
verändert. Die optischen Eigenschaften der Stärke sind
überhaupt in verschiedenen Fällen verschieden, bald rechts-
drehend, bald linksdrehend, bald optisch negativ, bald
positiv, eben so wenig kann man auch von gesetzmässig
verlaufenden optischen Achsen sprechen.
Durch Glycerin wird die Stärke vollständig aufgelöst
und kann aus dieser Lösung durch Weingeist in einer
löslichen Modifikation niedergeschlagen werden. (Ztschr
für analyt. Chem. IL S. 216. Hft. 2.) ß
Bestimmung des Stärkemehls in den Pflanzen.
Nach Dragendorff werden 2 bis 3 Grm. der zu
untersuchenden Substanz mit 25 Grm. einer 5 6pro-
centigen weingeistigen Kalilösung 18 — 30 Stunden lang
im verschlossenen Gefässe digerirt, wodurch alle Stoffe,
mit Ausnahme des Zellstoffes, der Rinde, des Pflanzen-
schleims und der Stärke, löslich gemacht werden, so dass
sie mit Wasser ausgewaschen werden können. Fette Kör-
per werden zuerst mit kochendem absoluten Alkohol, dann
mit kaltem und zuletzt mit Wasser gewaschen ; schleimige
Körper wäscht man mit 8 — 10 Proc. Weingeist haltigem
Wasser. Der getrocknete und gewogene Rückstand wird
mit kochender Salzsäure oder mit concentrirtem Malzaus-
zuge behandelt^ bis er sich nicht mehr mit Jodlösung
bläut, dann filtrirt, gewaschen, getrocknet und gewogen.
Der Gewichtsunterschied gegen die vorige Wägung giebt
den Stärkegehalt an. Die bei Anwendung von Salzsäure
gelösten Mineralsubstanzen können durch Abdampfen der
Lösung und Verbrennen des Rückstandes bestimmt und
in Abrechnung gebracht werden. (Journ. des brasseurs.
No. 45. — Dingl. polyt. Journ. Bd. 121.) ß.
Heber die Prüfung der Tapioca;
von E. Marchand.
Die Tapioca (das Satzmehl aus der Wurzel von Ja-
tropha s. Janipha Manihot) bildet ein namentlich in Frank-
reich viel gebrauchtes Nahrungsmittel für Kinder und
Kranke, ähnlich wie das Arrow-root. Sehr häufig findet
Prüfung der Tapioca. 119
sich diese Stärkemehlart im Handel mit Kartoffel- oder
Weizenstärke verfälscht vor und es ist daher wichtig,
ein Mittel zu kennen, wodurch man diese Beimischun-
gen unzweifelhaft erkennen kann. Znnachst ist es das
Mikroskop, welches einen Aufschluss über die Reinheit
der Tapioca geben kann und überhaupt einen Weg dar-
bietet, um die verschiedenen Stärkesorten zu unterschei-
den. Es erscheinen die Tapiocakörnchen bei etwa 400-
facher Vergrosserung als kleine, undeutlich vierkantige,
fast durchsichtige Körperchen, welche häufig zu 3 bis 4
zusammengeballt sind. Es lässt sich deshalb die Kar-
toffelstärke mit ihren verhältnissmässig sehr grossen, meist
ovalen Körnern leicht auf diesem Wege entdecken. Da
jedoch das Arbeiten mit dem Mikroskope Uebung und vor
Allem ein kostspieliges Instrument erfordert, so ist für den
allgemeinen Gebrauch eine chemische Prüfung vorzuziehen.
In Anbetracht dessen wurde daher vonPayen vorgeschla-
gen, eine kleine Menge der fraglichen Tapioca mit einer
genügenden Quantität Wasser zu kochen und zu dieser
klaren Lösung dann 3 — 4 Tropfen Schwefelsäure hinzu-
zufügen, worauf man, nachdem die Mischung vom Feuer
genommen ist, die Gegenwart von Kartoffelstärke an einem
Gerüche nach saurem Kleister erkennt, der um so
stärker hervortritt, je grösser das Quantum der beige-
mischten Stärke ist. So leicht diese Prüfung von Jeder-
mann ausgeführt werden kann, giebt sie doch immer die
Möglichkeit einer verschiedenen Beurtheilung der Waare,
da sie sich nur auf einen momentan bemerklichen Geruch
stützt. Marchand, welcher eben mit der Prüfung meh-
rerer Tapiocasorten des Handels beschäftigt war und
völlig reine Tapioca, aus sicherer Quelle bezogen, in den
Händen hatte, versuchte daher auf eine Prüfungsmethode
zu kommen, welche mit den Augen allein verfolgt zu
werden brauche. Er beobachtete die Einwirkung des
Jods auf die völlig reine und auf verfälschte Tapioca und
gelangte dabei zu folgendem Resultate. Werden 4 Grm.
echte Tapioca mit 45 Grm. Wasser angerührt, so nimmt
man ein rasches Aufschwellen des Pulvers wahr, welches
schon an sich ein Zeichen der Güte der Waare ist. Lässt
man jene Mischung dann 20 Stunden stehen, theilt sie
nach gutem Um8chüttcln in mehrere Portionen von je
rm. und fügt zu jeder derselben noch 55 Grm. Wasser,
so erhält man nach einem viertelstündigen Kochen und Er-
setzen dei verdampften Wassers, fast klare; Flüssigkeiten,
welche man in gleichmässig graduirte Röhren liltrirt. Hat
120 Getreidemehl oder Stärkemehl in Chocolade etc.
man in jeder der Röhren etwa 40 Grm. Filtrat erhalten,
so trägt man in jede ein gleichmässiges Volumen Jodwas-
ser ein und schüttelt um. Alsdann nimmt man wahr,
dass die echte Tapioca nur eine schnell vorübergehende,
bläuliche Färbung zeigt, während bei Gegenwart von
Kartoffelstärke eine mehr oder weniger intensiv blau-
violette, länger ausdauernde Färbung eintritt. Wieder-
holt man, nachdem die erste Färbung verschwunden ist,
den Zusatz von Jodwasser, so erhält man, selbst nach 5
Tagen noch, die nämliche Erscheinung wieder.
Das gleiche Verfahren mit Glyeerin ausgeführt, gab
ein ähnliches Resultat, doch ist dabei das Verhältniss
der Tapioca geringer zu nehmen, da dieselbe viel weni-
ger darin aufschwillt und der Zusatz von Jodwasser muss
ein sehr reichlicher sein. Der einzige Vortheil ist dabei,
dass man hier nicht erst so lange Zeit zu maceriren
nöthig hat. {Journ. de Pharm, et de Chim. Avril 1864.)
Weinhold.
Erkennung von Getreideinehl oder Stärkemehl in
der Chocolade und Cacaomasse.
Payen hat beobachtet, dass die Stärkemehlarten,
die aus sehr feinen und schwach zusammenhängenden
Körnern bestehen, von Jod nur violett gefärbt werden.
Zu diesen gehört auch das Stärkemehl der Cacaobohne,
daher es auch, obschon 10 Proc. und mehr betragend,
mehrfach darin übersehen worden ist. Durch Jod kann
man daher mit Stärke oder Getreidemehl verfälschte prä-
parirte Cacaomasse leicht an der entstehenden tiefblauen
Färbung erkennen. {Journ. de Pharm, et de Chim. T. 41.
— Ztschr. für analyt. Chem.) B.
lieber die Einwirkung des Lichts auf den durch
Schwefelsäure veränderten Rohrzucker
hat C. Scheibler im Polytechn. Notizbl. 1863, p. 294
Beobachtungen bekannt gemacht, denen zufolge aus einer
syrupsdicken Lösung solchen intervertirten Rohrzuckers,
welche, wie der Bienenhonig, aus rechts drehendem leicht
krystallisirendem Traubenzucker und links drehendem flüs-
sig bleibenden Fruchtzucker besteht, der erstere sich
nur unter Einwirkung des Lichts ausscheide und dass
bei sorgsamer Abhaltung desselben diese Lösung voll-
kommen flüssig bleibe. Derselbe hebt hierbei hervor,
Drehungsvermögen des Zuckers. 121
dass in dieser Erscheinung auch der Grund liegen möge,
weshalb die Bienen den Eintritt des Lichts in ihr Ge-
häuse zu verhindern suchen und jede von den Bienen-
züchtern in dasselbe eingebrachte Glaswand mit Wachs
überkleiden, damit der Honig in den Waben nicht kry-
stallisire und so den Bewegungen der jungen Thiere
nicht hinderlich werde.
Praktische Pharmaceuten werden, eingedenk des oft
störenden Verzuckerns des gereinigten Honigs und ge-
wisser Fruchtsyrupe, vorstehende Beobachtung vielleicht
auch nach dieser Richtung hin auszunutzen und durch
Schützung der resp. Standgefässe vor dem Einfluss des
Lichts diesem Krystallinischwerden zuvorzukommen ver-
suchen. Hir seither g.
lieber den Einfluss optisch unwirksamer Substanzen
auf das Drehungsvermögen des Zuckers.
Jodin hat gefunden, dass der Alkohol das Dre-
hungsvermögen des durch Säuren oder Fermente umge-
wandelten Rohrzuckers erheblich vermindert. Eine 0,4
Gramm umgewandelten Zucker (C 12 H 12 12 ) enthaltende
Lösung besass, je nachdem man sie mit einem gleichen
Volumen W r asser oder Alkohol verdünnte, ein Drehungs-
vermögen von — 28,8° und — 19°. Wie das Drehungs-
vermögen der wässerigen Lösungen dieses Zuckers durch
Erwärmen vermindert wird, so findet das Gleiche auch
bei den alkoholischen Lösungen statt; eine in der Kälte
linksdrehende alkoholische Lösung kann in höherer Tem-
peratur, die jedoch den Siedepunct nicht erreicht, rechts-
drehend werden. Das Drehungsvermögen des Rohrzuckers
und des rechtsdrehenden Traubenzuckers wird durch Al-
kohol nicht erheblich verändert. Hieraus geht hervor,
dass es das linksdrehende Element des umgewandelten
Zuckers, die Levulose, ist, welche eine Drehungsverände-
rung erleidet. Bei der Vergleichung von mit Alkohol
und mit Wasser verdünnten Lösungen von Levulose, die
0,128 Grm. derselben in Cubikcentimetern enthielten, er-
gab sich 7 ° nur + 33,30. Bei einer Lösung
von Levulose mit 0,050 Grm. C 12 H 12 12 und 0,0064
Gramm Kalk im Cubikcentimeter wurde das Drehungs-
vermögen durch den Kalk von — 106° auf — 63° ver-
mindert. (Compt. rend. 1864. — Chem. Central. 1864. 30.)
B.
Wirkung des Jods, Broms und Chlors auf Zucker;
von Fougera.
Durch Erwärmen von Jod mit Zuckersyrup in einem
verstopften Glase bis 60° C. und öfteres Umschütteln er-
hält man zuerst eine rothbraune Lösung, die aber bei
fortgesetztem Erwärmen wieder farblos wird. Es gelingt
auf diese Weise, 30 Gran Jod in 1 Unze Zuckersyrup
aufzulösen. Hört man auch nach der Entfärbung der
Flüssigkeit nicht auf zu erhitzen, so tritt wieder Färbung
ein, der Zucker geht dabei in Caramei über und schliess-
lich scheidet sich unter Entwicklung von Kohlensäure
eine schwärzliche, leichte, schwammige Substanz ab, die
in Wasser und Alkohol theilweise löslich ist und sich
dem Ulmin ähnlich verhält. Die farblose Jodiösung hat
mitunter einen Obstgeruch, sie reagirt sauer, verändert
sich nicht an der Luft und enthält viel Glykose.
Brom wirkt auf Zucker in ähnlicher Weise, aber
rascher. Kalt gesättigtes Chlorwasser mit Zucker ver-
setzt und erwärmt, enthält schon nach einer halben Stunde
kein Chlor mehr und hat eine 3aure Reaction angenom-
men. (Pharmaceut. Journ. and Transact. Vol. VI. No. IL
Aug. 1864. p. 90.) Wp.
Darstellung des Stärkezuckers in krystallisirtem
Zustande.
Nach Fr. Anthon wird der auf bekannte Weise
aus Stärke mittelst Schwefelsäure erhaltene und neutra-
lisirte Saft, je nach der mehr oder minder bewirkten
vollständigen Umwandlung der Stärke in Zucker, auf
38° — 42° B. (siedend gewogen) abgedampft und in hol-
lieber fuhrung der Stärke in Zucker. 123
zernen Gefässen zum Erstarren der Ruhe überlassen.
Nachdem dieses geschehen, so wird die rohe Zuckermasse
aus den Gefässen herausgenommen, in Presstücher ein-
geschlagen und stark ausgepresst. Der abfliessende Sy-
rup wird immer wieder aufs Neue mit versotten. Mit
dem in den Presstüchern befindlichen Zucker wird Fol-
gendes vorgenommen. Der gepresste Zucker wird, bei
möglichst niedriger Temperatur, im Wasserbade geschmol-
zen und bei 60° — 80° R. so lange im offenen Gefässe
erhalten, bis die Concentration 43° — 45° B. erlangt hat.
Ist dieser Zeitpunct eingetreten, so lässt man den ge-
schmolzenen Zucker erkalten, wobei man umrührt und
zwar um so öfter und um so länger, von je dichterem
und kleinerem Korne man den Zucker erhalten will. Ist
die Zuckermasse bis auf 25° — 30° R. abgekühlt, so wird
sie in Formen gefüllt, darin bis zum völligen Festwerden
gelassen, dann herausgenommen und in einer Trocken-
stube gelinde ausgetrocknet. {Die neuesten Erfindungen.
1863.) B. ^
Ueberführung der Stärke in Zucker durch die
Schalen roher Kartoffeln.
Schönbein zeigte in einem sehr interessanten Ar-
tikel (Journ.für i^akt. Chem. 89. 323.), dass die kataly-
tische Wirksamkeit organischer Materien nicht nur der
Diastase, dem Emulsin, Myrosin, der Hefe, dem Kleber
u. s. w. zukommen, sondern dass dieselbe in der Pflan-
zen- und Thierwelt allgemein verbreitet ist. Unter an-
deren besitzen namentlich die Schalen roher Kartoffeln,
die Wurzeln von Leontodon Taraxacum, der Lactuca sa-
tiva u. m. a. grosse kataly tische Kraft.
Da viele der schon länger bekannten katalytischen
Substanzen auch die Fähigkeit zeigen, die Stärke in
Zucker zu verwandeln, so lag die Wahrscheinlichkeit
nahe, dass der eine oder andere der neu aufgefundenen
Stoffe auch diese Art der Katalyse bewirke.
In der That hat sich auch Schön bein's Voraus-
setzung bei Hcinen mit den Schalen roher Kartoffeln an-
gestellten Versuchen bestätigt gefunden.
Dünner Stärkekleister, zu welchem eine ziemlich
grosse Menge der Schalen roher Kartoffeln gegeben war,
wurde 10 — 12 Stunden einer Temperatur von 45° — 50°
letzt Die Stärke war nach dieser Zeit fast voll-
ständig in Traubenzucker umgewandelt.
124 Umwandlung der Schlang enhaut in Zucker.
Auf trocknes Stärkemehl üben die Schalen der Kar
toffeln keinen Einfluss aus. (Journ.für prakt. Chem. Bd. 92.)
B.
lieber die Umwandlung der Schlangenhaut in Zucker.
Die 1861 veröffentlichen Untersuchungen über Um-
wandlung der Seidenraupen in Zucker dehnte de Luca
auch auf die Haut der Schlange aus. Das Material wurde
ihm aus der Menagerie des Museums von Dumeril,
Professor am Jardin des plantes, geliefert.
Die Haut der Schlangen enthält, wenngleich in sehr
geringer Menge, eine der vegetabilischen Cellulose ana-
loge Substanz, löslich in Kupferoxydammoniak, umbildbar
in Glykose, die Kupferkalitartrat reducirt und durch
Bierhefe unter Bildung von Alkohol und Kohlensäure
in Gährung übergeht.
Bei diesen Untersuchungen liegt die grösste Schwie-
rigkeit in der Elimination der Stickstoffsubstanzen, welche
die Schlangenhaut enthält: man muss sehr behutsam ar-
beiten, bei niedriger Temperatur und mit Vermeidung
jeder stürmischen Einwirkung der Reagentien.
