$ft)L \£& * i ^ .1* V >*. *e£4eAL \ i DER PHARMACIE. Eine Zeitschrift des allgemeinen deutschen Apotheker- Vereins. $htijrilmtg jlnrMrnitelilimiL Herausgegeben von I<. Bley und II. IiUfHvig- *■ . ^ *-» XV. Jahrgang. HANNOVER. Im Verlage der Hahn'schen Hofbuchhandlung. 186 5. DER PHARMACIE. fZ3> Zweite Reihe. CXXIH. Band. Der ganzen Folge CLXXIIL Band. 172 - Unter Mitwirkung der Herren Beier, Boehnke- Reich, Geuther, Hallier^ Hörn, Landerer, Löhr, Müdlcr, Meurer, Schlienkamp, Schnitze, Spengler heraus gegeben von Ii. Bley urfcNM. Iiiidwig. Bm .?■ itscltcrliclrsclies Vereins jähr. 59 HANNOVER. Im Verlage der Halm'sehen llofbuchhandlung. 1 8 G 5. •W- o> Inhaltsanzeige. Erstes und zweites Heft. I. Physik, Chemie und praktische Pharmacie. Seite Ueber die Reinigung des Honigs: von Hermann Ludwig.. 1 Ueber die Formeln der Harze der Benzoe; von H. Ludwig 21 Ueber das Verhalten des Siliciumcalciums und Siliciummagne- siums zu Stickgas und über die Oxydationsstufen des Sili- ciums: von A. Geuther 24 Ueber das Nitroglycerin 35 Einige Reactiousversuche auf Alkaloide und Bitterstoffe; von Dr. Schlienkamp 40 Notizen über die Farben der Alten: von Dr. X. Landerer.. 42 Notiz über Magnesit aus Euböa: von Demselben 47 Ueber eine Hyoscyamus-Vergiftung: von Demselben 48 Ueber ein Volksheilmittel: von Demselben 49 Ueber französische und italienische Geheimmittel ; von Dem- selben 50 Ueber eine eigentümliche Geruchsentwickelung; von Demselben 53 Notiz über Weintrester-Bäder 54 Die erste preussische Pharmakopoe 55 II. Naturgeschichte und Pharmakognosie. Die Cultur der China auf Java; von Dr. H. B oehn ke-Reich in Regenwalde 59 Ueber das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit: von Dr. Beicr, erstem Assistenten am Tharander Laboratorium 86 Die neueste Bestimmung der Entfernung der Erde von der Sonne von J. II. M iL d 1 c r 102 Ueber Cypcrus- Wurzeln; von Dr. X. Landerer 108 Pancratium maritimum ; von Demselben 109 Ueber die Knidosis oder Urticatio im Oriente: von Demselben 110 Ueber Erigeron viscosum; von Demselben 111 III. Monatsbericht. Analyse des Mineralwassers von Dinan S. 11. 'J. — Lithion und Strontian im Rheiuwasser, aber weder Baryum, Cäsium, vi InJiattsanzfige. Seite noch Rubidium 116. — Verbrennungen mit Flusssäure 117. — Fabrikationsmethode für Soda, Chlor, Schwefelsäure und Salzsäure 117. ^* Schwefelbestimmung 119. — Ueber einen angeblichen löslichen Jodschwefel. 119. — Reinigung der käuflichen Schwefelsäure von Arsenik und von salpetrigen Verbindungen 119. — Reinigung der Schwefelsäure 121. — Nachweis unterschwefligsaurer Salze 121. — Phosphorspec- trum 122. — Phosphorsesquisulfid 122. — Erfindung des Verkokens 124. — Schwefelkohlenstoff 124. — Einfluss des Schwefelkohlenstoffs auf die Gesundheit 125. — Eigenschaf- ten der Kieselsäure und anderer analoger Colloide 125. — Werthbestimmung der Pottaschesorten des Handels und Analysen derselben 133. — Aetznatron 139. — Neue An- wendungen des Bronikaliums 139. — Darstellung von Brom- kalium, -Lithium, -Calcium und -Magnium 139. — Fluor- silicium- Fluorlithium 141. — Löslichkeit des schwefelsau- ren Barytes, Strontians und Kalkes in Schwefelsäure 142. — Darstellung des Magniums 142. — Feuerfeste Steine aus Magnesit 143. — Alumiumbronze 143. — Ueber das Fär- bende im Smaragd 143. — Vorkommen von Vanadin im Roheisen von Wiltshire 144. — Optische Unterscheidung der Manganoxyd- und der Uebermangansäure- Verbindun- gen 145. — Neue grüne Farbe aus mangansaurem Baryt 146. — Passivität der Metalle 147. — Analyse eines Meteo- riten 153. — Ueber einen Magnetberg 154. — Entfernung des Phosphors aus Gusseisen 154. — Genaue Bestimmung des Eisens 155. — Zusammensetzung des phosphorsauren Eisenoxyds 156. — Nitrocyankobalt 157. — Zahnkitt aus Zinkoxyd und Zinkchlorid 157. — Darstellung des Jodcad- miums 158. — Indium 158. — Spectrum des Thalliums 161. Thallion-Eisenoxyd- Alaun 163. — Giftigkeit des Thalliums 163. — Einfluss des Wasserdampfes auf metallisches Blei und auf Legirungen von Blei und Zinn 164. — Basisch- salpetersaures Wismuthoxyd als Desinfectionsmittel 164. — Reaction auf Antimon 164. — Eigenschaften des auf elek- trischem Wege niedergeschlagenen Antimons 165. — Flam- menreaction auf Kupfer 166. — Löthrohrreaction auf Kupfer 166. — Schwefelkupfer- Schwefelammonium 167. — Quecksilberproduction der Erde 168. — Vorkommen von me- tallischem Quecksilber im Emmenthaler Käse 168. — Metal- lisches Quecksilber in Lintorf bei Ratingen 169. — Re- duction des Chlorsilbers auf nassem Wege 169. — Kalte Versilberung des Glases 169. — Versilberung des Glases auf kaltem Wege 170. — Glasversilberung 172. — Methode Inhaltsanzeige. VII Seite zur Gewinnung der Metalle aus den Platinrückständen 173. — Cyanphosphor 175. — Cyancarbamid und Dicyansäure 176. — Gefahren des Cyankaliums für Photographen 177. Schwefligsaures Trichlormethyl-Chlorür und physiologische Wirkungsweise desselben 177. — Formamid 178. — Alko- holgährung 178. — Quantitative Bestimmung von Zucker, Dextrin und Alkohol im Biere 181. — Einfaches Verfah- ren, geringe Mengen von Alkohol in Flüssigkeiten nachzu- weisen 181. — Reagens zur Entdeckung von Ruukelriiben- alkohol 182. — Concentrirte Gummilösung rasch zu be- reiten 182. IV. Literatur und Kritik . 183 Bibliographischer Anzeiger 189 Erklärung 192 *-~ Drittes Heft, I. Physik, Chemie und praktische Pharmacie. Darstellung eines eiweisshaltigen Fleisch -Extractes auf Grund- lage des kalten Fleisch- Aufgusses nach Lieb ig vom Jahre 1854; von Dr. med. W. Hörn in Bremen 193 Ueber die Einwirkung von salpetrigsaurem Kali auf salzsaures Triäthylamin ; von A. Geuther 200 Ueber die wahrscheinliche Natur der aus den Monocyansäuren durch Alkalien entstehenden Säuren ; von Demselben .... 202 Ueber schwefligsaure Kobalt -Alkalisalze und die Löslichkeit des Kobaltoxydhydrats in concentrirter Kali- oder Natron- lauge; von W. Schultze 20Ö II. Naturgeschichte und Pharmakognosie. Einiges über die physiologische Wirkung des Emser Wassers; von Hofrath Dr. L. Spengler zu Bad Ems 218 Kin Besuch im Zoophyten- Hause des zoologischen Gartens in London 222 Aus dem botanischen Garten zu Breslau 231 Pharmakologische Notizen; von Dr. X. Landerer ... 234 Notiz über Papyrus antiqaomm ; von Demselben 238 Notiz ober Agnat Castus; von Demselben 240 Zu Volk.sheilmitteln im Oriente; von Demselben 241 vm Inhaltsanzeige, Seite III. Monatsbericht. Apparat zur Bestimmung des Alkoholgehalts im Wein, Bier, Most u. s. w. S. 242. — Wirkung der Alkohole auf zusam- mengesetzte Aether 243. — Verhalten des Alkohols im Or- ganismus 245. — Weiugährung 246. 248. — Fabrikation des Vin de Pelle 248. — Champagner -Fabrikation in Un- garn 250. — Bouquet der Weine 252. — Ueber die in den Weinen enthaltenen Aetherarten und einige Veränderun- gen derselben 252. — Bestimmung des Weinsteins, der Weinsäure und des Kalis in Weinen 254. — Krankheiten des Weines 257. — Einfaches Verfahren, echten Rothwein von künstlich gefärbtem zu unterscheiden 260. — Steinerne Weinfässer 261. — Unterscheidung des echten Cognacs von sogen. Facon-Cognac 262. — Essigsäure als Product der weinigen Gahrung 262. — Essiggährung und alkoho- lische Verbrennung 263. — Menge der in dem Branntwein und Weinessig enthaltenen Aether 264. — Bestimmung des Essigsäuregehalts im Weinessig 265. ; — Verhalten von Acetylen zu Brom 266. — Wirkung von Jod und Jod- wasserstoffsäure auf Acetylen 266. — Leichte Darstellungs- methode für Zinkäthyl 267. — Einwirkung von Brom und Jod auf Allylen 269. — Dihydrat des Diallyls 270. — Ein- wirkung des Natriums auf Valeraldehyd 271. — Darstel- lung der Valeriansäure 272. — Valerylen 273. — Vorkom- men von Capronsäure in den Blüthen von Satyrium hirci- nura 274. — Die Hyperoxyde der Radicale organischer Säuren 274. — Prüfung fetter Oele 275. — Verhüten des Ranzigwerdens der Fette 276. — Fett der Gerste 277. — Darstellung der Fettsäuren zur Kerzenfabrikation und Fa- brikation der Seife 278. — Glycerin zur Extraction und Conservation von Aromen 280. — Kirschlorbeerwasser 281. — Synthese des Benzoylchlorürs und der Benzoesäure 282. — Perubalsam 283. — Reduction der salicyligen Säure zu Saligenin 284. — Nitrodracylsäure 284. — Trinitrocressol und Chrysanissäure 285. — Chemische Untersuchung des Muskatnussbalsams 286. IV. Literatur und Kritik 287 Bibliographischer Anzeiger 292 ARCHIV DERJTOMACIE. CLXXIII. Bandes erstes und zweites Heft. I. Physik, Chemie und praktische Pharmaeie. Deber die Reinigung des Honigs; von Hermann Ludwig. JJer Honig wird von den Bienen aus dem Nectar der Blumen bereitet, indem sie diese aufgesaugten Süs- sigkeiten in der sogenannten Honigblase, einer kropf- artigen Erweiterung der Speiseröhre verarbeiten und durch den Mund in die erbauten Wachszellen wieder ablegen. Während der Nectar vorzugsweise gemeinen Zucker (sogenannten Rohrzucker, von der Formel C^ID'O 11 oder C 24 H 22 22 ) enthält, findet sich im frischen Honig vor- züglich ein Gemenge von überschüssigem Syrupzucker (sogenanntem Fruchtzucker oder Linksfruchtzucker = C ,2 H ,2 12 ) und Krümelzucker (sogen. Traubenzucker oder Rechtstraubenzucker = C» 2 H» 2 12 + 2HO), mit Resten von gemeinem Zucker, die jedoch bald verschwinden (in- dem sie intervertirt werden). Ein von den genossenen Pflanzensäften abhängiges Aroma gehört ferner zu den wesentlichen Bestandteilen des Honigs. Im unreineren Zustande enthält der Honig Farbstoff, dessen Natur noch nicht ermittelt ist; eine oder melire stickstoffhaltige Substanzen, die bald als Eiweiss, bald als Case'i'n, bald als Leim bezeichnet werden ; eine oder Arch. d. Pharm. CLXXIII. Bdi. 1 . u. 2. Hft. 1 2 Ludwig, mehre Säuren, unter denen namentlich Milchsäure im gegohrenen Honig sicher nachgewiesen ist. (Nach Phos- phorsäure ist im Honig noch nicht gesucht worden.) Köhnke beobachtete zuerst den Milchsäuregehalt im Honig, Guilbert und Voget einen Mannitgehalt des- selben und Proust einen Gehalt an Gummi und Wachs. Schon Beaume und Cavezzali fanden im Honig etwas wahren Zucker. Nach So üb ei ran findet sich der Rohrzucker häufiger im flüssigen Honig, wie er in den Zellen vorkommt, als in dem ausgelassenen Honig, in welchem er beim Aufbewahren fast ganz verschwindet. Dubrunfaut erkannte zuerst die Umwandlung des Rohrzuckers im Honig durch das stickstoffhaltige Fer- ment desselben in Syrap- und Krümelzucker (welches Gemenge man gewöhnlich als Invertzucker bezeichnet). Dierbach lieferte 1841 (im 76. Bande des Archivs der Pharm.) eine lesenswerthe Abhandlung über das Ge- schichtliche des Honigs. Ueber die bitteren, scharfen und giftigen Bestand- teile manches Honigs ist viel geschrieben, viel gefabelt, aber noch wenig Genaues gearbeitet worden. Am berüch- tigtsten ist jener Honig geworden, nach dessen Genüsse nach dem Berichte des Xenophon jene 10,000 Griechen auf ihrem Rückzuge aus Persien am Pontus erkrankten. Man sieht Azalea pontica oder auch Rhododendron pon- ticum als die Pflanze an, von welcher solcher schädlicher Honig gesammelt werde. Der britische Reisende Keith Ab bot erwähnt in einem Briefe an den Secretair der zoologischen Gesellschaft in London (im Athenäum, April 1835) des Honigs von Trapezunt, den er auch von Aza- lea pontica ableitet, die dort häufig wachse und den herr- lichsten Geruch verbreite. Die Wirkung desselben sei ganz so, wie sie Xenophon beschrieben, wie sie Herr Abbot auch an sich selbst erfuhr. Geniesse man davon nur wenig, so erfolge heftiges Kopfweh und Erbrechen, mit einem Zustande von Trunkenheit; wurde mehr davon Reinigung des Honigs. 3 genossen, so erfolgte Besinnungslosigkeit und ein mehre Stunden lang dauerndes Unvermögen, sich zu bewegen. In Nordamerika hält man (nach Bar ton) die aus den Arten von Azalea und Andromeda, namentlich An- dromeda mariana (Leucothoe inariana) gesammelten Honig- sorten für gefährlich. In New -York erkrankten 1852 zwei Familien in Folge des Genusses eines Honigs, den die Bienen wahrscheinlich aus einer narkotischen Pflanze gesogen hatten. Sein Genuss verursachte im Schlünde ein prickelndes und brennendes Gefühl, starken Ekel, verbunden mit heftiger Affection der Augen. Einige Personen erbrachen sich heftig, eine derselben erblindete vollständig. In den andern Fällen verschwanden die Symptome vollständig nach 10 — 12 Stunden. A. St. Hilaire (Arch. der Pharm. 1826) beobachtete auf seiner Reise in Brasilien, dass der Honig einer da- selbst Lecheguana genannten Wespenart, welchen er mit einem seiner Begleiter genossen hatte, die bedenklichsten Zufälle hervorbrachte. Er vermuthete, dass diese Wespen den Nectar der Paullinia australis gesammelt hatten. Am meisten Beachtung verdieut die Nachricht von S eri nge (im Muste helvetique), nach welcher zwei Schwei- zer Hirten durch Honig, der von Aconitum Napellus und A. Lycoctonum herrührte, vergiftet wurden. Nach dein Zeugnisse Friedriche v. Tschudi (in seinem Thierleben der Alpcnwelt, 1856) ist der Honig der Erdhummeln, von Eisenhüten, Ranunkeln und Ger- mern ( Veratrwu) gesammelt, nicht selten sehr giftig. Hir- tenknaben, beerensuchende Kinder und Wildheuer haben schon allzu oft den flüchtigen Genuss dieses verführeri- schen Labsals mit dem Leben bezahlt. In Uri vergiftete der Genuss des Moosliunnnelhonigs drei Wildheuer, von denen nur zwei durch ärztliche Behandlung gerettet wer- den konnten. (Tschudi.) Nach Sprengel ist der Honig von Mduuitlius major schädlich, berauschend und betäubend. Wie < '< in e i i n (in seiner Flora bcn berichtet; 1* 4 Ludwig, sind die Blumen von Daphne mezereum den Bienen ge- fährlich, ja tödtlich. Die Bitterkeit und Schärfe des sar- dinischen Honigs soll von Daphne Cneorum und die des corsischen Honigs von Nerium Oleander herrühren. Als die Franzosen im Jahre 1807 die hohen und steilen Gebirge, die Spanien von Portugal trennen, durch- zogen und die Armee grossen Mangel an Lebensmitteln litt, assen viele Soldaten Honig von wilden Bienen, der in jenen Gebirgen in Menge gefunden wird; dieser ver- anlasste so heftige Durchfälle, dass viele diesen Zufällen erlagen. Leider haben die Aerzte, welche die Armee begleiteten, nichts über die Pflanzen mitgetheilt, von de- nen die Bienen jenen drastisch wirkenden Honig ein- gesammelt haben mochten. Wenn man sich erinnert, dass bei der Spaltung des Amygdalins neben Zucker auch blausäurehaltiges Bitter- mandelöl entsteht, und dass das ungemein giftige Digi- talin unter seinen Spaltungsproducten auch Zucker ent- hält, so hat das Zusammenvorkommen von Pflanzengiften mit Nectarzucker in gewissen Blüthen und ihr Uebergang in den daraus gesammelten Honig nichts Auffälliges. Auch das alkaloidische Solanin spaltet sich bekanntlich in Zucker und ein neues Alkaloid, das Solanidin. Zum Schluss dieser geschichtlichen Einleitung möge die Erzählung des Claudius Galenus aus Pergamus (131 — 200 n. Chr. Geb.) ihre Stelle finden, dass sein Vater einst einen Vorrath des besten atheniensischen Honigs gehabt habe, der mit der Zeit so bitter geworden sei, wie der von Pontus, wo ihn die Bienen vom Wermuth einsammelten. Sorten des Honigs. Nach der Jahreszeit des Einsammelns unter- scheidet man Frühlings-, Sommer- und Herbsthonig. Nach der Nahrung der Bienen: Lindenblüthhonig oder Lippitzhonig. Von ihm sagt Valerius Cordus: Suavissimum tum gustu, tum Reinigung des Honigs. 5 olfactu e Prussia, Livonia et Lithuania allatum mel quod fere solis Tiliae floribus apes colligunt ; Esparsetthonig, bräunlich, von Hedysarum Ono- brychis ; Buch weizenhonig, bräunlich-grün, von Polygonum Fagopyrum; Haidehonig, von Calluna vulgaris ; Rosmarinhonig von Narbonne, Lavendelhonig der Provence, Melissenhonig von Mingrelien ; Rosenhonig, von wilden Rosensträuchern in Euböa (Landerer); Thymianhonig aus Attika, nicht von Thymus- Arten, sondern von Satureja capitata; diese Pflanze lie- fert die köstlichste alier Honigsorten (Di erb ach). Nach den Ländern: Deutscher Honig, so aus Holstein (hellbraun), Lü- neburg, Franken, vom Oberrhein, aus Steyermark. Friesischer Honig, sehr weiss. Französischer, aus der Bretagne, Champagne, Nor- mandie, Picardie und Provence. Spanischer, weiss; von den Balearen, aus Valencia. Italienischer, römischer, solcher von Bormia. Malteser, rosenroth, flüssig. Dalmatischer und istrischer. G r i e ch i s ch e r , attischer (Mel atticum primatum tenet. Plinim.) Krimischer Honig. Ungarischer (weiss, gelb bis braun). Polnischer, nordamerikanischer und Ila- vannahonig, Insel Cuba. Die arzn ei liehe Anwendung des Honigs ist uralt. Hippokratcs (460—377 vor Chr. Geb.) benutzte Honigwasser und Sauerhonig (Oaymdi), d.i. ein Gemisch aus Honig, Essig und Wasser als innerliches Mittel. Dioscorides (um 50 n. Chr. Geb.) erwähnt schon des abgeschäumten Honigs: Crudum tarnen ventrem in- 6 Ludwig, flat et tussim irritat, quare despumatum utendum est. Primas habet vorn um. Die Würtemberger Pharmakopoe von 1754 lässt Mel despumatum simplex also bereiten : Rec. Mellis libras quatuor, Aquae fontanae uncias octo Ebulliant, despumentur et per pannum colatum mel servetur. Hier ist also auf 6 Theile Honig nur 1 Theil Wasser vorgeschrieben. Eine ähnliche einfache Vorschrift giebt der Hambur- ger Codex von 1845; das spec. Gewicht des Mel despu- matum soll nach demselben == 1,300 sein. Pharmacopoea hadensis von 1841 hat gleiche Theile Honig und Wasser. Geiger löst den Honig in 2 bis 3 Theiien Wasser kalt, lässt an einem kühlen Orte ab- setzen, filtrirt und dampft im Wasserbade ein. So be- halte der Honig seine natürliche Farbe, seinen Geruch und seine Süssigkeit. Ihm folgt das Handwörterbuch der Chemie von Liebig, Poggendorff und Wo hl er 1849 (Bd. IV. S. 911). Das Ausschmelzen des Honigs aus den Wa- ben beschreibt Apotheker Zier; es solle bei 30 — 35° R. geschehen (das Wachs, das gelbe, schmilzt erst bei 61°,8 Celsius). 150 Pfd. W r abenhonig lieferten ihm 110 Pfd. Jungfernhonig, dazu noch 20 Pfd. gereinigten Honig {Mel despumatum) und 5 Pfd. schönes Wachs. (Arch. der Ph. 1829; Bd. 28.) Während der abgeschäumte Honig gewöhnlich durch wollene Spitzbeutel geseiht wird, filtrirt ihn Silier in Petersburg (1842) durch reinen ausgewaschenen Sand, der auf starken leinenen Seihetüchern ausgebreitet wird. Andre, Provisor der Gröbziger Apotheke {Archiv der Pharm. 1842. Bd. 79. S. 368) mengt den Brei von Fliesspapier und Wasser zu dem gekochten Gemisch aus gleichen Theiien Honig und Wasser, rührt gut um, lässt erkalten und filtrirt. Reinigung des Honigs. 7 L. Bley bestätigt die schöne Beschaffenheit des nach Andre's Methode gereinigten Honigs, ebenso Hirsch- berg in Sondershausen und Alb recht Overbeck in Lemgo (1850). Das dazu benutzte Fliesspapier muss weiss, rein und frei von Metallen sein. Herr C. Framm aus Wismar untersuchte 1862 in meinem Laboratorium ein graues Packpapier auf solche Verunreinigungen und fand darin viel Arsenik, Kupfer und Blei, so wie Spuren von Ko- balt. Solches Papier musste eingestampfte Tapeten, die mit Schweinfurtergrün, Bleifarben, Smalte etc. gefärbt waren, enthalten. C. Rump {Archiv der Pharm. 1842. Bd. 82. S.213) empfiehlt, frischen Honig zur Reinigung anzuwenden, da der Honig mit dem Alter (und zwar schon im zweiten Jahre) in Folge beginnender Vermoderung sich bräun«. Rump erklärt sich gegen die Anwendung der Abschnitzel von Papierfiltern zum Honigklären, als gar zu unpharma- ceutisch. Er denkt dabei wohl an den manchmal sehr unsaubern Schnitzelkasten in der Officin, der ausser Pa- pierschnitzeln auch Lederschnitzel etc. enthält. Einen solchen hat Andre wohl nicht im Sinne gehabt. Lesenswerth ist die mit vieler Sachkenntniss ge- schriebene Abhandlung von Otto Köhnke in Garding (im 94. Bde. des Archivs der Pharm., 1845). Nach ihm geben die jungen Bienen weissen Honig, ältere Bie- nen hingegen, deren Nahrung den Blüthen des Buchwei- zens, der Haidekräuter und Zapfenbäume entstammt, geben braunen Honig. Grosse Wärme beim Auslassen und zu starkes Pressen liefern unter allen Umständen einen theil- weise veränderten braunen Honig, von im Schlünde kratzendem Geschmack, weni^ fest und wenig haltbar. Spec. Gewicht des Honigs nach Köhnke: 1,415 — 1,42?, Honig von älteren Bienen (Buchweizen- blüthe), erhärtete nach 4 — 6 Wochen. 1,425 — 1,429, Honig von jungen Bienen, blassgelb bis hochgelb, erhärtete nach 3 — 4 Wochen. 8 Ludwig, 1,422 — 1,430, Haidehonig von älteren Bienen) härter als 1,425 — 1,434, desgl. von jungen Bienen ider vorige. 1,435 — 1,440, Marschhonig (Rapsblüthe, Klee, Vicia Faba) letzterer fast weiss, erhärtete nach 6 — 8 Tagen und hatte dann das Ansehen des Ochsentalgs. Die Aufbewahrung des Honigs geschehe in kleinen hölzernen Gebinden, nicht in irdenen Gefässen, die bei Krystallisation des Honigs leicht zersprengt werden. Nicht jedem Honig ist nach Köhnke's Erfahrung- freie Säure eigen. Der aus mehr denn 50 Bienenstöcken frisch abgelaufene, fast farblose Marschhonig, mit sorg- fältigst bereitetem Lackmuspapier untersucht, ergab keine saure Reaction. Bienenstöcke, zur Tödtung der Bienen, wie es häu- fig geschieht, mit brennendem Schwefel durchräuchert, geben selbstverständlich einen sauer reagirenden Honig. In feuchter Luft zerfliesst der Honig, wird breiartig, schleimig, erleidet die Milchsäuregährung und nimmt in Folge dessen saure Reaction an. Mit Kalkmilch gesät- tigt entwickelt er dann Ammoniak. Nun mit Hefe ver- setzt, gähren gelassen und die gegohrene Flüssigkeit ein- gedampft, liefert sie milchsauren Kalk in Krystallen. In dem flockigen Bodensatze, den man erhält, wenn man mit Wasser verdünnten Honig nach dem Zusätze von etwas Kalilauge kocht, dann mit Essigsäure ansäuert, findet sich nach Köhnke Case'in. Ein gut gereinigtes Mel despumatum muss das spec. Gewicht von 1,30 be- sitzen und bei -f- 8 bis 10<> C. nach längerem Stehen über l l$ seines Volumens reinen Krümelzucker krystallinisch absetzen. (Köhnke.) Auf die Wichtigkeit des spec. Gewichts zur Erken- nung der Güte des Honigs machten schon in den Jahren 1833, 1834 und 1835 Völter und Zeller aufmerksam. Beim Einkauf des Honigs giebt das spec. Gewicht des- selben ein gutes Mittel ab, den Wassergehalt desselben zu entdecken und zu bestimmen, ob er fest werde und haltbar sei. Als Normalgewicht betrachten sie die beob Reinigung des Honigs. 9 achteten spec. Gewichte 1 ; 433 — 1,434. Auch noch bei einem spec. Gew. von 1,430 bis herab auf 1,413 werde der Honig noch bald fest und körnig. Dagegen sei ein Honig mit 1,400 bis 1,390 herab schon zum Verderben geneigt, werde im Winter nicht mehr recht fest, im Som- mer bald schaumig, säuerlich und gehe in Gährung über. (Pharmac. Centralbl. 1834 u. 1835.) Ed. Rebling, Apotheker in Langensalza (Arch. der Pharm. 1851, Bd. 118. S.288; 1858, Bd. 143. S. 282 u. Bd. 144. S. 279) erhielt Krystalle von gemeinem Zucker (Rohr- zucker) aus dem Nectar folgender Blumen: Antirrhinum majuSy Asclepias carnosa, Linaria vulgaris, Gloxinia, Pia- tanthera bifolia, Salvia pratensis, Stachys palustris, Sym- phytum officinale und Trifolium alpestre. (Mehre Exem- plare solcher Nectarcandiskrystalle, ein Geschenk des Herrn Rebling, bewahre ich noch heute in der chemi- schen Sammlung meines Instituts.) Der Nectar der Lin- denblüthen wollte nicht krystallisiren und der Honig gab nur Krümelzuckerkrystalle. Nur ein ganz vortrefflicher Honig aus der Gegend von Langensalza gab scharfkantige, gut ausgebildete Rohrzuckerkrystalle. Nach Rebling ist der Ausdruck: „die Bienen sam- meln Honig" ungenau; sie sammeln vielmehr den flüs- sigen Nectar der Blumen und in demselben vorzugs- weise gemeinen Zucker, verwandeln diesen in der Honig- blase durch Einwirkung der thierischen Wärme, des Ei- weissstoffs und der Milchsäure, welche der thierische Organismus in der Blase erzeugt, in das Gemenge von Krümelzucker, Syrupzucker etc., was wir Honig nennen. Nur während der Blüthe, d. h. während des Actes der Befruchtung scheiden die Pflanzen Süssigkeit in den Nec- tarien ab, weder vorher, noch nachher. Der flüssige tar enthält gegen 12 — 14 Proc. Zucker. Die Kry- stalle des Krümelzuckers sind theils Nadeln, theils rhom- bische sechnseitige Tafeln. Nach Rebling reagirt schon der in den Zellen be- findliche Honig, so wie der beste Jungfernhonig, stets 10 Ludwig, sauer*). Der beste thüringische Landhonig enthält 1 Promille, mittlerer Cubahonig 2 Promille dieser freien Säure. Bei der Destillation aus Glasgefässen enthielt das Destillat nur wenig Essigsäure und Buttersäure, der grösste Theil der Säure blieb im Rückstande und bestand aus Milchsäure. Eine weitere Verunreinigung des Honigs ist das Ei- weiss, von welchem Rebling 1 l 6 Gran in 1 Unze Ho- nig oder 0,35 Promille Eiweiss fand. Ein jeder Honig enthält noch etwas Wachs, welches demselben seinen specirischen Geruch mittheilt, der gar nicht so flüchtig ist, als man insgemein annimmt. Endlich findet sich im Honig etwas Blumen staub, den die Bienen als Hös- chen eintragen. Bester Honig enthält davon gegen 0,41 Procent. Aus einem mit 3 bis 4 Theilen Wasser ver- dünnten Honig scheidet sich der Pollen ab und ist im Bodensatze durch das Mikroskop zu erkennen. Rebling zweifelt an der Existenz giftigen Honigs (nach dem oben Gesagten wohl mit Unrecht). Zu den im Obigen mitgetheilten Reinigungsmethoden des Honigs: I. Durch einfache Behandlung mit kaltem oder mit heissem Wasser, kommen noch die folgenden, bei denen mancherlei Zusätze gemacht werden: II. Die Reinigung mit Eiweiss. Sie wird empfohlen: 1) vom Apotheker Funcke in Linz am Rhein (Arch. der Pharm. 