Aether und Alkohol, in der Kälte 48 Stunden auf
Schlangenhaut einwirkend, färben sich kaum und lösen
nur Spuren organischer Stoffe ; — mit dem gleichen Vo-
lumen Wasser verdünnte Schwefelsäure contrahirt die
Haut; concentrirte Schwefelsäure löst viel organische Sub-
stanz, die Haut wird dünn, behält jedoch ihre ursprüng-
liche Gestalt; — verdünnte Salzsäure wirkt kaum sicht-
bar; rauchende Salzsäure bringt die den Protei'nsubstan-
zen eigentümliche prächtig violette Färbung hervor; —
concentrirte Salpetersäure färbt die Häute gelb, sie zie-
hen sich zusammen und nehmen Seidenglanz an, der
auch dem Abwaschen widersteht; — Kali äussert selbst
bei gewöhnlicher Temperatur eine energische Wirkung,
es bildet sich eine Gallerte, die mit viel Wasser behan-
delt, eine weisse flockige Substanz fallen lässt.
Concentrirte Schwefelsäure und Kali sind die besten
Reagentien, die bei längerer Einwirkung auf Schlangen-
haut und bei gewöhnlicher Temperatur eine grosse Menge
stickstoffhaltiger Substanz aufnehmen, im Rückstande bleibt
eine Materie, die chemischen Einflüssen grossen Wider-
stand entgegensetzt, jedoch bei gehöriger Sorgfalt in
gährungsfähige Glucose übergeführt werden kann.
1) Schlangenhaut direct mit Kupferoxydammoniak
Umwandlung der Schlangenhaut in Zucker. 125
behandelt gab an dasselbe nach' längerer durch Schütteln
unterstützter Einwirkung einen Stoff ab, der durch Neutra-
lisation vermittelst Säure in Freiheit gesetzt, durch Fer-
mente und schwache Säuren in Zucker umgewandelt
wird, der Kupferkalktartrat reduciren kann.
2) 50 Grm. vorher mit concentrirter Schwefelsäure
behandelte Schlangenhaut wurden mit einem Liter Was-
ser, das 39,750 Grm. Aetzkali enthielt, gekocht. Nach
dem Erkalten wurde mit viel Wasser vermischt und der
unlösliche Theil mehrmals durch Decantiren gewaschen.
Durch Behandeln desselben mit Kupferoxydammoniak
wurde eine alkalische Flüssigkeit erhalten, die nach der
Neutralisation mittelst Salzsäure eine weisse leichte Sub-
stanz fallen lies, welche nach dem Kochen mit schwach
angesäuertem Wasser weinsaures Kupferoxydkali redu-
cirte.
3) 50 Grm. Schlangenhaut wurden 2 Monate lang
unter bisweiligem Schütteln mit Kupferoxydammoniak be-
handelt, dann durch Glasstücke und Asbest filtrirt, was
wegen der gelatinösen Beschaffenheit der Flüssigkeit
mehre Tage dauerte, das Filtrat mit Wasser verdünnt und
durch Salzsäure neutralisirt. Es fiel eine flockige Masse
zu Boden, die mehrmals gewaschen und mit einigen Tropfen
verdünnter Schwefelsäure gekocht wurde. Es entstand
eine klare Flüssigkeit, die alkalisch gemacht Kupferkali-
tartrat reducirte.
4) 50 Grm. Schlangenhaut wurden bei gewöhnlicher
Temperatur längere Zeit mit concentrirter Schwefelsäure
und Aetzkalilösung behandelt, das Unlösliche wurde mehr-
mals gewaschen, vorsichtig unter Vermeidung des atmo-
sphärischen Einflusses getrocknet, mit sehr starker Schwe-
felsäure in einem Porzellanmörser zerrieben, wodurch eine
gelatinöse Masse entstand ähnlich dem Pflanzenschleim,
die 24 Stunden sich selbst überlassen wurde. De Luca
brachte sie dann in kleinen Mengen in siedendes Wasser
und kochte unter beständigem Rühren und Ersatz ^ des
verdampfenden Wassers 6 Stunden lang. Nach 24 Stun-
den wurde mit Kreidepulver neutralisirt, die Flüssigkeit
nach abermals 21 Stunden decantirt, der schwefelsaure
Kalk nochmals mit siedendem Wasser behandelt und beide
erhaltenen Flüssigkeiten im Wasserbade eingedampft.
Aus dem Rückstände wurden durch kleine Mengen Was-
ser noch schwefelsaurer Kalk und andere unbestimmte
Materien abgeschieden, die wässerige Lösung von Neuem
eingedampft und so eine schleimige etwas gelbliche Sub-
126 Trehala oder Trikala.
stanz erhalten, die sehr stark weinsaures Kupferoxydkali
reducirte und mit Bierhefe unter Entwicklung von Koh-
lensäure und Bildung von Alkohol gährte.
Aetzkali absorbirte die Kohlensäure völlig, der durch
fractiomrte Destillation und durch krystallisirtes kohlen-
saures Kali isohrte Alkohol verbrannte mit heller Flamme
onne Ruckstand; beim Reiben zwischen den Händen ent-
wickelte er einen angenehmen jedoch schwach an ani-
malische Stoffe erinnernden Geruch; endlich wurden mit-
telst Schwefelsäure aus ihm einige Cubikcentimeter Aethy-
lengas erhalten. J
Es enthält demnach die Schlangenhaut einen der ve-
getabilischen Cellulose isomeren Stoff, ein Beweis, dass
im Organismus der Pflanzen und der Thiere die Natur
nach denselben Grundprincipien die verschiedenen Phä-
nomene des Lebens erzeugt. (Journ. de Pharm, et de
Chim. Oct. 1863). Dr , Eeich
Trehala oder Trikala.
Seit der Pariser Ausstellung im Jahre 1855 ist un-
ter dem Namen Trehala oder Trikala eine aus Syrien
stammende Drogue bekannt geworden. Im Oriente fin-
det dieselbe eine eben so grosse Verwendung, wie bei
uns Sago und Salep. Sie besteht aus einem hohlen Cocon
von der Grösse einer Olive und wird durch ein der Fa-
milie der Rynchophoren angehörendes Insekt erzeugt
welches beträchtliche Mengen stärkemehlhaltiger Stoffe
zum Bau seiner Wohnung zusammenträgt. Die Trehala
enthalt einen krystallinischen, eigenthümlichen Zucker,
(die Irehalosevon Berthelot), welchen die Perser Nester-
zucker nennen. Die Trehala ist folgendermaassen zu-
sammengesetzt und besteht in 100 Theilen aus
Stärkemehl 66 54
Zucker und Bitterstoff . 28*80
Verschiedenen Salzen und wenig Gummi 4,60.
Das Stärkemehl der Trehala ist dem der Gersten-
starke dem Sago und besonders dem Traganthgummi ähn-
lich und lasst sich durch Kochen im Wasser nicht vollstän-
dig zertheilen und noch weniger auflösen. Die Trehala
im Wasser erweicht, schwillt auf und verwandelt sich
in einen dicken schleimigen Brei. (Hagen Arzneistoffe,
' B.
Verwendung des Glycerins. • 127
lieber die Verwendung des Glycerins zu vielfachen
Zwecken.
Das Glycerin oder Oelsüss, ein Bestandtheil fast
aller Fette, das jetzt bei der Verseifung als Nebenpro-
duct gewonnen wird, eignet sich seiner Eigenschaften
wegen zu vielerlei Verwendungen, von denen sich noch
gar kein Ende absehen lässt. Es stellt einen farblosen,
dickflüssigen, süssen Syrup dar, der nicht gefriert, wes-
halb er zum Sperren von Gasuhren gebraucht wird. Es
zieht mit grosser Begierde Wasser an, entzieht dieses
also andern Körpern, mit denen es in Berührung gebracht
wird, und dient darum in vielen Fällen, Stoffe zu con-
serviren. Namentlich halten sich Früchte darin sehr gut,
die nachher nur in Wasser abgespült zu werden brau-
chen, um geniessbar zu sein. Ferner hat es die Eigen-
thümlichkeit, die Fällbarkeit der schweren Metalle durch
Alkalien aufzuheben, wodurch in der Medicin und Fär-
berei eine Anwendbarkeit erzielt wird, die sich noch gar
nicht absehen lässt. Es hat die Eigenschaft, Gerüche an
sich zu ziehen, und wird sich in vielen Fällen viel bes-
ser als das leicht ranzig werdende Oel eignen, Stoffe, die
sich nicht destilliren lassen, zu extrahiren und das Par-
füm zu bewahren und zur Anwendung zu bringen. Wei-
ter eignet es sich, nach neueren Untersuchungen, in Ver-
bindung mit Bernsteinsäure zu Verbesserungen in der
Weinbereitung. Es dient in der Liqueurfabrikation ein-
mal in Stelle des Zuckers, fürs andere nimmt es manche
Farbstoffe auf, die in anderer Weise schwer den Liqueu-
ren mitzutheilen sind. Auch lassen sich sämmtliche Nutz-
stoffe des Hopfens durch Glycerin extrahiren, und das-
selbe vergährt, nach Versuchen im Kleinen, sehr gut.
Das Glycerin löst und erweicht alle verhärteten Fett-
massen mit grosser Leichtigkeit, es dient daher zum Lö-
sen des verhärteten Ohrenschmalzes; auch dient es vie-
len Mitteln zur Lösung, die sich gut damit äusserlich als
Arzneimittel anwenden lassen. Es nimmt ausgezeichnet
die Kleienflechte auf und dient darum als llaarmittel.
Es giebt mit Thon einen ausgezeichneten, nicht trock-
nenden Modcllthon. Ein geringer Zusatz zur Tinte macht
sie zur Copirtinte. In der Färberei steht ihm noch eine
grosse Zukunft bevor, da es mit Krapp ausgezeichnete
Farben zum Türkisch-Rotfa giebt. Endlich noch erhält
thierische Blase weich und bewahrt sie vor dem Aus-
trocknen, und dient auch zum Trünken und Gcschmei-
128 Verfälschung des Glycerins. — Glycerinpflaster.
dighalten von Riemen und Lederwerk. (Bl. für Hand. u.
Gewbe. 1864.) B.
Verfälschung des Glycerins mit Zuckersyrup;
von Palm.
Der süsse Geschmack des Glycerins und sein liqui-
der Zustand verleiten zu Verfälschungen mit Zucker-
syrup, die man durch sehr wesentliche Charaktere er-
kennt.
Man fügt 2 Tropfen concentrirter Schwefelsäure zu
dem Glycerin und erwärmt im Wasserbade, um das Was-
ser auszutreiben ; eine eintretende schwarze Färbung
zeigt Rohrzucker an. Weder Glycerin noch Trauben-
zucker schwärzen sich unter diesen Bedingungen. Um
letzteren zu erkennen, giebt man zu dem Glycerin */ 3
seines Volumens Kalilauge und erhitzt zum Sieden: eine
braune Färbung zeigt Traubenzucker an. Weder Gly-
cerin noch Rohrzucker färben sich mit Kalilauge braun.
(Journ. de Pharm, et de Chim. Nov. 1863.) Dr. Reich.
Glycerinpflaster.
100 — 150 Gran Stärkemehl mit 1 Unze Glycerin ge-
kocht, geben nach Tili; eine geruchlose Mischung, die
nicht ranzig wird, und obgleich sie sehr fest an der
Haut anklebt, doch weggenommen und wieder angelegt
werden kann. Tilt benutzt diesen Glycerinkleister als
Corpus zu andern Pflastern. So nimmt er statt Bella-
donnapflaster 1 Unze Glycerinkleister und vermischt da-
mit 3 Gran schwefelsaures Atropin. Zum Aufstreichen
dient Guttapercha-Leinwand oder undurchdringliches Zeug.
Morphium und andere Alkaloide werden in derselben
Weise verwendet. (Chem. Journ. and Transact. — Polyt.
Centrbl. 1864.) B.
lieber die Schädlichkeit einer Inhalation von Nitro-
glycerin.
Hierüber theilt John Merrick (SM. Amer. Journ.
(2.) Vol. 36. No.107.) Folgendes mit: Bei der Verdun-
stung einer ätherischen Lösung von Nitroglycerin auf
einem Wasserbade kippte die Schale, in der sich die
Lösung befand, durch ein Versehen um, wodurch ein
grosser Theil ihres Inhaltes das heisse Kupfergefäss, wel-
Doppelsalz von glykolsaurem Kalk mit Chlor calcium. 129
ches als Wasserbad diente, bespülte und augenblicklich
einen dichten Dampf von Aether und Nitroglycerin er-
zeugte. Obgleich Merrick unmittelbar am Wasserbade
stand und ein grosses Volumen des gemischten Dampfes
eingeathmet haben musste, so fühlte er augenblicklich
keine Beschwerden ; in weniger als 15 Minuten aberstellte
sich ein Kopfschmerz ein, der anfangs zwar nur schwach,
nach etwa l J / 2 Stunden jedoch fast unerträglich wurde.
Dazu gesellte sich eine bedeutende Schwäche und Er-
schöpfung, äusserste Empfindlichkeit gegen das Licht und
ein starkes Gefühl allgemeiner Angst und Unruhe. Mer-
rick verschaffte sich schliesslich Erleichterung durch In-
halation einer grossen Quantität Aether; der daraus re-
sultirenden Unempfindlichkeit folgte ein unterbrochener
und unruhiger Schlaf, der bis zum folgenden Tage dau-
erte und Schwäche, Erschöpfung und einen kleinen Kopf-
schmerz zurückliess. Diese unbehaglichen Symptome ver-
schwanden erst nach 3 oder 4 Tagen. Das Bewusstsein
verlor Merrick keinen Augenblick.
In Mr. Field's Fall, der in Viole Braithicaites Re-
trospekt of Practical Mediane beschrieben ist, erzeugten
2 Tropfen einer Lösung, die nur 1 Tropfen Nitroglyce-
rin auf 90 Tropfen Weingeist enthielt, Bewusstlosigkeit
und andere sehr bedeutende Symptome von narkotischer
Vergiftung.
Die Wirkung des Nitroglycerins auf verschiedene
Individuen sind sehr verschieden und geradezu wider-
sprechend. Während 2 Tropfen der angegebenen Lösung
in dem eben erwähnten Falle Bewusstlosigkeit erzeugten,
genoss eine andere Person 200 Tropfen einer ähnlichen
Lösung, ohne andere Nachtheile, als ein schwach dum-
pfes Gefühl im Kopfe zu spüren. Die Wirkung des rei-
nen Nitroglycerins erscheint dem Verf. nicht so schäd-
lich auf den Organismus, wie die der alkoholischen Lö-
sung. (Journ. für prakt. Chem. Bd. 92. S.252.) B.
(ober ein Doppelsalz von glykolsaurem Kalk mit
Chlorealcium.
Zerlegt man Benzoglykolsäure durch Kochen mit Salz-
säure und dampft die von der ausgeschiedenen Benzoö-
re abiiltrirte Lösung nach dem Neutralisiren mit Kalk
bis zu einem gewissen Grade ab, so krystallisiren beim
Erkalten seideglänzende Nadeln von glykolsaurem Kalk.
Die Krystalle lösen sich durch Erwärmen wieder und
Arch.d. Pharm. CLXXIV. Bds. l.u.2. lift. <.)
130 Neue Bildungsweise der Malonsäure u. Bernstein säure.
dampft man dann die Lösung weiter bis zur Consistenz
eines dünnen Syrups ein, so entstehen beim Erkalten
prachtvolle Krystalle eines Doppelsalzes von glykolsaurem
Kalk mit Chlorcalcium.
Dasselbe Doppelsalz kann erhalten werden durch
Zusammenbringen von glykolsaurem Kalk (nach Debus'
Verfahren dargestellt) mit einem grossen Ueberschuss von
Chlorcalcium und Stehenlassen der stark eingedampften
Lösung.
Das Doppelsalz bildet grosse, durchsichtige, octae-
drische Krystalle, verändert sich nicht an der Luft, ver-
liert aber schon bei 70° Krystallwasser. Durch Wasser
oder Alkohol wird es in seine Bestandtheile zerlegt.
Das lufttrockne Salz entspricht der Formel :
CaO, C4H3 05 + CaCl -f 6 HO.