1824, Bd. 7. S. 215). *) Hinsichtlich der Reaction des frischen Honigs bin ich nicht der Ansicht des Herrn Rebling, sondern muss derjenigen des Herrn Köhnke beistimmen. Frischer Jungbienenhonig, welcher mir am 10. August 1864 von meinem Bruder Fried- rich Ludwig aus Greussen gesendet wurde (noch in den Waben befindlicher, von seinen eigenen Bienen gesammelter) war fast farblos, reagirte in kalt bereiteter wässeriger Lösung gegen empfindliches Lackmuspapier neutral, gab beim Kochen keine Gerinnung, keine Trübung mit Gerbsäure, Salpetersäure, AgO, NO 5 — BaCl und Bleiessig. Nur mit einer bis zur Farblosigkeit verdünnten Eisenchloridlösung färbte er sich gelb. H. Ludwig. Reinigung des Honigs. 11 Man vermengt den Honig mit dem Eiweiss, bringt ihn in Fässer oder Holzkübel, leitet aus einer Destillir- blase Wasserdampf hinein, schäumt ab und lässt im Fasse klären. 2) Veling, Apotheker in Hillesheim (Archiv der Pharm. 1844, Bd. 90. S. 155) nimmt 1 Eiweiss auf 5 Pfd. Honig, der mit etwas Wasser verdünnt ist; nach dem Aufkochen und Abschäumen kommt die Flüssigkeit in ein aufrecht stehendes Fässchen, mit Hahn 2 bis 3 Zoll über dem Boden, bleibt darin im Keller 6 bis 8 Wochen ruhig stehen, nach welcher Zeit sich alle Unreinigkeiten abgelagert haben. 3) Brunner in Gnesen (Arch. der Pharm. 1856, Bd. 135. S. 20) nimmt gleiche Theile Honig und Wasser und auf 1 Ctr. Honig das Weisse von 30 bis 40 Eiern. Mel americanum über Lübeck bezogen erklärt er für anwend- bar. {Pharm, boruss. ed. VII. sagt bekanntlich: rejicia- tur, quod ex America ad nos adfertur; die Hannoversche Pharmakopoe 1861 führt nur an, dass man im Handel Landhonig und westindischen oder Cubahonig unter- scheide; letzterer sei gemeiniglich weisser und weniger aromatisch). Auch Brunner empfiehlt die Aufbewah- rung des Mel despumatum in einem Fässchen mit hölzer- nem Krahn. 4) Ernst Ungewitter, Apotheker zu Breisig am Rhein (Arch. der Pharm. 1857, Bd. 142. S. 298) nimmt auf 1 Th. Honig !/ 3 bis */ 2 Th. Wasser, setzt eine entspre- chende Menge von zu Schaum geschlagenem Eiweiss zu ; kocht ohne Umrühren nur einmal auf und colirt. Alles Eindampfen muss vermieden werden, wenn der Honig seine Eigentümlichkeit behalten soll. 5) Pharmacopoea Kniversalis von Geiger und Mohr (1845). Sie lässt auf 12 Pfd. guten rohen Honig 4 Pfd. Wasser und das zu Schaum geschlagene Weisse von 4 Hühnereiern nehmen. Die Arbeit geschieht im Zinn- kessel, diM Filtriren durch ein wollenes Colatorium. Das Präparat soll hellgelb sein, nicht braun, nicht branstig 12 fc Ludiuig, schmecken, nicht sauer reagiren. ■ Würde die Säure des Honigs mit Kreide abgestumpft, so wirke das Präparat wegen gebildeten milchsauren Kalks abführend. 6) Die Pharmakopoe für das Königreich Han- nover (1861) schreibt vor: 24 Unzen rohen Honig, 48 Unzen Wasser und 1 Eiweiss kalt zu mischen, im ver- zinnten Kessel aufzukochen und bis zur Klärung gelinde sieden zu lassen, durch ein wollenes Colatorium zu sei- hen und im Wasserbade zur dünnen Syrupsconsistenz ab- zudampfen. Met despumatum solle hellgelb bis hellbräun- lich sein und mit Wasser gemischt sich nicht trüben. 7) Theodor Wilhelm Chr. Martius, Apotheker in Erlangen (Buchner's Repert. 1835) kochte 1 Th. Land- honig mit 4 Th. Wasser, fügte für jede 4 Pfd. Honig 1 zu Schaum geschlagenes Eiweiss hinzu, Hess 12 Stunden absetzen, filtrirte, ohne den flockigen schleimigen Satz aufzurühren, durch wollene Colatorien und dampfte ein. 8) Apotheker Schmidt zu Ebern (Buchner's Repert. 1836) findet 4 Th. Wasser auf 1 Th. Honig zu viel; man habe dann zu lange abzudampfen. 9) Auch Blut ist zur Reinigung des Honigs empfoh- len worden wegen seines Eiweissgehalts, hat aber wohl wenig Anwendung gefunden. III. Reinigung mit Pflanzenkohle. 1) Gustav Cerutti (Berl. Jahrb. Bd. 22. S. 366) nimmt auf 30 Pfd. Honig 30 Pfd. Wasser, 3 Pfd. gröb- lich gestossene, vom Staub befreite Holzkohle und das zu Schaum geschlagene Weisse von 24 Eiern und nach dem Aufkochen und Abschäumen nochmals 12 Eiweiss u. s. w. (!) 2) Dr. Geiseler (Arch. der Pharm. 1840, Bd. 83. S. 226) nimmt gleiche Theile Wasser und Honig und für jede 2 Pfund des letzteren 1 Unze gröblich gepulverte Holzkohle. 3) Die 6te Ausgabe der Preuss. Pharmako- poe (1846) und auch die 7te (1862) schreibt die Pflan- Reinigung des Honigs. 13 zenkohle zur Honigreinigung vor. Auf 50 Th. besten rohen Honig sind 100 Th. gemeinen Wassers und 1 Th. frisch geglühter, gröblich gepulverter, von ihrem feinen Pulver befreiter Holzkohle zu nehmen. Das Gemisch aus Honig und Wasser wird im Zinnkessel eine Stunde lang unter Vermeidung des Aufwallens fast auf 100° C. erhitzt, in einem irdenen Gefässe über Nacht an einem kalten Orte stehen gelassen, die Kohlenstückchen nun zugemischt, die Flüssigkeit durch einen wollenen Spitzbeutel filtrirt, das Filtrat im Dampfbade zur Syrupdicke gebracht und nochmals colirt. E. G. Hornung und L. F. Bley (Arch. der Pharm. 1847, Bd. 50. S. 44) finden keinen triftigen Grund, wes- halb die Preuss. Pharmakopoe (6te Aufl.) den Havanna- honig verwerfe. Bekanntlich verwirft auch Ed. VII. die- ser Pharmakopoe solchen Honig. Apotheker und Medicinal -Assessor Wilms in Mün- ster (Arch. der Pharm. 1855, Bd. 133. S. 154) empfiehlt und giebt an citirter Stelle die Abbildung eines Syrup- probers (ein birnförmiges kurzspindeliges Aräometer aus Glas mit eingeschmolzenem Bleischrot), um Mel despuma- tum zum richtigen spec. Gewicht von 1,293 bei 14° R. zu bringen. 4) Apotheker Krauthausen in Epe (Arch. d. Pharm. 1857, Bd. 139. S. 42) benutzt bei 16 Pfd. Honig und 20 Pfd. Wasser 2 Unzen gröblich gepulverter Lindenholz- kohle, da Meilerkohlen von hartem Holze keine genü- gende Klärung bewirken. Sowohl Krauthausen als Wilms geben ihre Aus- beuten an Mel despumatum an den citirten Orten an; sie beträgt bald etwas weniger, bald etwas mehr als die zur Reinigung genommene Menge des rohen Honigs. IV. Reinigung mit Thierkohle. 1) Sie wurde zuerst von Bartholomäus Tromms- dor ff (N.Journ. der Pharm. 1824) empfohlen. 20 Pfund brauner Ilaidehonig, eben so viel Wasser und 1 Pfund 14: Ludioig, gepulverte Thierkohle werden 2 Stunden lang gelinde gekocht und die Flüssigkeit durch wollene Spitzbeutel ge- seiht. Zur Entfernung einzelner feiner Kohlentheilchen wird mittelst des Weissen von 2 Eiern geklärt. 2) C. M. van Dyck, Apotheker in Utrecht (Arch. der Pharm. Bd. 14. S. 129; sodann Arch. der Pharm. 1841, Bd. 76. S. 225) nimmt auf 1 Th. Honig 2 Th. Wasser und J / 4 Th. Beinschwarz. Der braune Honig verliert sei- nen unangenehmen Geschmack und Geruch und wird citronengelb. 3) Münch (Jahrb. für prakt. Pharm. VIII. pag. 237, daraus im Arch. der Pharm. 1845, Bd. 91. S. 188) nahm auf 17 Pfd. Honig 7 Pfd. Wasser, 1 Pfd. Ebur ustum und 6 Eiweiss. Er erhielt so 17 — 18 Pfd. krystallhelles Mel despumatum von starkem Honiggeruch und weingelber Farbe. Die Redaction des Archivs (Bley und Wacken- roder) bemerkt hierzu, dass man eine Prüfung eines so gereinigten Honigs auf Gehalt an phosphorsaurem Kalk nicht unterlassen solle. 4) Otto Köhnke (in der citirten Abhandlung aus dem Jahre 1845) nimmt auf 10 Pfd. Honig 5 Pfd. Was- ser und 1 Pfd. Thierkohle in erbsengrossen Stücken, vom feinen Pulver sorgfältigst getrennt, erwärmt bei 50 — 60° Gels. 24 — 36 Stunden lang, erhitzt dann 1 — 2 Minuten lang zum Sieden, giesst aus dem kupfernen, gut verzinn- ten Kessel in ein irdenes Gefass, stellt 6 — 8 Tage bei Seite, giesst das Klare durch ein wollenes Colatorium, mit der Vorsicht, den Bodensatz nicht aufzurühren. Zur Prüfung giesst man 1 — 2 Drachmen des Präparats in 4 — 6 Unzen Wasser ; gut gereinigtes Mel despumatum wird sich damit ohne Trübung mischen und keine Flocken absetzen. 5) Dr. Friedrich Mohr (Commentar zur Preuss. Pharmakopoe, 1854) hält die Behandlung des Honigs mit Holzkohle, Blutkohle oder Knochenkohle für zwecklos, da die Entfärbung des Honigs dadurch nur unbedeutend Reinigung des Honigs. 15 und die Entfernung des Geruchs eine Zerstörung einer seiner wesentlichsten innewohnenden Eigenschaften sei. 6) Wilms (Arch. der Pharm. 1855, Bd. 133. S. 155; 1857, Bd. 139. S. 40) wendet bei Honig, der nach der gewöhnlichen Methode mit Holzkohle nicht klar werden will, auf 10 Pfd. des Honigs 1 — 2 Unzen gröblich gepul- verte Thierkohle (Knochenkohle, wie sie zur Zuckerraf- finerie verwendet wird) mit gutem Erfolge an. V. Reinigung mit Gerbsäure oder Galläpfeln. 1) Die Reinigung des Honigs durch Galläpfelaufguss empfahl zuerst Menegazzi. 2) Cenedella fand bei Wiederholung von Mene- gazzi 's Versuchen, dass dieses Mittel unzweckmässig sei, indem Antheile von Gerbstoff und Gallussäure im Honig bleiben, wodurch dieser die Fähigkeit erhalte, Arznei- mittel, welche Brechweinstein enthalten, zu zersetzen. (Journ. deChim.med. Sptbr. 1832. p.568; Centralbl. 1832, p. 749; Arch. der Pharm. 1841, Bd. 76. S. 227.) 3) Apotheker "Strauch in Petersburg vertheidigt (Jahresbericht der pharmac. Gesellschaft zu St. Petersburg 1836, S. 47; Centralblatt 1837, S. 629) Menegazzi's Me- thode. Auf 40 Pfd. Honig nimmt er 80 Pfd. Wasser und 3 Drachmen gestossene Galläpfel, lässt aufwallen, dann erkalten. Die Unreinigkeiten sitzen alsdann als Flocken am Boden. Man dampft die klar abgegossene Flüssigkeit im Wasserbade ein. Falls noch etwas Gerb- säure im Honig zurückgeblieben sein sollte, so müsse man etwas Leimlösung hinzufügen, die dann das über- schüssige Tannin fälle. Auch narkotische und giftige Stoffe würden dabei durch den Gerbstoff gefällt. (Ein sehr glücklicher Gedanke. Ludwig.) 4) Apotheker F. E. Schultz in Rehna (Archiv der Pharm. 1863, Bd. 124. S. 113) nimmt auf 8 Pfd. Mel cru- dum und 6 Pfd, RegenWMBer l/ a Unze gröblich gestos- sene Galläpfel. 16 Ludwig j 5) Dr. Fr. Mohr (Commentar 1854) schreibt auf 2 Pfd. Landhonig 3 Pfd. Wasser und 1 — 1 */ 3 Scrupel feines Galläpfelpulver vor. 6) Wilms macht (1855 und 1857, Arch. der Pharm. P>d. 139. S. 39) mit Recht darauf aufmerksam, dass bei aller Unschädlichkeit weder der von Dr. Fr. Mohr und Andern empfohlene Gerbstoff, noch der von Ho ff mann (Notizen 1855, No. I. S. 13) empfohlene Leim in den ge- reinigten Honig gehöre, da bei aller Vorsicht ein Ueber- schuss des einen, wie des andern kaum vermieden wer- den könne. Wilms hat bei Apothekenrevisionen gefun- den, dass der mit Tannin gereinigte Honig in der Regel mit Eisensalzen Tinten -Reaction gebe. (Auch mir ist bei mancher Revision ein solcher gerbsäurehaltiger Honig vorgekommen. Ludwig.) Nach Wilms ist es -nicht schwer, Honig zu finden, dessen Lösung erhitzt und filtrirt, durch Gerbsäure nicht gefällt wird, der also frei von sogenanntem Case'in ist. (Der von freien Stücken aus den Waben geflossene Honig giebt überhaupt mit Tannin keinen Niederschlag. Ludwig.) Der durch schwaches Erwärmen und gelindes Pres- sen gewonnene Honig giebt mit Tannin nur schwache Fällung. Nach Wilms muss der vielbesprochene sogenannte natürliche Leimgehalt des Honigs dem thierischen Safte der in den Waben noch befindlichen Bienenlarven zugeschrie- ben werden. Schlecht filtrirender Honig ist immer durch warmes und starkes Pressen erhalten. Neutral reagiren- der Honig wird nach ihm durch Thierkohle nicht kalk- haltig. 7) Apoth. Hoff mann in Crefeld (Arch. der Pharm. 1856, Bd. 137. S. 151) giebt zu, dass der nach Mohr mit Gerbsäure gereinigte Honig häufig auf Eisensalze reagire. Deshalb versuchte er, die Gerbsäure mit Leim zu fällen, und mit günstigem Erfolge. Hoffmann empfiehlt Mohr's Hochdruck-Colatorium Reinigung des Honigs. 17 (eine Verbindung des Spitzbeutels mit der Real'schen Presse), ausserdem noch den Andre'schen Papierbrei. Mohr empfahl ausser seinem Hochdruckülter das Du- blanc'sche Schnellfilter oder ein gewöhnliches Faltenfil- trum aus ganzen Bogen eines weissen, leicht durchlassen- den Papiers. Wilms stellt den Nutzen des Hochdruck- filters nicht in Abrede, erklärt aber, nie zu complicirte- ren Geräthen zu greifen, wenn er mit einfachen Mitteln denselben Zweck eben so leicht und vollständig erreichen könne. VI. Reinigung durch Leim allein. Eine solche empfahl Widemann (Buchner's Repert. 1835, Bd. IV. S. 239). 12 Pfd. roher Honig, eben so viel Wasser und r 2 Quentchen in kleine Stücken zerschnit- tene Hausenblase, welche zuvor über Nacht in etwas Wasser eingeweicht worden ist, werden einige Zeit stark gekocht, abgeschäumt und colirt. Auch mit Caragheen- algen hat man versucht, den Honig „zu reinigen". VII. Reinigung durch kohlensauren Kalk. Apotheker Schmidt in Ebern (Buchner's Rep. 1836, Bd. VI. S. 94) lässt 9 Pfd. (bürgerl. Gew.) rohen Honig, 3 — 3^2 Pfd. Wasser und 9 Unzen nicht zu fein gepul- verte Eierschalen (statt deren auch Knochenkohle dienen könne) wegen des starken Schäumens in einem geräumi- gen Kessel bei gelindem Feuer kochen. Das Colirte wird mit dem Weissen von 3 — 4 Eiern geklärt. Kreide sei wegen feiner Zertheilung hierzu untauglich. Solcher Honig gab mit Oxalsäure nur geringe Trü- bung. (Es fehlt nur noch das Eigelb, dann hat man die ganzen Eier als Reinigungsmittel!) VIII. Reinigung durch Kalkwasser. Einer solchen redet Rebling (Arch. der Pharm. 1858, VA. U3. S. 282 und Bd. 111. S. 279) das Wort und zwar in Verbindung mit Gerbsäure angewendet. Auf 1 Pfd. Honig a W> Unzen 1 Pfd. gewöhnliches kalkhaltiges Brunnenwasser Arch. d. Pharm. CLXXIII. Bdfl. l.u.2. HfU 2 18 Ludwig, und 4 Gran feingepulverten Gallus. In die kochende Mischung giebt man so viel Kalkwasser, dass die Säure abgestumpft wird (auf 1 Unze Honig etwa */ 2 Unze Kalk- wasser). Ein Ueberschuss des Kalkwassers verändere die Zuckerarten des Honigs und sei zu vermeiden. IX. Reinigung mittelst Magnesia carbonica. Apotheker Jonas in Eilenburg empfahl (im Archiv der Pharm., 1845, Bd. 92, S. 132) eine solche für ame- rikanischen Honig und benutzte nebenbei auch gepul- verte Holzkohle. X. Reinigung mittelst Säuren. 1. Französische Pharmaceuten haben sich der Sal- petersäure bedient, um das Eiweiss des Honigs abzuson- dern (Dierbach, Arch. der Pharm. 1841, Bd. 76. S.228). 2. Funcke, Apotheker zu Linz am Rhein (Arch. d. Pharm. 1824.) behandelte Honig versuchsweise mit ver- dünnter Schwefelsäure (wie man bei der Bereitung des Stärkezuckers verfährt). Der Honig wurde dabei noch mehr zersetzt (brauner gefärbt) als beim Kochen für sich, aber er wurde süsser. 3. Durch schwefligsaures Gas wird nach Funcke der Honig gleich dem Birnensaft zerstört und behält den schwefligen Geruch bei. Darf ich schliesslich meine eigene Ansicht ausspre- chen, so geht diese dahin, zur Bereitung des zu medi- cinischen Zwecken dienenden Mel despumatum nur des besten Landhonigs sich zu bedienen, denselben mit wenigstens gleichen Theilen des reinsten Quellwas- sers, was am Orte ist, bei Siedehitze aufzulösen, die kurze Zeit gelinde im Sieden erhaltene Flüssigkeit ab- zuschäumen, in ein passendes hohes Gefäss zu giessen, darin bei Kellertemperatur zugedeckt so lange stehen zu lassen, bis sie sich völlig geklärt hat, dann vom Boden- satze abzugiessen und diesen noch auf ein Filter zu bringen (nöthigenfalls vorher noch etwas mit Wasser zu Reinigung des Honigs. 19 verdünnen). Sämmtliche Flüssigkeiten werden im Was- serbade zur gehörigen Consistenz gebracht. Die eiweiss- artigen Stoffe des Honigs werden hierdurch zum Gerinnen gebracht und setzen sich in der nicht zu dünnen Flüssig- keit in kurzer Zeit als feiner Schlamm zu Boden, der die Filter verstopfen würde, wollte man ihn gleich anfangs auf dieselben bringen. Dieser Schlamm schliesst die etwa vorhandenen Wachstheilchen und Pollenkörnchen in sich ein. Eine Gährung der süssen Flüssigkeit hat man nicht zu befürchten, wenn die Temperatur 10° C. nicht übersteigt. Will man obendrein mittelst Eiweiss klären, so kann dagegen nichts eingewendet werden, da dieses nur sehr wenig beträgt im Verhältniss zum Honig und die Men- gen freien Alkalis und Kochsalzes des Eiweisses gegen die Bestandtheile des Quellwassers verschwinden, dessen geringer Kalkgehalt hier ebenfalls ohne Nachtheil sein wird. Anders ist es schon mit dem Zusatz von Blut, we- gen dessen grösseren Salzgehaltes. Der Zusatz von Kalkwasser ist ganz verwerflich, weil die beiden Zuckerarten des Honigs (sowohl der Krü- mel- als der Syrupzucker) unter Einfluss freier Alkalien und Erdalkalien eine Veränderung, ähnlich der bei der Röstung erleiden, die sich durch Entwickelung eines brenz- lichen Geruches und Bildung brauner, bitter schmecken- der Producte zu erkennen giebt. Der gleiche Vorwurf trifft selbst die Magnesia, welche obendrein dem Honig ihre eigenen medicinischen Wirkungen verleihen muss. Die Thierkohle enthält neben dem phosphorsauren Kalk auch etwas kohlensauren Kalk, gewisse Mengen von phosphorsaurem Natron und Kochsalz, abgesehen von sonsti- gen Unreinigkeiten des sogen. Ebur ugtum. Die von der vinnung des Zuckers aus Kunkelrüben hergenommenen Analogien der Anwendung des Kalks und der Knochen- kohle passen nicht auf den Honig, denn während die Lösung des gewöhnlichen Zuckers durch Kalk nicht ver- ändert, durch Thierkohle aber entfärbt wird, erleidet der 2* 20 Ludwig, Reinigung des Honigs. Zucker des Honigs durch Kalk eine Veränderung und der Honig selbst durch Thierkohle eine Entfärbung, die gar nicht zum Wesen der Honigreinigung gehört. Der Gerbsäure ist sehr das Wort geredet worden und sie verdient es auch, dass man sie beachte, da sie ein allgemeines Fällungsmittel von Eiweißsstoffen (Albu- min, Case'in), Leimstoffen, Alkaloiden, Bitterstoffen etc. ist. Man sollte sie aber nur als reines Tannin und nicht in Form von Galläpfeln anwenden, weil diese auch Gal- lussäure, Extractivstoffe etc. enthalten, welche ihrerseits den Honig verunreinigen, wenn selbst alle Gerbsäure wieder abgeschieden worden wäre. So lange die gesetz- lichen Vorschriften darüber schweigen, gehört aber die- ser Zusatz zu den bedenklichen, weil für den Fall eines Rückhalts an Gerbsäure Eisenmixturen mit solchem Ho- nig sich schwärzen, Brechweinsteingemische sich zer- setzen etc. Durch Leim den Gerbsäuregehalt wieder zu entfernen, heisst die Kirche ums Dorf tragen, indem man erst die Leimstoffe entfernt, um sie später wieder hinein- zubringen. Doch gebe ich zu, dass es Künstler giebt, die solche Reinigung auf die Spitze treiben können. Was der Leim allein aus dem Honig abscheiden soll, ist mir nicht klar geworden. Die geringe Menge von Pflanzenkohle, welche zur officinellen Reinigung des Honigs vorgeschrieben, ist ziem- lich unbedenklich, was die Entfernung der Geruchsprin- cipien desselben betrifft; in der Theorie jedoch bleibt ihr Zusatz verwerflich, weil gerade der Geruch eines treff- lichen Honigs etwas Wesentliches auch bei einem „ge- reinigten" Honig ausmacht. Die sogenannten Reinigungen des Honigs mit Säuren habe ich bloss des historischen Interesses wegen erwähnt; für die Praxis bleiben sie bedeutungslos oder geradezu verwerflich. Anwendung der Abfälle von der Honigreinigung. Brandes schlug vor, die Schaumabfälle und den schlammigen Absatz zur Essigbereitung anzuwenden ; Ludwig, die Harze der Benzoe. 22 Helmts empfahl sie zur Weingeistgewinnung und Funcke den kohlenhaltigen Schaum zur Bereitung von Stiefelwichse (in gleicher Weise, wie Dr. Fr. Mohr den Syru-pus liol- landicus; vergl. dessen Commentar zur preüss. Pharm. 2. Aufl. 2. Bd. S. 357). Ueber die Prüfung des Honigs hat Lassaigne (Journ. de Chim. med., 1844; daraus im Arch. der Pharm. 1846, Bd. 95. S. 63) Angaben gemacht. Man behandelt denselben mit starkem Weingeist ; beigemischter Leim oder Dextrin, Pflanzenschleim, Stärkemehl und gewöhnliches Mehl bleiben ungelöst. Zusatz von Stärkezucker erkennt man an der gleichzeitigen Anwesenheit von Gyps, von welchem namentlich der dextrinhaltige rohe Stärkezucker- syrup selten völlig befreit worden ist. Auf einen Kupfer- gehalt des Honigs hat man ebenfalls zu prüfen, besonders dann, wenn solcher Honig zur Fütterung von Bienen ver- wendet werden soll. Ueber die Formeln der Harze der Benzoe; von H. Ludwig. Die Benzoe, Resina henzoes, wird von dem auf Borneo, Java und Sumatra wachsenden Baume Styrax Benzoin gewonnen, aus dessen Stamme und Aesten sie balsamartig ausfliesst und später erhärtet. Sie gelangt in grossen spröden Harzstücken zu uns, deren Bruch ein Gemenge von braunen, rothen und weissen Körnern zeigt, die zuweilen mandelartig erscheinen (Benzoe amygdaloi- des). Auf dem Bruch ist die Benzoe fettglänzend. Spec. Gew. 1,063 bis 1,002. Sie riecht beim Zerstossen vanilleähnlich, schmeckt scharf balsamisch und löst sich mit Hinterlassung von etwa beigemengten Rindenstückchen in Alkohol. Als Bestandteile der Benzoe kennt man 4 verschie- dene Harze, ferner Benzoesäure (nach Kopp gegen 14 Proc, nach Stoltze gegen 18 Proc), zuweilen etwas Zimmt- 22 Ludwig, säure (Kolbe), etwas Extractivstoff und Spuren äthe- rischen Oeles. Kocht man nach Unverdorben fein gepulverte Benzoe mit überschüssigem kohlensauren Kali und Wasser, so lösen sich Benzoesäure und ein kleiner Theil Harz (Gammaharz). Salzsäure fällt beide aus die- ser Lösung, kochendes Wasser entzieht dem Niederschlag die Benzoesäure und lässt das Gammaharz zurück; das- selbe ist schwach elektro-negativ. Der in wässerigem kohlensauren Kali unlösliche Theil der Benzoe giebt an Aether das Hauptharz (das Alpha- harz) ab, während ein nur im Weingeist lösliches Harz (das Betaharz) zurückbleibt. Beide Harze sind in Am- moniak unlöslich, aber löslich in Aetzkalilauge. Die Menge des Alphaharzes beträgt nach E. Kopp 48 bis 52 Proc, die des Betaharzes 25 bis 28 Proc, die des Gammaharzes nur 3 bis 3,5 Proc. Ausserdem rindet sich nach ihm noch ein Deltaharz von brauner Farbe zu 0,5 bis 0,8 Procent in der Benzoe. Das Alphabenzoeharz, durch längeres Erhitzen von anhängendem Aether und ätherischem Oel befreit, ent- hält nach Mulder und van der Vliet C = 72,77 bis 72,96, H = 6,88 bis 7,25 und O = 19,79 bis 20,35 Pro- cent, woraus sie die Formel C 70 H 42 O 14 entwickeln, welche auch == C30H21O5 -f OOH2109 geschrieben werden kann, d. h. als eine Verbindung von Betaharz C 40 H 21 O 9 mit Gammaharz C 30 H 21 O 5 . Kocht man nämlich nach van der Vliet die Benzoe hinreichend lange und wiederholt mit wässerigem kohlensauren Kali, so erhält man zuletzt kein durch Aether aus den ungelösten Rückständen anzieh- bares Alphaharz mehr, während dafür grössere Mengen von Betaharz unlöslich geblieben sind und Gammaharz in Lösung gegangen ist. Das Betaharz enthält nach Mulder C = 72,77, H = 6,88 und O = 20,35 Procent, nach van der Vliet 71,50 bis 72,15 Proc. C., 6,24 bis 6,73 Proc. H und 21,61 bis 22,15 Proc. O. Das Gammaharz enthält nach Mulder C = 75,17, die Harze der Benzoe. 