(Sok. u. Engelh. Chem. Journ. 1. Bd. — Ztschr. für Chem. u.
Pharm. 1864. 3. Hfl.) B.
lieber eine neue Bildungsweise der Malonsäure und
Bernsteinsäure.
Hugo Müller hat Versuche angestellt, ob das Chlor
der Chloressigsäure durch Cyan ersetzt werden könne,
weil dadurch ein Körper resultiren würde, der als Cyan-
essigsäure einerseits dem Typus der Essigsäure angehö-
rend, andererseits möglicher Weise sich den Nitrilen ähn-
lich verhaltend, durch Einwirkung von 4 HO die Säure
C 6 H 4 8 liefern könnte, welche der Oxalsäurereihe an-
gehört.
Die Chloressigsäure wurde zuerst in Chloressigäther
verwandelt, derselbe in Alkohol gelöst und zur Lösung
etwas mehr als die äquivalente Menge Cyankalium ge-
bracht. Nach längerem Kochen filtrirt man die rothe
alkoholische Lösung vom Chlorkalium ab und trennt den
Alkohol durch Destilliren vom gebildeten Cyanessigäther.
Den Cyanessigäther erhält man durch Destilliren für sich
oder besser in WasserstofTgas als ein dickflüssiges, schwe-
res, farbloses, in der Kälte fast geruchloses Oel. Die
alkoholische Lösung dieses Aethers mit Kali gekocht,
entwickelt Ammoniak und die abgedampfte Salzlösung
giebt nach vorhergehender Neutralisation und Ausfällung
mit essigsaurem Kupferoxyd einen grünen Niederschlags
der mit Schwefelwasserstoff zersetzt, eine schön krystal-
lisirte Säure liefert, die die Eigenschaften der von Des-
saignes entdeckten Malonsäure 2 HO, C 6 H 2 6 hat.
Tartramid und Tartraminsäure. 131
Aus der Chlorpropionsäure wurde ebenso eine Säure erhal-
ten, die wahrscheinlich Bernsteinsäure ist. (Ztschr. für
Chem. u. Pharm. 1864. 5.) B.
Specielles Reagens für Breckweinstein.
Als solches empfiehlt C. Claus das Eisenchlorid.
Es wirkt auf eine schwach saure Brechweinsteinlösung
so eigenthüinlich ein, dass man mit Hülfe desselben dies
Antimonpräparat von allen andern officinellen Präparaten
unterscheiden und es zugleich in den kleinsten Mengen
entdecken kann. In concentrirten Brechweinsteinlösungen
bringt Eisenchlorid eine Gelbfärbung hervor; verdünnt man
aber die Lösung mit vielem Wasser, so entsteht sogleich ein
gelber Niederschlag von der Farbe des chromsauren Blei-
oxyds. In sehr verdünnten Lösungen erfolgt die Fällung
schon durch einen Tropfen Eisenchlorid ; in einem Ueber-
schusse des letzteren ist er löslich, daher solcher zu ver-
meiden. Der chromgelbe Niederschlag enthält Antimon-
oxyd, Chlor, Eisenoxyd und geringe Antheile von Weinsäure
und Kali. Er ist im Wesentlichen Antimonoxychlorid
(Algarothpulver), dem Eisenoxychlorid die gelbe Farbe
giebt und welchem etwas — durch Auswaschen nicht zu
entfernender — Brech Weinstein anhaftet. {Fresen. Ztschr.
für analyt. Chem. 1863.) B.
leber Tartramid und Tartraminsäure.
Wenn nach K. Grote (Annal. der Chem. u. Pharm.)
wässeriges Ammoniak und Weinsäureäther in zugeschmol-
zenen Röhren bei 100° auf einander wirken, so entstehen
weinsaures und tartraminsaures Ammoniak. Tartramid
bildet sich am leichtesten, wenn trocknes Ammoniak in
alkoholische Lösung von Weyisäureäther eingeleitet wird.
Es wird durch Umkrystallisiren in schönen, vonPasteur
beschriebenen Krystallen erhalten und hat die von De-
mondeeir angegebene Zusammensetzung C 8 H 8 8 N 2 =
C8HK)8,H«N2. Das Tartramid verbindet sich mit Queck-
silberoxyd und bildet kristallinische Krusten, die in
Wasser unlöslich, in Salzsäure leicht löslich sind und auf
2 At. des Amids :; At. Quecksilberoxyd enthalten.
Behandelt man di< se Verbindung mit Jodäthyl, so
bildet sich Qaecksilberäthyljodfir und Tartramid. Mit
anischen Sänren and mit Silberoxyd verbindet sich
das Tartramid nicht.
132 Wertlibestimmung gerhsäurehaltiger Materialien.
Der tartraminsaure Kalk bildet grosse tetraedrische
Krystalle, CaO, C9H4 09, H2N + 6 HO ; die bei 1000 ihr
Krystallwasser verlieren, sich leicht in Wasser, nicht in
Alkohol lösen.
Das Barytsalz erhält man beim Verdunsten in kry-
stallinischen Krusten, BaO, C3H*09, H2N -f 8 HO, die
bei 100° die Hälfte, bei 150° den Rest ihres Wassers
verlieren.
Das Bleisalz zerfällt in neutraler Lösung, selbst im
Vacuum, in ein basisches Salz mit 61,8 Proc. Blei und
ein saures unkrystallisirbares Salz.
Durch Fällen mit Ammoniak kann man auch ein
Bleisalz mit 68,4 Proc. Blei gewinnen, welches der For-
mel 3PbO, C8H207,H2N entspricht.
Die freie Tartraminsaure, aus dem Kalksalz durch
Oxalsäure, Digestion mit Bleioxyd und Fällen mit Schwe-
felwasserstoff bereitet, bildet, bei niedriger Temperatur
verdunstet, einen unkrystallisirbaren Syrup, und es be-
darf noch der Bestätigung, ob die von Pasteur beschrie-
benen Krystalle wirklich Tartraminsaure gewesen sind.
(Joum.fürprakt.Chem. Bd. 93. 2.) B.
Zur Werthbestimiiiiing gerbscäurehaltiger Materialien.
R. Wilden stein bedient sich, um auf eine rasche
Weise den ungefähren Werth gerbsäurehaltiger Materia-
lien zu bestimmen, der Reaction der Gerbsäure auf Eisen-
oxyd. Man imprägnirt schwedisches Filtrirpapier gleich-
massig mit einer Lösung eines Eisenoxydsalzes und zer-
schneidet es in Streifen, die unten in eine Spitze zulau-
fen, oben ein Loch haben und alle von einerlei Grösse
sind. Die Spitze bezweckt das bessere Abtropfen der
überschüssigen Flüssigkeit, durch das Loch am oberen
Ende soll ein Häkchen geateckt werden, um den Strei-
fen in der Flüssigkeit führen und nachher besser zum
Trocknen aufhängen zu können. Zur Bereitung der
Eisenoxydlösung bedient sich Wildenstein des citro-
nensauren Eisenoxyds, von dem er 12,5 Grm. in einem
halben Liter destillirten Wassers auflöst. Die Lösung
kommt in einen Cylinder, der bis zu einer Marke mit
einer bestimmten Anzahl Cubikcentimeter gefüllt wird,
und man taucht nun mittelst eines Glashäkchens die auf
genannte Weise präparirten Papierstreifen unter. Nach
genau 2 Minuten zieht man sie wieder heraus und hängt
sie zum Trocknen an einem massig warmen Orte auf.
Zur volumetrischen Bestimmung von Gerbsäure etc. 133
Es kommt nun darauf an, aus der mehr oder weniger
dunkeln Färbung der Papierstreifen den Gehalt der zu
prüfenden Flüssigkeit an Gerbsäure festzustellen. Zu
diesem Zwecke hat man sich vorher eine Reihe Papier-
streifen dargestellt, welche in fortlaufend dunkler wer-
dender Färbung eine Scala bildet, und zwar in folgender
Weise. Man bereitet sich 25 Auflösungen von Gerbsäure
in Wasser, von welchen die erste in 250 C.C. 0,025 Grm.,
die zweite in 250 C.C. 0,050 Grm. und sofort alle fol-
genden stets um 0,025 Grm. mehr Gerbsäure enthalten,
als die vorherhende Lösung, bis endlich No. 25. in 250
C.C. gerade 1,0 Grm. enthält. In diese taucht man eben
so viele Papierstreifen unter den obigen Vorsichtsmaass-
regeln und bekommt auf diese Weise eine Reihe, bei
welcher die immer dunkler werdende Farbe mit der
hierzu in Mitwirkung gewesenen Quantität Gerbsäure in
einem bestimmten Verhältnisse steht.
Die weitere Ausführung des Versuches ist nun fol-
gende : Man löst die zu untersuchende Substanz in Was-
ser auf, bringt sie auf 250 C.C, füllt sie in den oben er-
wähnten Cylinder und taucht das Probepapier unter. Durch
Vergleichung der Farbe desselben nach dem Versuche mit
der Scala ermittelt man diejenigen Streifen der letzteren,
welcher die ähnlichste Farbe zeigt, und kann auf diese
Weise mit immerhin ziemlicher Genauigkeit den Gehalt
der untersuchten Substanz an Gerbsäure finden. Auf
diese Weise kann man der Wahrheit bis auf 1 — 1,5 Proc.
nahe kommen. Schliesslich offerirt Wildenstein jedem
Techniker eine im Vorstehenden beschriebene dienliche
Scala gegen Erstattung seiner Selbstkosten anzufertigen.
(Ztschr. für analyt. Chemie. II. 137. Hft. 2. — Chem. Cen-
tralhlatt. 1864. 10.) B.
Zur volumetrischen Bestimmung von Gerbsäure,
Gallussäure, Eisen u. s. w.
Die Grundlage des von M. Mittenzwey vorgeschla-
genen Verfahrens bildet die Absorption von Sauerstoff
durch die betreffenden Körper, namentlich durch Gerb-
säure in alkalischer Lösung. Fine etwa l 1 ^ Liter fas-
sende Flasche ist mit einem Kork oder besser Kautschuk-
itÖpeel \ erschlossen, welcher ein nach innen hinein ragen-
gebo£r< flasrobr enthftlt, das nach aussen durch
ein mit Quetschhahn versehenes Kautscliukröhrchen mit
einem zweiten gebogenen Glasröhre verbunden ist, wel-
134 Zur volumetrischen Bestimmung von Gerbsäure etc.
dies am äussern Ende auf 1 — 1,5 Millimeter verengt
ist. Bei der Ausführung der Analyse sorgt man zu-
nächst für völlige Erneuerung der Luft in der Flasche,
so wie dafür, dass dieselbe, wie alle zur Anwendung
kommenden Flüssigkeiten, genau die Temperatur des
Arbeitsraumes hat. Ist dann die absorbirende Lauge in
der Flasche selbst hergestellt, verschliesst man, öffnet
einen Augenblick den Quetschhahn, befördert durch Schüt-
teln die Absorption, wobei man durch Umlegung eines
Tuches die Flasche gegen Erwärmung schützen muss,
und lässt nach jedesmaligem Schütteln aus dem Becher-
glase, dessen Flüssigkeit in gleichem Niveau mit der
Flasche steht, Wasser in letztere eintreten. Durch Wä-
gung des Becherglases vor und nach der Absorption er-
mittelt man das Maass des verschwundenen Sauerstoffs,
das man in gewöhnlicher Weise nach Temperatur und
Druck reducirt.
Gerbsäure und Gallussäure. Man bringt 200
C. C. Kali- oder Natronlauge von 3 — 5 Proc. in die
Flasche, lässt dann die Gerb- oder Gallussäure, lose in
Papier gewickelt, hineinfallen und verfährt darauf wie
oben. 1 Grm. Gerbsäure verschluckt 175 C.C. Sauerstoff
bei 20°, 0,700 Grm. Gallussäure eben so viel. Die Lauge
darf nicht zu concentrirt sein; mit einer Lauge von 35
Procent Kali sollen von 1 Grm. nicht mehr als 22 C.C.
Sauerstoff aufgenommen werden. Die Gallussäure absor-
birt den Sauerstoff rascher als die Gerbsäure. Während
1 Grm. der letzteren in 1 Minute nur 23,4 C.C. absor-
birt, verschlucken 0,700 Grm. Gallussäure in der glei-
chen Zeit 71 C.C. Mittenzwey glaubt demnach aus
der Menge des in einer gewissen Zeit von einem Gemisch
beider Säuren, welches man so abwägt, dass es im Gan-
zen gerade 175 C.C. verschluckt, absorbirten Sauerstoffs
annähernd das Verhältniss von Gerbsäure und Gallus-
säure berechnen zu können. Genauer geschieht die Be-
stimmung dadurch, dass man in bekannter Weise durch
Thierhaut oder Blase die Gerbsäure aus der Lösung ent-
fernt, dann die rückständige Gallussäure und in einer
andern Probe der Flüssigkeit die Gesammtmenge beider
Säuren, zur Controle auch noch die von der Thierhaut
aufgenommene Gerbsäure, bestimmt. Der Gerbstoffgehalt
in Leder, Galläpfeln, Sumach, Rinden u. s. w. wird in
ähnlicher Weise ermittelt. Man bringt die möglichst zer-
kleinerte Substanz in solcher, durch einen Vorversuch
zu ermittelnder Menge mit Wasser in die Flasche, dass
Einfache Methode, CJirysophansäure darzustellen. 135
sie etwa 175 C.C. Sauerstoff verbraucht, setzt dann
7 — 10 Grm. Kalistängelchen, in Papier gewickelt, hinzu
und schüttelt. So gab Sumach im Auszuge 16,36, in
Substanz 19,2 Proc. Gerbstoff.
Eisenverbindungen. Das Eisen wird durch Zink
zu Oxydul reducirt, die Losung durch ätzendes Natron oder
Kali nahe neutralisirt, in die Flasche gebracht, dann werden
einige umwickelte Kalistängelchen hineingelegt und ge-
schüttelt. Die Absorption ist rasch beendet. Es wurden
auf diese Weise in einer Eisenlösung mit 1,395 Eisen
im Mittel von drei Versuchen 1,399 Grm. Eisen gefunden.
Mangan Verbindungen werden, da sie sehr leicht
als Oxydulverbindungen zu erhalten sind, ebenso behan-
delt. Die Menge des absorbirten Sauerstoffs ist jedoch
noch nicht genau bestimmt. Es findet nach Mitten-
zwey keine vollständige Umwandlung in Hyperoxyd statt.
Nach einem Versuche entspricht 1 Gewth. absorbirter
Sauerstoff 4,34 Th. Mangan, was fast genau auf die For-
mel Mn 5 9 führen würde. Eisen neben Mangan, so wie
Eisenoxyd neben Eisenoxydul, kann in bekannter Weise
leicht auch nach dieser Methode bestimmt werden. Ebenso
lässt sich leicht der active Sauerstoff in Braunstein, Chlor-
kalk u. s. w. ermitteln.
Indigo lässt sich auf die Weise untersuchen, dass
man ihn unter Zusatz einer gewissen Menge Mineralöls
in einer gut verschlossenen, hohen Flasche reducirt, von
der klaren Indigweisslösung eine bestimmte Menge mit
einer Pipette in der Weise herausnimmt, dass die Ober-
fläche immer durch eine Oelschicht gegen die Einwir-
kung der Luft geschützt ist, sie in die Flasche, ebenfalls
unter eine Oelschicht, entleert und dann schüttelt. Der
Theorie nach würde 1 Gewth. Sauerstoff 131 Gewth. In-
digblau, oder 1 Gewth. des letzteren 45,7 C.C. absorbir-
ten Sauerstoffs von 20° entsprechen. (Journ. für jwakt.
Ckem. Bd. 01. S.81.) H.
Einfache Methode, Chrysophausaurc darzustellen.
J. 13. ßatka bestätigt die in den Sennesblättern von
CMartius entdeckte Chrysophansäure und theilt gleich-
zeitig eine einfache Methode mit, um diese Säure (ohne
Verkohlung durch Schwefelsäure) unmittelbar durch Be-
handlung mit Aetzkali zu gewinnen. Auf diese Weise
hat Batka die Chrysophansäure nicht nur aus der Rha-
barber, sondern auch aus den Sennesblättern und beson-
136 Digitalin.
ders den Sennablüthen dargestellt, indem derselbe solche
mit Aetzkali behandelte, das Filtrat mit Chlorwasserstoff-
säure ausfällte, auf dem Filter den Niederschlag aus-
wusch, gut trocknete und mit Chloroform auszog und
verdampfte. Auf der Schale verbleibt die Säure mit schö-
ner gelber Farbe in körnigen Krystallen zurück, welche
mit Aetzkali, Natron und Ammoniak die schöne carmin-
rothe Farbe giebt. (Chem. Centrbl. 1864. 39.) B.
Digital]».
Zur Unterscheidung des Digitalins von andern vege-
tabilischen Giften kennt man bis jetzt keine andere Reac-
tion, als die Grünfärbung mit concentrirter Salzsäure.
Da nun andere organische Substanzen sich ähnlich ver-
halten, so ist diese Reaction nicht entscheidend.
L. Grandeau empfiehlt demnach eine Prüfungs-
methode mittelst Schwefelsäure und Bromdämpfen. Rei-
nes Digitalin färbt sich in Berührung mit concentrirter
Schwefelsäure braun wie Terra Siena, welche Farbe nach
einiger Zeit in Weinroth übergeht; auf Zusatz von Was-
ser wird sie schmutzig-braun. Dampft man einige Tro-
pfen einer verdünnten Lösung von Digitalin zur Trockne,
so ist die Färbung mit Schwefelsäure mehr oder weniger
dunkelrothbraun, je nach der Menge der angewandten
Substanz. Bei Spuren (z. B. 0,0005 Grm.) tritt Rosafär-
bung, ähnlich den Blüthen des Fingerhutes, auf. Setzt
man mit Schwefelsäure befeuchtetes Digitalin Bromdäm-
pfen aus, so färbt es sich sofort violett mit mehr oder
weniger blauer Nuance. Am deutlichsten tritt diese
Reaction ein, wenn man den Rückstand von 1 C.C. Was-
ser, welches 0,005 Grm. Digitalin enthält, auf die ange-
gebene Weise behandelt; sie ist noch sehr deutlich bei
0,0005 Grm. Andere Stoffe, so die Alkaloide, Morphin,
Narkotin, Kodein, Narcein, Strychnin, Brucin, Atropin,
Solanin, Veratrin und Caffe'in zeigten diese Reaction nicht.
Eben so wenig die stickstofffreien Körper Santonin und
Cantharidin. (Compt. rend. T. 58. 1050. 1864.)
J. Lefort theilt mit, dass man in Frankreich zwei
verschiedene Sorten von Digitalin habe : das deutsche oder
leichtlösliche (a) und das französische oder schwerlösliche
(b). Chlorwasserstoffgas färbt a dunkelbraun, b dunkelgrün
und giebt mit b den charakteristischen Geruch der Digitalis-
blätter, weniger auffallend mit a. Unter dem Mikroskop
zeigt a Bruchstücke von Krystallen, während b als ein
Eigentümlicher Stoff im weissen Gänsefuss. 137
trübes Magma erscheint, welches ein Gemenge von zwei
Substanzen ist. Der Stoff, welcher sich durch Salzsaure
erün färbt, scheint nicht zum Digitalin selbst zu gehören,
er ist ohne Zweifel flüchtig. Beide Arten von Digitalin
gehen durch Pergamentpapier und können durch Dialyse
von andern Substanzen geschieden werden. (Dies ist der
vervollständigte Inhalt einer bereits am 29. Mai, also vor
dem Bekanntwerden obiger Mittheilungen von bran-
de au der Akademie übergebenen Schrift, {tompt renal.
T.58. 1120. 1864.)
Gaultier de Claubry hält die blosse Farbenreac-
tion, noch mehr aber den Geruch für ungenügend, um
über die Anwesenheit des Digitalins in thienschen Organen
mit Sicherheit zu entscheiden. (Compt. renal. T. 58. 118b.
1864. — Chem. Central. 1864. 54.) B.
\ eher die giftige Substanz der Coriaria myrtifolia.
Nach J.Riban sind die giftigen Eigenschaften dieser
Pflanze einem Glykosid, dem Coriarimyrtin, zuzuschreiben.
Einem grossen Hunde verursachten 0,2 Grm., wovon ein
Theil sofort wieder ausgebrochen war, in 20 Minuten die
schrecklichsten Convulsionen und tödteten ihn in l*/ 4
Stunde. Auf Kaninchen üben 0,08 Grm. eine heftige
Wirkung aus: die subcutane Injection von 0,02 Grm.
Substanz tödtet ein Kaninchen in 25 Minuten Erschei-
nungen sind: heftige Stösse am Kopfe, die sich dem Kor-
per mittheilen, klonische und tetanische, anfallsweise aut-
tretende Convulsionen, Pupillenverengung und Trismus.
{Compt. rend. 1863. — Chem. CentrU. 1864. 23.) B.
leber einen eigentümlichen Stoff im weissen Gänse-
fuss (Chenonodium album); von Reinseh.
Die zu Brei gestossene Pflanze wurde schnell aus-
gepresst und der bräunliche Saft der Dialyse unterworfen.
Es diffundii ten viele Salze und auf der Papierwand setzte
Bicfa das Chlorophyll in zähen Schichten ab; dieses wurde
mit Alkohol ausgezogen und dann mit Wasser behandelt.
Es schieden sich beim Verdampfen des wässerigen Aus-
zuges eine Menge von Körnern ab, die sich unter dem
Mikroskope nicht als Krystnlle, sondern als Kügelchen
von ' ,o bis »/ no Linie im Durchmetser erwiesen. Diese
Kügelchen zeigten im Polarisationsapparate sehr deutlich
138 Chenopodin.
ein schwarzes Kreuz, ganz übereinstimmend mit dem
Kreuze, welches der Kalkspath zeigt. Behandelt man
die wässerige Lösung, aus welcher diese Körner sich ab-
scheiden, mit Weingeist, so erhält man keine runden,
sondern lauter eckige Körner, welche die Polarisations-
erscheinung undeutlicher zeigen. Durch Pressen mit
Fliesspapier getrocknet, geben die Körner ein gelbliches
Pulver von widerlich salzig bitterem Geschmacke, und
schmelzen beim Erhitzen unter Entwickelung von nach
verbranntem Hörn riechenden Dämpfen, es entsteht ein
weisses Sublimat, wahrscheinlich aus kohlensaurem
Ammoniak bestehend und es bleibt eine voluminöse Kohle
zurück. Diese Substanz scheint demnach sehr stick-
stoffhaltig zu sein. H. Rein seh nennt diesen Stoff vor-
läufig Chenopodin, indem er es unentschieden lässt, ob
man es hier mit einer wirklich chemischen Verbindung
oder mit einem Gemenge verschiedener Stoffe zu thun
hat. (JV. Jahrb. für Pharm, Bd. 20. 1863.) B.
lieber das Chenopodiu.
Die einfachste Methode zur Gewinnung des von
Rein seh im Chenopodium album entdeckten Stoffes, des
Chenopodins, bleibt nach demselben die Behandlung
des w r eingeistigen Extracts aus dem vom Chlorophyll
befreiten Safte der Pflanze mit absolutem Alkohol; da-
bei bleiben die Salze zurück und das Chenopodin lost
sich auf; bei freiwilliger Verdampfung scheidet es sich
aus dieser Lösung in weissen Körnern ab; diese wäscht
man hierauf mehrmals mit kaltem absoluten Alkohol aus
und digerirt sie zuletzt wiederholt mit gewöhnlichem
Aether, in welchem das Chenopodin so gut wie unlöslich
ist. Es bleibt dann in Gestalt eines gelblichweissen
körnigen Pulvers zurück, welches fast geruchlos ist, und
einem faden Geschmack besitzt. Der salzige und bit-
tere Geschmack, welchen Rein seh früher für das Che-
nopodin angab, rührte nur von anhängenden Salzen und
einem eigenthümlichen Bitterstoff her, welcher basischer
Natur zu sein scheint. Das reine Chenopodin ist durch-
aus nicht hygroskopisch und löst sich nicht sehr leicht
in kaltem Wasser auf, am leichtesten ist es in schwa-
chem Weingeist löslich, schwerer in absolutem Alkohol
und Methylalkohol; letzterer besitzt aber unter allen Flüs-
sigkeiten, welche Rein seh auf das Chenopodin einwir-
ken Hess, die Eigenschaft der Hervorrufung der Polari-
Zur quantitativen Bestimmung der Alkaloide. 139
sationserscheinungen im höchsten Grade. Bringt man
z. B. nur ein Körnchen Chenopodin auf ein Glasplättchen,
befeuchtet es mit einem Tropfen Wasser und lässt diesen
theilweise verdampfen, so bilden sich an seiner Grenze
eine Zone von sehr kleinen Kügelchen, welche beim
Befeuchten mit Methylalkohol sogleich die Polarisations-
erscheinungen zeigen. Es rührt dieses davon her, dass
der Methylalkohol die Kügelchen nur durchdringt, ohne
sie aufzulösen, während sie beim Befeuchten mit absolu-
tem Alkohol theilweise aufgelöst werden und erst nach
einiger Ruhe wieder polarisiren ; nach vollständiger Ver-
dampfung erscheinen sie perlenartig glänzend, öfters in
Farben spielend. Die wässerige Lösung des Chenopo-
dins verhält sich vollkommen indifferent gegen verdünnte
Säuren und Alkalien; Pflanzenfarben verändert sie nicht;
von Jodtinctur wird sie nur schwach gelblich getrübt.
Aus mehreren nun noch von Rein seh angestellten Ver-
suchen und Verhalten geht hervor, dass das Chenopodin
ein indifferenter, höchst wahrscheinlich stickstoffhal-
tiger Körper sei, welcher vielleicht in der Pflanzen-
welt ziemlich verbreitet ist. (A T . Jahrb. für Pharm. Bd. 21.
Hft. 3.) B.
Zur quantitativen Bestimmung der Alkaloide.
F. Mayer benutzt dazu eine Lösung von Jodqueck-
silber in Jodkalium, dargestellt durch Auflösen von 13,546
Gramm Sublimat und 49,8 Grm. Jodkalium in 1 Liter
Wasser. Die Niederschläge entstehen in saurer, neutra-
ler und schwach alkalischer Lösung und die Reaction
ist so empfindlich, dass man noch in einer Lösung von
Vi 25000 Ghinin und Vi 50000 Strychnin diese Basen erken-
nen kann. Ist die zu untersuchende Flüssigkeit trübe
oder gefärbt, so muss man zur Erkennung der beendeten
Fällung einige Tropfen auf ein Uhrglas filtriren oder
ser noch die Flüssigkeit der Dialyse unterwerfen.
Das überschüssig zugesetzte Jodquecksilber kann man
nach vorherigem Zusätze von neutralem chromsauren Kali
mit salpct< rsaurem Silberoxyd zurücktitriren. (Zeitschr.
fVr analyt. Chem. II. 2. Hft.) B.
Chinacultur in Indien.
Der von der holländischen Regierung auf Java an-
bellte Chemiker de Vrij berichtet über einen Besuch,
140 Verfälschung der China rubra. — Chinovasäure.
den er den englischen Cinchona-Anpflanzungen auf Cey-
lon und in den Neilgherrygebirgen abgestattet. Während
Dr. Junghuhn in Java die Pflänzlinge im Schatten an-
derer Bäume zieht, lässt man in den englischen Planta-
gen das volle Sonnenlicht darauf einwirken und erzielt
so ein viel günstigeres Resultat. Die Fortpflanzung ge-
schieht weniger durch Samen, als durch Ableger oder
Stecklinge. De Vrij bemerkt, dass die Wurzelrinde so-
wohl der holländischen als englischen Chinabäume ver-
hältnissmässig mehr Alkaloide enthalte, als die Stamm-
rinde. (Pharm. Journ. and Transact. Vol. V. No. 12. June.
1864. p. 593 ff.) Wp.
lieber Verfälschung der China rubra,
Apotheker Jolly fand unter Cortex Chinae ruber
Stücke von Cortex Chinae de Carthagena s. Maraca'ibo y
welche in Salmiakgeist gelegt und dann an der Luft ge-
trocknet worden waren. Das Chinaroth, welches sich
bei Gegenwart des Alkalis an der Luft gebildet hatte,
gab diesen Rindenstücken ein dem der China rubra ganz
ähnliches Ansehen. — Das beste Mittel, um hinter sol-
chen Betrug zu kommen, bleibt, die Rinden gehörig
durchzumustern und von einigen derselben den Alkaloid-
gehalt zu bestimmen. Jolly empfiehlt hierzu folgendes
Verfahren: 50 Grm. Chinarinde werden mit 500 Grm. Was-
ser und 4 Grm. Schwefelsäure wiederholt ausgekocht;
aus den vereinigten Flüssigkeiten wird dann der durch
Soda erzeugte Niederschlag mit Aetzkalk vermischt, ge-
trocknet und mit Aether ausgezogen. Der Abdampfrück-
stand dieses ätherischen Auszuges ergiebt das Gesammt-
gewicht der vorhandenen Alkaloide (bei der China de
Carthagena nur */ 2 Proc. betragend). Durch Chloroform
lasst sich aus diesem Gemisch das Chinin dann be-
sonders ausziehen, so dass man leicht auch das Ver-
hältniss bestimmen kann, in welchem Chinin und Cincho-
nin in der betreffenden Rinde enthalten sind. (Journ.
de Pharm, et de Chim. Oct. 1864.) Weinhold.
Chinovasäure, #
welche in allen Chinarinden, so wie in dem Wurzelholze
von Cinchona Calisaya bis zu 2,57 Proc. vorkommt, wird
von de Vrij als ein wirksames Mittel gegen Wechsel-
fieber empfohlen. Darauf beruht auch wohl die Wir-
Alkaloid geholt in den verschiedenen Cliinarinden. 141
kung des früher häufiger verordneten Infusum corticis
Peruviani cum magnesia usta. Die von Moens in einer
Art Nauclea entdeckte sogenannte Naucleasäure ist nach
de Vrij ein Bestandtheil aller auf Java so häufig vor-
kommender Naucleaspecies und mit der Chinovasäure
identisch. (Pharm. Journ. and Tr ansäet. Vol. VI. No. 1.
Juli/ 1864. p. 19.) Wp.
Bestimmung des Gehalts au Alkaloiden iu den ver-
schiedenen Chinarinden.
De Vrij sagt von seiner Methode, dass sie vergleich-
bare Resultate gebe und die Alkaloide liefere, unverän-
dert durch die zur Extraction derselben gebrauchten Agen-
tien. Sie besteht in Folgendem : Das Pulver der Rinde
wird bei 100° C. getrocknet und gewogen. Ein bei allen
Proben möglichst gleiches Quantum des Pulvers wird
nun mit dem vierten Theile gelöschten Kalks gemischt
und das Gemisch mit dem zehnfachen Gewicht Alkohol
von 0,85 spec. Gew. 5 Minuten lang gekocht. Man bringt
auf ein Filter und giesst so lange kochenden Alkohol
nach, bis das Filtrat 20 mal so viel wiegt, als die ange-
wendete Rinde. Die alkoholische Flüssigkeit wird mit
verdünnter Essigsäure schwach übersättigt und im Was-
serbade der Alkohol abdestillirt. Den Rückstand behan-
delt man wiederholt mit Wasser, bis die dadurch erhal-
tene Solution sich auf Zusatz von Alkali nicht mehr trübt.
Die Alkaloide kommen so alle zur Lösung, Chinovasäure,
Fett, Harz etc. bleiben auf dem Filter. Die Solution
wird im Wasserbade eingeengt und dann mit einem Ueber-
schuss von Kalkhydrat versetzt, wodurch die Alkaloide
fefällt werden. Das Ganze wird auf einem möglichst
leinen Filter mit ein wenig kaltem Wasser gewaschen,
um Farbstoff zu entfernen, wobei ein nicht zu beachten-
der Verlust an Alkaloiden statt findet. Das Gewicht des
getrockneten Filterinhalts giebt die Gesammtmenge an
Alkaloiden. Zur Ermittelung der Qualität behandelt man
die Masse mit möglichst wenig verdünnter Essigsäure.