23 H = 8,57 und O = 16,26 Procent und nach van der Vliet C = 75,01 bis 75,16, H = 8,35 bis 8,54 und O = 16,45 bis 16,49 Procent. Nach Johnston hat das durch Kochen mit kohlen- saurem Kali und Wasser von Benzoesäure und löslichem Harz befreite, mit Wasser gewaschene und durch Be- handlung mit Salzsäure, Essigsäure und Wasser gerei- nigte ßenzoeharz die Formel C 4 0H 24 O 8 . Wird die Benzoe mit Aetzkalk und Wasser gekocht, so löst sich neben Benzoesäure auch ein Harz mit gel- ber Farbe, dessen Formel C 40 H 30 O 7 , während ein pur- purfarbener Harzkalk ungelöst bleibt, dessen Harz, nach Abscheidung durch Salzsäure, Lösen in Alkohol und Abdampfen isolirt = C 40 H 25 O 9 , stark getrocknet — C40R24O9 ist. Durch weingeistiges Kali trennte Johnston das käufliche Benzoeharz in ein Harz = C 40 H 22 O 9 und ein solches = C 40 H 30 O 7 ; durch weingeistige Bleizuckerlösung in das Harz C 4 <>H 22 9 und ein Harz = C^H^O™. Nach E. Kopp liefert die Benzoe mit Salpetersäure behandelt Benzoesäure, Bittermandelöl, Blausäure, Pikrin- salpetersäure und gelbes bis weisses Pulver, das bei der Destillation Benzoesäure giebt. Mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure destillirt, giebt die Benzoe Bitter- mandelöl, Benzoesäure, Ameisensäure und Kohlensäure. Bei der trocknen Destillation der Benzoe erhält man Phenol, Benzoesäure und Wasser. Mit concentrirter Schwefelsäure behandelt, giebt die Benzoe: 1) eine gepaarte Schwefelsäure, die mit Kalk und Baryt lösliche Salze bildet ; 2) ein schön rothes Harz und 3) ein braunes Harz. (E. Kopp.) Fremy fand im nach dem Verfahren von Unver- dorben gereinigten Benzoüharz C == 71,2, H = 6,5 und O = 22,3, d. h. nahe dieselben Zahlen wie für Tolu- harz und Perubalsamharz. Das gereinigte Harz aus Tolu- balsam enthält nach Fr6my C = 70,8, H = 6,1 und 24 Geuther, O = 23,1. Es färbt sich mit Schwefelsäure, was ganz charakteristisch ist, schon roth. Das Perubalsamharz enthält C = 71,82, H = 6,78 und = 21,40. Fremy stellt für dieses Harz die For- mel C54H30CM2 auf. Die Fremy 'sehen Zahlen nähern sich den von Mul- der und van der Vliet für das Betaharz gefundenen. Für letzteres berechne ich die Formel C 28 H l4 6 , welche C = 73, H = 6 und O = 21 Proc. verlangt. Dem Gammaharz gebe ich die Formel C 36 H 24 6 , welche C = 75,0, H = 8,3 und O =16,7 verlangt. Das Alphaharz endlich betrachte ich als GSSRMO* + 3C28H"06 = Ci20H66()24 ; welche Formel C = 72,0, H=6,6 und = 21,2 Proc. verlangt. Durch Oxydation entständen aus C28H140 2 Aeq. Benzoesäure = C^R^O* und aus C36H2406 2 Aeq. Zimmtsäure = C36H160S. Diese An, sieht stimmt mit dem Vorkommen von Zimmtsäure in mancher Benzoe und mit dem Auftreten von Bitterman- delöl unter den Oxydationsproducten des Benzoeharzes. Kopp 's Alphatoluharz = C 36 H ,9 8 ist wohl rich- tiger = C36H18 08 und sein Betatoluharz = C36H20O«> anzunehmen. Ueber das Verhalten des Siliciumcalciums und Sili- ciummagnesiums zu Stickgas und über die Ozydationsstufen des Siliciums; von A. Geuther. Man weiss durch die Untersuchungen von Wohl er und Deville über das Silicium, dass dieses Metalloid im Stande ist, sich in hoher Temperatur mit dem Stick- stoff zu vereinigen; man weiss ferner durch Versuche, welche von Briegleb und mir angestellt wurden, dass Verhalten des Silicium Calciums zu Stickgas etc. 25 unter den Metallen vor allem das Magnesium ausgezeich- net ist durch die Leichtigkeit, mit der es sich in Stick- stoffmagnesium verwandeln lässt. Es schien mir der Mühe werth, zu ermitteln, wie Siliciummetalle sich dem Stickstoff gegenüber verhalten, zumal wenn das Silicium ein dem Kohlenstoff wirklich so chemisch ähnlicher Kör- per ist, wie man häufig annimmt, sich die Bildung von den Cyanmetallen analogen Verbindungen dabei erwar- ten Hess. Es schien mir für diese Versuche zunächst zweck- mässig, die Temperatur zu bestimmen, bei welcher Sili- cium für sich mit dem Stickstoff die Verbindung eingeht. Dabei zeigte sich, dass ersteres im Stickgasstrome wenig- stens bis nahe zu seinem Schmelzpuncte (der nach De- ville zwischen dem des Gusseisens und Stahls liegt) erhitzt werden muss, ehe Stickstoffsilicium entsteht. Es wurde nur wenig der Verbindung gebildet, während das meiste Silicium zu Kügelchen geschmolzen sich vorfand. Ein Theil des Stickstoffsiliciums hatte sich bei dieser ho- hen Temperatur im Gasstrome verflüchtigt und überzog das Porcellanrohr in einer dünnen, matt roth und bläu- lich schimmernden Lage. Nach dieser Erfahrung glaubte ich zunächst das Siliciumcalcium, als die Verbindung eines nicht flüch- tigen Metalls mit Silicium, der Einwirkung des Stick- gases aussetzen zu müssen. Es wurde bis zur starken Hellrothgluth mehrere Stunden geheizt. Das Gewicht der Substanz hatte sich nur um 5,2 Proc. vermehrt, ihr Aussehen war nur oberflächlich verändert schwarz ge- worden, der grösste Theil unverändert geblieben, wie sein Verhalten zu concentrirter Salzsäure zeigte, womit gelbes Siliciumoxyd entstand. Die schwarze Farbe der Oberfläche rührte von frei gewordenem Silicium her, während das Calcium sich mit dem Stickstoff vereinigt haben musste. Diese schwarze Masse entwickelte mit Kalihydrat geschmolzen Ammoniak. Trotz dieser ungünstigen Resultate hielt ich es doch 26 Geuther, für nöthig, auch das Siliciummagnesium der Ein- wirkung des Stickgases auszusetzen, von der Leichtig- keit, mit der das Magnesium den Stickstoff bindet, mir bessere Erfolge versprechend. Das Resultat des Ver- suches war ein ganz ähnliches, wie das des vorigen, das ganze Siliciummagnesium war zersetzt worden, das Mag- nesium hatte Stickstoffmagnesium gebildet, das Silicium war als solches abgeschieden worden. Diese Versuche scheinen mir nur zu bestätigen, was Wöhler und Deville bei Gelegenheit ihrer Unter- suchung über das Bor ausgesprochen haben, dass das Silicium dem Kohlenstoff weniger nahe steht, als das Bor. Das zu dem obigen Versuche verwandte Silicium- magnesium habe ich nach einer neuen Methode darge- stellt, welche erlaubt, diese schon krystallisirte Verbin- dung in reinem Zustande und in grösserer Menge zu erhalten. Ich habe auch bei dieser Gelegenheit seine Zusammensetzung und sein Verhalten zu Salzsäure näher untersucht. Wöhler hatte bereits bei der Darstellung der zur Sili- ciumwasserstoff- Darstellung dienenden Schlacke schwarze Metallkügelchen beobachtet, die sehr lebhaft mit Säuren Kieselvvasserstoff entwickelten, unter gleichzeitiger Bil- dung eines weissen Siliciumoxyds. Da an einigen der- selben noch weisses Magnesium sichtbar war, so wurden dieselben mit Salmiaklösung behandelt, welche dieses un- ter Zurücklassung octaedrisch krystallisirten Silicium- magnesiums entfernte. Ich habe zunächst versucht, durch Zusammenschmelzen von Magnesiummetall und Silicium unter einer Decke von Kochsalz diese Verbindung zu erhalten, indess ohne Erfolg. So verschieden auch die Temperaturen und die Mengen des angewandten Fluss- mittels waren, beide Substanzen fanden sich immer wieder getrennt vor, das Silicium auf dem Boden, das Magne- sium darüber. Anders war das Resultat, als ich an Stelle des Siliciums Kieselfluornatrium anwandte. Das Magne- sium reducirt sehr leicht Silicium und dieses vereinigt Verhalten des Siliciumcalciums zu Stickgas etc. 27 sich offenbar in Folge der dabei erzeugten hohen Tem- peratur mit ersterem zu der Verbindung. Die bei der Reduction eintretende Hitze ist so bedeutend, dass man nur geringe Mengen Metall auf einmal anwenden darf, will man nicht Gefahr laufen, dass der ganze Inhalt des Tiegels herausgeschleudert werde. Am zweckmässigsten verfährt man auf folgende Weise. Man bringt auf den Boden eines kleinen hessischen Tiegels etwas geschmol- zenes Kochsalz in Pulverform, schüttet darauf etwa die Hälfte eines innigen Gemisches aus 7 Grm. Kieselfluor- natrium und 2 1 /2 Grm. vorher geschmolzenen Kochsalzes, legt darauf 2'/ 2 Grm. Magnesium in einem oder mehre- ren grosseren Stücken und schüttet nun das übrige Ge- misch zu. Dasselbe häuft man um das Magnesium her- um so auf, dass letzteres ganz davon bedeckt wird, und füllt den dadurch an der Tiegelwand entstehenden Zwi- schenraum mit Kochsalzpulver aus, mit dem man eben- falls das Ganze noch in geringer Lage bedeckt. Nach- dem der so bis zur Hälfte etwa gefüllte Tiegel in einen vorher mit glühenden Kohlen versehenen Windofen ge- bracht ist, giebt man rasches Feuer. Wenn das Reac- tionsgeräusch vorüber ist, lässt man den Tiegel noch 5 bis 8 Minuten im Ofen und rührt schliesslich, nach sei- ner Herausnahme, mit einem thönernen Pfeifenstiel kurze Zeit und vorsichtig um, bedeckt erkalten lassend. Nicht selten ereignet es sich hierbei, dass von der Magnesium- kugel aus sich über die Kochsalzdecke eine traubenför- mige Masse erhebt, die aus drei Schichten besteht, einer dicken äusseren weissen von Magnesia, einer geringe- ren mittleren gelben von Stickstoffmagnesium und einer geringsten innern dunklen von Silicium. Das Auftreten des Stickstoffmagnesiums als Verbrennungsproduct des Metalls bei beschränktem Luftzutritt ist gewiss erwäh- nenswert!). Nach dem Zerschlagen des Tiegels findet man gewöhnlich einen einzigen Regulus mehr oder weni- ger mit Siliciummagnesium beladen. Derselbe wird nun, nachdem er von allen Schlackentheilen gereinigt ist, mit 28 Geuther, einer verdünnten Salmiaklösung behandelt. Die von der äussern Schichte herstammenden Krystalle werden als weniger rein besonders gesammelt. Da der Salmiak so- wohl, als das bei der Auflösung entstehende Ammoniak auf die Verbindung ebenfalls, wenngleich langsamer, ver- ändernd einwirken, so müssen die vom Regulus abgefal- lenen Krystalle von Zeit zu Zeit aus der Flüssigkeit ent- fernt werden. Nach wiederholtem Abwaschen mit rei- nem Wasser werden sie in gelinder Wärme getrocknet. Der Ueberzug von Kieselsäure, den sie haben, kann, da ihnen eine bedeutende Härte eigenthümlich ist, auf me- chanische Weise, durch wiederholtes Reiben mit dem Finger auf einem glatten Papier und Abschlämmen des weissen Pulvers, vollkommen entfernt werden. Die Aus- beute beträgt im günstigsten Falle 10 Proc. vom ange- wandten Magnesium. Es sind bleigraue, wahrscheinlich reguläre, Octaeder, die im Wasser rasch zu Boden sinken, damit langsam, vorzüglich anfangs und in der Wärme, schwach Wasser- stofFgas entwickeln und durch Salmiaklösung, rascher beim Erhitzen, in weisse Kieselsäure verwandelt werden. Von verdünnter Salzsäure werden sie schon in der Kälte leicht, unter Entwickelung von Wasserstoff und Silicium- wasserstoff, in ein weisses Siliciumoxyd verwandelt. Ihre Zusammensetzung entspricht nach vier wohl übereinstim- menden Analysen der Formel: Mg 5 Si 2 (Si = 21). Wohl er hat die ihm früher zu Gebote stehende geringe Menge dieser Verbindung gleichfalls analysirt und dafür die Formel: Mg 2 Si gefunden, indess kann, da „so lange mit Salmiaklösung behandelt worden war, als der Rückstand noch Wasserstoff entwickelte", und da eine Reinigung derselben von dem Kieselsäure-Ueberzug nicht vorgenommen worden war, das damals analysirte Product nicht vollkommen rein gewesen sein. Der ge- ringere Magnesium- und erhöhte Siliciumgehalt, den die Analyse ergeben hat, spricht ganz dafür. Die Entstehung eines weissen Siliciumoxyds Verhalten des Silicium Calciums zu Stickgas etc. 29 aus Silicium magnesium durch Salzsäure neben Was- serstoff und Silicium Wasserstoff ist von Wo hier beob- achtet worden. Ich habe dieses Siliciumoxyd einer nä- heren Untersuchung unterworfen. Die Darstellung ge- schah in einer Wasserstoffgas-Atmosphäre, die durch einen dauernden Strom dieses Gases erzeugt wurde; die dabei auftretende Erwärmung wurde durch Abkühlung mit kal- tem Wasser verhütet. Das so erhaltene Siliciumoxyd ist, bei Anwendung von reinem Siliciummagnesium, vollkommen weiss, hat die octaedrische Gestalt dieses letzteren völlig beibehal- ten und ist durchsichtig. Es besitzt alle von Wöhler für weisses Siliciumoxyd angegebenen Eigenschaften, es entwickelt mit Alkalien schäumend Wasserstoffgas, es wird bei stärkerem Erhitzen in der Luft unter Entzün- dung zu Kieselsäure und braunem Silicium, es liefert beim vorsichtigen Erhitzen in einer Wasserstoffatmosphäre ein an der Luft rauchendes Gas, mit salpetersaurem Sil- beroxyd übergössen, wird es sogleich braunschwarz. Es verträgt eine ziemlich hohe Temperatur ohne Verände- rung, wird, wie das Silicon, selbst beim Kochen mit rau- chender Salpetersäure, wenn überhaupt, nur langsam oxy- dirt und von kochender concentrirter Schwefelsäure nicht verändert. Analysen solchen von verschiedenen Bereitungswei- sen herstammenden Oxyds, welche von Herrn Dr. Als- berg ausgeführt wurden und bei denen dasselbe im Röhrchen über Schwefelsäure im leeren Räume bis zum constanten Gewicht getrocknet worden war, hatten 48,3 Procent Silicium und 1,9 bis 1,8 Procent Wasserstoff er- geben. Während derselben hatte sich die ausserordent- lich hygroskopische Natur des Siliciumoxyds mehrfach gezeigt, ebenso hatte sich bei einer andern Darstellung desselben ergeben, bei welcher es eine Nacht über mit dem sauren Wasser zusammengeblieben war, dass seine Zusammensetzung sich unter Abnahme des Silicium- und Wasserstoffgehalts geändert hatte, so wie dass es ohne 30 Geuiher, Veränderung über 130° in der Luft erhitzt werden könne, welche Eigenschaft auch Wohl er für das aus dem Sili- ciumchlorür erhaltene Oxyd gefunden hatte, das eine Temperatur bis 300° ohne Veränderung verträgt. Alle diese Erfahrungen wurden bei der Darstellung und Analyse einer neuen Oxydmenge aus einem vollkom- men reinen Siliciummagnesium sorgfältig verwerthet. Wäh- rend der Darstellung war jede Erwärmung über 0° durch stetes Abkühlen mit Eiswasser vermieden worden, die Darstellung war nach etwa 4 Stunden vollendet, es wurde sogleich, nachdem der vorhandene Schaum gesondert wor- den war, abflitrirt, mit eiskaltem Wasser ausgewaschen, gelinde zwischen Papier gepresst und unter der Luft- pumpe über Schwefelsäure in der Kälte und bei Ab- schluss des Lichtes getrocknet. Das Oxyd war blen- dend weiss. Die Analyse ergab 50,5 Proc. Silicium und 1,5 Proc. Wasserstoff. Das Oxyd entwickelte beim Behandeln mit Kalilauge 2,4 Proc. Wasserstoff. Daraus leitet sich für dasselbe die einfache Formel: 2Si0 2 , HO ab*), welche verlangt: 50,6 Proc. Silicium, 1,2 Proc. Wasserstoff und 2,4 Proc. beim Uebergang in Kieselsäure sich entwickelndes Wasserstoffgas. Obschon die Resultate der früheren Analysen be- stimmt auf das Hydrat eines Siliciumbioxyds hin- wiesen, und nur zweifelhaft lassen konnten, ob die For- mel: 3Si02, 2 HO oder 4 Si02, 3 HO sei, so hat die letzte von reinster Substanz diesen Zweifel ganz be- seitigt. Es entsteht nun die Frage: in welchem Zusammen- hange steht dieses Oxyd mit dem von Wohl er auf zwei verschiedene Weisen erhaltenen weissen Oxyd und wie verhält es sich mit der Identität dieser beiden, also des aus dem Chlorür und des aus dem sogen. Silicon erhal- *) Si3 04,HO (wenn Si = 14 und Kieselerde = SiO*). H. Ludwig. Verhalten des Siuctmncalciums zu Stickgas etc. 31 tenen, welche Wo hier anzunehmen geneigt ist? Dass von einer Gleichheit unseres Oxyds mit dem von Wo li- ier aus dem Silicon erhaltenen und Leucon genannten Oxyde keine Rede sein kann, erhellt aus den verschie- denen Silicium- und Wasserstoffgehalt der beiden, trotz des analogen Verhaltens. In letzterem allein liegt aber kein genügender Beweis ihrer Identität. So wenig wie unser Oxyd und das Leucon in ihrem chemischen Ver- halten sich unterscheiden, unterscheiden sich auch das Silicon und das Leucon. Hätte ersteres nicht eine orange Farbe, sondern sähe gleichfalls weiss aus, so würde dar- aus doch keineswegs zu folgern sein, dass das Oxyd mit dem höchsten Siliciumgehalt die einzige bestimmte nie- drigere Oxydationsstufe des Siliciums und die andern nur Gemische derselben mit Kieselsäure seien, wie das factisch auch gar nicht der Fall ist. Eine Probe ist es, welche solche, in ihrem Verhalten nur dem Grade nach verschiedene Oxydationsstufen, abgesehen von ihrer ein- fachen Zusammensetzung, bestehen müssen, die nämlich, dass sie mit der gleichen Zusammensetzung auf ganz verschiedene Weise, aus verschiedenen Verbindungen un- ter Umständen, welche keine Zersetzung bedingen, ent- stehen. Und das ist mit unserem Oxyd und dem von Wohl er bei der Einwirkung von Chlorwasserstoff beob- achteten der Fall, wenigstens was den Gehalt des am genauesten zu bestimmenden Elementes, des Siliciums, anlangt. Trotz des bedeutend differirenden Wasserstoffs, circa 1 Proc, bin ich doch nicht zweifelhaft zu erklären, dass diese beiden letzteren Oxyde identisch sind und dass das aus dem Silicon entstehende Oxyd, das Leucon, mit dem aus Chlorür entstandenen nicht identisch ist. Die Differenz im Wasserstoff betreffend, so glaube ich dieselbe auf die hygroskopische Natur der Substanz rechnen zu müssen. Aus den Mittheilungen Wöhler's geht nicht genau hervor, ob die zur Wasser- BtoffbeHtimmung verwandte Menge auch bei 150° getrock- net wurde, wie die zur Siliciumbcstimmung verwandte, 32 Geuther, und selbst wenn das geschehen wäre, so bleibt es doch ganz zweifelhaft, ob diese Menge, ohne erst wieder mit feuchter Luft zusammenzukommen, in das Verbrennungs- .rohr gebracht worden ist. Die grosse Uebereinstimmung im gefundenen Wasserstoff zeigt nur, dass alle Bestim- mungen unter gleichen Umständen vorgenommen wurden. Die von Wo hl er früher für das betreffende Oxyd auf- gestellte Formel: Si 2 3 , 2 HO unterscheidet sich von der unsrigen: Si 2 4 HO nur durch ein Mehr von 1 Mgt. Wasserstoff, was in Bezug auf den Siliciumgehalt nur einen geringen Unterschied zu Gunsten unserer Formel bedingt. Aendert man die von Wohle r für die Haloid- verbindungen aufgestellten Formeln eben so entsprechend um, so bekommt man in Bezug auf das Silicium die gleichen und nur in Bezug auf den Salzbildner etwas verschiedene Werthe, welche mit den gefundenen gleich- falls besser übereinstimmen. Dass in dem aus Silicium mit Chlorwasserstoff erhal- tenen Oxyd eine reine Verbindung der Hauptsache nach vorliegt und kein Gemenge aus dem siliciumreicheren Leucon und Kieselsäure, scheint mir hervorzugehen 1) aus der Constanz der Zusammensetzung überhaupt, 2) aus der Thatsache, dass das trockne Product bis auf 300° ohne Gewichtsveränderung erhitzt werden kann, wäh- rend es doch, wenn kieselsäurehaltig, dieselbe als Hydrat beigemengt enthalten und dann nothwendig einen Was- serverlust ergeben müsste, und 3) aus der ihm ganz ent- sprechenden Zusammensetzung der Chlor-, Brom- und Jod Verbindungen (ein Siliciumtrijodid ist noch gar nicht bekannt). Mag man nun dieser Ansicht beipflichten oder nicht, für das aus dem Siliciummagnesium dargestellte und sei- ner Zusammensetzung nach als Siliciumbioxydhydrat ge- nau bestimmte Oxyd ist das gleichgültig. Was ist nun aber das Leucon Wöhler's? Diese Frage ist schon von Th. Sehe er er hinreichend beant- Verhalten des Siliciumcalciums zu Stickgas etc. 33 wortet worden, es ist S i li c iu mm ono xy dhydr at : SiO, HO. Ob ein diesem entsprechendes Chlorür existirt, ist nicht mit Sicherheit ausgemacht; man kann vermuthen, dass gewisse Beobachtungen Wohl er 's, die ein flüch- tiges Chlorür voraussetzen lassen, welches ein an Sili- cium reicheres Oxyd liefert, dahin zu deuten sind. Die Annahme, dass eine nach der Formel: SiCl, HCl zusam- mengesetzte Verbindung flüchtiger sei, als eine von der Formel : 2 Si Cl 2 , H Cl, hat gewiss nichts Auffallendes. Es fragt sich nun noch endlich: als was ist das Si- licon anzusehen*, lässt sich für dieses siliciumreichste Oxyd nicht auch eine einfache Formel finden? Ich denke, es hat dies ebenfalls keine Schwierigkeit. Vom Silicon liegen ziemlich abweichende Analysen vor. Da jede Veränderung, welche dasselbe erleidet, seinen Sili- ciumgehalt vermindert und seinen Wasserstoffgehalt er- höht, so werden nothwendig diejenigen Analysen, welche den höchsten Siliciumgehalt ergeben haben, als seine Zusammensetzung am genauesten wiedergebend, zu be- trachten sein. Leider fehlen gerade von diesen Wasser- stoffbestimmungen. Dass letztere, zumal die Substanz ein Trocknen in der Wärme nicht zu vertragen scheint, etwas höher ausgefallen sein werden, glaube ich eben- falls annehmen zu können. In Berücksichtigung dieser Verhältnisse scheint es mir, dass dem Silicon die ein- fache Formel: Si 2 0, HO beigelegt werden müsse, welche 71,2 Proc. Silicium und 1,7 Proc. Wasserstoff verlangt. Bei ihrem Uebergang in Kieselsäure müssen 8,5 Proc. Wasserstoff entwickelt werden. Gefunden wurden : 70,75 Proc. Silicium, 2,4 Proc. Wasserstoff und beim Ueber- ganz in Kieselsäure 8,7 und 8,9 Proc. entwickeltes Was- serstoffgas. Ob auch diesem Siliciu msemioxy dhy drat ein T'hlorür entspricht, ist ungewiss. Man könnte das von Wo hier gleichfalls beobachtete Chlorür vom Siedepunct über 90°, dessen Dampf mit Sauerstoff gemengt beim Arch. d. Pharm. CLXXII1. Bdfl. 1. u. 2. Hft. 3 34 Geuther, Verhalten des Siliciumcalciums zu Stickgas etc. Erhitzen sich entzündet unter Abscheidung von sehr viel Silicium, als die ihm entsprechende Verbindung betrach- ten. So haben wir also in dem Silicon, dem Leu- con, dem Oxyd aus Sliciummagnesium und der Kieselsäure eine vollkommene, ganz einfache Oxy- dationsreihe des Siliciums : Si20; SiO; Si02; Si03; welche die Frage über die Zusammensetzung der Kiesel- säure, oder richtiger die über das Mischungsgewicht des Siliciums nicht mehr zweifelhaft lässt. Bei Annahme von Si=14 würde diese Oxydationsreihe zu: Si30; Si302; Si304; Si02. Werfen wir nun schliesslich noch einen Blick auf die Umsetzung des Siliciummagnesiums mit Chlorwasser- stofFsäure. Aus der Analyse des Siliciummagnesiums ergiebt sich, dass nur 2 3 vom Siliciumgehalt zur Bil- dung von Siliciumoxyd Veranlassung geben und */ 3 als Siliciumwasserstoff sich verflüchtigt. Da nun die Zusam- mensetzung der Verbindung Mg 5 Si 2 und diejenige des Oxyds Si 2 4 , HO ist, so entsteht die Frage, warum denn überhaupt nicht der ganze Siliciumgehalt zu Oxyd, un- ter Entwickelung bloss von Wasserstoffgas, wird. Es scheint mir dies nur durch folgende zwei Vorausetzun- gen einfach erklärlich, nämlich 1) dass der Siliciumwas- serstoff die Zusammensetzung H 3 Si 2 habe, und 2) dass sich unser Siliciummagnesium wie eine Verbindung von Mg3Si und Mg3Si2 verhält (3 Mg5Si2 = 4 Mg3Si -f Mg 3 Si 2 ). Die Verbindung Mg 3 Si würde durch Um- setzung das Oxyd und den Wasserstoff, die Verbindung Mg 3 Si 2 den Siliciumwasserstoff liefern. Nach den bis jetzt vorliegenden Erfahrungen wird es schwer sein, die Verbindung, welche durch Umsetzung nur Siliciumwas- serstoff liefert, für sich zu erhalten, obwohl so viel fest- steht, dass sie siliciumreicher sein muss als unser Sili- ciummagnesium; eben deshalb aber wird jede Beobach- tung oder jeder indirecte Schluss, welche einen Finger- lieber das Nitroglycerin. 35 zeig für die Zusammensetzung des Siliciumwasserstoff- gases geben können, sorgfältig zu verzeichnen sein. Jena, den 24. Februar 1865 *). Deber das Nitroglycerin. (Aus dem Hamburger Gewerbeblatt.) Bereits in No. 17. des Hamburger Gewerbeblattes wird in dem Artikel „Explodirende Stoffe", S. 35, Zeile 6, des Glycerins erwähnt, das bei der Behandlung mit con- centrirter Salpetersäure und rauchender Schwefelsäure in eine explodirbare Substanz verwandelt wird, die man Glo- noin genannt hat. Dasselbe ist eine hellgelbe Ölartige Flüs- sigkeit von 1,6 spec. Gew., löst sich nicht in Wasser, wohl aber in Alkohol oder Aether. Beim Erhitzen explodirt das Glonoin ausserordentlich heftig, innerlich genommen wirkt es sehr giftig. In No. 27. desselben Blattes wurde unter Miscellen von dem Glycerin als explodirender Flüs- sigkeit gesprochen, die vortreffliche Resultate bei Felsen- sprengungen ergeben hatte. Wir sind heute durch nähere Mittheilungen in den Stand gesetzt, Weiteres über das Glonoin, „Nitroglycerin" genannt, unsern Lesern zu geben. Der schwedische Ingenieur Nobel hat die Erfin- dung gemacht, Nitroglycerin (Sprengöl) zur Sprengung in Bergwerken, Tunnels, Steinbrüchen etc. anzuwenden. Die besonderen Eigenschaften des Sprengöls und das Verhalten bei der praktischen Anwendung desselben, die Kosten etc., sind uns vom Erfinder zugekommen, der zum Theil in den Feldspathgruben auf Stora-Rönsholmen, in den Granitbrüchen auf Uufwudstadt und Tyskbagare- bergen, alle in der Nahe von Stockholm, so wie auf an- dern Stellen in Schweden seine Erfindung erprobt und constatirt hat. Das Sprengj}] lässt sich ohne Gewichtsverlust belie- *) Wöhler'b Silicon k;irm auch als H 2 Si 2 -j Si 2 3 , dessen L«'u- con alsIRSiM - SiW -j- HO u.Oeuther's Si li ciumoxy d als 8PCH betrachtet werden (wobei üi = 14 u. Kieselerde — SiO 2 ). 11. Ludwig. 3* 36 lieber das Nitroglycerin. big lange aufbewahren; ein Quantum 8 Jahre lang auf- bewahrt, zeigte weder Gewichtsverlust, noch Verringe- rung der Qualität. Es lässt sich ohne Explosion anzünden, ist also nicht feuergefährlich, wie gewöhnliches Pulver, und kann mit einem Schwefelholz oder Pulverdraht, ja sogar mit einem glühenden Eisen in Berührung gebracht werden, ohne dass es explodirt, sondern nur sich langsam zersetzt. Ein einzi- ger Tropfen aber detonirt (verpufft) mit der grössten Heftigkeit durch den Schlag eines Hammers. Versuche haben jedoch erwiesen, dass nur diejenigen mit Nitro- glycerin besprengten Theile detonirten, welche vom Ham- mer beim Schlage berührt wurden. Die Explosion des Nitroglycerins bei Sprengungen wird durch einen kleinen Pulverzünder bewerkstelligt, auf dessen Construction und Anbringung das Geheimniss des Erfinders beruht. Ohne diesen Pulverzünder kann man z. B. die Hälfte eines Bohrloches mit Sprengöl und die andere Hälfte mit Pulver füllen, letzteres entzünden, und es wird doch in den meisten Fällen keine andere Explosion als die des Pulvers statt finden. Die Kraft, die durch die Explosion des Sprengpul- vers hervorgebracht wird, gegen die Kraft des explodi- renden Pulvers, ist eine fünf- bis zehnfach grössere. Eine genauere Feststellung hierüber wird durch eine Reihe von Versuchen, die jetzt auf verschiedenen Stellen in Schweden vorgenommen werden, präcisirt. Nach den mit dem Sprengöl gemachten praktischen Erfahrungen, u. A. auf Stora Rönsholmen, wird mit weniger als ! / 5 der Gesammt-Bohrlänge der Sprenglöcher (also */ 5 der Kosten an Arbeitslohn und Kosten für Schärfen und Verstählen der Bohrer) derselbe Effect erreicht, als bei der Pulver- sprengung. Dieser Effect steigert sich in manchen Fäl- len bis auf das 15 fache der Pulversprengung. Eine auf Störa Rönsholm ausgeführte Sprengung in theilweise zer- klüftetem Granit, ergab folgendes Resultat: Tiefe des Bohrloches 3 Ellen bei 1 Zoll Durchmesser, mit 2 1 / 2 Pfd. Sprengöl geladen, trennte von der anstehenden Bergmauer Ueber das Nitroglycerin. 