Bleibt dabeij was selten der Fall ist, ein wägbarer Rück-
stand von Harz, so filtrirt man denselben ab, trocknet
und wiegt. Der Betrag wird von dem Gesammtgewicht
abgezogen. Die essigsaure Losung giesst man in einen
mit Hahn versehenen versehliessbaren Trichter und schüt-
telt darin mit einem kleinen Ueberschuss von Actznatron
und dem 15 fachen Volumen Aether. Nach mindestens G
142 Prüfung des Cliinins auf Chinidin etc.
Stunden wird die ätherische Solution abgesondert und im
Wasserbade eingetrocknet. Der Rückstand ist Chinin
mit Spuren von Cinchonidin, Chinidin und Cinchonin, zu-
weilen auch einer grösseren Menge von einem noch nicht
näher bestimmten schmelzbaren Alkaloid. Die in Aether
nicht gelösten Alkaloide löst man wieder in sehr ver-
dünnter Essigsäure und vermischt die Lösung mit eini-
gen Tropfen einer concentrirten Jodkaliumlösung, Ist
Chinidin vorhanden, so bildet sich beim Umrühren mit
einem Glasstabe ein sandiger krystallinischer Niederschlag,
den man abfiltrirt und wägt. Es sind darin 71,68 Proc.
Chinidin enthalten. Das Filtrat wird mit Aetznatron gefällt,
der Niederschlag als Cinchonin oder als eine Mischung von
Cinchonin und Cinchonidin notirt, was von specieller Unter-
suchung abhängt. Die Gegenwart von Chinidin und Cin-
chonidin ergiebt sich leicht bei der Behandlung des Al-
kaloidgemisches mit Aether, indem sich diese Basen daraus
bald im krystallinischen Zustande abscheiden. Chinidin
wird durch das Verhalten zu Jodkalium erkannt, das Cin-
chonidin aber mit Gewissheit nur durch den Polarisa-
tionsapparat. {Pharm. Journ. and Transact. IL Ser. Vol. VI.
No. 2. Aug. 1864. p. 50.) Wp.
Prüfung des Chinins auf Chinidin, Cinchonin und
Cinchonidin.
Die Kerner'sche Prüfung des Chinins auf genannte
Stoffe wird nach Mohr in folgender Art ausgeführt:
Man mache sich eine bei 15° C. gesättigte Lösung
des zu prüfenden Chininsulfats in destillirtem Wasser,
indem man einen Ueberschuss des Salzes mit destillir-
tem Wasser in einem Gläschen schüttelt und */ 2 Stunde
bis ganze Stunde stehen lässt. Man filtrirt dann in ein
anderes Glas ab. Von dieser Flüssigkeit saugt man eine
5 Cubikcentimeter- Pipette voll und lässt einen kleinen
Theil wieder ablaufen, den Inhalt der Pipette giesst man
in ein anderes Glas und giebt nun von der Ammoniak-
flüssigkeit von 0,96 spec. Gew. 7 Cubikcentim. hinzu,
verschiiesst das Glas und schwenkt die Flüssigkeiten
leicht um. Im Falle der Reinheit des Chininsulfats
muss die Flüssigkeit vollkommen klar werden. Für eine
Handelsprobe ist dieses Verfahren vollkommen hinreichend.
Nach diesem Verfahren angestellte Gegenversuche
geben die vollständigste Befriedigung. (Ausz. a. d. Commen-
tar zur 7. Aufl. der preuss. Pharmakopoe.) B.
Unterscheidung von Chinin- und Cinchonimalzen. 143
Prüfung des käuflichen schwefelsauren Chinins auf
Chinidin und Ciuchonin: von Stoddart.
Stoddart befolgt zwei Methoden, wovon die er-
stere mir eine Modification der Liebig'schen Aether-
probe ist. Man löst 10 Gran des zu prüfenden Salzes
in 10 Gran verdünnter Schwefelsäure und 60 Gran de-
stillirtem Wasser, fügt 150 Gran reinen Aet her, 3 Gran
Alkohol und 40 Gran Natronlauge (lTh.NaO,HO auf
12 Th. HO) hinzu, schüttelt gut durch und lässt 12 Stunden
stehen. Die kleinsten Mengen von Chinidin, Cinchonin
und Cinchonidin zeigen sich auf der Trennungsschicht
zwischen dem Aether und der Lösung von schwefelsau-
rem Natron. Ein geringer Gehalt von Chinidin erscheint
als eine ölige Schicht, in welcher man mit der Loupe einen
feinen Staub erkennt. Cinchonin erscheint entschieden
krystallinisch. Die Verbesserung dieser Methode soll in
der Anwendung des Natrons statt des Ammoniaks bestehen,
indem schwefelsaures Ammoniak die Alkaloide auflöst *),
Die zweite Methode. Man mischt 10 Tropfen
verdünnte Schwefelsäure (^35) mit 1 Unze Wasser und
fügt 14 Gran der zu untersuchenden Salze oder so viel
als zur Sättigung der Säure erforderlich ist, hinzu und
filtrirt. Von der Lösung bringt man 1 Tropfen auf eine
Glasplatte, daneben 1 Tropfen Seh wefeleyank aliu rn-
lösung, über beide eine zweite Glasplatte, die die Mi-
schung der Tropfen und somit einen Niederschlag bewirkt.
Letzteren betrachtet man durch eine Loupe. Chinin bil-
det dünne lange Nadeln, Chinidin runde krystallinisehe
Gruppen, Cinchonin grosse gut geformte Prismen. Mit
einiger Uebung sind diese verschiedenen Formen sofort
zu unterscheiden. {Pharm. Journ. and Transact. Vol. VI.
No. 5. Novbr. 1864. p. 241.) Wp.
I nterscheiduns von Chinin- und Cinchoninsalzen.
•e
Nach R. Palm in Dorpat giebt das verschiedene
Verhalten des Fünffach -Schwefelkaliums gegen Cincho-
nin- und Chininsalze j>pc ist eine Wasserform derselben Art mit weniger
ausgerandeten oberen Blättern : C. angustifolia Hoppe wird als
Wusserform derselben mit nur linealischen Blättern angesehen; als
neu wird beschrieben: „C. truncata Gussone. Frucht ungekielt, mit
abgerundeten, stumpfen Kanten. Bisher nur in Hannover auf dem
Cananoher Moor. März, April. Ausser Blüthezeit und Fruchtform
von C. autumnalis L. durch die sehr zarten Stengel und meist stär-
ker gestreckten [nternodien verschieden."
tonvmie und Nomenclatar haben am meisten Verbesserun-
gen und ZiisiLtzi: gefunden. Wir erwähnen beispielsweise: Amma-
denia peploide» Ruprecht für Arenaria peploiaes I*. (Halianthue,
Honkenya \ Arenaria marginata DC. für apergularia media Grisb.;
Anemone sulphurea L. für Puleatüla i/i\. Herr Prof. Dandolt sprach über die verschiedenen
Darftellungsmethoden den Propylalkohole, besonders über die aus
dem Propyljodttr etc. . . , . ,.. xr *
Pag. 61. Ben Prof. Schulze hielt einen längeren Vortrag
168 Literatur.
über den Bau der Leuchtorgane des Männchens von Lampyris
splendidula.
Pag. 94 sprach noch am 4. August der leider für die Wissen-
schaft zu früh hingegangene Prof. Schacht über die Befruchtung
bei den Gymnospermen (Nadelhölzer und Cycadeen), die sich von
dem Vorgange bei Pflanzen, welche einen Fruchtknoten besitzen,
wesentlich unterscheiden, indem 1) die Pollenkörner hier direct auf
den Knospenmund der Samenknospen gelangen : 2) der Pollen-
schlauch nicht unmittelbar aus dem Pollenkern hervorgeht, viel-
mehr sich aus einer Tochterzelle des letzteren bildet: und 3) die
Befruchtung nicht, wie bei allen andern phanerogamischen Pflan-
zen, im Innern des Embryosackes selbst statt findet, sondern in
einer Tochterzelle desselben, dem Corpusculum oder secundären
Embryosack vor sich geht u. s. w. Derselbe geht nun zu einem
Berichte seiner neueren Untersuchungen, zunächst an Abies pec-
tinata und Tfntja orientalis über.
Pag. 99. Herr Prof. Schulze zeigte einen von ihm construir-
ten Objecttisch vor, mittelst dessen mikroskopische Untersuchungen
bei beliebigen constant zu erhaltenden Temperaturgraden angestellt
werden können; bespricht die Vortheile, welche der Apparat ge-
währt, ausführlich, besonders bezüglich der Untersuchung des mensch-
lichen Blutes, welches bisher nie bei der Körperwärme der Unter-
suchung unterworfen worden. Die auffallendste und physiologisch
interessanteste Erscheinung, welche das 38°— 40" C. warme Blut
unter dem Mikroskop darbietet, ist die ausserordentlich lebhafte
Bewegung eines Theiles der sogenannten farblosen Blutkörperchen.
Pag. 97. Herr Prof. Sachs sprach über die Auflöslichkeit ver-
schiedener Mineralien durch die sie berührenden Pflanzenwurzeln
u. s. w.
Pag. 106. Herr Medicinalrath Dr. Mohr hielt einen eingehen-
den Vortrag über die Abplattung der Erde an den Polen und ent-
wickelte erhebliche Gründe für seine Theorie.
Pag. 110. Herr Prof. Sachs theilte seine Beobachtungen mir,
woraus hervorgeht, dass die Neubildung von Adventivwurzeln an
oberirdischen Stammtheilen verschiedener Pflanzen durch Dunkel-
heit befördert werde.
Löhr.
Hofbuchdrnckerei der Gebr. Jänscke zu Hannover.
ARCHIV DERJHARMACIE.
CLXXIV. Bandes drittes Heft.
I. Physik, Chemie und praktische
Pharmacie.
Ueber einige Eigentümlichkeiten in dem Verhalten
des Amylens;
von
Professor Dr. Erlenmever in Heidelberg*).
JVurze Zeit nachdem Wurtz aus Amylen und Jod-
wasserstoff sein Amylenjodhydrat und aus diesem durch
Silberoxyd und Wasser das Amylenhydrat, respective den
Pseudoamylalkohol, dargestellt hatte, versuchte ich diesen
Körper in analoger Weise zu erzeugen, wie Berthelot
den Pseudoalkohol vom Propylen und ich mitWanklyn
denjenigen vom Hexylen gewonnen hatte. Ich brachte
Amylen mit Schwefelsäurehydrat und später auch mit
Gemischen dieses mit Wasser nach verschiedenen Ver-
hältnissen zusammen, aber in keinem Falle erhielt ich
das gewünschte Resultat ; das Amylen hatte sich, wenn
die Schwefelsäure nicht zu sehr verdünnt war, zwar
verändert und einen weit über 100° steigenden Siede-
punet bekommen, aber es konnte keine Spur Pseudo-
alkohol aufgefunden werden. Ich war damals genÖthigt,
meine Versuche zu unterbrechen.
Mittlerweile hat nun Berthelot in einer Abhand-
lung unter dein Titel: Untersuchungen über die Amyl-
alkohole, folgend»- Aeusserung gethan: „Fast die ganze
•) AI» Beparatebdruck vom Herrn Verfaaaer eiogetaudt
I). Red.
Arch.d. Pharm. CLXX1V. IM». 3. Ilft. 12
170 Erlenmeyer,
Menge des Carbürs (Amylens) bildet beim Zusammen-
bringen mit Schwefelsäure entweder polymere Körper
oder eine der Isäthionsäure analoge, complicirt zusam-
mengesetzte und beständige Säure und ich erhielt eine
so geringe Menge von Amylenhydrat, dass mir ein ge-
naueres Studium desselben nicht möglich war." Dies
veranlasste mich, meine Versuche wieder aufzunehmen,
einerseits weil ich früher zum Zwecke der Darstellung
eines Homologen des Taurins die Darstellung der Isä-
thionsäure durch Hrn. Dr. Ernst ohne Erfolg hatte ver-
suchen lassen und nun dachte, nach der Bemerkung von
Berthelot eine Methode zu deren Darstellung zu ge-
winnen; andererseits aber weil ich mir vorstellte, dass
wenn eine kleine Quantität von Amylen in Pseudoalkohol
übergeführt werden könne, sich auch die Bedingungen
finden lassen müssten, unter denen sich grössere Quan-
titäten oder alles Amylen in diesen Körper umwandele.
Ich will die Versuche, welche ich anstellte, nicht
alle einzeln beschreiben, sondern nur allgemein Folgendes
anführen: Ich verwendete ausser a) Schwefelsäurehydrat
folgende Verdünnungen: b) 5 Vol. SCMH* : 1 Vol. HH);
c) 4 Vol. S04H2 . i Vol. H20; d) 3 Vol. SCHH* : 1 Vol.
H20; e) 2 Vol. SO*H2 : 1 Vol. IPO; f) 1\ Vol. SCMH*
: lVol. H2 0; g) 1 Vol. S04H2 : l Vol H2Q.
Sowohl die Säure, als auch das Amylen *) war vor-
her in Eis abgekühlt, um gelbe bis braune Färbung und
Bildung von Schwefligsäure zu vermeiden; das Amylen
wurde nach und nach unter heftigem Schütteln und ste-
ter Abkühlung in die Säure eingetragen, und dann ent-
weder sogleich nach dem Eintragen oder nach ein- bis
mehrstündigem Schütteln oder nach ein- bis zweitägiger
Berührung die schwerere Flüssigkeit von der aufschwim-
*) Das zu meinen Versuchen verwendete Amylen war mit Chlor-
zink aus Amylalkohol bereitet und zuerst durch fiactionirte
Destillation und Chlorcalcium, dann durch Destillation über
Natrium, so lange bis dieses nicht mehr angegriffen wurde,
gereinigt worden.
Eigenthümlichkeiten in dem Verhalten des Amylens. 171
menden durch die Glashahnbürette getrennt. Die saure
Flüssigkeit wurde verdünnt und zum Theil destillirt, zum
Theil mit kohlensaurem Baryt gesättigt, das Filtrat vom
schwefelsauren Baryt auf dem Wasserbade erwärmt, um
den kohlensauren Baryt abzuscheiden, und dann über
Schwefelsäure vollständig verdampft.
Die leichtere Flüssigkeit wurde mit Wasser gewa-
schen, bis dieses keine saure Reaction mehr annahm, von
dem Wasser getrennt, mit geschmolzenem Chlorcalcium
getrocknet und der fractionirten Destillation unterworfen.
Ich habe so dreissig bis vierzig Versuche mit ver-
schiedenen Abänderungen angestellt, indem ich von einer
Säure das gleiche, das doppelte, 4 fache, ja oft 10 fache
Volum von dem des Amylens anwendete. Bei einigen
Versuchen wurde auch gleich nach der Mischung die
ganze Flüssigkeit sofort in mit Wasser angerührten koh-
lensauren Baryt gegossen. Aber in allen Fällen
konnte weder die Bildung einer der Isäthion-
säure ähnlichen Säure, noch die von Amylen-
h v d r a t beobachtet werden*).
Anfangs glaubte ich eine geringe Menge eines Baryt-
salzes aus der Mischung von Amylen mit Schwefelsäure
bekommen zu haben, denn es blieb ein Abdampfungs-
rückstand von gelber Farbe, welcher der Hauptmasse
nach ein gummiartiges Aussehen zeigte und an der Luft
feucht wurde. Bei näherer Untersuchung desselben ergab
sich jedoch, dass er salpetersauren Baryt und Chlorba-
ryum enthielt und ausserdem noch eine barythaltige or-
ganische Masse, die in schwachem W r eingeist löslich war.
Von 15 C.C. Amylen, welches mit 15 C.C. Schwefelsäure
chüttelt worden war, wurden so beispielsweise 0,1817
Gramm Rückstand erhalten. Als nun eine entsprechende
Mrngc Schwefelsäure; ohne vorherige Vermischung
*; Wurtz hat früher bei der Behandlung seines Amylenhydrats
mit Schwefelsäure die Beobachtung gemacht, dass .sich keine
spur einer gepaarten Schwefelsaure bildete, und das Amylen-
hydrat in Polyamylen übergeführt wurde.
12*
172 Erlenmeyer f
mit Amylen direct verdünnt und hierauf mit kohlen-
saurem Baryt gesättigt wurde, so blieb nach dem Ab-
dampfen der vorher von noch ausgeschiedenem kohlen-
sauren Baryt abfiltrirten Flüssigkeit ein Rückstand von
ganz gleichem Aussehen und Gehalt zurück, der sogar
noch eine Kleinigkeit mehr wog als im vorigen Falle.