37 eine Masse von circa 560 Cubikfuss, gleich einem Ge- wicht von circa 1400 Centner schwedisch, wobei ein Stück von circa 12 Cubikfuss oder 30 Centner wiegend auf eine Entfernung von 55 Fuss fortgeschleudert wurde. Das angegebene Minimum des Ersparnisses als Anhalt genommen, ergiebt folgende Berechnung über den Nutzen, wobei zu berücksichtigen ist, dass solche nach localen Verhältnissen und Kosten, so wie hauptsächlich Dach der Härte des zu bohrenden Gesteins, vielen Abänderungen unterwerfen ist. Bei besonders harten und zähen Erzen kostet an- nähernd : Beim Sprengen mit Pulver. 100 Ell. Bohrloch von 1" Durchm., pr. Elle 6 Sgr. 600 Sgr. Schärfen und Vorstählen der Bohrer, ä l ] / 2 Sgr. 150 „ 40 Pfd. Pulver, ä ?/ s Pfd. pr. Elle Bohrloch, pr. Pfd. 6 Sgr 240 990 Sgr. Dagegen wird dasselbe Quantum Gestein erzielt mit: Beim Sprengen mit Sprengöl. 20 Ellen Bohrloch wie oben, pr. Elle 6 Sgr.... 120 Sgr. Schärfen u. Stählen der Bohrer wie oben ä l 1 ^ Sgr. 30 „ 15 Pfd. Sprengöl, ä 3/ 4 Pfd. pr. Elle Bohrloch, pr. Pfd. 32 Sgr 480 „ 630 Sgr. Also Avance mit Sprengöl 360 „ oder Erspamiss circa 36 Proc. Bei weicherem Gestein dagegen kostet: Beim Sprengen mit Pulver. 100 Ellen Bohrloch von 1" Durchm., pr. Elle 4 Sgr. 400 Sgr. Schärfen und Verstählen der Bohrer, ä 1 Sgr. .. 100 „ 28 Pfd. Pulver, a Pfd. 6 Sgr 168 „ 668 Sgr. Dagegen wird dasselbe Quantum GesUin erzielt mit: 38 lieber das Nitroglycerin. Sprengen mit Sprengöl. 20 Ell. Bohrloch wie vorhergehend, pr. Elle 4 Sgr. 80 Sgr. Schärfen und Verstählen der Bohrer, a 1 Sgr. . . 20 „ 10i/ 2 Pfd. Sprengöl, ä Pfd. 32 Sgr 336 , 436 Sgr. Also Ersparniss bei Sprengöl 232 „ oder circa 35 Proc. Ais eine ganz besondere und günstige Eigenschaft des Sprengöls ist dessen schleunige, so zu sagen unmit- telbare Explosion hervorzuheben. Diese Eigenschaft, welche die Anwendung desselben zu Geschützen etc. un- möglich macht, da dieselben nicht genügend stark con- struirt werden können, qualificirt sich dasselbe dagegen ganz besonders zum Sprengen von Erzen etc., indem, wie es die Erfahrung auch bewiesen hat, die Wirkung in zerklüftetem Gestein eben so stark ist, wie in festem Gestein; ein Umstand, welcher einem jeden Bergmann und Ingenieur bei Pulversprengung als grosse Kosten verursachend bekannt ist und wodurch allein das Spreng- öl dem Pulver gegenüber von unschätzbarem Vortheil ist. Diesem Umstände zufolge kann auch das Sprengöl in losem Gestein, als Kalkstein etc., in erdigen Massen, als Kreide, Thon etc., und selbst unter Anwendung be- sonderer Patronen zur Aufsprengung resp. Auflockerung von jeder Bodenart, somit auch des Bodens in den Gold- feldern Californiens und Australiens verwendet werden. Wenn dieser letzte Umstand ins Auge gefasst wird, so ist ersichtlich, wie gerade in Californien und Australien, wo* die Arbeitskraft so verhältnissmässig theuer ist, der Nutzen des Sprengöls enorm sein muss. Als eine indirecte Ersparniss, als grosser Vortheil ist noch zu erwähnen, dass dieselben Quantitäten Gestein mit geringerer Mannschaft bei gleichem Räume geschafft werden können, so dass an kostbaren, oft nur zur Spren- gung anzulegenden Schachtbauten gespart wird. Bei Sprengungen unter Wasser ist das Sprengöl mit Ueber das Nitroglycerin. 39 gleichem Vortheil zu benutzen und ist dessen Anwen- dung bedeutend vereinfacht, da es in Folge seines grös- seren specifischen Gewichts einfach durch eine Röhre in das Loch hineingegossen wird, eine Vorladung nicht braucht, um wie gewöhnlich durch den galvanischen Fun- ken enzündet zu werden. Was für eine wichtige Rolle das Sprengöl in der Industrie noch einnehmen wird, sieht man daraus, wenn man die grossartigen Sprengungen für Eisenbahnen, bei Tunnels, Wasserbauten etc. ins Auge fasst und den Um- stand in Betracht zieht, dass in den deutschen Zollver- einsländern allein im Jahre 1862 4818 Gruben mit einem Productions - Quantum von 471,773,227 Ctr. im Betriebe waren, und dass beispielsweise bei den Philadelphia- Wasserwerken 36,000 h\, bei dem Einschnitt in dem Calton- Hügel bei Edinburg 12,000 fl. für eine einzige Sprengladung bezahlt wurde, und dass selbst in gewöhn- lichen Granitbrüchen die Ladung für einen einzigen Schuss oft 36 fl. kostet (s. Knapp's Chem. Technologie, Bd. I. S. 323). Beim Bau der Folkesstone Eisenbahn in Eng- land im Jahre 1843 wurde der Rounddown Felsenvor- sprung, 2400 Cubikklafter oder ein Gewicht von 1 Mil- lion Tons enthaltend, durch Sprengung mit einem ein- zigen Schusse entfernt. Es wurden hierzu 19,836 Pfd. Pulver verbraucht (siehe Knapp I., S. 325). Der Erfinder, Herr Ingenieur Nobel, hat bereits Patent von der Königl. schwedischen Regierung erhalten und sich nach England hingewandt, wo ihm bereits Aus- sicht auf Erlangung des Patents für dort gegeben wurde. Es wäre Schade, wenn nicht auch in Deutschland sich Capitalisten finden würden, die diese wichtige Erfindung in die Hand nehmen und für Deutschland ausbeuten wollten. Die Red. des Hamburger Gewerbeblatts ist gern bereit, jeder frankirten Anfrage Antwort und Auskunft betreffs des oben erwähnten Artikels zu geben. 40 Scklienkampj £ CO od 1 a "3 5 3 C CO 2 .: » c CO c o Od > CO cd CO 60 "3 S • l-H u o O o zuerst roth, dann farblos; erhitzt man die Flüssig- keit, so kehrt die rothe Farbe wieder. bringt ohne andere Reac- tion einen weissen Nie- derschlag. weisser Niederschlag, der nach dem Eintrocknen mit H0,S03 roth wird. Solut. Aur. mur. gelber Niederschlag gelber Niederschlag grauweisser Niederschlag es 03 73 &o CQ 03 73 Solut. Platin, mur. grauweisser Niederschlag "fco CO 03 73 3 73 • F* fl fl c3 EH weisser Nieder- schlag weisser Nieder- schlag Tsö CO 03 73 CO 03 73 üb CQ 03 73 Tinct. Jodi. brauner Niederschlag brauner Niederschlag 60 co 03 73 cq 03 "bo CQ 03 73 Acid. nitric. gelbroth, mit SuCl blau- violett *-* 03 So Acid. sulph. rect. graugelb, gelbgrün roth, gelb- roth, gelb fl es ** fll oo O *r'Ö3 fl * IS fco es: o .2 'S* -I gelb, roth, zuletzt violett, auf Zusatz von HO farblos .2 '3 o 3 < Atropin a o u d a M O b t/2 Veratrin Reactionsversuche auf Alkaloide und Bitterstoffe. 41 mpft üner J3 pxa . fi to H a "a 3 a J3 ™ n< ^3 TJ O • pH CD >> ja co 2 a 3 J3 CD • — 73 4a CA 3 c a -o 'S TS 03 3 ' s 1 to a cT a . 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*J tä a a . **■ 60 5 "3> 5 "öS «3 a 03 X 42 Landerer, Notizen über die Farben der Alten; von Dr. X. Lander er. Die vielseitigen Ausgrabungen in und um Athen, wodurch eine Menge von Statuen, Grab - Monumenten, Reliefs und Vasen aufgefunden wurden, auf denen sich noch Spuren von Farben finden, deren Zusammensetzung die Archäologen kennen zu lernen wünschten, machten auch in mir den Wunsch rege, dieselben zu untersuchen und theile ich im Folgenden die Resultate meiner For- schungen den Lesern dieser Zeitschrift mit. Aus den Farben -Ueberresten auf den Monumenten des Alterthums, auf Marmorstatuen, Grab -Monumenten, auf den Giebeln der Tempel, auf Säulenschaften und be- sonders auf den Vasen, die an Schönheit der Formen und Feinheit bis jetzt unübertroffen da stehen, auf den gefärbten Gläsern u. s. w. geht hervor, dass die alten Hellenen verschiedene Farben kannten und benutzten, Farben, die dem Zahne der Zeit, Tausenden von Jahren unter dem Einflüsse der Atmosphäre widerstanden. Die Farben sind mit einer Festigkeit aufgetragen, dass man sie kaum mit eisernen Instrumenten davon abkratzen kann. Dieselben sind theils Metall-, theils Erdfarben. Dass die Hellenen sich auch vegetabilischer Farben be- dienten, ist ebenfalls aus den Schriften der Alten zu er- sehen, namentlich waren es die Maler der Ionischen Schule, die sich brillanter Farben und eines lebhaften Colorits bedienten, und diese Farben nannte man Colores floridi, während die ersteren Colores austeri hiessen. Unter diesen spielten Farben aus den Rosen, der Krapp- wurzel, die man Eryihrodanon nannte, aus den See-Con- chilien und Purpurschneckeu, der Porphyra der Alten, aus dem aus Indien gebrachten Drachenblute, ja selbst aus Indigo, eine Rolle. Dass solche organische Farben sich nicht halten konnten, ist wohl einzusehen. Alle diese Farben wurden theils mittelst eines Cements, der über die Farben der Alten. 43 dem hydraulischen Kalke ähnliche Eigenschaften besass, auf die Marmor- Gegenstände aufgetragen, worauf sie er- härteten, was mit der Malerei al fresco, a tempera der Gegenwart übereinzustimmen scheint. Ein anderes und sehr häufiges Bindemittel für Farben waren Wachs -Fir- nisse, vielleicht ein Punisches Wachs oder nach meinen Untersuchungen ein Gemenge von Wachs und Mastix in einem ätherischen Oele gelöst, vielleicht Ol. Terebinth., das man Ol. pissinum nannte. Werden manche solcher auf Marmorstatuen befindlichen Farben im Platinlöffel- chen bis zur völligen Zersetzung aller organischen Ueber- reste erhitzt, so kann man den Geruch des zersetzten Wachses oder Harzes noch deutlich wahrnehmen, so dass über den Gehalt von Wachs in den Farben kein Zwei- fel besteht. Die Alten unterschieden drei Arten enkaustischer Malerei : 1. Das blosse Einbrennen von Umrissen auf Elfen- bein. 2. Das Auftragen von Wachsfarben verschiedener Art auf Tafeln oder auf Wände mit Griffeln, womit ein völliges Einschmelzen derselben durch Feuer verbunden wurde. (Ceris pingere et picturam inurere.) 3. Das Be- mahlen der Schiffe mit Pinseln, die in flüssiges, mit einer Art Pech vermischtes Wachs getaucht werden, welches der Aussenseite der Schiffe nicht nur einen Schmuck, sondern zugleich auch einen Schutz gegen das Meerwas- ser verschaffen sollte. (Plinius: Encausta pingendi duo fuisse genera antiquitus constat, cera et in ebore, cestro i. e. veruculo, donec classes pingi coepere.) Ein anderes Bindemittel der Farben war auch das Eiweiss und das Gummi arabicum, und diese dienten namentlich zum Aufkleben des Goldes auf Thon- und Marmorverzierungen. Die alten Egypter bedienten sich auch des Gm. SarcocoUae, ob dieses jedoch den Hellenen zu diesem Zwecke bekannt war, ist nicht zu ermitteln. Was nun die Farben betrifft, die sich auf den an- gegebenen Kunst -Monumenten befinden, so habe ich fol- 44 Landerer, gende aufgefunden und untersucht. Als rothe Farben künstlicher Zinnober, Kinnabari von den Alten genannt. In den Laurischen Silberbergwerken sollen sich Queck- silbererze gefunden haben, aus denen möglicher Weise das Quecksilber ausgeschieden wurde. Kallias soll um die 93. Olympiade der erste gewesen sein, welcher künst- lichen Zinnober darstellte, und Zinnober in reinem Zu- stande fand sich auf Vasen und auf Verzierungen von Säulenschaften. Diesen Zinnober vermischten die Maler auch mit andern röthlichen Farben, und in einer dem Karmin oder Krapplack gleichen Farbe auf einem Grab- male fand ich Zinnober dem Röthel beigemischt, um die Farbe des letzteren zu erhöhen. Die Farbe des natür- lichen Zinnobers konnte ich nirgends ermitteln. Eine sehr häufig vorkommende röthliche Farbe ist die eines thonhaltigen Eisensilicats und die im Alterthum so hoch berühmte Sinopische oder Kappadocische Erde war eine Art Ocher. Ein Kidias erfand um die 104te Olympiade den Ocher in Roth umzuwandeln, wahrschein- lich durch das Brennen, so dass derselbe eine Ochra oder Ruhrica usta zu bereiten verstand. Eine schöne rothe Farbe, die man Miltos nannte, wurde von der Insel Zea ausgeführt, und auf einer Marmor- platte findet sich der Tractat zwischen den Athenern und der Insel Zea über die Abgabe und Ausfuhr dieser Farbe. Da ich auf der Insel Zea im Hafen Bulkari Klumpen von Lythargyritis und auch Stücke, die dem Minium an Farbe glichen, fand, so glaube ich, dass diese Farbe das Minium gewesen sei, denn Minium -Miltos findet sich als rothe Farbe sehr häufig auf Vasen. Denkt man sich, dass in den Laurischen Silberbergwerken Silber ausge- schmolzen wurde und sich als Nebenproducte Molybditis, Lythargyritis und Chrysitis fanden, so ist es nicht schwer zu erklären, dass man aus diesen Bleioxyden durch Glü- hen das Minium darzustellen erfunden hatte. An gelben Farben waren die Alten sehr arm und die aufgefundenen zeigen alle ein schmutziges Gelb. Zu über die Farben der Alten. 45 solchen dienten den Alten die Ochra, die sie je nach dem Gebrauche, um sie dunkler oder heller darzustellen, mit Weiss vermischten, und in einer hellgelben isabell- gelben Farbe auf einer Vase fand ich in derselben auch das Psimithion, das Bleiweiss, beigemengt. Eine gelbe Farbe, Sil genannt, soll aus den Laurischen Silbergwer- ken gebracht worden sein, so dass zu vermuthen ist, dass unter dem Namen Sil eine Bleifarbe zu verstehen ist, welcher Art jedoch dieselbe war, ist mir nicht be- kannt; waahrscheinlich war es ein gelbes Bleioxyd, das mit dem Chrysitis der Alten übereinstimmen dürfte. Als gelbe Farbe diente den Alten auch die Sanda- racha des Aristoteles, und dieser Sandarak ist Auripig- mentum. Im heutigen Griechenland fand sich bis jetzt dieses Mineral nicht; unter den aufgefundenen Farben konnte ich dieselbe nicht entdecken. Sehr häufig fanden sich blaue und, jedoch seltener, grüne Farben als Verzierungen auf Vasen und Marmor- säulen. Alle diese blauen und grünen Farben sind Kupfer- farben und das schone kostbare Coeruleum wurde aus Alexandrien gebracht und aus Kupfer, Salpeter und Sand zusammengeschmolzen. Eine aus Kupferbergwerken ge- brachte blaue Farbe, Chrysocolla genannt, dürfte ein na- türliches Kupfergrün oder Kupfer-Malachit gewesen und theils aus Chalkis oder Cypern gebracht worden sein; denn wie bekannt existirten in Chalkis grossartige Kupfer- bergwerke, wovon die Stadt den Namen Chalkis, von XoXxotj Kupfer, so wie auch aus Cypern das Cuprum gebracht wurde. Eine kieselsäurehaltige Kupferfarbe fand sich auf einem Grab -Monumente, das vor kurzer Zeit auf dem Wege zur heiligen Triada bei Athen auf- gefunden wurde. Dieses wahrscheinlich 2 — 3000 Jahre im feuchten Erdreiche eingegrabene Monument zeigte an ?ielen Stellen eine schöne lasurblaue Farbe, welche die Bewunderung alier Archäologen auf sich zog. Dieses schöne, aus den besten Zeiten der Kunst stammende Monument wurde auf der Akropolis aufgestellt und der 46 Landerer, Einwirkung der Atmosphärilien ausgesetzt. Nach einigen Wochen verbleichte das Blau und veränderte sich in Grün, welche Farbe dasselbe jetzt zeigt. Die kupfer- und wasserhaltige blaue Farbe verlor ihr Hydrat und verwandelte sich so in ein wasserloses Kupfergrün. Auch in andern blauen und grünen Farben konnte als färben- der Bestandtheil Kupferoxyd aufgefunden werden. Zu den weissen und schwarzen Farben wurde theils vegetabilische, theils animalische Kohle verwendet, was aus den Worten Elephantinon und Tryginon Melan her- vorgeht. Das letztere wurde aus verbrannten Pflanzen, das erstere aus verbranntem Elfenbein bereitet, und die- ses letzteren bediente sich Apelles, um den Bildern einen angenehmen Schatten, Atramentum tenue genannt, zu er- theilen. Asphalt in Ol. pissiniim aufgelöst und aufThee- vasen aufgetragen und eingebrannt, gab den schönen schwarzen Firniss auf den Vasen. Zu weissen Farben dienten zwei in ihrer Zusam- mensetzung verschiedene Farben. Die Hauptfarbe war die Mylische Erde, ein kieselhaltiger Thon von der Insel Mylos oder Melas, Mylias genannt. Diese Farbe diente für sich im reinen Zustande und zum Verdünnen von andern Farben-, seltener wurde das Bleiweiss Psimithion, angewandt, das ich sehr häufig auf Vasen gefunden habe. Dasselbe wurde ausserdem in Stangen- und Plattenform gegossen und diente als Schminke ; als solche findet man es in den Gräbern der Frauen. Interessant war es mir, das Bleiweiss in Form einer verhärteten Salbe wahr- scheinlich in einer Balsambüchse, Myroiheka, zu finden, in einem Grabe, das vielleicht einem Arzte angehört haben dürfte, indem sich in demselben auch ein Spatel und einige andere chirurgische Instrumente aus Kupfer befanden. Da sich auf verschiedenen Statuen auch vergoldete Zierathen fanden, so füge ich noch einige Worte über die Vergoldung bei. Die nach der Saraischen Schule herrschende Weise der Verfertigung von Statuen durch über Magnesit aus Euböa. 47 Hämmern blieb auch später bei Gold und Silber die gewöhnliche, doch sagten Statuen aus edlen Metallen mehr dem asiatischen als dem griechischen Geschmacke zu. Auch die Vergoldung wurde erst dann bekannt, als man dem Erze durch Mischung eine schöne Farbe zu geben gelernt hatte. Der goldenen, theils gegossenen, theils durch Hämmern verfertigten Statuen gab es in Hellas eine Menge. Das Korinthische Erz wurde ver- goldet und die Vergoldung in starken Blättern mittelst Quecksilber oder nach Plutarch mit Hülfe von Reiben aufgesetzt. Auf Marmor- und Thonvasen wurden die Goldblätter mittelst Eiweiss aufgeklebt. Notiz über Magnesit ans Euböa; von Demselben. Dieses Mineral, das sich in ausgedehnten Lagern auf der Insel Euböa findet und von dem in neuerer Zeit wiederum Lager, die im Serpentinfels vorkommen, auf- gefunden wurden, habe ich vor einiger Zeit erwähnt. Dieser Magnesit wurde für Porcellanthon angesehen und zur Bereitung von Thonwaaren nach England ausgeführt. Da man nun sah, dass dieses Mineral Magnesit sei, so kam man auf die Idee, dasselbe in England zur Berei- tung von Magnesiasalzen zu verwenden, und alle im Han- del vorkommenden Magnesiasalze sollen jetzt in England für die ganze Welt aus dem Magnesit von Euböa berei- tet werden, der sehr rein ist. Jedes Jahr gehen Tau- sende von Centnern enthaltende Schiffsladungen davon nach England, wo sich in verschiedenen Städten solche Fabriken befinden. Die Zersetzung geschieht durch con- centrirte Schwefelsäure in kolossalen bleiernen Gefässen. Da man die Bemerkung gemacht hat, dass das sich ent- wickelnde kohlensaure Gas sehr rein und vollkommen geruchlos ist, so hat man angefangen, dasselbe zur Be- 48 Landerer, über eine Hyoscyamus -Vergiftung. reitung von kohlensäurehaltigen Getränken und von künst- lichem Champagner und brausenden Weinen zu verwen- den und zieht diesen Magnesit andern kohlensauren Sal- zen, die zu diesem Zwecke verwendet wurden, vor. Die daraus in Menge dargestellte 'Magnesia alba wird in den Kattunfabriken mit Amylum vermengt, um die Baumwollengewebe stärker und weisser zu machen und erweist sich zum Appretiren solcher Gegenstände sehr nützlich. Ich untersuchte solche aus England kommende Baumwollenstücke und fand sie in der That magnesia- haltig. Dies ist eine neue Verwendung der Magnesia alba. Ebenso ist durch englische Journale angekündigt, dass man sich damit beschäftige, aus der Kohlensäure dieses Minerals Leuchtgas und Magnesiametall zu erzeu- gen. Auf welche Weise, ist zur Zeit noch unbekannt. Jedenfalls ist dieses Mineral sehr wichtig geworden und .wird zu den verschiedensten Zwecken verwendet. Ueber eine Hyoscyamus -Vergiftung; von Demselben. Da ich seit 10 Monaten in Folge einer Melancholie an einer Nervöse des Kopfes und Unterleibes leide, die mich oftmals in einen Zustand der völligen Verzweiflung bringt, und alle möglichen Mittel nichts halfen, so nahm ich meine Zuflucht zum Hyoscyamus. Ich bereitete mir eine Auflösung von 10 Gr. Extr. Eyoscyami nigr. von der ich im Laufe des Tages ungefähr 8 Gr. einnahm. Ich hoffte durch diese Dosis Schlaf zu bekommen, da ich in sechs Monaten kaum einige Stunden im wohlthätigen Schlafe zugebracht habe. Kaum auf das Lager hinge- streckt, wurde ich noch wachend von schrecklichen Träu- men befallen, eine fürchterliche Unruhe, Angst mit Kälte der Extremitäten, in denen sich Ziehen, Ameisenlaufen fühlbar machten, zwangen mich ins Freie zu gehen und Landerer, über ein Volksheilmittel. 49 in der Luft Hülfe zu suchen. Eine schnell vorüber- gehende Manie stellte sich ein und nur grosse Willens- stärke hielt mich zurück, nicht zu schreien. Schreck- liche Gedanken tauchten auf und dieser traurige Zustand dauerte gegen 4 bis 5 Stunden, verbunden mit Schmer- zen im Unterleibe, die sodann ein Zittern der Extremi- täten herbeiführten und mich von Neuem zwangen, aus- gestreckt auf dem Bette Hülfe zu suchen. Kalte Um- schläge auf den Kopf, kalte Limonade hatten keine Wir- kung. Dieser traurige Vorfall lehrte mich, dass man mit der Dosis eines guten Extr. Hyoscyami sehr vorsichtig sein muss, und von diesem Augenblicke an wende ich keine Narcotica mehr an und überlasse mich meinem Schicksale. Ueber ein Volksheilmittel; von Demselben. Unter dem Namen Pharmakon verstanden die Alten auch das Elaterium, Materion des Dioscorides, das wahr- scheinlich das Extract aus der Eselsgurke oder Purpur- gurke gewesen ist. Momordica Elaterium ist eine im Oriente sehr häufig vorkommende Pflanze, die zur Frucht- reife die Eigenschaft hat, aus den stacheligen, kleinen Gurken ähnlichen Früchten den Samen und den darin enthaltenen Saft mit grosser Gewalt herauszuschleudern. Aus diesem Grunde nannten die Alten diese Pflanze Elaterium, von elaterion, eine Feder, die durch ihre Ela- sticität die Eigenschaft des Ausschnellens der Samen be- sitzt. Der erhaltene Saft ist sehr scharf und kommt derselbe ins Auge, so ist er im Stande heftige Augen- entzündung zu verursachen, worüber im Oriente viele Fälle existiren. Schon früher habe ich erwähnt, dass das Aufschlügen des frischen Saftes durch die Nase den Ausflu8s eines stark gefärbten Schleimes zur Folge hat und man bei hartnäckigen Gelbsuchten zu diesem Mittel Arch. (1. Pharm. CLXXIII.Bds. l.u.2.Hft. 4 60 Landerer, seine Zuflucht nimmt. Aus der frischen Pflanze berei- ten die Leute durch Kochen mit Oel ein gegen rheuma- tische und arthritische Schmerzen heilkräftiges Oel oder Salbe. Dieses Ol. Momordicae Elaterii wird aus den frischen Früchten, die vorher zu einer breiigen Masse zerquetscht worden sind, mittelst Kochen mit Oel bereitet. Da der Saft dieser Pflanze einen sehr bitteren Geschmack be- sitzt, so nennt das Volk diese Früchte „bittere Gurken", Picranguria, indem man die Gurken mit dem Namen Anguria belegt. Von vielen Personen, die sich dieses Oels gegen rheumatische Schmerzen bedient hatten, er- hielt ich die Mittheilung, dass dasselbe ein sicheres Heil- mittel sei. Ueber französische und italienische Geheimmittel; von Demselben. Wenn man in Athen, oder auch in Syra, Patras oder Corfu in eine Apotheke eintritt, so sieht man gleich im ersten Augenblicke grosse Kasten, in denen sich alle Geheimmittel und Specialitäten aus Frankreich und Ita- lien befinden und gleichsam zur Schau ausgestellt wer- den. In der That ist die Stellung des Apothekers im Orient sehr schwierig, indem derselbe gehalten ist, alle möglichen Medicamente, die in Frankreich auftauchen, auch im Oriente zu haben und sich aus Frankreich kom- men zu lassen. Dies kommt daher, weil die meisten Aerzte des Orients in Frankreich ihre Studien vervoll- ständigten und diese mit allem Charlatanismus ausgestat- teten Aerzte den meisten andern vorgezogen werden. Da, wie es scheint, in Frankreich das Studium der Phar- makologie und besonders der Receptirkunst sehr vernach- lässigt wird, und die von dort kommenden Aerzte selten Formulas medicas magistrales zusammensetzen, so neh- über Geheimmittel. 51 men sie ihre Zuflucht zu den Formulas medicas dispen- satoriales und namentlich zu den neu auftauchenden Mit- teln. Diese in den meisten Apotheken sich findenden Medicamente sind folgende : Pilides de Blancard. — Pilulae e Jodureto. — Fer reduit par Vhydrogene, mit einem kleinen Löffelchen, um- dasselbe nach Belieben nehmen zu können. Das Paquetchen kostet 2 Francs. Statt dieses echten Ferrum hydrogenio reductum erhält man in den meisten Fällen einen schlechten Aethiops martialis, den man sich selbst bereiten, oder für wenige Groschen aus Deutschland ver- schaffen könnte. Granides de Digitaline — Gr. de JStrychnine — Gr. d'Aconitine — Gr. d'Acetate de Morphine — Gr. de Sulfate de Morphine und in neuester Zeit tauchten auch Granules d'Arsenic und Gr. d 'Arseniate de Fer auf. Alle diese Granules sind kleine Pillen oder auch eine Art Dragee von verschiedenen Farben oder versilbert, deren jedes 1 Milligrm. dieser Medicam ente enthält. - Sehr interessant sind die Capsules ä VEther sulfurique. Dieses sind Capsulae gelatinosae, vollkommen rund, aus 2 Theilen bestehend, und in jeder Capsula sind ungefähr 10—15 Tropfen Aether sulfuric. enthalten. Wird dieses dünne Medicament zufälliger Weise zerbissen, ehe man die Capsula verschlucken kann, so fühlt man ein fürch- terliches Brennen im Munde, so dass man gezwungen ist, dasselbe auszuspucken und sich den Mund auszu- waschen. Ein eben so unangenehmes Brennen im Magen fühlt man, wenn die Caps, gelat. sich daselbst auflöst und der Aether mit der Schleimmembran des Magens in un- mittelbare Berührung kommt. Um diese Schmerzen zu lindern, ist man genöthigt, sogleich Wasser nachzutrinken. Ausser diesen linden sich Lotions gegen Herpes, In- jectionen und Blennorrhöen — Capsules mit Matico — Üyrop de Raijort — Sels de Likrone effercescentes und Hunderte von ähnlichen (Jeheimmitteln, über die ein eige- nes Werk existirt unter dem Titel: Catalogue raisonne 4* 52 Lander er, des Specialites phamaceutiques par Ch. Le Perdriel, Phar- macien, der sich durch Geheim mittel, die alle nach dem Orient gesandt werden, ein Vermögen von mehreren Mil- lionen erworben hat. Unter den Namen Wermuth, Essence d'Absynthe, Ro- soglio d'Äbsynthe, vielleicht auch unter dem Namen Eng- lisches Bitter, kommen Tausende von Flaschen mit schö- nen Vignetten und mit Stanniol -Kapseln versehen, aus Frankreich nach allen Theilen des Orients, und Tau- sende von Pfunden Sterling gehen von hier nach Frank- reich, woher die Zuckerbäcker diese Rosoglios und Wer- muthweine beziehen. Alle diese Wermuth-Rosoglios und -Weine könnten von jedem Pharmaceuten in Deutsch- land bereitet werden, aber wenn sie nicht aus Frank- reich kommen, so werden sie nicht gut sein. Man will und sucht im Oriente französische Producte. Dieser Wermuthwein ist der aus den ältesten Hippokratischen Zeiten stammende Absynthites — Oinos absynthites — den sich die Leute in Griechenland gegen Magenschwäche und andere Krankheiten bereiten. Auch die Osmanen bereiten sich einen solchen Absynthwein unter dem Na- men Pylino. Zu diesem Zwecke werfen sie frischen Wermuth nach Gutdünken in den Weinmost, und nach- dem derselbe ausgegohren und einige Minuten auf dem Wermuth gestanden hat, wird der geklärte Wein abge- zogen und in Flaschen gefüllt und dann unter diesem Namen verkauft. Die Etymologie des Namens Absynthium ist von seinem bittern Geschmack, a-iuvtD, nicht zu trin- ken, nicht zu gemessen, so dass der Name eigentlich Apinihion ist. Andere Geheimmittel kommen auch aus Italien, so dass sich Hunderte solcher Mittel finden, welche der im Orient wohnende Apotheker für vieles Geld anzuschaffen genöthigt ist. über eine eigenthümlicke Geruchsentwickelung. 53 üeber eine eigentümliche Geruchsentwickelung; von Demselben. Unter dem Namen Scherbet versteht man im Oriente Confitüren, Syrupe der verschiedensten Art und Zusam- mensetzung, um sich mittelst Wassers ein süsses Getränk zum Löschen des Durstes zu bereiten. Unter dem Na- men Bosa versteht man im Gegentheile Syrupe oder Ab- kochungen von Honig mit Essig, säuerlich gewordene Absude von Ceratonia siliqua, von Datteln etc., um sich säuerliche Getränke zu bereiten. Weniger in Griechen- land, als vielmehr in Alexandrien und Kairo, befinden sich kleine Buden, in denen die Serbetzis (Händler, Aus- schenker) diese Scherbets und Bosas verkaufen. Auf einem kleinen Tische steht eine Menge Flaschen mit Syrupen und Scherbets, mit Syrup. emxdsiv. aus Melonen- kernen oder aus den Wurzeln von Cyperus esculentus, der Manna der Orientalen, bereitet, um nach Wunsch so- gleich entweder ein Scherbet oder ein Bosa bereiten zu können. Mittelst einer eigenthümlichen Vorrichtung fällt kaltes Wasser auf ein sich herumdrehendes Glas und durch die stattfindende Verdunstungskälte wird das vor- räthige Wasser immer kühl gehalten. Unter den Scherbets findet sich eine Confitüre, die aus Zucker mittelst des Absudes der Mandelschalen be- reitet wird. Diese unnützen Schalen, namentlich die der Krachmandeln aus Chios, die sehr zerbrechlich sind, wer- den länge Zeit gekocht und in Folge dieses anhaltenden Kochens entwickelt sich ein Geruch nach Vanille, der mit der Zeit immer stärker hervortritt, besonders wenn das Decoct mit dem zum Fluge gekochten Syrup vermischt und gekocht wird. Diese Confitüre ähnelt an Geruch und namentlich im Geschmack einer mit Vanille bereiteten. Es wäre in der That interessant, zu ermit- teln, aus welchen Bestandteilen dieser Mandelschalen der vanilleähnliche Geruch sich zu bilden im Stande ist. 54 Landerer, über Weintrester- Bäder. Ebenso eigenthümlich ist es, dass gesättigte Ab- kochungen dieser Mandelschalen eine vorzügliche Wir- kung gegen den Keuchhusten äussern und nach dem Gebrauche derselben die Paroxismen milder auftreten und der Husten allmälig nachlässt *). Notiz über Weintrester -Bäder. Tsimpura nennen die Griechen die Weinstrester, die sich in Griechenland, als in einem Weinlande, in Menge linden. Dieselben werden nur zur Destillation eines elen- den Spiritus, den man Iraky nennt, verwendet und von den Eigenthümern an die Destillateurs verkauft. Die- selben zur Fabrikation von Cup. aceticum zu verwenden, ist hier nicht bekannt und wird wohl noch lange Zeit unbekannt bleiben. Die Rückstände sind ein schlechtes Viehfutter für Schweine, und auch die Esel des classi- schen Landes haben sich daran gewöhnt, in Ermangelung von Disteln und andern Pflanzen die Weintrester zu fressen und sich oft zu berauschen. Von vielen Patienten wer- den die Rückstände zu Bädern verwendet und alle mine- ralischen Bäder sollen diesen Tsimpura-Bädern bei arthri- tischen Leiden an Wirkung nachstehen. Mehre mir be- kannte Personen, die alle europäischen und griechischen Bäder besucht und keine Hülfe gefunden hatten, nah- men ihre Zuflucht zu diesen Weintrester - Bädern und wurden dadurch völlig geheilt. Ein ganz gelähmter Mann, der sich jede Woche 2 bis 3 Mal in die Weintrester hineingrub und diese Kur einige Monate fortsetzte, wurde von seiner Hemiplegie vollkommen geheilt. X. Landerer. *) Die Kerne der Hagebutten (von Rosa canina) geben mit siedendem Wasser Übergossen einen Aufguss, der ebenfalls vanilleartig riecht. H. Ludwig. Die erste preussische Pharmakopoe. 55 Die erste preussische Pharmakopoe. Schon gegen das Ende des 17ten Jahrhunderts hatte der Kurfürst von Brandenburg sich mit dem Gedanken einer Verbesserung des Medicinalwesens in seinen Landen beschäftigt; derselbe war aber doch etwas, seiner könig- lichen Gedanken wegen, in den Hintergrund gedrängt worden. Als er jedoch König hiess, richtete er unter andern auch sein Streben wieder auf Medicinalverbesse- rungen: nächst Medicinaledict und Constitution bezeugt dies das „Dispensatorium", oder wie man jetzt sagen würde, die Pharmakopoe in erster Auflage. So dankenswerth den damaligen Apothekern gewiss dieses umfangreiche Werk in Grossfolio gewesen, welches die allenthalben verstreuten Vorschriften sammelte und ihnen eine Richtschnur bei den vielen sehr verwickelten Präparaten wurde, so wenig können wir jetzt ein Lächeln unterdrücken, wenn wir die oft gar zu haarsträubenden Vorschriften zu Gesicht bekommen. Bei alledem finden sich doch gar viele rationelle und gute Sachen darunter, ja man kann sagen, im Allgemeinen ist das Urbild zu unserer jetzigen siebenten Auflage der Pharmakopoe nicht ganz zu verkennen. Dies sowohl, als auch viele jetzt noch, obwohl seltener vorkommende Vorschriften und die Ab- leitung vieler Namen, die jetzt noch gang und gäbe sind, lassen es nicht ungerechtfertigt erscheinen, hier aus dem Originale, das nicht Jedem zur Hand ist, Einiges mit- zutheilen. Dies Dispensatorium beginnt mit den verschiedenen Acetum - Arten, zuerst mit Acetum bezoardicum. Man darf sich bei den Bezoardischen Präparaten überhaupt nicht denken, dass sie jenen jetzt fast fabel- haft gewordenen Lapis bezoardicus enthielten, der in dem Magen der wilden orientalischen Bezoarziege (Capra Aega- grus)y der Gazelle {Antilope Dorcas) und des Lama (Llama Auchenia) erbsen- bis eigross sich öfters absondert, viel- mehr nennt das Collegium supremum medicum, welches 56 Die erste preussische Pharmakopoe. das Dispensatorium verfasst hat, bezoardisch alles das, wie allgemein üblich war, was aus verschiedenen Kräu- tern, Wurzeln, Blumen, Harzen u. s. w. zusammengesetzt, „für Alles" gut war. Der bezoardische Essig enthält Wachholder und Lor- beeren, Angelica, Diptam, Alant, Ostruthium, Pimpinell, Tormentill, Baldrian, Vincetoxicum und Zittwerwurzel, Rauten-, Salbei- und Scordiumblätter, Kalendel, La- vendel, Melissen- und Rosenblüthen, Pomeranzen- und Citronenschalen , gelbes Sandelholz, Nelken, Muskat- blumen, Myrrhen- und Sassafrasholz, dies alles wird grob gepulvert und mit Nelkenblumenessig in einem gut ge- schlossenen Gefasse aufbewahrt. Acetum prophylacticum besteht aus Angelica, Zitt- wer- und Pestwurzel (einer Tussilaginee), Rauten-, Me- lissen- und Scabiosenblättern, Kalendelblüthen, unrei- fen Nüssen und Citronen, eine Nacht mit Essig digerirt und früh Morgens bis zur Trockniss destillirt. Acetum saturninum seu Lithargyrii. 1 Pfd. Bleiglätte und 2 Pfd. Essig macerirt und das Klare zum äussern Gebrauch aufbewahrt. Aeris flores. Es giebt zwei Arten, die eine, die wir zum Unterschiede die natürliche nennen, ist folgende: Die vom Kupfer beim Ausschmelzen abspringenden Körner werden mit Wasser, wenn sie noch warm sind, über- gössen. Diese sind von den älteren Aerzten, ja sogar von Hippokrates sehr hoch geschätzt und oft angewen- det. Die andere, die künstliche, mit einem chemischen Handgriff zu bereiten: Feinste Kupferfeile und Salmiak (Limxttura Veneris et Sal Ammoniaci) werden 8 Tage lang wenigstens digerirt, damit sich das Salz mit der Venus verbinde (Sal Veneri jungatus) und dann mehrmals subli- mirt, gelöst und durch lockeres Packpapier colirt {per emporeticam coletur) und die so vom Salmiak befreiten Blumen getrocknet. Aes ustum. Alte Kupferspäne, Schwefel und Salz streue man in ein Gefass, um das zu brennen. Die Die erste preussische Pharmakopoe. 57 Augustiner schreiben das Brennen jedes einzelnen vor und dann noch Waschen und Ausgüssen, Zwei ff er un- tersagt dies. Alois cornu philosophice praeparatum. Dies Brennen nennt man unpassend philosophisch, sagt das Dispensa- torium. Man hänge ein Stück Elennhorn oder irgend ein anderes Hörn oder Knochen mit einem starken Fa- den über eine kupferne Blase, aus der Spiritus oder spi- rituoses Wasser, oder bloss Wasser destillirt wird, an der Oeffnung auf, wo der Spiritus aufsteigt, um es im Vorüberziehen zu durchdringen, um mit der Zeit alle natürliche Feuchtigkeit ihm zu entziehen und zerreiblich zu machen. Man kann es auch zwischen Steinen reiben, oder auch durch Auskochen zerreiblich machen. — Dies Alles ist wörtlich übersetzt, man staunt ob der Mühe! Alumen tinctum Mynsichti. Man bereite es, wie es der Verfasser wünscht, durch Lösen von Alaun mit Dra- chenblut in genügender Menge Carduibenedictenkraut- wasser und filtrirt es. Das Schrecklichste und Ekelhafteste ist ein Amulet, ein eigentlich so veraltetes Möbel, dass es kaum glaublich ist, wie vor 1G0 Jahren noch derartiger Spuk getrieben werden konnte in einem von dem obersten königlich preussischen Medicinal-Oollegium erlassenen Gesetzbuche. Wenn auch zu der Zeit und später noch Viele Gold machen wollten, so thaten sie es doch bei verschlossenen Thüren, hier aber wird der Aberglaube officinell, ja die Vorschrift verstösst sogar gegen ein 1678 erlassenes Ver- bot gegen Thierquälcrei: Amuletum in peste Helmontii. Obgleich dies von Eini- gen für nichts werth gehalten, hat es sich doch vielfach, namentlich im ungarischen Kriege zwischen den Kaiser- lichen und Rebellen, als die Pest fürchterlich wüthete, durch vielfache Versuche der Aerzte bewährt, so dass es jetzt den Triefäugigen und Barbieren schon bekannt ist, wie das Sprüchwort sagt. Man macht es aus grossen und alten Giftfröschen, 58 Die erste preussische Pharmakopoe. die im Juni Nachmittags gefangen sein müssen, indem man sie mit den Hinterbeinen am Heerde aufhängt über einer mit Wachs bedeckten Schüssel, unter der man ein Feuer anzündet. Nach drei Tagen hauchen die Kröten eine scheussliche Luft aus und Geifer, wodurch allerlei Gewürm, wie Fliegen herankommt, das auf dem Wachs kleben bleibt und noch Geifer dazu ausrülpst. Wenn die nun alle todt sind, röste man sie, zerreibe und mische sie mit dem Geifer, den man fleissig zusammengekratzt, und forme Rollen davon, etwa 1 Zoll lang, denen man, wie Einige meinen, die Form einer Kröte geben muss. Diese hänge man in Nesseltuch eingenäht an einem sei- denen oder leinenen Faden so am Halse auf, dass sie an der Herzgrube liege. Je länger man diese trägt und anwendet, desto besser bleibt man vor der Pest bewahrt. Anodinum minerale. Das kann man auf zweierlei Art herstellen, einmal aus dem Crocus metallorum, dann aus dem schweisstreibenden Spiessglanze, indem man das Aussüsswasser eindampft. Manchen ist das wegen des noch anhaftenden, Erbrechen bewirkenden Stoffs verdächtig. Antidotus Mattlrioli. Ein mehr wunderliches als no- thiges Heilmittel, was seltener geworden ist, seit Theriak und Mithridat Geltung erlangt haben. Deshalb kann es in unsern Apotheken und Verzeichnissen fehlen. Man muss aber dem Publicum auch gegen die erfahrenen Aerzte etwas zu Gute halten, der, der es bereiten will, kann in der neuen Pharmakopoe der Augustiner es ein- sehen, die ja doch alle Apotheker besitzen. Ueber die nun folgenden Antimonpräparate berichten wir, ebenso wie über die destillirten Wässer, deren Zahl Legion ist, ein andermal, dann auch über die chemischen Präparate, die des Interessanten namentlich viel bieten. . H. L. 59 II. Naturgeschichte lind Pharma- kognosie. Die Cultur der China auf Java; von Dr. H. Boehnke-Re ich in Regenwalde. Viel und mit Bewunderung spricht man von den Mönchen, die im 6. Jahrhundert unter Justinian durch List die Seidenraupe von China nach Griechenland brach- ten; viel von jenen Ereignissen, durch welche Ostindien seinen Gewürzbaum, Arabien den Kaffee verlor, und ver- gisst darüber culturhistorisch eben so bedeutende, wenn nicht bedeutendere Momente, die unserer Zeit angehören: so die Verpflanzung des Chinabaumes von Südamerika nach Java. Dort sind es Dinge, die nur zur Befriedigung eingebildeter Bedürfnisse dienen, und die wir eben so gut entbehren könnten: hier handelt es sich um die Erhaltung eines der wichtigsten Heilmittel, dessen Ver- lust eine nicht auszufüllende Lücke in unsern Arzneischatz reissen würde. Bekannt ist es, mit welchem Vandalis- mus die südamerikanischen Cascarilleros das Einsammeln der Chinarinde betreiben, und dass dadurch eine Verwü- stung in dem Bestände der Chinabäume eingetreten ist, welche schon vor Jahren die Besorgniss erregte, es möchte in nicht gar zu ferner Zeit die Chinaconsumption die Production weit übersteigen, letztere wohl ganz aufhören. Eine forstwissenschaftliche Bewirtschaftung der China- districte hätte nur im Interesse der südamerikanischen Staaten gelegen, die ja den Chinabaum im Wappen führe ; woher aber hätten Staaten, deren unaufhörliche politische Wirren und Zänkereien sie an nichts Anderes denken 60 Boehnke - Reich, lassen, Macht und Willen nehmen sollen, solches ernstlich durchzuführen? Sie werden sich nicht beklagen dürfen, wenn ihnen dieses herrliche Geschenk der Natur ganz entrissen sein wird ; sie allein tragen die Schuld ! Bolivia hat allerdings das Einsammeln der Chinarinde monopoli- sirt und einer Gesellschaft pachtweise jedoch nur für ein bestimmtes Rindenquantum überlassen. Was man nun gesetzlich nicht nehmen durfte, eignete man sich auf ungesetzlichen Schleichwegen zu und so ist nichts ge- bessert. Die folgenden Blätter erzählen die Unternehmungen der holländischen Regierung, den Chinabaum nach Java zu verpflanzen und von Südamerika unabhängig zu ma- chen, theilweise nach dem Berichte des früheren General- Gouverneurs von niederländisch Indien, R o ch u s e n. Nur weniges ist hier noch vorauszuschicken. Die holländische Regierung sandte zu dem genannten Zwecke eine Persön- lichkeit ab, welche aber die gehegten Hoffnungen täuschte und resultatlos mit der Erklärung zurückkehrte : das Un- ternehmen sei unausführbar. Zum Glücke war dasselbe schon zu weit gediehen, als dass man es wieder hätte aufgeben können. Wieder einmal musste Deutschland aushelfen, welches nur dafür geschaffen zu sein scheint, für Andere die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Seit 1846 lebte in Düsseldorf der bekannte Gärtner und Bo- taniker Hasskarl, der früher den botanischen Garten von Buitenzorg *) auf Java dirigirt hatte, aber durch *) Buitenzorg = Sanssouci eig. „ausser Sorge" ist das bei Bata- via gelegene nächste hohe Land, und wurde deshalb schon 1745 vom Baron Im hoff, dem damaligen opperlandsvogt, zum Bauplatz eines Sommerpalastes ausersehen. Die indische Regierung bewilligte den Platz für immer den jedesmaligen Gouverneuren, und jetzt ist ein reizendes Palais mit einem botanischen Garten, wie er sich kaum in der Welt wiederfin- det, dort entstanden. Letzterer wurde von dem General-Gou- verneur Van der Capellen angelegt, aber schon Imhoff gab dem ganzen Platze den Namen Buitenzorg, der früher und auch jetzt noch von den Eingeborenen bogor genannt wird. Cultur der China auf Java. 61 mancherlei Verhältnisse genöthigt, von diesem Posten zu- rückgetreten war. Es war eine glänzende Genugthuung für ihn, dass ein Land, welches ihm früher Unrecht ge- than, später zur Ausführung seiner Pläne in ihm den rechten Mann erkannte. Am 1. November 1852 reiste er von Düsseldorf ab, wo er seine Familie einstweilen zurückliess. Seine Reise und seine Erfolge sind der In- halt der nächsten Seiten. Zum Lohne für das glückliche Vollbringen ernannte der König von. Holland Hasskarl zum Ritter des nie- derländischen Löwenordens und später, als die Unter- nehmung als gelungen betrachtet werden konnte, zum Commandeur des luxemburgischen Ordens der Eichen- krone. Es konnte dies nur ein geringer Ersatz für einen Mann sein, der während der Ausführung seines Werkes seine ganze Familie verloren hatte. Seine Frau und vier Töchter fanden am 4. December 1854, als sie sich zu dem unterdessen auf Java angelangten Gatten und Vater begeben wollten, durch den Schiffbruch der „Hendrika" mit 72 Personen noch an der holländischen Küste ihr Grab. Dies trug wesentlich dazu bei, dass Hasskarl durch Strapazen entkräftet, durch diese Trauerbotschaft tief erschüttert im Juli 1856 nach Europa zurückkehren musste. — Unter der grossen Zahl von Arzneimitteln gegen körperliche Leiden besitzt die Medicin zwei Specifica, deren rationelle Anwendung eine Wohlthat für die Mensch- heit ist: das Opium und die China oder genauer das Chinin. Sie haben Beide das gemeinsam, dass sie bis jetzt durch Surrogate nicht haben ersetzt werden können. Freilich stellt man in Egypten aus dem Safte einer Art Hanf den unter dem Namen lladschy oder Chaschisch bekannten Stoff dar, der einige Eigenschaften des Opiums besitzt, dieses jedoch als Arzneimittel nicht vertreten kann. Wahr ist es, dass man der China Arsenikpräparate substituirt hat, oder aus der Rinde verschiedener Pflan- 6 2 Boehnke - Reich, zenarten dargestellte Substanzen, wie aus der Weide, dem Tulpenbaum, der Cardobenedictendistel, Rosskastanie, Eiche, dem Andorn u. a. m. Angenommen, dass diese tonisch wirken, vielleicht einige auch fieberwidrig, so haben sie dennoch keine Wirksamkeit bei schweren und bösartigen Tertiärfiebern, wo nur ein Chininsalz helfen kann. Eine grosse Zahl Versuche von Gelehrten aller Län- der, ein Ersatzmittel für die China zu finden, ist immer ohne Erfolg gewesen, Beweis genug für die hohe Bedeu- tung dieses Arzneimittels und zugleich eine Aufforderung, der Menschheit dasselbe zu erhalten. Im Jahre 1850 setzte die pharmaceutische Gesellschaft zu Paris einen Preis von 4000 Francs für denjenigen aus, dem es gelänge auf chemischem Wege aus andern Pflanzen als die China einen Stoff zu präpariren, der die therapeutischen Eigen- schaften des Chinins hätte. Der französische Kriegs- minister verdoppelte für das nächste Jahr die Summe: das Problem ist bis heute ungelöst. Dasselbe mit dem- selben ungünstigen Erfolge that die königliche Akademie der Wissenschaften in Holland. In Bezug auf die Anwendung der genannten beiden Stoffe besteht jedoch ein bedeutender Unterschied. Das Opium ist einerseits als Heilmittel in gewissen Krankhei- ten unschätzbar, dient jedoch andererseits in viel grös- serem Maassstabe als Luxus- und Gewohnheitsartikel. Seine aufregenden Eigenschaften verheeren und zerstören die physischen und schwächen die psychischen Kräfte des Menschen. Wer sich dem Opiumgenusse hingegeben, ist für immer Sklave desselben; um dieselben Wirkungen zu erzielen, muss von Tage zu Tage die Dosis vergrös- sert werden. Es ist dieses ein ungeheures Unglück für ganz Asien, eine der Ursachen seiner Abhängigkeit von Europa und Grund der fast durchgängigen geistigen Un- fähigkeit seiner Bewohner. Der Missbrauch des Opiums macht ausserdem für seine heilkräftige Wirkung das In- dividuum unempfänglich. Nicht so die China: sie dient nur als Heilmittel. Cultur der China auf Java. 63 Ihr Verbrauch steigert sich jährlich, und obgleich keine vollständige Statistik darüber existirt, so ist doch diese That- sache bewiesen. Man sollte demnach auch eine gestei- gerte Production erwarten. Dem ist aber nicht so, es scheint im Gegentheile diese sich zu vermindern, und man kann mit Recht fürchten, dass sie ganz unzulänglich werden wird, wenn man bedenkt, dass nur ein Theil von Südamerika die China hervorbringt, dass dieser Baum keine Wälder bildet, sondern sich nur einzeln findet, dass das Sammeln der Rinden nicht controlirt wird und oft in Verwüstung ausartet. In einem Berichte von Jussieu, Richard und Gaudi chaud an die Akademie der Wissenschaften über die Schrift Weddell's: Histoire naturelle des Quin- quinas liest man: „Es verdient ein ebenso für das Wohl der Menschheit als für uns wichtiger Punct alle Aufmerk- samkeit: es ist dies der völlige Mangel eines Gleich- gewichtes zwischen dem Bedarfe und der Production der besseren Chinarinden und der schnelle Untergang, welchem die geschätztesten Arten entgegen gehen." In demselben Sinne eine andere Stelle: „Man muss gegenwärtig, um Rinden von guter Qualität anzutreffen, acht bis zehn Tage- reisen von bewohnten Orten gehen. Die Art der Aus- nutzung dieses kostbaren Productes ist ganz und gar der Willkür von Halbwilden überlassen, und wenn man kein wirksames Gegengewicht gegen ihre Verwüstungen findet, so werden unsere Nachkommen, wenn nicht das Ausster- ben der verschiedenen Chinaarten, so doch ihre grosse Seltenheit zu beklagen haben." In seiner Voyage au nord de la Bolivie sagt Weddell: „Wer in Europa die enor- men und täglich wachsenden Mengen der ankommenden Chinarinden sieht, kann leicht auf den Gedanken kommen, es werde immer so sein; aber ganz anders muss der den- ken, welcher in dem Vaterlande dieses Baumes gewesen ist." — Delondre, welcher die Wälder von Südamerika bereiste, und Bouchardat beriebten darüber: „Ruiz beklagte sich 1792 bitter über die geringe Sorgfalt der 64 Boehnke- Reich, Rindensammler beim Schälen der Bäume. Auch ich konnte mich nicht enthalten, die Gleichgültigkeit der Indianer zu bedauern, die den Baum in einer gewissen Höhe vom Boden anschlagen, um sich nicht bücken zu müssen, so dass im Allgemeinen nicht die Hälfte der Rinde eines Baumes gesammelt wird." Die Furcht, es möchte die Zeit kommen, in welcher die Chinaproduction dem Bedarfe nicht mehr genügen wird, ist also nicht ohne Grund, und schon ist der Preis so bedeutend, dass er bald die Kräfte eines Unbemittel- ten übersteigen kann. Angesichts dieser Thatsachen und der vorhergehen- den Betrachtungen hat das niederländische Gouvernement, welches seine ganze Sorgfalt der Entwicklung und der Verwaltung seiner Besitzungen im indischen Archipel) diesen Quellen nationaler Grösse und Wohlhabenheit, widmet, zwei Maassregeln ergriffen, deren Ziel und Re- sultat folgendes ist. Die erste ist ein Verbot der Mohncultur und der Opiumfabrikation, damit die Eingebornen diesen Stoff nicht in Händen haben oder billig kaufen können. Zu demselben Zwecke und zugleich zum Besten des Fiscus hat das Gouvernement, überzeugt, dass das Opium aus englich Indien und Kleinasien doch nicht ausgeschlossen werden könne, sich den Opiumhandel als Monopol vor- behalten und verpachtet ihn auf dem Wege der öffent- lichen Concurrenz an den Meistbietenden der Art, dass der Preis sich auf das Sechsfache stellt und der Ver- brauch somit möglichst beschränkt wird. Die Sache hat aber auch ihre üble Seite, denn die Erlaubniss mit Opium handeln zu dürfen, wird an Denjenigen verkauft, der sich contractlich verbindlich macht, die grösste Quantität umzusetzen und der Regierung abzukaufen. Natürlich muss und wird der Pächter dann auch jedes in seinem Bereiche liegende Mittel ergreifen, seinem Opium so" viel Absatz als möglich zu verschaffen. Statt den Gebrauch des schädlichen Giftes mit den Jahren zu vermindern, Cultur der