Der angewendete kohlensaure Baryt war -aus einer che-
mischen Fabrik als chemisch rein bezeichnet bezogen
worden *). Die verwendete Schwefelsäure war frei von
Stickstoffverbindungen, aber sie war, obwohl als chemisch
reine Säure frisch bezogen, nicht ganz vollkommen farb-
los. Ich vermuthe, dass die Schwefelsäure selbst irgend
welche hineingefallene organische Substanzen schon vor-
her in irgend eine gepaarte Säure umgewandelt, oder
irgendwie befähigt hatte, eine lösliche Barytverbindung
zu bilden.
Wenn man den in Weingeist gelösten Verdampfungs-
rückstand wieder zur Trockne brachte und mit einer
Säure übergoss, so zeigte sich ein unangenehmer Schweiss-
geruch, der demjenigen sehr ähnlich ist, welcher sich bei
der Destillation von Runkelrübenmelasse mit Wasser ent-
wickelt.
Was nun die Natur der über der Schwefelsäure
schwimmenden Flüssigkeit betrifft, so war dieselbe un-
löslich in Wasser, selbstverständlich auch in Schwefelsäure,
und zeigte bei der Destillation je nach der Concentra-
tion der mit ihr in Berührnng gewesenen Säure verschie-
dene Siedepuncte.
Bei Anwendung der Säure (a) fing die Flüssigkeit
bei 150° an zu sieden, der grösste Theil ging bei 200 — 240°
über, bei 260° war das Gefäss trocken und etwas koh-
lige Masse im Rückstand.
Die Flüssigkeit von Säure (b) kam bei 150° ins Sie-
*) Ich habe mich öfter überzeugt, dass es ungemein schwer
hält, vollkommen reinen kohlensauren Baryt in einiger-
maassen erheblichen Quantitäten darzustellen.
Eigentümlichkeiten in dem Verhalten des Amylens. 173
den, der grösste Theil ging um 200° über, bei 230° war
das Gefäss trocken.
Von Säure (c) gingen einige Tropfen vor 100° über,
die Hauptmasse bei 150 — 180°, noch wenig bis 220°,
wobei das Gefäss trocken.
Von Säure (d) bei 140° anfangendes Sieden, die Haupt-
masse bei 157 — 170°, bei 220° das Gefäss trocken.
Von Säure (e) fast Alles bei 150—1600.
Von Säure (f) ungefähr die Hälfte bis 40°, die an-
dere Hälfte bei 148<>.
Von Säure (g) waren nur Spuren umgewandelt, der
grösste Theil zeigte den Siedepunct von unverändertem
Amylen.
Von den Fractionen 150 — 160° war eine grössere
Menge bei 155° gesammelt und eine Analyse davon ge-
macht worden.
Dieselbe gab Zahlen, welche genau mit der Zusam-
mensetzung eines Olefins stimmen. Diese Flüssigkeit^
welche einen kampferähnlichen Geruch zeigte, war wahr-
scheinlich der von Bauer Diamylen *) genannte Koh-
lenwasserstoff, welcher sich fast vollständig frei von hö-
heren Polymeren durch Einwirkung der Säure (e) auf
Amylen darstellen lässt. (Ich behalte mir vor, diesen
Körper nach der angegebenen Methode in grösserer Menge
darzustellen und einem genaueren Studium zu unterwerfen.)
Aus den hier mitgetheilten Beobachtungen geht her-
vor, dass das Amylen schon von einer ziemlich verdünn-
ten Schwefelsäure bei 0° polymerisirt wird, also nicht, wie
manche Chemiker ausgesprochen haben, höherer Tempe-
raturen dazu bedarf; es geht weiter hervor, dass das
Amylen nicht wie Propylen und Ilexvlen mit Schwefel-
[aefa 'lern Entdecker dee Diamylens: Gaultier H° destillirte, bei
60° war d. iss trocken. Die Menge derselben be-
trug 8 C.C, die Analysen, sowie die übrigen Eigenschaf-
ten Hessen keinen Zweifel, dass die erhaltene Flüssigkeit
reines gewöhnliches Aceton C 3 H®0 war.
rr
178 E/rlenmeyer,
Das noch unzersetzte Amylen wurde von Neuem mit
der Oxydationsflüssigkeit zusammengebracht und wie frü-
her behandelt. Es wurden so noch nahezu 2 C.C. Ace-
ton erhalten *).
Die Oxydationsflüssigkeit wurde jetzt aus dem Asbest-
bad unter Einleiten von Wasserdampf der Destillation
unterworfen, bis das Destillat nicht mehr sauer reagirte.
Dieses wurde dann mit kohlensaurem Natron neutralisirt
und die Lösung zur Trockne verdampft. Der bei 100° ge-
trocknete, 41 Grm. betragende Salzrückstand wurde mit
Schwefelsaure (2 Vol. Hydrat : 1 Vol. Wasser) im Ueber-
schuss destillirt. Es wurde eine Säure erhalten, die nach
dem Schütteln mit Bleihyperoxyd den charakteristischen
Essigsäuregeruch ohne jeglichen Beigeruch zeigte.
Sie wurde aus einem Fractionirkölbchen mit in ge-
wöhnlicher Weise eingesetztem Thermometer (so dass des-
sen Kugel nur bis an das Dampfableitungsrohr reichte)
der Destillation unterworfen. Es ereignete sich dabei,
dass das Thermometer gegen das Ende bis 135° hinaufging,
und als das üefäss trocken war, auf 138° stand. Man
hätte danach annehmen können, dass wirklich eine der
Essigsäure höhere Säure, vielleicht Propionsäure, zugegen
wäre. Als aber die sämmtlichen Fractionen gemischt
und einer zweiten Destillation aus dem Asbestbad unter-
worfen wurden, gingen zwei Drittheile bei 100 — 110°
über, das letzte Drittel destillirte bei 110 — 118° und bei
120°, während bei 122° das Gefäss trocken war.
Die erste und letzte Fraction wurde jede für sich
*) Bei dieser Oxydation schwammen auf dem noch wässerigen
Destillat einige weissliche Flocken, die sich unter der Loupe
als Oeltröpfchen zu erkennen gaben, sie zeigten einen kräf-
tigen Krauseminzölgeruch. Ganz derselbe Geruch wurde be-
merkt, als Amylen mit trockenem Silberoxyd in einem zuge-
schmolzenen Rohre einige Stunden bis zu 190° erhitzt worden
war. Das Silberoxyd war dabei vollkommen zu weissem me-
tallischen Silber reducirt worden, aber die Menge des Kör-
pers, welcher den genannten Geruch zeigte, war so gering,
dass er nicht isolirt werden konnte
EigentJiümlichkeiten in dem Verhalten des Amylens. 179
mit kohlensaurem Silberoxyd gesättigt. Die in den erhal-
tenen Salzen vorgenommenen Silberbestimmungen stellen
die vollkommene Reinheit der erhaltenen Essigsäure un-
zweifelhaft fest *).
Nachdem ich so mit Bestimmtheit nachgewiesen zu
haben glaube, dass bei der Oxydation des Amy-
lens das gewöhnliche Aceton wesentliches Zer-
setzungsproduct ist und dass keine Propion-
säure und keine andere der Essigsäure höhere
Säure gebildet wird, will ich es versuchen, die an-
geführten Beobachtungen zur Aufstellung einer Hypo-
these über die relative Constitution des Amylens zu ver-
wenden.
Ehe ich dazu übergehe, glaube ich bemerken zu sol-
len, dass ich mich hier nicht auf die Erörterung der
Frage, ob die bisher näher untersuchten Olefine im freien
Zustande vollkommen geschlossene Verbindungen sind,
oder ob sie zwei freie Kohlenstoffäquivalente besitzen,
einlassen werde. Ich will diese Frage nicht zur Discus-
sion bringen, 1) weil ich den letzteren Fall eben so gut
für möglich halte wie den ersteren, nachdem eine, wenn
auch nur eine Verbindung des Kohlenstoffes im freien
*) Von der bei der Oxydation gebildeten Kohlensäure wurde
derjenige Theil als kohlensaurer Baryt gewogen, welcher sich
in der Kälte entwickelt hatte. Er betrug 0,8 CO 2 . Der Theil
aber, welcher sich während der Destillation entwickelte, wurde
leider durch ein Versehen nicht bestimmt. Da das Aceton
in der wasserigen Oxydationsflüssigkeit weit leichter löslich ist
als das Amyleu und erhöhte Temperatur, wie der frühere
Versuch gezeigt hat, die weitere Oxydation des Acetons sehr
begünstigt, so ist es sehr wahrscheinlich, dass sich während
der Destillation eine grössere Menge von Kohlensäure bildete,
als während der Einwirkung in der Kälte. Ich halte es nach
diesen Erwägungen für unzweifelhaft, dass bei der Oxydation
iih die Kohlensäure ein Hauptproduct (von der Oxy-
dation des Acetons) und nicht ein Nebenproduct oder letztes
produet ausmacht, als welches sie bei der Behand-
lung aller kohlenstoffhaltiges Substanzen mit chromsaurem
Kali und Schwefelsäure aufzutreten pflegt.
180 Erlenmeyer,
Zustande existirt, welcher zwei freie Aequivalente nun
einmal nicht weggeleugnet werden können, ich meine
das Kohlenoxyd; 2) weil ich für jetzt kein Mittel sehe
die Frage zu entscheiden. Dagegen möchte ich aber die
Behauptung aufstellen, dass zum Mindesten die drei Ole-
fine, das Aethylen, das Propylen und das Hexylen (in
der Form, in welcher sie sich bisher der Untersuchung
dargeboten haben) in dem Augenblicke, in wel-
chem sie als z weiäqui valentige Radicale wir-
ken, so constituirt sind, dass ihre beiden freien Aequi-
valente nicht zwei verschiedenen Atomen, sondern einem
einzigen Atom Kohlenstoff angehören.
Schon in früheren Zeiten haben manche Chemiker
das Aethylen mit dem Ammoniak verglichen, und das
Jodäthyl mit dem Jodammonium. Indem ich diesen Ver-
gleich für ganz sachgemäss erachte, möchte ich densel-
ben noch bestimmter dahin präcisiren, dass ich das Ra-
di cal Aethylen mit dem Dimethylamin in Parallele stelle.
Das letztere ist eine Verbindung des 5 äquivalentigen
Stickstoffs, von dessen 5 Aequivalenten zwei un ver-
bunden und Eins mit Wasserstoff verbunden
gedacht werden muss, während die beiden übrigen mit
Methyl vereinigt sind. Das Radical Aethylen denke ich
mir als eine Verbindung des 4 äquivalentigen Kohlen-
stoffs, in weichem 2 Aequivalente unverbunden
und Eins mit Wasserstoff vereinigt, das eine
noch übrige Aequivalent aber mit Methyl in Verbindung
angenommen werden kann.
Der ersten Verbindung, de'm Dimethylamin, ent-
sprechen zwei empirisch -homolog zusammengesetzte Ver-
bindungen von ganz verschiedenen Eigenschaften. Die
eine ist Dimethylamin, in welchem an die Stelle von 1
Methyl, 1 Aethyl eingetreten ist (Methyläthylamin), die
zweite ist Dimethylamin, in welchem an die Stelle des
einzelnstehenden Wasserstoffs 1 Methyl eingetreten ist
(Trimethylamin).
Dem Radical Aethylen entsprechend denke ich mir
Eigenthümlichkeiten in dem Verhalten des Amylens. 181
in analoger Weise zwei verschiedene neue mit ihm em-
pirisch- homologe Radicale als möglich, je nachdem in
ihm das Radical Methyl durch Aethyl oder der einzeln-
stehende Wasserstoff durch Methyl substituirt ist. In
der letzteren Weise denke ich mir dasjenige Radical
Piopylen constituirt, welches bisher den Chemikern bei
den Untersuchungen der Propylenverbindungen zu Gebote
gestanden hat.
Man kann auch diese Beziehung des in Rede ste-
henden Radicals Propylen zu dem Radical Aethylen mit
der Relation in Parallele stellen, in welcher das gewöhn-
liche Aceton nach einer jetzt wohl ziemlich allgemein
adoptirten Annahme zu dem gewöhnlichen Aethylaldehyd
steht.
CH3 CH3
H CU CH3 uu
Aldehyd Aceton
CH3 n CH3
H u CH3°
Radical Aethylen Radical Propylen
Wenn sich Jodwasserstoff oder überhaupt ein Halo-
genwasserstoff mit den Radicalen Aethylen, Propylen
(oder Hexylen) vereinigt, so geschieht dies meiner Mei-
nung nach so, dass sich die beiden Aequivalente des
einen Atoms Kohlenstoff mit dem Wasserstoff und dem
Halogen sättigen. Wenn ich dagegen in Betracht ziehe,
dass Aldehyd und Aethylenoxyd, andererseits Aethyliden-
und Aethylenchlorür verschiedene Körper sind, und wenn
ich deren Entstehungsweise berücksichtige, so komme ich
zu der Annahme, dass die freien Halogene in der Art
auf die oben genannten Olefine einwirken, dass zunächst
1 Atom Wasserstoif, das mit einem anderen Kohlenstoff-
atom verbunden ist, durch 1 Atom Halogen substituirt
wird, und dass dann erst der erzeugte Halogenwasser-
stoff in der oben gedachten Weise sein Wasserstoff- und
sein Halogenatom an die beiden freien Aequivalente des
einen Atoms Kohlenstoff in den Olefinradicalen absetzt.
182 Erlenmeyer,
Wenn ich mir nun auch das Hexylen aus dem Man-
nit nach meinen mit Wanklyn ausgeführten Experi-
menten als ein Ketonolefin (im Gegensatz zu dem Aethy-
len, welches ich Aldehydolefin nennen möchte) denke, so
komme ich damit zu der Frage, in welcher Relation das
Amylen als Radical zu den genannten Olefinradicalen steht.
Das Amylen ist eigentlich das einzige *) von den
bisher näher untersuchten Olefinen, das in analoger Weise
aus dem Amylalkohol dargestellt ist, wie das Aethylen
aus dem Aethylalkohol, und man hätte erwarten sollen,
dass es sich analog diesem mit Jodwasserstoff zu Amyl-
jodür und mit Schwefelsäure zu Amylschw efelsäu re
verbände.
Es verhält sich aber nach den Untersuchungen von
Wurtz und von mir in beiden Beziehungen ganz anders.
Wenn man auch die Ansicht von Wurtz, das Amyljodür
unterscheide sich von dem Amylenjodhydrat nur dadurch,
dass in dem letztem Jod und Wasserstoff bei der Vereinigung
mit Amylen nicht in so feste Verbindung mit C 5 trete, als
diese beiden Elemente mit dieser Kohlenstoffgruppe in
dem Amyljodür verbunden sind, als Erklärung des ver-
schiedenen Verhaltens des Amylenjodhydrats gelten las-
sen wollte, so würde man aber doch nicht verstehen,
warum das Aethylenjodhydrat nicht in analoger Weise
verschiedenes Verhalten von dem Aethyljodür zeigt. Man
wird vielmehr zu dem Gedanken geleitet, dass die Con-
stitution des Amylenjodhydrats eine von der des Amyl-
jodürs nicht bloss physikalisch, sondern wirklich ch e m i s ch
verschiedene ist.
Vergleicht man andererseits das Verhalten des Amy-
*) Das Butylen ist zwar von Wurtz aus dem Butylalkohol
ebenfalls in analoger Weise wie Aethylen dargestellt, aber
es ist meines Wissens nicht näher studirt in seinem Verhal-
ten zu Schwefelsäure und Halogensäuren. Wurtz giebt bloss
an, dass es aus dem Gemisch mit Butylwasserstoff durch eine
mit Schwefelsäure befeuchtete Cokekugel entfernt werden
könne, dass es sich also mit Schwefelsäure verbindet.