China auf Java. 65 wird auf solche Weise der Umsatz im Gegentheil nur vermehrt. Die einzige Entschuldigung, welche die Hol- länder für diese rein finanzielle Sache, der die Moral geopfert wird, haben und auch geltend machen, ist die, dass sie den Gebrauch doch nicht verhindern könnten, und wollten sie es verbieten, so würde Opium geschmug- gelt werden. Die zweite Maassregel betrifft die China. In der Hoffnung, die Lücken auszufüllen, welche schon jetzt durch die Verminderung der Chinabäume in Südamerika fühlbar sind und in Zukunft noch fühlbarer zu werden drohen, in der Hoffnung, der Menschheit nützlich zu sein und zugleich die Colonie durch eine einträgliche Cultur- pflanze zu bereichern, hat das Gouvernement beschlossen, in grosser Ausdehnung die China nach Java zu verpflan- zen und bei ihrer Pflege und Ausnutzung alle Fortschritte der Wissenschaft und Erfahrung in Anwendung zu brin- gen. Es sollten zu diesem Zwecke weder Mühe noch Opfer gescheut werden; man wollte als tüchtig erkannte Naturforscher, Botaniker und Chemiker nach Peru und Bolivia schicken, um Pflanzen und Samen der China zu sammeln, nach Java zu bringen, zu acclimatisiren und zu vermehren. In der Sitzung der Gesellschaft für Acclimatisirung zu Paris am 5. Juni 1862 unter dem Vorsitze von Drouyn de Lhuys wurden die schon gewonnenen Erfolge und die Hoffnungen, welche man für die Anpflanzung hegt, dargelegt. Condamine, der 1736 mit Godin und Bouguer von Quito abreiste, um Meridianmessungen am Aequator vorzunehmen und die Grösse und Oberfläche der Erde zu bestimmen, richtete zuerst seine Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Chinarinden, die Chinabäume und ihre Standorte, worüber er Nachricht gab in seiner Relation abnvjik d'im voyage faxt alans l'iutrriciu- de VAmerique meridiouaU (Paria J74. r )), zugleich auch junge Pflanzen und Samen für Cayenne und Frankreich bestimmt ein- Arch.d. Pharm. CLXXlII.Hdö. l.u.2. ilft. 5 66 Boehnke - Reich, schickte, die jedoch bei einem Schiffbruche verloren gingen. Joseph Jussieu, der fast 30 Jahre seines Lebens in Südamerika verlebte, beschäftigte sich mit demselben Gegenstande. Die Resultate seiner Beobachtungen finden sich nur in einem gedrängten Berichte in der Histoire de la Societe royale de medecine 1779 unter dem Titel: Re- flexions sur deux especes de quinquina decouvertes nouvel- lement aux environs de Santa- Fe. Andere Franzosen suchten in anderer Weise die Chinarinde für die Menschheit nützlich zu machen und führten das von Condamine begonnene Werk zu Ende. Es waren Pelletier und Caventou durch ihre für die Arzneikunde so bedeutende Darstellung des Chi- nins 1820. Dank dieser Entdeckung existirt keine Un- gewissheit mehr über diesen wirksamen Stoff der Rinde; seine Verfälschungen können entdeckt und festgestellt werden; der Organismus der Kranken wird nicht mehr mit den unnützen holzigen Theilen der früher gebräuch- lichen Substanz belästigt; der Arzt kann genau die Dosis bestimmen, was wegen des verschiedenen und wechseln- den Gehalts der Rinden an Chinin bis dahin nicht gesche- hen konnte. Den Franzosen gebührt der erste Dank der civilisir- ten Menschheit, sie haben den ersten Grundstein zur Kenntniss der China gelegt ; die zweite Stelle nimmt Hol- land ein. Frankreich lieferte ihm die erste gute China, die Calisaya, welche nach Java importirt und angepflanzt wurde. Im Jahre 1850 nämlich empfing der in Paris anwesende Professor der Botanik de Vriese von Thi- baut und Keteleer die junge Pflanze in Tausch für javanische Pflanzen. Sie wurde in dem botanischen Gar- ten zu Leyden bis zu einer Höhe von 0,75 Meter erzogen, dann nach Java geschickt, in einer Kiste nach der Me- thode von Ward verpackt, d.h. im Glaskasten mit her- metischem Verschlusse. Sie starb bald ab, jedoch hatte man sie durch Stecklinge vermehrt und noch heute sind mehrere derselben in vollem Wachsthume. Cultur der China auf Java. 67 Zunächst einige Worte über die China in ihrem Stammlande, um so Anhaltepuncte zur Vergleichung mit dem auf Java angewandten Culturverfahren zu erhalten. Linne gab den Bäumen, welche Chinarinden lie- fern, den Genusnamen Cinchona nach dem Namen der Gemahlin des Vicekönigs von Peru Don Geronimo Fer- nandez de Cabrera, Bombadilla y'Mendoza, Grafen del Chinchon, die lange Zeit am intermittirenden Fieber litt und auf den Rath des Correggidor von Loxa, Don Juan Lopez de Cannizares, durch den Gebrauch der China geheilt wurde, 1638. Die nach Europa gebrachte China gab man den Kranken als Pulvis Comitissae, Gräfin- pulver. Später schickten jesuitische Missionäre eine grosse Menge der Rinde nach Rom, von wo sie sich über Italien und ganz Europa unter dem Namen Pul- vis jesuiticus verbreitete; eben so bekannt war sie als Talbot' s Pulver, nach dem Arzte Talbot, der durch dasselbe, als seinem Arcanum, einige hohe Personen am französischen Hofe heilte und sein Geheimniss an Ludwig XIV. für 2000 Louisd'or und eine Jahresrente von 2000 Livres verkaufte. Dies geschah 1671 und unbegreiflich ist es, wie Talbot (auch Talbort, Tal- bor) die Chinarinde für ein Geheimmittel ausgeben und auch Glauben finden konnte, denn 1658 schon wurde die China Gegenstand des mercantilischen Verkehrs, in- dem sie ein Antwerpener Kaufmann Thompson öffent- lich ausbot, und 1664 findet sie sich in dem Tarif von Lyon mit 4 Sous Steuer für das Pfund belegt, was ihre Verwendung und Verbreitung anzeigt *). Die China wurde als Pulver gegeben, obgleich ihr Salz schon 1739 bekannt war, denn man liest in dem Journal du voyage fait par ordre du Roi ä Vequateur, servant d'introduction historique ä la mesure des trois Pre- miers degrdt du meridien von Condamine (Paris 1751): »Die China-Ernte machte den Haupttheil des Einkommens meines Wirthos aus, der seine Besitzung in einem der *) Robert Tal bor stellte enertt uns der Chinarinde China - wein, Chinatinetur uud Chinacxtract dar. II. Ludwig. 68 Boehnke- Reich, besten Landstriche hatte; ich sammelte mir einen Vor- rath der besten Sorte ; er gab mir aus der frischen Rinde erhaltenes Extract und Salz, das nach der, ihm vonJus- sieu während seines Aufenthaltes 1739 angegebenen Me- thode bereitet war. Ich hatte keine Gelegenheit das Salz anzuwenden, die Rinde jedoch und das Extract heilten Fieber in Peru, Cayenne und auf dem holländischen Schiffe, das mich nach Europa brachte". Durch die nach Condamine angestellten Unter- suchungen von Mutis, Ruiz, Pavon, Humboldt und Bonpland, zuletzt durch Weddell und Delondre, hat die Geographie der Chinaregion, wie Humboldt sie nennt, grosse Fortschritte gemacht. Sie erstreckt sich vom 10° nördl. Br. bis zum 19° südl. Br. in einer Aus- dehnung von 9 Längengraden. Weddell schätzt sie auf 2000 Quadratmeilen. Man kennt gegenwärtig 21 als wirklich echt betrachtete Chinaarten. Delondre und Bouchardat haben die Wissenschaft der Chinologie durch eine analytische und comparative Tabelle über den Chinin- und Cinchoningehalt der verschiedenen Ar- ten bereichert. Jede Art hat ihr Besonderes, was Terrain, Höhe und Temperatur desselben betrifft. Pöppig (Reise in Chili und Peru 1836) sagt unter Anderem, dass, je höher der Baum stehe, desto wirksamer die Rinde sei; je tiefer der Baum, desto unwirksamer die letztere. Er legt grosses Gewicht auf einen steinigen Boden. Die Verbreitungszone liegt über der des Pisangs und der Palme. Man findet Cin- chonen mit Farrnkräutern zwischen 3600 und 9000 Fuss. Die erforderliche Höhe für die beste Sorte, die Cali- saya, bestimmt Weddell auf 4600 bis 5600 Fuss. Sie wächst in dem südlichen Theile von Peru und Bolivia, nicht weit von dem Wendekreise, wo die mittlere Tem- peratur schon bedeutend niedriger ist als am Aequator. Die China Loxa findet sich nach Humboldt auf Glim- merschiefer und Gneis in den massigen Höhen von 5400 und 7200 Fuss, die C. oblongifolia und caducifolia stei- gen mehr in das Thal hinab. Humboldt fand grosse Cultur der China auf Java. 69 Bäume von Condaminea lancifolia auf einer Hohe von 9100 Fuss und C. longifolia bei 2270 Fuss. Die Höhe allein entscheidet jedoch nichts für die Lo~ calität, welche die verschiedenen Arten erfordern, sondern ein Zusammentreffen mehrer Umstände. Die Angaben über die Temperaturen sind noch sehr unvollständig. Humboldt bezeichnet für C. Condaminea eine mittlere Temperatur von 16° R. (20° C), für C. lancifolia und ova- lifolia eine bedeutend niedrigere; Hasskarl giebt für die Calisaya eine mittlere Temperatur von 60° F. (16°C.) und selbst 500 F. (10OC.) an. Wenn die C. Calisaya die reichste an Chinin ist, so darf man doch nicht schliessen, dass die anderen Arten wirkungslos seien. Die rothe China vom Aequator, die gelbe von Santa -Fe, von Pitayo und Carthagena enthal- ten eben so viel des wirksamen Stoffes. Alle Arten, welche wenig Chinin enthalten, verdienen weniger unsere Auf- merksamkeit, denn angenommen, dass ihre Rinde im De- coct und Extract als Tonicum wohl gute Dienste leisten könne, so darf man doch nicht aus dem Auge verlieren, dass die China hauptsächlich als Fiebermittel dienen soll. Schon 1829 wurden dem niederländischen Gouver- nement Vorschläge zur Einführung der Chinacultur in Java gemacht, und diese oft wiederholt. Man rühmt na- mentlich die Bemühungen des Professors Miquel zu Am- sterdam in dieser hochwichtigen Sache. Hierdurch wurde die Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand gelenkt, der vorher wenig bekannt war, dessen Bedeutung und Nutzen man aber instinctmässig fühlte. Die ersten Versuche waren ohne Erfolg. So an erster Stelle das Unternehmen von Textor in Rotterdam auf die Anregung Mulder's, des Professors der Chemie in Utrecht. Textor starb, bevor seine Sendung nach Peru irgend ein Resultat ge- habt hatte. Rochusen selbst hatte, um der Sache mehr Nachdruck zu geben, als Generalgouverneur von Nieder- ländisch- Indien im botanischen Garten von Buitenzorg auf Java ein aus dem botanischen Garten von Amster- 70 Boehnke -Reich, dam erhaltenes Exemplar gepflanzt, welches man für eine gute Cinchone hielt, das sich jedoch später als eine weisse China ohne die geringste Menge Alkaloid erwies. Als 1851 das niederländische Gouvernement in Erfah- rung brachte, dass die französische Regierung Samen der Cinchone von dem französischen Consul zu Bogota erhalten und zu einem Acclimatisirungsversuche nach Algier ge- schickt habe, wandte es sich an dieselbe mit dem Gesuche um Abtretung eines Theiles der Samen und mit dem Versprechen, sie nach Java zu verpflanzen und Alles thun zu wollen, was die Cultivirung befördern könne. Die französische Regierung nahm den Vorschlag sehr freund- lich an, aber die genannten Samen wurden direct nach Marseille und von da nach Algier gesandt, wo man nur wenige junge Pflanzen erzog, die bald dem glühenden Hauche des Wüstenwindes erlagen. Weit davon entfernt, das niederländische Gouverne- ment zu entmuthigen, trieb dieses erste Misslingen viel- mehr zu neuen Unternehmungen an. Es hatte gelernt, dass es nur durch sich selbst etwas erlangen könne, und ergriff energische Maassregeln, um das Ziel zu erreichen. Der damalige Minister der Colonien, nachmaliger Gouver- neur derselben, Pahud, nahm den ihm gemachten Vor- schlag an, einen Botaniker nach Südamerika zu senden, um dort junge Pflanzen und Samen der China zu sam- meln und sie direct nach Java zu schaffen. Er legte den Plan dem Könige vor und wurde unterm 30. Juni 1852 autorisirt, die nöthigen Schritte zur Realisirung dieses grossen Unternehmens zu thun, dessen Ausführung dem frühern Director des botanischen Gartens von Buitenzorg J. C. Hasskarl anvertraut wurde. Diese glückliche Wahl fand allgemeinen Beifall. Hasskarl im kräftigsten Mannesalter war durch langen Aufenthalt in Java an das Klima der Tropenländer gewöhnt und durch seine frühere Stellung, durch seine Liebe zur Naturwissenschaft und besonders zur Botanik für die Mission von grosser Bedeu- tung. Die Folgezeit hat es bewiesen : denn trotz zahl- Cultur der China auf Java. 71 loser Schwierigkeiten, die sich ihm in den Weg stellten, ist sein Unternehmen mit dem besten Erfolge gekrönt worden und zu vollständigster Zufriedenheit ausgefallen. Das Gouvernement beachtete wohl, dass für einen Mann wie Hasskarl diejenige Instruction die beste sei, welche ihm die grösste Freiheit Hesse, nach den jewei- ligen Umständen zu handeln. Es beschränkte sich dem- nach nur auf Angabe der leitenden Grundzüge : er solle nach Peru und Bolivia gehen, dort eine Sammlung von jungen Pflanzen und Samen der Cinchonen veranstalten, nicht allein von der Calisaya, sondern auch von andern guten Sorten, solle seine Ausbeute theils direct nach Java durch ein Schiff der königlichen Marine, das nach Callao, dem Vorhafen von Lima, beordert werden würde, theils nach Holland expediren. Um durch das Doubliren des Cap Hörn keine Zeit zu verlieren, sollte er mit dem Dampfpacketboot von Southampton nach Chagres und über den Isthmus von Panama nach Guayaquil und Loxa ge- hen, von da weiter in das Innere des Landes eindringen. Hasskarl verliess Haag am 4. December 1852 und schiffte sich am 17. December in Southampton auf dem Dampfer „La Plata" ein. Er kam am 1. Januar 1853 nach St. Thomas, am 14. nach Aspinwall nahe bei Cha- gres. Auf die Nachricht, dass er wegen der Regenzeit seine Excursion in das Innere des Landes einige Wochen aufschieben müsse, ging er nach Lima. Anfangs Mai be- fand er sich in den Cordilleren und stieg von da in den tiefer gelegenen Thcil von Peru hinab; eine gefahrvolle und ermüdende Reise, die er theils zu Pferde, theils zu Fuss machte, auf fast ungangbaren Pfaden, die ihn nach Vitoe und Monobamba führten, wo er die ersten Cincho- jicii antraf, vorzüglich C. ovata, amygdalifolia und jmbes- cens, nur in der Gebend von Uchubanib.i sah er C. Ca- lisaya in grosser Menge. Am 28. Juli 1853 schickte er die erste Sendung junger Pflanzen und Samen dieser Arten nach Lima, wo sie sechs Wochen später ankamen, um nach Holland spedirt zu werden. Die jungen Pflan- 7 2 Boehnke - Reich, zen wurden nach der Methode von Ward verpackt, nach Panama transportirt, blieben jedoch durch einen Irrthum bei der Weiterversendung lange dem Einflüsse des heis- sen Klimas ausgesetzt und starben alle ab. Die Samen kamen nach Holland, wo sie an die botanischen Gärten von Amsterdam und der niederländischen Universitäten vertheilt wurden. Von Uchubamba begab sich unser Reisende nach den südlichen Provinzen, die damals sich in einem Auf- stande gegen die Regierung befanden, wodurch die Schwie- rigkeiten und Gefahren der Reise vermehrt wurden. Zu seiner Freude fand Hasskarl die Cinchonen der Pro- vinz Carabaya in voller Blüthe und hoffte von ihnen Sa- men gewinnen zu können, wurde jedoch in dieser Erwar- tung getäuscht. Ende September 1853 kam er nach Cuzko, der alten Residenz der Inkas, von da nach Sandia, dem Hauptorte des Districtes gleichen Namens, dem einzigen Orte, an welchem nach Hasskarl's Angabe die China von Peru noch ausgebeutet wird. Er knüpfte eine Ver- bindung mit einem der erfahrensten Cascarilleros (Caza- dores de Quina, Rindenjäger) an, um alle Einzelhei- ten kennen zu lernen, die ihm später von Nutzen sein könnten. Hier erhielt er Samen der abgeblühten Cincho- nen ; ferner machte er hier zwei Beobachtungen, die in die Chinologie mehr Licht bringen. Erstens, dass nirgends in Peru von Chinawäldern die Rede ist und auch nicht sein kann, indem die Bäume zerstreut und selten sind. Während die alten Cinchonen, namentlich die Calisaya, in dem Districte von Carabaya beinahe nicht mehr vor- kommen, die Cascarilleros haben sie fast alle gefällt, fin- den sich auf der andern Seite des grossen Flusses in dem Gebiete der wilden Indianer noch mehrere. Die zweite Beobachtung bezieht sich auf die Samen. Die Hülle, in welcher sie sich befinden, ist ausserordentlich dünn und zerbrechlich, weshalb die Samen sich durch den Wind sehr leicht zerstreuen, und es schwer ist sie zu sam- meln. Die Cinchone pflanzt sich von selbst fort und Cultur der China auf Java. 73 besitzt so in sich selbst die Garantie für ihr Fortbeste- hen, trotz der Verwüstungen der Rindensammler. Ende 1853 kehrte Hasskarl nach Lima zurück, um dort die gute Jahreszeit abzuwarten. Weil hier jedoch das gelbe Fieber in seiner ganzen Heftigkeit herrschte, ging er nach Chili, dessen besseres Klima ihm Kräfte und seine durch Mühseligkeiten und Entbehrungen zerrüttete Gesundheit wiedergab. Die Ankunft der kö- niglichen Fregatte, welche ihn und die Ausbeute seiner Reise nach Java bringen sollte, bald vermuthend, hielt er sich einige Zeit in Arequipa auf, um eine Sendung in Lima bestellter Ward'scher Kisten zu erwarten, und machte dann nach Hinterlassung eines Briefes an den Commandeur der Fregatte eine neue Reise in das Innere des Landes zur Fortsetzung seiner Untersuchungen. Er richtete seine Blicke nach Bolivia, weil dort nach einer ihm gewordenen Nachricht in gewissen Gegenden des Landes, Manchas genannt, die C. Calisaya noch in gros- ser Zahl und viel kräftiger und stärker vorkommen sollte, als in andern Landestheilen. Unglücklicher Weise war Peru im Kriege mit Bolivia, man hatte jedoch dem Reisenden die Versicherung gege- ben, dass das Verbot, die Grenze zu überschreiten, auf- gehoben sei. Er kam von la Paz nach Sutchis, einem Dorfe auf der Grenze von Bolivia, erfuhr hier, dass der Eintritt in das Land verboten sei, ging nach Peru zurück und machte, an der Grenze hinziehend, mehrere Versuche nach Bolivia zu kommen in Gesellschaft von Cascaril- leros, den einzigen, für welche nach gegenseitigem Ueber- einkommen das Grenzverbot keine Geltung hatte. Bei diesen Versuchen entdeckt und als Spion behandelt, gab er endlich seinen Plan, in Bolivia einzudringen, auf. Nach- dem er mit den Cascarilleros Lieferungsverträge für junge Chinapflanzen und Samen aus dem Innern des ihm un- zugänglichen Gebietes abgeschlossen hatte, ging er von neuem nach Sandia, wo er seine Untersuchungen in gan- zer Ausdehnung unbehindert vornehmen konnte. Hier- 74 BoehnkeReichj her wurden ihm 400 Exemplare der C. Calisaya aus Bolivia von dem Führer einer Abtheilung Rindensammler geschickt. Ein anderer, der sich für Lieferung von Sa- men verpflichtet und die Bezahlung dafür im Voraus er- halten, Hess nichts wieder von sich hören. Grosse Schwierigkeiten hatte Hasskarl, seinen Schatz, diese 400 Pflanzen, auf einer Strecke von 150 Lieues (90 Meilen) von Sandia bis zu dem Orte der Einschiffung auf einem eben so schwierigen als gefährlichen Wege zu transportiren. Er musste die Pflanzen hinlänglich feucht erhalten, damit sie durch die trocknen Winde und die glühenden senkrecht herabschiessenden Sonnenstrahlen nicht verdorrten; er musste sie am Tage gegen die grosse Hitze schützen und Nachts gegen die auf den Höhen herrschende so empfindliche Kälte, dass im Juli und August Eis sich bildet. Es war unmöglich, die Wurzeln in der Erde zu lassen, weil das sehr bedeutende Gewicht eine grosse An- zahl Maulthiere erfordert haben würde, sie wurden in Moos gehüllt, das man befeuchtete. Um die jungen Pflan- zen und ihre Zweige zu bewahren, wurden sie in Pisang- rinde gepackt und mit grober Leinwand fest bedeckt. In Sandia fand man keine Pisangs : sie mussten aus den Ebenen herbeigeschafft werden; das nöthige Moos wurde aus den Bergen gesammelt ; es waren nicht genug Stricke zusammenzubringen: sie mussten, so gut oder so schlecht es ging, aus dem Baste eines Baumes gedreht werden, den die Eingeborenen Panaho nennen. Schwer war es, alle diese Hindernisse in einem Lande zu über- winden, das so wenig Hülfsquellen bietet und dessen Be- wohner eben so träge als geistig beschränkt sind. Die grosste Schwierigkeit machte die Herbeischaffung einer ausreichenden Zahl Maulthiere für die ganze Karavane. Am 8. Juni 1854 verliess Hasskarl Sandia mit der Absicht, seine Reise so viel als möglich zu beschleunigen, um die Pflanzen dem grossen Temperaturwechsel baldigst zu entziehen und um nicht in die Hände der Streifcorps der kriegführenden Mächte zu fallen, für welche Alles Cultur der China auf Java. 75 gute Beute ist. Mehrere Maulthiere fielen und bei Azan- gora weigerten sich die Maulthiertreiber weiter zu gehen. Es mussten Andere gesucht werden, was grosse Mühe machte, da die Meisten zum Waffentransporte nach Cuzko requirirt waren. Hasskarl überwand alle Hindernisse und kam wohl- behalten mit seinem Geleite in Arequipa an, wo er einen Brief des Commandeurs der königlichen Segelfregatte v Le Prince Frederic" empfing, der ihn von seiner An- kunft benachrichtigte und ihm mittheilte, dass er den Rei- senden, falls er ihn nicht in Islay träfe, in Callao erwar- ten würde. Hasskarl machte sich auf den Weg nach diesem Hafen, hatte aber unterwegs wieder neue Müh- seligkeiten zu bestehen, besonders durch die Bewegungen der feindlichen Truppen und den Mangel an Lastthieren. Die Sendung der Ward'schen Kisten aus Lima blieb ebenfalls aus, und diese mussten aus Islay bezogen werden. Die Genugthuung hatte dieser verdiente Reisende, dass trotz des vierwöchentlichen Abschlusses der Pflanzen von Luft und Licht diese bis dahin in gutem Zustande waren. End- lich am 7. August kam er zu Callao an, die Kisten wurden an Bord gebracht, und am 21. August 1854 war die Fre- gatte segelfertig. Sie verliess den Hafen von Callao, legte nach 10 Tagen an den Sandwichsinseln bei, berührte die Marianen oder Ladronen und verfolgte durch das chine- sische Meer ihren Cours nach Java. 140 Meilen von den Philippinen hatte sie einen heftigen Sturm auszuhalten, der sie zwang Macassar anzulaufen, wo sie am 3. Decem- ber anlangte, um ausgebessert zu werden. Um nicht seine Sammlung, die schon auf dem Meere durch grosse Hitze hatte leiden müssen, der klimatischen Einwirkung länger als nöthig auszusetzen, ging Hasskarl an Bord dos königlichen Marinedampfers „Le Gedeh", der in Ma- <;;tssar stationirt war und ihn nach Batavia brachte, wo er am 13. December ihm anlangte. Die Kisten wurden bal- digst nach ßuiteozorg transportirt und von da nach Tji- parinas, auf der grossen Strasse von Batavia nach Bui- tenzorg im Westen der Insel gelegen. 76 Boehnke - Reich, Am Abhänge des Vulkans Gedeh, 10,500 Fuss hoch, liegt in einer Höhe von 3000 Fuss eine Villa, die der Generalgouverneur zeitweilig besucht und wo eine Neben- anstalt des botanischen Gartens von Buitenzorg sich be- findet für Pflanzen, die in der Ebene nicht fortkommen. Der Generalgouverneur übertrug Hasskarl die Lei- tung der Chinacultur. Dieser fand, einen eifrigen und gebildeten Mitarbeiter an Teysmann, Director des bo- tanischen Gartens, der schon vor der Ankunft Hasskarl's sehr thätigen Antheil an der Acclimatisirung der China in Java genommen hatte. Durch seine Sorgfalt war das Exemplar der C. Calisaya, welches de Vriese 1850 von Thibaut und Keteleer erhalten und Ende 1851 nach Java geschickt hatte, ebenso vonWillink in Amsterdam erhaltene C. Calisaya und pubescens auf Tjipannas ange- pflanzt, so wie auch die aus Samen in Holland gezoge- nen und durch den Minister der Colonien eingeschickten Exemplare. Die Samen waren mit folgenden Bezeich- nungen übergeben : 1. Cinchona Condaminea lancifolia, in Neu - Granada von Karsten gesammelt und durch den niederländischen Generalconsul in Caracas de Lansberge eingeschickt- Man erzog daraus einige junge Pflanzen im botanischen Garten zu Leyden. 2. C. amygdalifolia Wedd., durch Hasskarl nach Holland geschickt, von da nach Java gebracht. 3. C. Calisaya, aus dem Thale von Sandia. Die eine Hälfte der Samen wurde an die botanischen Gärten von Holland vertbeilt, die andere nach Java geschickt. 4. C. Calisaya Wedd. var. josephiniana. Die dem botanischen Garten zu Leyden übergebenen Samen trie- ben nicht. 5. C. pubescens, an die botanischen Gärten in Hol- land vertheilt. 