Eigenthilmlichkeiten in dem Verhalten des Amylens. 183
lenjodhydrats mit demjenigen von Propylenjodhydrat und
Hexylenjodhydrat, so findet man in mancher Beziehung
eine so überraschende Analogie, dass sich schon manche
Chemiker veranlasst gesehen haben, die drei genannten
Körper für Glieder einer homologen Reihe zu halten und
man hätte danach erwarten sollen, das Amylenoxyhydrat
liefere bei der Oxydation analog dem Propylen- und Hexy-
lenoxyhydrat ein Keton von der Zusammensetzung C 5 H l0 O,
welches sich weiter zersetze in Essigsäure und Propion-
säure. Wenn man die Homologie dieser Hydrate an-
nehmen wollte, so könnte man sich ihre Zusammensetzung
durch folgende Formeln ausgedrückt denken.
Propylenhydrat qj^ 3 CH, OH.
PH 3
(Butylenhydrat Q2H5 ^' OH.)
Amylenhydrat nimr OH, OH.
Hexylenhydrat Q4fj9 OH, OH.
Aus den bis jetzt in dieser Beziehung vorliegenden
Beobachtungen geht jedenfalls das Eine hervor, dass der
Körper C 5 H 10 O, wenn er sich überhaupt als erstes Oxy-
dationsproduct des Amylenhydrats, beziehungsweise des
Amylens bildet, sehr leicht weiter zersetzt wird in Essig-
säure und gewöhnliches Aceton und dieses wieder in
K ^igsäure und Kohlensäure.
Gerade die Bildung von gewöhnlichem Aceton, statt
der Bildung von Propylaldehyd resp. Propionsäure, welche
man bei Annahme der Homologie von Propylen-, Amy-
len- und Hexylenhydrat hätte erwarten sollen, veranlasst
mich zu der Hypothese, dass zwar das Amylen-
hydrat nach der oben angegebenen Formel zu-
sammengesetzt ist, dass aber das darin enthal-
tene Radical (.'•'* II 7 nicht das des gewöhnlichen
br ungtpropylalkohole, sondern dasjenige des
Propy lenhydrats oder P s e udopmp v lal kohols ist,
1 84 Erlenmeyer 7
dessen relative Constitution durch folgendes Schema ver-
sinn licht wird:
C C C
MeH Me C^ — 3 Gewth. Kohlenstoff Me — Methyl).
Mit dieser Annahme ist es leicht verständlich, wie
das Amylenhydrat resp. Amylen die beobachteten Oxy-
dationsproducte liefern konnte. Die folgenden Gleichun-
gen werden die verschiedenen Phasen, welche die Oxy-
dation des Amylens nach meiner Hypothese durchläuft,
übersehen lassen :
1) C H3 C H3
C3H 7 "• "~" C 3 H 7
Radical Amylen Acetylpseudopropylür *)
2) H3 _ CH3 CH3
C3H7 lU + ° = H O °° + CH3 °°
Essigsäure Aceten
3) CH3 C0 + ° 2 = K^O C0 + CH2 °
4) 0H2O + O2 = CO24. H20.
Jedenfalls scheint mir diese Hypothese mehr im Ein-
klang zu stehen mit den bisherigen Beobachtungen, als
die Anschauungsweise von Wurtz, nach welcher man
weit eher erwarten sollte, dass das Amylenhydrat resp.
Amylen ebenso wie Amylalkohol bei der Oxydation Amyl-
aldehyd und Baldriansäure lieferten, da ja nach Wurtz
die Gruppe C 5 H 10 in dem Amylenhydrat ebenso con-
stituirt ist, wie in dem Amylalkohol. Mit der Anschau-
ungsweise von Wurtz muss man es allerdings als
etwas Ausserordentliches betrachten, dass diese
*) Ich glaube hier nicht unerwähnt lassen zu sollen, dass ich
es unter Verschiedenen Bedingungen versucht habe, dieses
Keton durch Einwirkung sowohl von Natrium als Kalium auf
ein Gemisch von gleichen Molecülen Acetylchlorür und Pseudo-
propyljodür künstlich zu erzeugen. Meine Versuche scheiter-
ten aber an der schon von Freund beobachteten Resistenz
des Acetylchlorürs gegen die Alkalimetalle bei gemässigten
Temperaturen, während höhere Temperaturen unter explosion-
artiger Erscheinung tiefere Zersetzungen herbeiführten.
Eigentümlichkeiten in dem Verhalten des Amylens. 185
Gruppe unter denselben Bedingungen, unter welchen sie
in dem Amylalkohol nicht oder doch nur zum aller-
geringsten Theil zerfällt, in dem Amylenhydrat in ein-
fachere gespalten wird und keine Spur von Baldriansäure
liefert.
Aber doch bin ich weit entfernt behaupten zu wol-
len, dass ich mit meiner Hypothese alle beobachteten
Eigenthümlichkeiten in dem Verhalten des Amylens zu
erklären im Stande sei. Warum das Amylen nicht mit
Schwefelsäure in Verbindung tritt und weit leichter als
das Propylen und Hexylen in polymere Körper verwan-
delt wird, das wird auch mit der Annahme der Gruppe
CMe 2 H vor der Hand nicht verständlich gemacht. Dies
liegt freilich im Wesentlichen daran, dass wir für jetzt
kaum eine Ahnung haben, in welcher Richtung und in
welchem Grade die Eigenschaften analytisch -gleich und
analytisch -homolog zusammengesetzter Körper durch die
Veränderung der Verbindungsweise ihrer Elementarbe-
standtheile zu verschiedenen Radicalen verändert werden.
Dieser Mangel in unserem Wissen macht sich ganz
besonders fühlbar bei dem Studium der Verbindungen,
welche nur Kohlenstoff und Wasserstoff enthalten. Die
neueren Untersuchungen der Kohlenwasserstoffe C n H 2 "
-(- 2 durch Schlorlemmer und derjenigen von der
Formel OH 2n — G durch Fittig und seine Schüler
haben so überraschende Resultate geliefert, dass von
einem Versuche, dieselben zu erklären, erst dann einiger
Nutzen zu erwarten ist, wenn die verschiedenen anderen
Reihen von Kohlenwasserstoffen und deren Umwandlungs-
produete noch besser untersucht sind. Es ist deshalb
wohl auch an der Zeit, die Olefine einem genaueren Stu-
dium zu unterwerfen, zumal da die bis jetzt einiger-
maassen untersuchten Glieder dieser Körperclasse, welche
man als Glieder einer homologen Reihe anzusehen
gewohnt ist, ein den bisherigen Dogmen der Chemie viel-
fältig widersprechendes Verhalten gezeigt haben. Ich er-
innere in dieser Beziehung ausser dem oben angedeuteten
Arch.d. I'liarrn. CLXXIV. Bd«. 8. Hft. 1 3
186 Erlenmeyer,
noch an die Siedepunctsverhältnisse der bis jetzt dar-
gestellten Glykole. Während von dem Amylenglykol
herab bis zu dem Aethylenglykol der Siedepunct für einen
Mindergehalt von je CH 2 um etwa 6 bis 80 höher
wird, erleidet derselbe in dem Hexylenglykol bei einem
Mehrgehalt von einmal OH 2 gegen den Amylenglykol
eine Erhöhung um 30°.
Diese bei homologen Verbindungen bis jetzt einzeln
stehende Ausnahme von der Regel lässt sich nicht wohl
anders verstehen, als indem man annimmt, die bisher
dargestellten Glykole sind nicht Glieder einer homologen
Reihe, sondern sie gehören verschiedenen solchen Rei-
hen an, deren übrige Glieder noch unbekannt sind. We-
nigstens wird der Ausspruch von Wurtz, dass die plötz-
liche Umkehr der Siedepunctsdifferenz bei dem Hexylen-
glykol „eine leicht begreifliche Thatsache sei, da der
Siedepunct dieser Verbindungen mit der Zu-
nahme des Moleculargewichts nicht bis ins Un-
endliche abnehmen könne", nicht von allen Che-
mikern als eine befriedigende Erklärung dieser Anomalie
angenommen werden.
Bei Gelegenheit meines Vortrages machte Herr Prof.
Carius unter anderen die Bemerkung, dass in seinem
Laboratorium Herr Dr. Ladenburg die Beobachtung
gemacht habe, dass sich das Amylen mit Acetylchlorür
zu einer leicht wieder in die Bestandteile zerfallenden
Verbindung vereinige. Ich erwiederte damals schon, dass
auch in meinem Laboratorium Herr Dr. Ernst vor an-
derthalb Jahren Amylen auf Acetylchlorür habe einwir-
ken lassen. Da ich mich der Einzelnheiten nicht mehr
zu erinnern wusste, so will ich jetzt aus dem Notizbuch
des Dr. Ernst Folgendes nachtragen.
Acetylchlorür zeigt in der Kälte keine Einwirkung
auf Amylen, auch nicht beim Kochen mit aufsteigendem
Kühlrohr.
Eigenthümlichkeiten in dem Verhalten des Amylens. 187
Gleiche Gewichte Amylen und Acetylchlorür in zu.
geschmolzenem Rohre 30 Stunden lang bei 100° erhitzt,
lieferten, ohne dass in dem Rohre Druck vorhanden war,
eine Flüssigkeit, welche durch fractionirte Destillation in
eine Portion, die bei 55° und eine solche, die höher sie-
dete, geschieden wurde. -Die letztere hatte keinen be-
stimmten Siedepunct, sondern das Thermometer stieg un-
unterbrochen bis zu 160°, wobei das Gefäss trocken war.
Beim Versetzen desselben mit Wasser schied sich unter
Bildung von Salzsäure und Essigsäure eine aromatisch
riechende Flüssigkeit ab, welche nach dem Trocknen
mit geschmolzenem Chlorcalcium destillirt wurde. Sie
fing bei 50° an zu sieden, das Thermometer stieg aber
unaufhörlich bis 140°. Derselbe Versuch wurde noch
mehrmals wiederholt, eine Portion wurde auch bei 120°
längere Zeit erhitzt, aber in keinem Falle konnte eine
Flüssigkeit von constantem Siedepunct erhalten werden.
Gleichzeitig wurden ähnliche Versuche mit Amylen
und Aethyljodür vorgenommen, die aber zeigten, dass
sich die beiden Körper wenigstens nicht bei der Tempe-
ratur des Wasserbades miteinander verbinden.
Herr Dr. Ernst wurde in diesen Versuchen unter-
brochen, weil er eine Stelle in einer chemischen Fabrik
annahm und ich habe auch bis jetzt diese Versuche nicht
von einem Anderen weiter fortsetzen lassen.
Künstliches Aachener Badesalz.
JÜs vor Kurzem wurde in hiesiger Stadt durch Ab-
dampfen des Wassers der Kaiserquelle das Aachener
Thermalsalz dargestellt, welches schon vor 28 Jahren
von hiesigen Herren Aerzten zu Bädern verordnet wurde,
indem in der Apotheke für jedes Bad auch ein Gläschen
Sohwefelnatriumlösung beigefügt werden musste. Seit
einigen Jahren hat man aufgehört, jenes Aachener Ther-
malsalz anzufertigen, und ist der Vorrath desselben nun
188 Victor Monheim,
vergriffen; dagegen hat man angefangen, ein ganz lös-
liches künstliches Aachener Badesalz zusammen zu mi-
schen, und wurde ich veranlasst, dieses ebenfalls darzu-
stellen. So war es denn meine Pflicht, das Salz auch
so zu liefern, dass die im gehörigen Verhältnisse berei-
tete Auflösung desselben so genau wie möglich dem
Aachener Thermalwasser gleichkommt. Die Frage war
also aufzuwerfen, ob das von Lieb ig publicirte Resultat
seiner Analyse der Kaiserquelle als Norm zur Zusammen-
setzung des Salzes genommen werden dürfe, und musste
ich diese Frage verneinen; denn da die Schwefelbestim-
mungen, wie Liebig dieses auch in einer Anmerkung
auf Seite 6 der hier bei J. A. Mayer 1851 gedruckten
„Chemische Untersuchung der Schwefelquellen Aachens
von Professor Justus von Liebig" angiebt, durch
Herrn Dr. Hasenclever und mich nach der von Herrn
Professor Will vorgeschriebenen Methode ausgeführt sind,
so weiss ich recht gut, dass diese Schwefelbestimmungen
auf mich gar nicht den Eindruck von Genauigkeit mach-
ten. Dieses habe ich aber auch dem Herrn Professor
Will, welcher mit Lieb ig zur Untersuchung der Mineral-
wässer in Aachen war, dessen Unterstützung bei Vor-
nahme der Analysen Liebig Seite 97 des 79. Bandes
der Annalen der Chemie und Pharmacie in der Anmer-
kung zu seinem Aufsatze „Untersuchung der Aachener
Schwefelquellen" gehörig erwähnt, bei Mittheilung der
Resultate ausführlich geschrieben; denn nur selten wird
man bei Anwendung dieser Methode zur Bestimmung des
Schwefels in den Aachener Thermen ein genaues Resul-
tat erzielen, weil eine Titrirung mit Jodlösung in war-
mem Wasser kein genaues Resultat geben kann, man
daher das zu titrirende Wasser zuerst erkalten lassen
muss, wobei sich schon leicht etwas Schwefelnatrium zer-
setzt. Ich war damals auch gerne bereit, den Herren
Professoren Lieb ig und Will die Schwefelbestimmun-
gen nach einer anderen Methode zu liefern, wenn sie
dieses gewünscht hätten, doch haben sie sich mit den
künstliches Aachener Badesalz. 189
ihnen mitgetheilten Resultaten nach der Titrirmethode be-
gnügt.
Ich muss hier freilich hervorheben, dass Herr Dr-
Wings bei drei genauen maassanalytischen (Titrirungs-)
Bestimmungen im Jahre 1862 fast dieselbe Menge Schwe-
fel gefunden hat, wie Herr Dr. Hasenclever und ich
im Jahre 1850. Wir fanden, wenn die Berechnungen
dieser Mittheilung nach den von Fresenius 1864 an-
genommenen Atomgewichten angestellt werden, in 1000
Theilen Wasser der Kaiserquelle 0,00395 Schwefel; Herr
Dr. Wings fand 1862 einmal 0,00384 und zweimal
0,00387 Schwefel in der eigentlichen Kaiserquelle und
0,00394 in der auf dem Büchel vor dem Kaiserbade lie-
genden Quelle, die in den gedruckten Berichten stets
Quelle Nro. 10 genannt worden ist. Nun sagt aber auch
Herr Dr. L er seh Seite 244 seiner im vorigen Jahre er-
schienenen Hydro -Chemie, dass Font an in 1000 Thei-
len des Thermalwassers circa 0,046, und er selbst ein-
mal noch mehr Schwefel gefunden habe. Ferner theilte
Herr Dr. Lersch mir eine Notiz des Herrn Dr. N. P.
Hamberg aus Stockholm mit, wonach derselbe durch
eine Titrirung den Schwefelgehalt in 10000 Theilen des
bis 21,5° R. abgekühlten Wassers zu 0,0518 bestimmte.
Betrachte ich dann noch die verschiedenen Resultate,
welche Mohr Seite 302 seines Lehrbuchs der chemisch-
analytischen Titrirmethode bei den Titrirungen mit Jod-
lösung behufs Schwefelbestimmungen hervorhebt, so konnte
ich meine Ueberzeugung nicht ändern, dass eine neue
Schwefelbestimmung nach der älteren Methode durchaus
erwünscht sei.
Um nun eine neue Gewichtsbestimmung des Schwe-
felgehaltes vorzunehmen, habe ich an der Kaiserquelle
13,25 Kilo Wasser nach der von Lyte empfohlenen Me-
thode sofort mit einer Auflösung von Chlorsilber in un"
terschwefli^saurem Natron nach Zusatz von mehreren
Tropfen Salmiakgeist versetzt. Sp^ccr wurde das gebil-
dete Sehwefekdlber durch rauchende Salpetersäure in
!90 Victor Monheim,
schwefelsaures Silberoxyd verwandelt, welches mit dem
nöthigen Wasser gelöst und mit salpetersaurem Baryt
gefällt wurde. Nach gehörigem Aussüssen des schwefel-
sauren Baryts ergab derselbe ein Gewicht von 0,540
Grammen, die sich auf angegebene Weise aus den 13250
Grammen Wasser der Kaiserquelle gebildet hatten. Da
nun in 116,5 schwefelsaurem Baryt 16 Schwefel vorhan-
den sind, so sind hiernach in 1000 Theilen Wasser 0,0056
Schwefel zugegen, die einem Gehalte von 0,01365 Schwe-
natrium entsprechen.
Aus den verschiedenen Resultaten der Schwefelbestim-
mungen scheint hervorzugehen, dass in der Kaiserquelle
eben sowohl, wie in manchen anderen Schwefelquellen,
der Schwefelgehalt kein constanter ist, und werde ich
die vielen Gründe für diese Annahme anderwärts aus-
einander setzen. Ist man aber genöthigt, einen variiren-
den Schwefelgehalt in der Kaiserquelle anzunehmen, so
versteht es sich von selbst, dass behufs Darstellung des
künstlichen Aachener Badesalzes dasjenige Resultat als
Norm angenommen werden muss, welches den grössten
Schwefelgehalt gegeben hat, weil das Schwefelnatrium im
Bade stets in rascher Oxydation begriffen ist, also mit
jedem Augenblick abnimmt.
In das von Liebig publicirte Resultat der Analyse
haben sich aber auch noch manche andere Unrichtig-
keiten eingeschlichen, die ich vor der Berechnung, wie
das künstliche Salz richtig darzustellen sei, zu ändern
verpflichtet war. So folgt z. B. aus der Bestimmung des
Chlorlithiums (Seite 6), dass 0,0029, und nicht, wie an-
gegeben, 0,00029 kohlensaures Lithion in 1000 Theilen
Wasser vorhanden sind. Ferner ist bei der Chlorbestim-
mung der ganze Niederschlag mit salpetersaurem Silber-
oxyd nach dem Ansäuern mit Salpetersäure als Chlor-
silber berechnet, während er Chlorsilber, Bromsilber,
Jodsilber und Schwefelsilber enthält. Da auch sonst noch
mehrere irrige Annahmen und manche kleine Ungenauig-
keiten im Rechnen in dem durch Liebig der Stadt Aachen
künstliches Aachener Badesalz. 191
mitgetheilten Berichte, der bei J. A. Mayer 1851 in
Druck erschienen ist, vorhanden sind, ebenfalls manche
Atomgewichte eine Aenderung erlitten haben, so musste
ich die Berechnungen aufs Neue machen, und ergaben
diese nun folgende Resultate in 1000 Theilen Wasser
der Kaiserquelle, wobei ich mit Lieb ig den Gang der
Analyse verfolge.
Seite 6, Bestimmung des kohlensauren Lithions.
282 Pfd. = 131900 Grm. Wasser geben 0,442 Grm.
Chlorlithium. Da nun 42,46 Chlorlithium entsprechen
37 kohlensaurem Lithion, so sind in 1000 Th. Wasser
0,00292 kohlensaures Lithion zugegen.
Seite 7, Bestimmung der Schwefelsäure.
2428,58 Grm. Wasser geben 1,626 schwefelsauren
Baryt. Weil in 116,5 schwefelsauren Baryt 40 Schwefel-
säure zugegen sind, so sind in 1000 Th. Wasser 0,22988 Th.
Schwefelsäure vorhanden.
Die Bestimmungen des Chlors und des kohlensauren
Katrons muss ich später folgen lassen.
Seite 8, Bestimmung des schwefelsauren Kalis und Natrons.
a. 607,17 Grm. Wasser geben 0,269 i
b. 910,75 „ „ „ 0,391 f Kalium-
c. 5646,50 „ „ „ 2,410/ platin-
1 chlond.
7164,42 „ n „ 3,070)
1000 Grm. Wasser geben also durchschnittlich 0,42851
Kaliumplatinchlorid. 244,43 Kaliumplatinchlorid entspre-
chen 87,11 schwefelsaurem Kali, folglich sind in 1000 Grm.
Wasser 0,15271 schwefelsaures Kali enthalten, worin
hwofelsäure. Es sind also noch 0,15976 Schwe-
Lure an Natron gebunden zu 0,28357 schwefelsaurem
Natron.
Seite '.', Kieselerde in 1000 Th., wie angegeben,
ßöllj kohlensaure« EiseDOxydul bleibt, wie angegeben,
*92 Victor Monheim,
Bestimmung des kohlensauren Kalks und kohlensauren Strontians.
Diese betragen zusammen die für den kohlensauren
Kalk angegebene Menge von 0,15811 in 1000 Th. Wasser.
Bestimmung der kohlensauren Magnesia.
2125,09 Grm. Wasser geben 0,142 Grm. pyrophosphor-
saure Magnesia, von welcher 111 Th. 84 Th. kohlensaurer
Magnesia entsprechen. Es sind mithin in 1000 Th. Wasser
0,05057 kohlensaure Magnesia (Mg 0, CO 2 ) enthalten,
worin sich 0,02649 Kohlensäure befinden.
Fixe Bestandtheile sind, wie angegeben, 3,9242 in
1000 Th. Wasser. Bei der Bestimmung der organischen
Materie berechnet sich der Verlust auf 1000 Th. Was-
ser zu 0,10344 und 0,10344 — 0,02649 bleibt 0,07695;
da aber beim Abdampfen einer Auflösung von kohlen-
saurer Magnesia nicht neutrale kohlensaure Magnesia
fällt, sondern kohlensaure Magnesia mit Magnesiahydrat,
wovon die constante Zusammensetzung wohl noch nicht
hinlänglich ermittelt ist, so kann es auch nicht richtig
sein, die Kohlensäure der neutralen kohlensauren Mag-
nesia behufs Bestimmung der organischen Materie abzu-
ziehen. Es wird indessen Niemand dem künstlichen Salze
auch die organische Materie des Aachener Wassers zu-
setzen können, daher dieses für die anzustellende Be-
rechnung ohne Bedeutung ist.
Bromnatrium wird angenommen mit Liebig zu 0,0036.
Bestimmung des Jodnatriums: 75300 Grm. Wasser
lieferten 0,048 Jodpalladium, wovon 180 Th. 150 Th.
Jodnatrium entsprechen. Hieraus berechnet sich, dass
0,00053 Th. Jodnatrium in 1000 Th. Wasser zugegen
sind.
Das Schwefelnatrium habe ich, wie oben angegeben,
neuerdings bestimmt zu 0,01365 in 1000 Th. Wasser.
Nun kann die Chlorbestimmung näher betrachtet
werden.
Da dieselbe mit salpetersaurem Silberoxyd nach dem
künstliches Aachener Badesalz. 193
Ansäuern der Flüssigkeit mit Salpetersäure vorgenommen
wurde, so geben auf diese Weise 404,364 Grm. Wasser
einen Niederschlag von 2,616 Grm., bestehend aus Chlor-
silber, Bromsilber, Jodsilber und Schwefelsilber, also 1000
Theile geben 6,46942 Th. dieses Niederschlages. Da nun
0,00360 Bromnatrium geben 0,00657 Bromsilber
und 0,00053 Jodnatrium 0,00083 Jodsilber
und 0,01365 Schwefelnatrium 0,04339 Schwefelsilber,
zusammen also 0,05079 Bromsilber,
Jodsilber und Schwefelsilber,
so werden 1000 Th. Wasser 6,46942 — 0,05079, also 6,41863
Chlorsilber geben, die einem Gehalte von 2,61614 Chlor-
natrium entsprechen.
Hierauf kann die Bestimmung des kohlensauren Na-
trons folgen, wobei ebenfalls verschiedenartige Berichti-
gungen statt finden müssen.
1214,34 Grm. Wasser geben nach dem Einkochen,
Abfiltriren der Erden und des gebildeten Eisenoxydhydrats,
Verdampfen des Filtrats mit überschüssiger Salzsäure und
gelindem Glühen, wobei also alles im Wasser vorhandene
kohlensaure Natron, Bromnatrium, Jodnatrium und Schwe-
felnatrium in Chlornatrium verwandelt wurde, und das
kohlensaure Lithion in Chlorlithium, beim Fällen mit sal-
petersaurem Silberoxyd Chlorsilber 9,995, also 1000 Th.
Wasser Chlorsilber 8,23081
hiervon mussten vermittelst des im Wasser vor-
handenen Chlornatriums gefällt werden Chlorsilber 6,41863
bleiben Chlorsilber 1,81218
Die vorhandenen 0,00292 kohlensaures Li-
thion hatten nach Umwandlung in Chlorlithium
"ben Chlorsilber 0,01132
mithin war die Differenz von Chlorsilber 1,80( >H6
aus dem kohlensauren Natron, dem Bromnatrium
Jodnatrium und Schwefelnatrium entstanden.
Auf angeführte Weise behandelt, geben aber:
194 Victor Monheiniy
Chlorsilber. . . 1,80086
0,00360 Biomnatrium an Chlorsilber... 0,00501
0,00053 Jodnatrium „ „ ... 0,00051
0,01365 Schwefelnatrium an Chlorsilber 0,05020
zusammen Chlorsilber 0,05572
es hatte mithin das kohlensaure Natron gegeben
Chlorsilber 1,74514
woraus die Anwesenheft von 0,64486 kohlensaurem Na-
tron hervorgeht.
Bestimmung des kohlensauren Strontians.
Der Gehalt der Kaiserquelle an kohlensaurem Stron-
tian berechnet Liebig aus dem Verhältnisse des koh-
lensauren Strontians zum kohlensauren Kalk im Sinter.
Bei dieser Bestimmung geht derselbe also von der Vor-
aussetzung aus, dass das Wasser bei der Sinterbildung
die vermittelst freier Kohlensäure gelösten kohlensauren
Salze in demselben Verhältnisse absetze, in welchem sie
im Wasser enthalten sind, welche Ansicht indessen eine
durchaus irrige ist. Dieses geht schon aus der 1849 im
6. Bande Seite 1—23 der Verhandlungen des naturhisto-
rischen Vereins der preussischen Rheinlande und West-
phalens gedruckten Abhandlung: „Ueber die Ablagerung
der verschiedenen am Altenberge bei Aachen vorkom-
menden Galmeispecies und über die künstliche Bildung
des Kieselzinkerzes" hervor, und ist dieses auch neuer-
dings durch einen Versuch des Herrn Dr. Wings aufs
Positivste bestätigt worden. Ich hatte nämlich gesagt,
dass im Absätze eines Wassers, welches kohlensauren
Kalk und eine ganz kleine Menge kohlensauren Zink-
oxyds vermittelst freier Kohlensäure gelöst enthielt, das
Verhältniss des Zinks zum Kalk bedeutend grösser sei
als im Wasser selbst. Die Richtigkeit hiervon wurde
bezweifelt, und Herr Dr. Wings veranlasst, hierüber
einen Versuch anzustellen. Dieser Versuch bestätigte,
dass, wenn das Wasser bis zum Kochen erhitzt und der
dann gebildete Absatz gesammelt wurde, in demselben
viermal so viel Zink im Verhältnisse zum Kalk enthal-
künstliches Aachener Badesalz. 195
ten war als im Wasser selbst. Eine fernere Bestätigung
findet sich Seite 18 der gedruckten Bemerkungen, welche
Herr Dr. L er seh und ich als Mitglieder des städtischen
Bade-Comites der Stadt Aachen „Ueber die Zweckmäs-
sigkeit einer Bohrung im Bereiche der Kaiserquelle zu
Aachen" eingereicht haben. Es muss daher eine neue
Bestimmung des kohlensauren Strontians nach einer an-
deren Methode vorgenommen werden. Für den vorlie-
genden Fall handelt es sich aber nur um äusserst geringe
Mengen desselben, denn da Lieb ig im Sinter der Kaiser-
quelle den kohlensauren Kalk zu 13,46 und den kohlen-
sauren Strontian zu 0,0177 bestimmt hat, so war hier-
nach nur der 0,00131. Theil des zu 0,15811 bestimmten
kohlensauren Kalks und kohlensauren Strontians von letz-
rem vorhanden, mithin war nach Liebig's Bestimmungs-
weise 0,00021 kohlensaurer Strontian und 0,15790 kohlen-
saurer Kalk in 1000 Theilen Wasser zugegen. Dieses
wird für ein Bad von 500 Pfd. Wasser circa 1 Gran
kohlensauren Strontian ausmachen.
Die neue Berechnung ergiebt nun folgende Zusam-
mensetzung der Kaiserquelle in 1000 Th. Wasser:
Chlornatrium 2,61614
Bromnatrium 0,00360
Jodnatrium 0,00053
Schwefelnatrium 0,01365
Kohlensaures Natron 0,64486
Schwefelsaures Katron 0,28357
Schwefelsaures Kali 0,15271
Kohlensaurer Kalk 0,15790
Kohlensaures Lithion 0,00292
Kohlensaure Magnesia 0,05057
Kohlensaurer Strontian 0,00021
Kohlensaures Eisenoxydul 0,00955
Kieselerde 0,06611
Organische Materie 0,07695
4,07927
196 Künstliches Aachener Badesalz.
Das Resultat dieser Berechnung denke ich nun einst-
weilen als Norm zu nehmen zur Darstellung des künst-
lichen Aachener Thermalsalzes, und werde ich 500 Pfd.
Wasser (20 ordentliche Eimer voll) als die zu einem
Bade erforderliche Menge betrachten, bin übrigens stets
bereit, auch zu kleineren oder grösseren Mengen Wasser
das Salz zu verabfolgen.
Sollte später im Bereiche der Kaiserquelle eine Boh-
rung vorgenommen werden, wozu jetzt noch viel drin-
gendere Gründe vorhanden sind, als zu der Zeit, wo
Herr Dr. L er seh und ich eine Bohrung beantragten, so
wird wahrscheinlich ein an Schwefelnatrium und Schwe-
felwasserstoffgas reicheres Wasser zum Vorschein kom-
men, welches dann wohl eine neue vollständige Analyse
erfordern wird. Uebrigens ist im Gemeinderathe die
Frage des Bohrens noch immer nicht zur Sprache ge-
kommen, in dieser Angelegenheit also auch noch kein
Beschluss gefasst worden.
So gut, wie dieses Aachener Badesalz von hiesigen
Apothekern so dargestellt werden kann, dass das Salz
eine gehörige Auflösung giebt, kann auch jedes andere
künstliche Badesalz hier aus den bekannten neuesten
Analysen der verschiedenen Badewässer berechnet und
zusammengemischt werden.
Aachen, den 18. April 1865.
Victor Monheim*).
*) Als Separatabdruck aus der Kur- und Bade-Liste für Aachen
und Burtscheid, Nro. 2. 23. April 1865 vom Hrn. Verfasser
eingesandt. D. Red.
197
II. Waturgescliichte und Pharma-
kognosie.
Ueber die medicinische Bedeutung der Pilze mit
besonderer Rücksichtnahme anf ihre toxischen
und diätetischen Eigenschaften;
von
Dr. Tb. Husemaun,
Privatdocent in Göttingen.
(Fortsetzung und Schluss von Bd. CLXXIV. pag.97.)
Weit grösser erscheint die Bedeutung der Pilze da-
gegen für eine der Arzneimittellehre eng verbundene
Doctrin, für die Nahrungsmitteil ehre, und es ist
nicht daran zu zweifeln, dass entgegengesetzt der retro-
graden Bewegung, welche die medicamentöse Anwendung
der Pilze mit der Zunahme exacterer Kenntnisse über die
Wirksamkeit derselben gemacht hat, sich mit der Fort-
entwickelung unseres Wissens die Benutzung der Pilze
als Nahrungsmittel in hohem Grade steigern wird. Es
sind bis jetzt nur wenige Länder vorhanden, deren ge-
sammte Bevölkerung Pilze zu ihren Mahlzeiten gebraucht.
►Sehen wir von aussereuropäischen *) ab, so finden wir
die ausgedehnteste Anwendung in Russland, wo die Kennt-
niss der einzelnen essbaren Arten sich in den Familien
von Generation zu Generation weiter erben soll. Hier-
auf folgt Frankreich und Italien, in letzterem Lande ist
der Gebrauch schon alt, in der Siebenhügelstadt standen
*) Die Neuseeländer sollen sich Monate lang von einer einzigen
Pilzart, Mylitta tmstralii J'ers. ernähren. PdygtuUr Lampa-
duriuH Fries wird in Amhoina und Cochinchina verzehrt.
198 Husemann,
einzelne Arten zur Zeit der Cäsaren in hoher Achtung *).
Bei den alten Hellenen waren die Pilze weniger beliebt,
doch verspeiste man sie schon zur Zeit das Euripides
hie und da. In England hat man, wie Berkeley mit-
theilt, im Allgemeinen eine Avers