6. C. ovata R. u. Pav. (Cascarilla crispilla chiqua.) Die Notiz, welche dieser Species beigegeben war, sagt, dass sie aus Uchubamba (Peru) stamme, aus einer Höhe Cultur der China auf Java. 11 von 5600 par. Fuss und von der Sonne ausgesetzten Ab- hängen. Sie spielt in der Geschichte der China -Accli- matisirung auf Java eine grosse Rolle. Es wurde später erkannt, dass sie keine ovala sei, worauf sie den Namen lucumaefolia erhielt, den Howard später auf den Vor- schlag von Junghuhn in Pahudiana umwandelte nach dem Namen des Ministers Pahud, der Hasskarl seine Mis- sion anvertraute und 1856 das Gouvernement von Nieder- ländisch -Indien übernahm. Hasskarl fand also bei seiner Ankunft in Java schon mehrere Cinchonen, deren Samen meistentheils von ihm gesammelt und eingeschickt waren, von Teysmann cultivirt vor zu Tjipannas in 4400 Fuss und zu Tjibodas in 4800 Fuss Höhe, wo sie in einem jungen zu diesem Zwecke hinlänglich gelichteten Gehölze in Entfernungen von je 20 Fuss angepflanzt waren. Die 21 von Hasskarl direct aus Amerika gebrach- ten Kisten mit den 400 ihm als C. Calisaya von Bolivia nach Sandia geschickten Pflanzen wurden geöffnet: eine grosse Zahl derselben war todt oder in schlechtem Zu- stande. Die officiellen Berichte geben keine Zahlen an, sie geben ferner keine Notizen über die von Hasskarl übergebenen oder aus Holland bezogenen Pflanzen, son- dern man erfährt aus ihnen nur die Anzahl der überhaupt vorhandenen Bäume, nach Arten gesondert. So führt einer der ersten Berichte als im Wachsthum befind- lich an : Cinchona Calisaya 40 „ ovata 33 „ lancifolia 6 79, wovon ein Drittheil in gutem Zustande war, 9 Exemplare boten wenig Aussicht auf Erhaltung, doch hatte die Mehr- zahl der jungen Stecklinge zahlreiche Triebe. Hasskarl setzte; Teysmann's Werk fort, indem er Tjipannas und Umgegend als erste Pflanzschule i'ür die Chinacultur auswählte, nicht um sie hierauf zu beschrän- 78 Boehnke- Reich, keii, sondern mit der Absicht, die Bäume später nach verschiedenen Puncten der Insel zu versetzen. Die jun- gen Cinchonen, welche er aus Südamerika mitgebracht und welche die Hitze und den Transport ausgehalten hatten, pflanzte er in verschiedenen Höhen zwischen 4000 und 5000 Fuss. Unglücklicher Weise hatte die Anlage viel von Stürmen zu leiden, die sich ab und zu erhoben und die Ursache waren, dass wiederum mehre Exem- plare zu Grunde gingen oder stark beschädigt wurden. Diese Verluste entmuthigten Hasskarl und Teysmann nicht, weiche zugleich beobachteten, dass die Cinchone hier sich nicht wie in ihrem Stammlande allein durch ihre Samen fortpflanze, dass man dieses jedoch durch Stecklinge erreichen könne, obgleich es viele Mühe macht und eine besondere Methode verlangt. Der Bestand der Pflanzung auf Tjipannas und Tji- bodas war am 1. Juni 1856 : Cinchona Calisaya kleiner als 25 Centimeter. . 1 25—50 » 50—75 n 9 75—100 n 12 100—125 •n 17 125—150 i> 4 43. Cinchona ovata kleiner als 25 Centimeter . . . 28 25—50 n 2 50—75 n 2 75—100 n 6 100—125 T) 16 125—150 n 18 150—175 n 16 88. Ferner befanden sich 1030 Stecklinge in den Ge- wächshäusern bei einer mittlem Temperatur von 29,8° C. Das Resultat des grossen Unternehmens war demnach ein gutes, und neue gute Aussichten eröffneten sich, als Cultur der China auf Java. 79 durch die unablässige Sorge des Ministers der Colonieen zwei fernere Sendungen von Pflanzen nach Java gebracht wurden, die inzwischen in Holland aus Samen erzogen waren. Die erste Sendung aus dem botanischen Garten zu Leyden bestand aus 3 Kisten mit 50 schönen Exem- plaren C. Calisaya, 88 C. ovata, 6 C. lancifolia. Das Schiff, welches diese Kisten überbrachte, verliess Hol- land am 1. September 1856 und kam am 7. December desselben Jahres in Batavia an. An seinem Bord befand sich der Naturforscher Jung hu hn, der wissenschaftlichen Welt bekannt durch seine Schriften über Java und die anderen Inseln des indischen Archipels. Der Minister hatte ihm die Aufsicht über diese kostbare Sendung über- tragen, und er hatte seine Aufgabe den Erwartungen ge- mäss gelöst : nur 10 Exemplare waren während der Reise abgestorben. Bald nach ihrer Ankunft wurden die Pflan- zen nach Tjiniroeang auf dem Plateau des Berges Ma- lawar im Mittelpuncte der Provinz Preanger gebracht und in Hohen von 5000 — 6000 Fuss angepflanzt. Eine zweite Sendung Chinapflanzen aus dem botanischen Gar- ten von Utrecht, deren Reise länger dauerte und die nicht unter der Obhut eines Junghuhn stand, enthielt bei ihrer Ankunft nur noch 7 Exemplare in gutem und 13 in mittelmässigem Zustande, von welchen mehrere später in Tjiniroeang eingingen. Unglücklicher Weise verschlimmerte sich der Gesund- heitszustand II asskarl's, so dass er sein Amt niederlegen und nach Europa zurückkehren musste. Junghuhn wurde sein Nachfolger und widmete von da an seine ganze Thätigkeit den Pflanzungen. Er folgte nicht den Versuchen seines Vorgängers, sondern verliess die Ab- hänge des Gedeh, Tjipannas und Tjibodas, zog das erhöhte Plateau des Malawar vor und gründete hier 11 Gehege in Höhen von 4330 — 6600 Fuss mit einer mittleren Tempe- ratur von 10 — 1 4|3°C. Es bewogen ihn dazu die Boden- beechaffenheitj das Klima und mehrere andere Ursachen, die ihm seine Abänderung zu rechtfertigen schienen. In 80 Boehnke-Beich, seinem Eifer ging er zu weit, indem er die Bäumchen und kaum ins Wachsthum getretenen Pflanzen nach Tji- niroeang versetzte; denn, wenn man dem Urtheile Teys- mann's glauben darf, es gingen in Folge der Verpflan- zung nicht nur mehrere Exemplare ein, sondern das all- gemeine Wachsen wurde auch bedeutend verzögert. Zu erwähnen ist hier eine sehr interessante Schrift Junghuhn' s, die er bald nach Antritt der Direction abfasste • Guide ou Instruction pour la culture des Cincho- nas. Sie besteht aus 11 Capiteln, von welchen jedes eine ausführliche Darstellung enthält. Veröffentlicht ist sie in der Revue industrielle de Java 1858, T. V. Livr. 1. 2. Junghuhn stellt den Satz auf: man müsse jeder China- species, so weit es möglich ist, einen Boden geben, wel- cher der mittlem Temperatur ihres Stammlandes entspricht und dessen Vegetation der südamerikanischen gleicht, woher man die Species bezogen hat. Er giebt dann eine Nomenclatur und Vergleichung der Flora von Java mit der von Amerika für die vier auf dem Plateau von Ma- lawar cultivirten Arten mit Angabe der respectiven Hö- hen, fügt Regeln für das Pflanzen, Beschatten und Be- wässern der jungen Setzlinge bei, giebt bis ins Kleinste an, wie man diese erhalte, spricht über die Pflanzschu- len, die schädlichen Insekten, über den Schutz der Ge- hege gegen den Einbruch wilder Thiere, wie Büffel, Rhi- noceros, Tiger, Eber und Hirsche. Später publicirte er einen Bericht über den Bestand im August 1857, Ende 1859 einen andern über den Zu- stand der Anpflanzungen. Obgleich Junghuhn seine Vorliebe für das Plateau von Malawar gezeigt hatte, fühlte er doch die Nütz- lichkeit, wenn nicht Nothwendigkeit, die Versuche über mehrere Puncte Javas auszudehnen. Er begann Neben- pflanzungen anzulegen, besonders auf den Bergen Ken- deng, Tangkoeban Praoe, in der Provinz Preanger und zu Wonodjampi, auf dem Berge Ajang im Südwesten von Cultur der China auf Java. 81 Java, auf der Insel Bali, wo die Luft trockner und klarer ist als in den bewaldeten Gegenden des westlichen Java. Ende 1859 war die Totalsumme der Bäume in vol- lem Wachsthum : Cinchona Calisaya 800 „ ovata (lucumaefolia s. Pahudiana). . . .28269 „ lanceolata 45 „ succirubra. ; 35 „ lancifolia 14 29163. Hierzu kommen noch mehrere Tausend junge Pflanzen in den Treibhäusern. Man kann hieraus den Schluss ziehen, dass das Gou- vernement nichts versäumt hat, was für die Cultur der China förderlich war. Um die Versuche zu vervollständigen, musste man auch die chemischen Erfahrungen zu Rathe ziehen ; man musste, um nicht der reinen Empirie zu verfallen und um die Wissenschaft mit der Praxis zu vereinigen, den Boden, die Pflanzen und ihre Producte analysiren. Es wurde Junghuhn der Chemiker de Vry beigegeben, der schon Proben seiner Befähigung abgelegt und einen Lehrstuhl für Chemie und Physik an der klinischen Schule zu Rotterdam inne hatte. Im Jahre 1859 zählte man 800 Stämme C. Calisaya, gegenwärtig sind 11504 im besten Wachsthume. Sie ist nach dem Urtheile der erfahrensten Chinologen die beste Species, und man hatte von den ältesten abgeblühten Exemplaren Samen zurückbehalten. Ihre Rinde enthält nach de Vry so viel Alkaloid, als die C. Calisaya von Bolivia nach den Tabellen von Dclondrc und B o li- eh ar da t enthalten muss. Das aus der Rinde der Cidi- gaya von .Java dargestellte Chinin wurde auf der Ausstel- lung in London mit dem ersten Preise gekrönt. Pdan furchtet noch, dass diese Cinchone in Java nicht die ise erreichen werde, wie in ihren Stammlande, und.dase sie sich hier nicht wie dort durch Ausstreuen ihrer Sa« Arch.d.Pharm.CLXXIII.Dds.l.u.2.nft. 6 82 Boehnke- Reich, men fortpflanze ; aber man kann mit der Frage antworten : warum sollte ein Baum mit Beibehaltung aller seiner Elemente seine bisherigen Eigenschaften verlieren? Man wird dann von alten niedrigen Stämmen die Rinde sam- meln und durch Verpflanzung in grosser Zahl für ferne- res Bestehen sorgen. Die C. ovata, welche Junghuhn lucumaefolia, Ho- ward Pahudiana genannt hat, ist über alles Erwarten gut gediehen. Es scheint ihr der Boden von Java be- sonders zuzusagen, sie macht keine grossen Ansprüche und entwickelt sich kräftig auf geringern Höhen, als sie die C. Calisaya verlangt. So hat sie sich in demselben Verhältnisse wie diese geschätzteste Species vermehrt. Es ergiebt sich jedoch nach de Vry das durchaus unbe- friedigende Resultat, dass die Rinde der C. Pahudiana kein Alkaloid enthält. Immer ist es in der Wurzel ent- halten, aus welcher Thatsache Junghuhn die Hoffnung schöpft, dass mit dem zunehmenden Alter des Baumes das Chinin auch in die Rinde übergehen würde. Wed- dell hat die, von Bidtel bestätigte, Beobachtung ge- macht {Erdmann' s Journal, Bd. LXL), * dass die meisten Cinchonen in den jungen Rinden viel weniger Alkaloid enthalten als in den alten ; es scheint, als ob das Cincho- nin zuerst entstehe, später das Chinin, welches sich mehrt, während das Cinchonin sich vermindert. Rochusen theilt diese Hoffnung nur in geringerem Grade nach Allem, was er darüber erfahren hat, und was Howard darüber urtheilt, der diese Species zu C. Cara- bayensis classificirt, deren W e d d e 1 1 nicht besonders rühm- lich gedenkt, indem er sagt: „Ihre Rinde, die der C. jo- sephiniana sehr ähnlich ist, wenn schon diese im Allge- meinen glatter ist, wird, so viel ich weiss, hier gar nicht für den Handel gesammelt, da sie von so geringer Dicke ist, dass das Schälen fast keinen Vortheil bringt". Die Rinde der C. Pahudiana ist sehr dünn und enthält kein Chinin, sondern nur geringe Mengen Aricin ; die Idee, Chinin allein aus den Wurzeln darzustellen, ist nach Cultur der China auf Java. 83 Rochusen ganz unzulässig und verdient nicht in Erwä- gung gezogen zu werden. Sehr bedauerlich ist es, dass diese Species mit Hintansetzung anderer besonders culti- virt ist. Das Gouvernement hat deshalb den Befehl erlassen, die C. Pahudiana nicht weiter zu vermehren und sich mehr den an Chinin reichen Arten zuzuwenden. Es fin- den sich auf Java ausser der C. Calisciya noch die guten Species C. succirubra, C. lanceolata und C. lancifolia. Die erhaltenen Resultate sind noch nicht völlig ent- scheidend. Es wäre verfrüht, zu erklären, dass das Werk gelungen sei ; es ist jedoch auch nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, Erfolge wären vorhanden. Die er- sten und grössten Schwierigkeiten sind überwunden, noch aber sind Zweifel und Ungewissheit vorhanden. Bei dem festen Willen und der Ausdauer, die man den Holländern nicht absprechen kann, verbunden mit den ungeschwäch- ten Bestrebungen des Gouvernements und den Mitteln, welche der Colonialverwaltung zu Gebote stehen, kann man sicher auf Erreichung des Zieles hoffen und darauf, dass die Erfolge die gebrachten Opfer und die Sorgen wieder ausgleichen werden. Das ruht im Schoosse der Zukunft! Ende des 17. Jahrhunderts war der Kaffee auf Java unbekannt. Die ostindische Compagnie, erkennend, dass die Cultur dieser aromatischen Frucht von grossem Vortheile sein würde, schickte Agenten nach Arabien, wohin der Kaffee aus dem Innern Aethiopiens verpflanzt war, um ihn auch in Java einzuführen, das durch seinen bergigen Boden für die verschiedensten Vegetationen ge- eignet ist. Der erste Versuch datirt von 1690. Die Schwierigkeiten waren so gross, das Misslingen so voll- ständig, dass man 172Ö in dem Archive des Gouverne- ments liest: „Die wiederholten, stets erfolglosen Versuche, den Kaffee in Java zu eultiviren, haben hinlänglich ge- zeigt, dass (fieser daselbst nicht gedeihe " Die Zeit der Kntmuthigung ging schnell vorüber, man brachte gros- sere Opfer, wandte melir Sorgfalt auf und kam zum Ziele. II« fllta producirt Java nach Brasilien den meisten Kaffee 6* 84 Boehnke- Reich, von guter Qualität; und das niederländische Gouverne- ment zieht aus dieser Culturpflanzung die bedeutendsten directen und indirecten Einkünfte. Derselbe Geist der Ausdauer und dasselbe Bestreben herrscht auch in diesem Jahrhundert. Als 1816 die Co- lonie von England an Holland zurückgegeben war, wurde mit bestem Erfolge und in grosser Ausdehnung Thee, Indigo, Cochenille und Vanille eingeführt. Die ersten Versuche gelangen nicht immer : man harrte aus und überwand schliesslich die Hindernisse. Warum sollte man nach solchen Erfahrungen an dem Gelingen der Chinacultur zweifeln und die Hoffnung auf einen endlichen vollständigen Erfolg aufgeben ? Man schmeichelt sich noch heute mit der Hoffnung, dass die C. Pahudiana, deren Rinde bis jetzt sehr un- günstige .und schwankende Resultate in Betreff der China- basen lieferte, in analoger Art wie alle Cinchonaspe- cies in ihrer natürlichen Heimath, fortfahren werde im- mer mehr Chinin zu entwickeln und in der Stammrinde niederzulegen, wiewohl Howard solches nicht für wahr- scheinlich hält. Man betrachtet es aber, selbst wenn sie auch nicht damit, sondern nur mit der Erzeugung und Vermehrung der Chinabasen in der Wurzelrinde fortfah- ren sollte, für einen grossen Gewinn, indem man dann die Stämme einander viel näher, als es sonst wegen einer gehörigen Entwickelung derselben geschehen dürfte, pflanzen und das Chinin u. s. w. aus der Wurzelrinde darstellen könnte. Es taucht also in neuester Zeit wie- der dieser Vorschlag auf, den, wie oben erwähnt, Ro- chusen ganz abweist. Wie grossartig die Cultur der Chinabäume auf Java nach de Vry fortschreitet, nachdem man die Fortpflan- zung durch Samen erzielt hat, davon liefern die neuesten Berichte Beweise. Während im December 1859 die An- zahl der Chinabäume auf allen Stufen ihrer Entwickelung bis zu 24 Fuss hohen Stämmen bereits 100,133 betrug, war sie im December 18G0 auf 959,191 und im Decem- Cultur der China auf Java. 85 ber 1861 auf 1,160,971 gestiegen und umfasste sie zur letzten Zeit : Cinchona Calisaya 11,504 „ succirubra 53 „ lancifolia 113 Pahudiana . . . . . 1,149,301 1,160,971. Europa hat seinen Blick auf dieses Unternehmen gerichtet, welches sein höchstes Interesse erregt hat: es gilt, dem Arzneischatze ein unersetzliches Specificum zu erhalten und den Kranken vor Kosten zu sichern, die seine Mittel vielleicht übersteigen. Es war ein Act der Humanität, als das niederländische Gouvernement dieses Werk unternahm und förderte : es verlangt kein Mono- pol, es verbirgt sich nicht unter dem Schleier des Ge- heimnisses. Die englische Regierung schickte einen Agenten, Dr. Anderson, nach Java. Er fand die zu- vorkommendste Aufnahme, er besichtigte alle Pflanzungen, und man gab ihm nicht allein jede Auskunft, sondern auch junge Pflanzen und Samen von allen Species. Man findet das Hauptsächlichste über seine Reise in dem Jour- nal von Calcutta : Friend of India, vom 10. April 1862. Gegenwärtig ist Anderson durch den Generalgouver- neur beauftragt, die Cultivirung der China in Ostindien zu versuchen in Darjeeling in der Hauptkette des Hima- laya und auf dem Gebirge Khasia, dessen Klima milder ist als das von Darjeeling. Nach zwei neuen Mittheilungen in der Medical Times and Gazette 1861 und 1862 scheint sich die Cultur der Chinabäume im englischen Indien sehr günstig zu ge- stalten und sich sowohl auf den Neilgherry- Gebirgen als auf Ceylon und den östlichen Zügen des Ilimalaya in hoffnungsvollem Betriebe zu befinden. Es ist geglückt, alle werthvollen Cinchona-Arten in die Plantagen einzu- führen, die meisten aus Samen erzogen, welche Pritchett in Peru und Spruce in der natürlichen Chinazone ge- sammelt und eingeschickt hatten. Hoffen wir, dass auch dieses Unternehmen mit Erfolg gekrönt werde ! 86 Beier, lieber das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit ; von Dr. Beier, erstem Assistenten am Tharander Laboratorium *). Obgleich der Zweck nachstehender Untersuchungen eigentlich nur die Ermittelung der chemischen Bestand- theile des sogenannten Frühjahrssaftes war und na- mentlich die quantitative Analyse einiger solcher Säfte, so dürfte es doch am Platze sein, auch über die bis jetzt gemachten physiologischen Beobachtungen bei der Saft- bewegung hier einmal einen Ueberblick zu geben. Seit man überhaupt diesen Gegenstand der Unter- suchung unterworfen hat, stehen sich immer zwei Ansich- ten gegenüber. Von den Anhängern der einen Ansicht wird das Bestehen eines absteigenden Saftes in besonde- ner Organen behauptet, von den Anhängern der andern wird dies geleugnet und eine allgemeine Saftvermischung angenommen. Die zweite Ansicht ist jetzt wohl als be- seitigt zu betrachten, und es ist nur zu verwundern, dass sie noch in neuerer Zeit Vertheidiger gefunden, da schon die ältesten Untersuchungen gegen sie sprachen. Zu den vorzüglichsten früheren Untersuchungen über diesen Gegenstand gehören die von H. Cotta in Tharand. In seinen Naturbeobachtungen über die Bewegung und Function des Saftes beweist er zuerst durch exacte Ver- suche mit gefärbten Flüssigkeiten, in welche hinein er Zweige stellte, dass der sogenannte rohe Nahrungssaft, der die von den Wurzeln aufgenommenen mineralischen Stoffe enthält und aufwärts führt, nicht in der Rinde, son- dern allein im Holze aufsteigen müsse, denn nur dieses fand er durch die rothe Flüssigkeit immer gefärbt. Dass *) Aus Prof. Adolph Stock ha rdt's „Der chemische Ackers- mann" 11. Jahrg. 1865, No. 1. von Hrn. Dr. Beier mir init- getheilt. H. Ludwig. das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit. 87 der rohe Saft nicht in der Rinde emporsteigt, beweist er durch einen Versuch mit einem jungen Baume, dessen Schaft mehre Zoll hoch von aller Rinde ringsum entblösst war. Sodann verfolgte er den Saft bei seinem Wege durch die Blattstiele in die Blätter, und beobachtete, wie er sich in letzteren vertheilt. Die Frage, ob von den Blättern abwärts eine Saft- bewegung statt finde, beantwortet er bejahend durch Rin- gelungsversuche, bei denen er die bekannte Wulstbildung oberhalb der von der Rinde befreiten Stelle, und das Feh- len dieses Wulstes unterhalb derselben beobachtet. Da- mit beweist er zugleich, dass die Rinde vorzugsweise das leitende Organ des abwärts steigenden Saftes sei, und nennt nun denselben, in Folge seiner von dem rohen durch das Holz aufsteigenden Safte abweichenden Eigenschaften, den Bildungssaft. Durch diese Benennung bezeichnet er denselben als das für die Ernährung und das Wachs- thura der Pflanze unumgänglich nothwendige Material, und nennt die Blätter die Werkzeuge, in welchen, unter dem Einfluss des Lichtes und der Wärme, die aus dem Boden entnommenen Nährstoffe mit den durch die Blät- ter aus der Luft aufgenommenen die mannigfachsten Zer- setzungen erleiden. Das Product dieser Zersetzung ist nach ihm der absteigende Bildungssaft. Seine weiteren Untersuchungen führen ihn dahin, dass die Bewegung dieses Saftes sich bis in die äussersten Wurzeln erstrecke. Zugleich stellt er den Satz auf, dass der von den Wurzeln aufgenommene rohe Saft nicht un- mittelbar da, wo er in diese tritt, zur Ernährung befähigt Bein könne, sondern in den Blättern erst verarbeitet sein müsse, um diesem Zwecke zu dienen. Dass der rohe sowohl, als auch der Bildungssaft einer horizontalen Bewegung fähig sei, zeigt er durch Einkerbung einen Stämmchens auf zwei Seiten, so zwar, dass alle aufsteigenden Oefässe durchschnitten waren. Den- noch wurde das Waehsthum nicht gebindert. Beim Bil- dungssaft beobachtete er die horizontale Bewegung an den 88 Beier, Saftwulsten, die bei einem schraubenförmig geringelten Stamme mit den Schraubengängen gleichlaufend sich zei- gen. Auch von einer der gewöhnlichen Richtung entgegen- gesetzten Bewegung überzeugt er sich durch Stecklinge, die er verkehrt in die Erde bringt, und die sehr gut fort- kommen. Ohne auf die weiteren Untersuchungen über den Uebertritt des Bildungssaftes in den Splint, und auf die Folgerungen daraus, so wie auf die Ansichten Cotta's, andern damaligen Forschern gegenüber, einzugehen, sei nur noch erwähnt, dass diese Arbeit wesentlich dazu bei- trug, die Kenntnisse von der Saftbewegung aufzuhellen. Eine Beobachtung des Stoffumsatzes bis in die Elementar- organe, so wie eine genauere chemische Kenntniss der pflanzlichen Bildungsstoffe, ist bei dem damaligen Stande der Pflanzenphysiologie und der Chemie von den älteren Untersuchungen natürlich nicht zu erwarten. Die Beobachtungen von Duhamel sind in vielen Fällen dieselben. Er weist unter anderen nach, dass auch im Holze Bildungssaft enthalten sein könne. Er schützte Ringwunden luftdicht vor dem Austrocknen, und fand dann am Holzkörper neue Substanz gebildet, die später Rinde lieferte. In neuerer Zeit sind diese Versuche durch Trecul bestätigt worden. Derselbe erklärt die äussersten jungen Holzschichten als diejenigen Organe, aus welchen diese, aus dünnwandigen Zellen bestehenden Wucherungen hervorgehen. Das Material entnehmen sie aus den im Holze befindlichen Bildungsstoffen, und kann demnach die Neubildung auch ohne Gegenwart von Rinde vor sich gehen, so lange noch Bildungsstoffe im Holze vorhanden sind. Auch die Wahrnehmung DuhameTs, dass die Rinde fähig sei, aus ihren eigenen Gebilden Holz zu er- zeugen, bestätigt Trecul durch Versuche. Sämmtliche ältere Untersuchungen gehen schliesslich auf den Schluss hinaus: dass durch die Thätigkeit der Blätter der rohe Nahrungssaft, welcher nicht zur Bildung von pflanzlichen Organen fähig ist, in Bildungssaft umge- das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit. 89 wandelt und dann vorzugsweise durch die Rinde in die Organe geleitet werde, in denen er zur Verwendung gelangt. Mit der Kenntniss der in den Pflanzen vorkommen- den Bildungsstoffe, der Kohlenhydrate (Zucker, Dextrin, Stärke und des Inulins), der Eiweisstoffe u. a., so wie in Folge der bedeutenden Fortschritte in der Kenntniss der Elementarorgane der Pflanzen, haben die neueren For- scher auf diesem Gebiete ihre Aufmerksamkeit hauptsäch- lich darauf gelenkt, diejenigen Elementarorgane kennen zu lernen, in welchen die Bildungsstoffe sich bewegen, und die Art und Weise, wie dieselben zur neuen Zellen- bildung dienen. Es können damit nur diejenigen Phy- siologen gemeint sein, welche eine Stoffbewegung in ver- schiedenen Richtungen überhaupt zugeben, und nicht die, welche eine allgemeine Saftvermischung, gestützt auf das Gesetz der Endosmose, annehmen. Die bis jetzt gewonnenen Resultate der neueren Unter- suchungen sind schwer in kurzen Worten wiederzugeben, da manche Forscher in einigen erhaltenen Thatsachen ent- gegengesetzter Meinung sind. Eines der wichtigsten Resultate ist jedenfalls die Er- kennung von Reservestoffen (Stärke etc.), welche als Ueberschuss des nicht zur Zellenbildung verwendeten Bil- dungssaftes in den Markstrahlen, dem Mark, den Zell- fasern, namentlich in dem Gewebe der Wurzeln aufgespei- chert werden, um im nächsten Jahre wieder zur Produc- tion von Bildungssaft verwendet zu werden. Ob diese Reservestoffe für die ganze Vegetationsperiode eines Som- mers ausreichen, oder ob die Blätter dazu beitragen, den über ihnen stehenden Knospen und Blüthentheilen Bil- dungsstoffe zuzuführen, diese Frage scheint noch nicht ganz zur Entscheidung gekommen zu sein. Die hierüber von J. II an st ein und H artig an- gestellten Untersuchungen lieferten entgegengesetzte Re- sultate. Erstcrer findet z. B., dass belaubte Baumtriebe, die er ringelte, fortwuchsen, während andere, denen die 90 Beier, Blätter genommen waren, über dem Ringe eingingen. In dem ersten Falle sind also seiner Meinung nach die Blätter es gewesen, welche die Erhaltung bewirkten. In den Untersuchungen vonHartig ist unter Anderem auch die Ansicht von einer doppelten Bewegung des Bildungs- saftes ausgesprochen. Zuerst gelange derselbe in den Holzkörper, von da bis in die Spitze des Triebes, dann in den Bastkörper, und von da zu dem Orte seiner Ver- wendung. Von H an stein wird diese Annahme bestrit- ten, und von J. Sachs als nicht vollständig bewiesen bezeichnet. Die Unklarheit über die Elementarorgane, in denen die Bewegung des Bildungssaftes statt findet, ist seit den Beobachtungen von Hartig und H. v. Mo hl wohl als beseitigt zu betrachten. Dieselben erkannten in dem Baste der Bäume die sogenannten Gitterzellen, dünnwandige röhrenförmige Zellen, welche sie als Lei- tungsorgane für die in den Blättern bereiteten Bildungs- stofFe ansehen. Auch in den Gefässbündeln mancher Mo- nocotyledonen finden sich diese Zellen, und die Versuche von Hanstein haben dazu beigetragen, die Bedeutung dieser Gitterzellen für die Stoffbewegung zu bestätigen. J. Sachs, der in der Frage über die Stoffumwand- lung in den Pflanzen so Vieles zur Entscheidung gebracht hat, giebt in dieser Beziehung folgende Erklärung (s. des- sen sehr belehrende Abhandlung in Pfeil „Nördlingers kritischen Blättern"). Auf eigene Beobachtungen gestützt, bei denen er weder in den Gitterzellen, noch in den den- selben entsprechenden dünnwandigen Röhren, welche in den Gefässbündeln der Mono- und Dicotyledonen vorkom- men, Stärke oder andere Kohlenhydrate auffinden konnte, nimmt derselbe an, dass die stickstofffreien Bildungsstoffe nicht in den genannten Elementarorganen fortgeleitet wer- den, sondern dass letztere nur den Eiweisskörpern zur Fortleitung dienen. Das Vorhandensein der stickstofffreien Körper, namentlich der Stärke, in dem Parenchym oder auch in manchen Organen des Holzes, namentlich in einer das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit. 91 besondern Zellenschicht des Parenchyms, die er Stärke- schicht nennt, bestimmen ihn, diese Organe als zur Fort- leitung der stickstofffreien Körper dienende zu bezeichnen. Während Hartig annimmt, dass die in den Blättern erzeugten Bildungsstoffe erst in den Organen, wo sie reser- virt werden, die Form von Stärke, Zucker, Dextrin, Inu- lin etc. annehmen, also bis dahin in einer flüssigen Mi- schung sich befinden, vermuthet Sachs, dass schon in den Blättern die Bildung von Eiweisskörpern einerseits und von Kohlenhydraten anderseits vor sich gehe, und dass beide in getrennten Organen abwärts geleitet werden. Er glaubt dies hauptsächlich aus der Gegenwart von Stärke in den Ohlorophyllkörnern der Blätter schliessen zu müssen. Die Stärke würde nach dieser Ansicht, abwechselnd sich auf- lösend und wieder niederschlagend, bis zu den sogenann- ten Stärkeschichten gelangen. Die die Gefässbündel um- gebenden Parenchymschichten, welche von dem Blattstiel bis in die feinsten Blattnerven gehen, und ebenso in den zu den Knospen führenden Theilen stets vorkommen, füh- ren nach ihm stets Stärke. In nur wenigen Fällen kommt statt dieser Dextrin vor. Erst wenn die Wachsthums- thätigkeit bedeutend vorgeschritten ist, geht die Stärke auch in die Markstrahlen über. Die Bedeutung der sogenannten Reservestoffe zur Bil- dung neuer Organe wurde von Sachs durch zahlreiche mikroskopische Untersuchungen, namentlich durch Kei- mungsversuche, mit grösster Bestimmtheit bestätigt. Selbst bei den Reservestoffen, welche von der Stärke und dem (Jummi chemisch so verschieden sind, wie bei den fetten Oelen, entdeckte er eine vorübergehende Bildung von Stärke und zugleich eine Abnahme von fettem Oel. Mit der vollständigen Entwickelung der Zellen der neuen Pflan- zen hörte auch das Auftreten von Stärke auf. Nicht weniger von Bedeutung ist die Thatsache, dass er auch \><-\ der Knospenbildung der Georginenknollen, die Jnulin enthalten, und bei der Runkelrübe, die als Reservestoff Zucker enthält, Stärke auftreten sah, und es erfolgt dar- 92 Beier, aus der Schluss, dass die letztere wohl vorher gebildet werden müsse, um zur neuen Organbildung zu dienen, gleichviel, welcher Reservestoff in dem zur Bildung einer neuen Pflanze dienenden Organe (Samen, Zwiebel etc.) vorher niedergelegt gewesen sei. Dass die stickstofffreien Bildungsstoffe (Gummi, Stärke, Zucker) in dem Maasse in den Reservebehältern ver- schwinden, als sich neue Zellen bilden, und ebenso die stickstoffhaltigen, diese Thatsache lässt wohl kaum daran zweifeln, dass diese beiden Gruppen, welche als plastische Bildungsstoffe deshalb bezeichnet worden sind, das Ma- terial zur Zellenbildung liefern. Betrachtet man die Aehn- lichkeit des stickstoffhaltigen Zelleninhalts, des Protoplas- mas, gegenüber den Eiweisskörpern, und dann die gleiche Zusammensetzung des Stärkemehls und des Zellstoffs, so erfolgt daraus der Schluss, dass die Zellenhaut aus den Kohlenhydraten, das Protoplasma aus den Eiweisskörpern unter gegenseitiger Mitwirkung gebildet werden. Aber nicht allein in der Periode der raschen Bildung von neuen Pflanzenorganen, wie z. B. bei der Entwicke- lung der Frühjahrsblätter, sondern auch dann, wenn nach einem längeren Stillstande in der Fortbildung der Baum seine volle Thätigkeit in der Neubildung entwickelt, sind es die Kohlenhydrate und Eiweisskörper, welche zur Zel- lenbildung dienen. Denn die Beobachtungen von Sachs haben ergeben, dass in dieser Periode namentlich Stärke im Stamme wieder anzutreffen ist, und man dieselbe bis in das Gewebe der jungen Knospen verfolgen könne. Da ein eiweissartiger Stoff ein Hauptbestandteil der Chlorophyllkörner sei, so sei es wahrscheinlich, dass auch die Bildung der letzteren auf Kosten der Eiweisskörper geschehe. Dass aber die Assimilation, d. h. die Entstehung neuer Bildungsstoffe aus den Elementen der Kohlensäure, de3 Wassers und Ammoniaks, unter Mitwirkung der aus dem Boden entnommenen mineralischen Stoffe, in den Blät- tern vor sich gehe, unterliegt wohl keinem Zweifel mehr ; das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit. 93 allein was für chemische Veränderungen dabei vorgehen, und wie die dabei in Wechselwirkung tretenden Stoffe auf einander einwirken, um auf der einen Seite Kohlenhy- drate zu bilden, auf der andern Eiweisskörper, ist noch sehr dunkel. Jedenfalls spielt das Blattgrün unter dem Einflüsse des Lichtes hierbei eine bedeutende Rolle, wie die schönen Versuche von Sachs über die Bildung der Chlorophyllkörner in vergeilten Pflanzen und der Stärke- körner in diesen darthun. Wenn man über die Elementarorgane, in denen die assimilirten Stoffe (Bildungssaft) fortgeleitet werden, durch die neuern Untersuchungen mancherlei Aufklärungen er- halten hat, so herrschen bis jetzt immer noch verschiedene Ansichten darüber, in welchen Organen des Holzes der aufsteigende Saft sich bewege. Von den Einen werden die Gefässe, von Andern das Zellgewebe als die leitenden Organe bezeichnet. Die Anhänger der ersteren Ansicht stützen sich meist auf die Versuche mit gefärbten Flüssigkeiten an abgeschnittenen Zweigen, bei denen sie fanden, dass nur in den Verzweigungen der Gefässe die Ver- breitung der Lösungen statt fand. Dass hierbei ein abnor- mer, von dem einer im gewöhnlichen Wachsthum begriffenen Pflanze verschiedener Zustand herbeigeführt wird, mag wohl die Ursache sein, dass man diese Versuche nicht als beweis- führend ansieht. Link, II. v. Mohl u. A. jedoch, welche Pflanzen zuerst mit Lösung von Eisenoxyd und später mit Blutlaugensalz begossen, bestätigen die erste Ansicht, indem sie nur in den Gef'ässen, und nicht in den Holzzellen Ber- linerblau fanden. Allein andere auf dieselbe Weise ange- stellten Versuche von II off mann, Unger u. A. lieferten entgegengesetzte Resultate. Auch die Thatsache, dass im Frühjahre an verwundeten Stellen solcher 'Bäume, welche bluten, der Saft ans: den CJcfussen fliesst, ist kein entschie- dener Beweis, dass diese nur Saft führen, denn die betref- fenden Pflanzen befinden sich während der Zeit des gestei- gerten Saftflusses in einem von der gewöhnlichen pflanz- lichen Thätigkeit abweichenden Zustande. Man nimmt 94 Beier, wohl jetzt meist an, dass das Zellgewebe des Holzes die Leitung des Saftes bewerkstellige, dass aber im Frühjahr bei Eintritt einer höheren Temperatur, bei den Pflanzen, welche bluten, der Saft auch in die Gefässe, welche für gewöhnlich Luft führen, übertrete. Der Ausfluss dauere in Folge dessen nur so lange, bis die Gefässe sich wieder mit Luft füllten und keinen Saft mehr führten. Das Fehlen einer endgültigen Entscheidung der über den aufsteigenden Saft aufgestellten Hypothesen hat wohl seinen Grund in der Schwierigkeit der Aufgabe selbst. Beim Aufsteigen des Frühjahrssaftes sind es jedenfalls die Wurzeln, welche denselben in die Höhe treiben, denn die Gewalt, mit der derselbe aus verwundeten Stellen fliesst, hängt nach vielfachen Untersuchungen von der Temperatur ab, in der die Wurzeln sich befinden. Bei beblätterten Pflanzen nehmen die Blätter durch die von ihnen bewirkte Verdunstung, bei der die in den oberflächli- chen Zellen enthaltenen Säfte concentrirter werden, und ver- mittelst der Endosmose eine Ausgleichung mit dem Inhalt der tiefer liegenden Zellen bewerkstelligen, gewiss einen lebhaften Antheil an dem Saftsteigen. H artig spricht in seiner Abhandlung über die Bewegung des Saftes in den Holzpflanzen mehrfach die Ansicht aus, dass die Spannkraft der in den Holzfasern enthaltenen Gase we- sentlich zur Bewegung des Holzsaftes beitrüge. Bei der Gewinnung des hier gesammelten und untersuchten Frühjahrssafts machte ich einige Beobachtungen, die mit den von Hartig bei seinen Un- tersuchungen gemachten vollkommen übereinstimmen. Es betreffen dieselben hauptsächlich die Tageszeit, bei wel- cher der Saftausfluss plötzlich aufhört, so wie die Abhän- gigkeit der ausströmenden Quantität von den Witterungs- verhältnissen. Die Saftströmung begann im Frühjahre 1864 erst gegen Ende März, und ist diese Verzögerung jedenfalls auf Rechnung der lange anhaltenden niedrigen Temperatur zu setzen. Der während des Saftfliessens stattfindende häufige Temperaturwechsel veranlasste jeden- das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit. 95 falls auch die Verlängerung der Ausflussperiode. Bei den Birken floss jedoch der Saft von Anfang an fast ununter- brochen, während dies bei den Weissbuchen nicht der Fall war. Obgleich bei den von mir beobachteten Bäumen der gün- stige Standort und die dabei eher bewirkte Erwärmung des Bodens ein früheres Steigen des Saftes jedenfalls bewirkten, als bei Bäumen, die an der Ostseite des Terrains standen, so zeigten doch auch hier Bäume, die sehr nahe zusam- menstanden, eine bedeutende Verschiedenheit, denn die einen bluteten oft acht Tage früher wie die anderen. Es wäre wohl denkbar, dass das Alter der Bäume Einfluss darauf hätte. Auch ergaben die Analysen bei Saft von Bäumen verschiedenen Alters, die zu gleicher Zeit flössen, Verschiedenheiten in dem Gehalt an Trockensubstanz. Es dürfte jedoch zu gewagt sein, darin eine gewisse Ge- setzmässigkeit suchen zu wollen. Jedenfalls ist die ver- schiedene Individualität Ursache dieser Abweichungen. Bei der Weissbuche beobachtete ich, dass der Saft- ausfluss gegen die Mittagszeit vollständig aufhörte und erst gegen Abend wieder begann. Allein eine bestimmte Regelmässigkeit konnte ich nicht beobachten. Wahr- scheinlich liegt dies, wie auch schon H artig aussprach, in den verschiedenen Witterungsverhältnissen. Hart ig fand, dass bei luftdichtem Verschluss von Bohrwunden während des Aufhörens des Saftflusses eine Einsaugung der Flüssigkeit stattfinde, und hat darüber zahlreiche Un- tersuchungen angestellt, die aber dahin führten, dass in dem Ausfluss sowohl als auch in dem Einsaueren keine bestimmte Regelmässigkeit statt finde. Er giebt an, dass nur bei Süd- und Westwind, nicht bei Ost- und Nordwind, beide Erscheinungen auftraten. Chemische Itatcrsuchungen. Diese Untersuchungen erstreckten sich, ausser auf die Gesammtrnenge der in dem Safte gelösten Stoffe, auf die Bestimmung der quantitativ nachweisbaren bekannte- n n 96 Beier, ren organischen Verbindungen darin, wie auf die Unter- suchung der in der Asche des Saftes enthaltenen minera- lischen Stoffe. 1. Trockensubstanz und Zucker. Eine vollstän- digere Reihe von Bestimmungen dieser Art wurde nur bei dem von einem und demselben Baume stammenden Safte der Birke vorgenommen, welcher, wie bekannt, zu den concentrirteren und zuckerreicheren Baumsäften gehört. Die erlangten Ergebnisse sind die folgenden: Birkensaft Trockensubstanz Zucker Proc. Proc. am 12. April 1,220 0,950 „ 14. „ 1,340 1,000 20. „ 1,580 1,250 26. „ 1,580 — 4. Mai 1,639 1,300 „ 6. „ 1,470 1,090 „ 8. „ 1,100 0,833 Weissbuchensaft am 12.— 27. April, im Mittel von 6 Untersuchungen, die an verschie- denen Bäumen von verschiedenen Standorten angestellt wurden.... 0,570 0,460 Die vorstehenden, für den Birkensaft ermittelten Zah- len zeigen, dass vom Anfange des Saftflusses an sowohl die Menge der gelösten Stoffe überhaupt, wie die des Zuckers insbesondere, zunimmt und gegen das Ende des Saftflusses wieder abnimmt; die Trockensubstanz beträgt im Mittel der vorliegenden Untersuchungen 1,42 Proc, der mittlere Zuckergehalt 1,07 Proc. Wurde das Untersuchungsmaterial von verschiedenen Bäumen entnommen, so zeigten sich, obgleich letztere zu gleicher Zeit flössen, in dem Zuckergehalte bedeutende Unterschiede. Ein mehr oder weniger feuchter Standort dürfte, neben der verschiedenen Anfangszeit des Ausflusses, wohl die Ursache dieser Abweichung sein. Der Saft einer Weissbuche enthielt z,B. am 12. April 0,450 Proc. Zucker, das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit. 97 während ein Baum derselben Gattung erst am 26. April diesen Zuckergehalt zeigte. In der qualitativen chemischen Zusammensetzung erwiesen sich die Säfte von Weiss- buche und Birke gleich, nicht so bei der quantitativen. Die Reaction beider in ganz frischem Zustande war kaum merklich sauer, wahrscheinlich von der darin enthal- tenen Kohlensäure, denn trotz mehrfacher Be- mühungen war es nicht möglich, Essigsäure und Milchsäure, welche Säuren von mehreren For- schern darin gefunden wurden, im vollkommen unzersetzten Safte nachzuweisen; während die Bildung derselben bei nicht zu langem Stehen des Saftes leicht zu bemerken war. Ueberhaupt geht die Zersetzung des Saftes sehr schnell vor sich, und die Erlangung grös- serer Mengen unzersetzten Saftes ist nicht ohne Schwie- rigkeit. 2. Dextrin. Ausser dem Zucker wird noch das Dextrin als ein Bestandtheil des Frühjahrssaftes von den meisten Forschern angegeben. Bei dem Versuche, dasselbe iti reiner Form darzustellen, stiess ich auf Schwierigkeiten. Die Schuld daran tragen, wie ich glaube, andere stick- stofffreie Körper, die möglicher Weise noch darin enthal- ten sein können. Ich werde mich indess bemühen, mir darüber Klarheit zu verschaffen, wie ich überhaupt flie Untersuchung selbst noch nicht als geschlossen betrachte. Fällt man den durch Eindampfen concentrirten Saft mit Alkohol, so erhält man eine gallertartige Masse, die fost vollständig stickstoffrei ist. Lässt man dieselbe auf einem Glasplättchen eintrocknen, so erhält man eine glänzende, blättrige Masse, die vollständige Aehnlichkeit mit Gummi zeigt. II artig fand schon in dem Frühjahrssaft des Wnll- nussbaumes einen bassorinartigen Körper. Es ist deshalb wohl denkbar, dass auch hier ausser Zucker und Dex- trin noch ein anderer stickstofffreier Körper vorkomme. 5. Eiwei8s und Stickstoff. Beim Kochen sowohl, als auch durch Anwendung von Fällungsmitteln ist es Arch. d. Pharm. CLXXni.Hd*. l.u.2. Hft. 7 98 Beier, schwer, eine einigermassen wägbare Menge von ausge- schiedenem Eiweiss zu erhalten. Von 1000 C.C. Birkensaft erhielt ich die geringe Menge von 0,022 Grm. Eiweiss. Trotz- dem ergaben die Stickstoffbestimmungen der erhaltenen Trockensubstanz einen weit grösseren Stickstoffgehalt, als dem Gehalt an Eiweiss entspricht. Es geht daraus her- vor, dass der Stickstoff in einer durch gewöhnliche Fäl- lungsmittel nicht abscheidbaren Form sich darin befinde, resp. nicht als E iweisskörp er, und lässt solches auf das Vorhandensein von Am moniak salzen, welche von Lie- big auch schon nachgewiesen wurden, schliessen. In der That entwickelt der durch Eindampfen concentrirte Saft schon in der Kälte mit Kalkhydrat Ammoniakgeruch. Nähere Untersuchungen hierüber, wie über das Vorhan- densein von Salpetersäure, werden für nächstes Frühjahr beabsichtigt. In dem Stickstoffgehalt des Saftes im Anfange der Ausflussperiode und gegen Ende derselben fand ich keine wesentlichen Unterschiede. Für den Gesammtstickstoff der Trockensubstanz er- gaben sich im Mittel dreier Analysen folgende Procent- Zahlen : bei der Trockensubstanz des Birkensaftes 1,9 Proc. oder auf frischen Saft berechnet 0,0238 „ bei der Trockensubstanz des Weissbuchen- saftes 3,4 „ oder auf frischen Saft berechnet 0,0224 „ Im Herbst gesammelte und völlig ausge- trocknete Blattknospen der Weissbuche enthielten an Stickstoff 2,45 im Frühjahre bei beginnendem Saftfluss gesammelte 3,87 Die Trockenmasse des Saftes von der Weissbuche hat hiernach nahezu denselben Stickstoffgehalt, wie die Knospen desselben Baumes um dieselbe Zeit, während die zur Herbstzeit untersuchten Knospen nur etwa 2/ 3 davon enthielten. r> n das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahr szeit. 99 4. Aschenbestandtheile. Die Menge der mine- ralischen Bestandteile ist, verglichen mit dem Gehalt des Holzsaftes im August oder überhaupt während des Sommers, eine sehr geringe. In 100 Th. Birkensaft waren enthalten 0,056 Asche (entsprechend 4 Proc. der Trocken- substanz), in 100 Th. Weissbuchensaft 0,037 Th. Asche (entsprechend 6,7 Proc. der Trockensubstanz). Da grössere Mengen von Birken- und Weissbuchen- saft zur Disposition standen, so konnten genügende Quan- titäten von Asche gewonnen und diese einer speciellen quantitativen Analyse unterworfen werden, welche fol- gende Ergebnisse lieferte: Es wurden gefunden in 100 Asche von von Birkensaft: Weissbuchensaft: Kali 21,20 12,60 Kalk 23,96 29,82 Talkerde 9,15 8,17 Eisenoxyd 4,14 2,45 Manganoxydoxydul.... 0,60 4,85 Phosphorsäure 4,16 4,41 Schwefelsäure 2,88 5,91 Chlor Spuren 1,38 Kohlensäure etc 33,91 30,41 100,00 100,00. Obgleich die Bäume, von denen der Saft zur Aschen- darstellung entnommen wurde, auf demselben Boden ste- hen, so ersieht man doch ziemlich bedeutende Unter- schiede in der Zusammensetzung der beiden Aschen. Es dürfte dies wieder ein Beispiel für die verschiedene Auf- nahmefähigkeit verschiedener Pflanzengattungen in Be- ziehung auf die anorganischen Nährstoffe sein. Bei der Weissbuche ist der bedeutende Mangangehalt be- merkenswerth. Die Phosphorsäure ist in dem Saft an Magnesia ge- bunden, denn schon nach wenig Zeit scheidet sich beim Kochen phosphorsaure Talkerde mit kohlensaurem Kalk 7* 100 Beier, aus. Durch die Gegenwart grösserer Mengen von Koh- lensäure in dem Saft wird jedenfalls ein grosser Theil Mineralstoffe in Lösung erhalten. Daher die Erscheinung der Ausscheidung beim Kochen. Nachschrift von Prof. Adolph Stock hardt. Bereits in den Jahren 1851 und 1852 habe ich im Ver- ein mit meinem damaligen Collegen Stein chemische und physiologische Studien über den Frühlingssaft bluten- der Bäume begonnen, die jedoch durch die Berufung Stein's an die Universität Prag unterbrochen wurden, noch bevor es demselben gelungen war, seine zahlreichen, aber mannigfach räthselhaften und sich widersprechenden Beobachtungsresultate über das erste Auftreten, den Ver- lauf und die Dauer des Saftflusses in den einzelnen Pflan- zentheilen, und deren Abhängigkeit von den Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnissen der Luft, wie des Bodens u. a. m. in naturgesetzlichen Zusammenhang zu bringen. Von den chemischen, durch Dr. Hellriegel ermittelten Untersuchungsergebnissen stelle ich nur einige hier über- sichtlich zusammen, um die nahe Uebereinstimmung darzu- thun, welche zwischen denselben und den in diesem Jahre von Dr. Beier erzielten statt findet. In 100,000 Gewichtstheilen Saft wurden gefunden: Trocken- Asche Eiweiss Substanz 1851 Birkensaft 495 58 — 1852 desgl. zur Zeit des stärksten Saftflusses 1268 65 2,8 1852 dsgl. gegen Ende des Saftflusses — 53 1,1 1864 dsgl. Mittelzahl aller Analysen 1420 56 2,2 1851 Weissbuche 590 62 — 1852 dsgl. zu Anfang des Saftflusses 140 34 1,5 1852 dsgl. zur Zeit des stärksten Saftflusses — 53 1,1 1864 dsgl. Mittelzahl aller Analysen 570 37 — 1851 Ahorn 562 52 — 1852 dsgl. zur Zeit des stärksten Saftflusses 1272 71 2,6 1852 Erle, gegen Ende des Saftflusses 354 36 1,3 das Saftsteigen in den Bäumen zur Frühjahrszeit. 101 Ist die mit dem Schwellen der Knospen (oft ganz plötzlich) auftretende Erfüllung, ja Ueberfüllung, des eigent- lichen Holzkörpers der Bäume mit Saft, wie das mit dem Aufbrechen der Knospen, dem Ausschlagen der Bäume, (oft eben so plötzlich) wieder stattfindende Verschwinden dieser Saftfiüle schon an sich, wie im Hinblick auf die Nichtbetheiligung der Rinde und des Bastes an dieser ersten Saftströmung, eine bemerk enswerthe Erscheinung, so wächst das Interesse an derselben noch dadurch, dass in ihr dem Chemiker eine Gelegenheit dargeboten scheint, den materiellen Bedingungen der ersten Blattvegetation, in ähnlicher, ja noch einfacherer Weise, wie bei der Kei- mung der Samen, nachzuforschen. Wenn, wie es scheint, die beim Schwellen der Knospen vor sich gehende Ver- grösserung der in diesen eingeschlossenen Blättchen haupt- sächlich nur durch die in der Knospe selbst aufgespei- cherten Stoffe, in Verbindung mit denjenigen, welche in dem Frühjahrssafte enthalten sind, und theils, wie Koh- lensäure, Ammoniak und Mineralstoffe, aus dem Boden, theils, wie Zucker und Eiweiss, von den Reservestoffen des Holzkörpers (Stärke etc.) stammen, bewirkt wird, so darf man hoffen, durch weitere Vervollständigung un- serer Erkenntniss über die Bestandtheile des Saftes und der Knospen nicht nur eine nähere Einsicht in die Bau- materialien für die jugendlichen Blätter, sondern auch in manche in dem Baume selbst vor sich gehende chemische Veränderungen zu gewinnen. So weisen beispielsweise die diesjährigen Zuckerbestimmungen der Baumsäfte, denen zufolge 3 / 4 und darüber von der ganzen Trockenmasse der letzteren aus Zucker (Krümelzucker) bestehen, wie auch das bezüglich dieses Saftbestandtheils vorkommende geringe Schwanken, welches sich nur zwischen 70 — 80 Procent bewegt, sehr entschieden darauf hin, dass diesem Stoffe insbesondere eine wichtige Rolle bei der Bildung der jungen Frühjahrsblätter zukomme. So spricht dieser grosse Zuckergehalt ferner dafür, dass dem aufsteigenden Fruhlingssafte die Kraft innewohnen müsse, Stärke sehr 102 Mädler, rasch in Zucker überzuführen, da anzunehmen ist, dass die im Herbste im Holze als Reservestoff abgelagerte Stärke im vorliegenden Falle das hauptsächliche Material für die Zuckerbildung darstelle. Unter diesen Umständen sollen diese Untersuchungen auch im nächsten Frühjahre weiter fortgesetzt werden. Führen sie zu brauchbaren wissenschaftlichen Ergebnis- sen, so werden diese nicht allein für die Forstwirtschaft, sondern auch für die Landwirthschaft von Interesse sein, da anzunehmen ist, dass die für die Bäume geltenden Bedingungen der ersten Blattentwickelung in der Haupt- sache auch für die Blattentwickelung der landwirtschaft- lichen Culturpflanzen Geltung haben werden. Die neueste Bestimmung der Entfernung der Erde von der Sonne von J. H. Mädler hat wohl ein so allgemeines Interesse, dass ein Aus- zug im Archive manchem Leser nicht unwillkommen sein wird, indem nicht allein das Zahlenresultat mitgetheilt ist, sondern der Gegenstand in möglichst populairer Dar- stellung so gehalten ist, um auch eine Einsicht in die Mittel zu gestatten, welche man in früherer und in der gegenwärtigen Zeit angewendet hat, um zu dieser Kennt- niss zu gelangen. Scharfsinnig waren die Methoden, welche die alt- griechischen Astronomen, namentlich Hipp arch und Pto- lomäus, ausgedacht hatten, und wäre die Sonnenentfer- nung 20- bis 30 mal kleiner als sie in der That ist, so würde sie zum Ziele geführt haben. Man wollte aus dem Momente, wo der Mond gerade halb erleuchtet er- scheint, so wie aus . der Grösse des Erdschattens bei Mondfinsternissen diese Entfernung bestimmen. Die Son- nenstrahlen, welche gleichzeitig die Erde und den Mond, Entfernung der Erde von der Sonne. 103 oder auch die verschiedenen Seiten der Erde treffen, würden nämlich nur dann unter sich parallel sein, wenn die Entfernung der Sonne unendlich gross wäre ; da man diese Annahme unstatthaft fand, so wollte man aus dem Winkel, den diese Sonnenstrahlen mit einander bilden, die Entfernung bestimmen. Aber die Mondphasen, wie der Erdschatten sind so wenig begrenzt und die gesuch- ten Winkel sind so klein, dass dieser Versuch bis heute kein sicheres Resultat erzielte. Lange Zeit hindurch wollte sich kein anderes Mit- tel finden, bis ins 17te Jahrhundert versuchte man diese alte Methode zu wiederholen und glaubte zuletzt ein an- näherndes Resultat, nämlich 1200 Erdhalbmesser oder nahezu 1,000,000 geographische Meilen gefunden zu ha- ben. Aber andere Beobachtungen widersprachen dem und so blieb die Ungewissheit. Durch Copernicus und Kepler geschah zwar ein wichtiger Schritt; man konnte jetzt genau das Verhält- niss angeben, welches zwischen der Entfernung aller zum Sonnensystem gehörenden Weltkörper (mit Ausnahme des Mondes) zur Sonnenentfernung besteht, oder auch mit aller Sicherheit die Entfernung der Sonne zum Maass- stabe für alle übrigen Entfernungen machen; aber es handelte sich nun um die Frage: wie gross ist dieser Maassstab selbst? Wenn es selbst den früheren Astro- nomen gelungen wäre, die Entfernung der Sonne zu fin- den, so wäre ihnen das Uebrige doch unbekannt geblie- ben. Wir aber mit dem System von Copernicus brauch- ten nur die Entfernung der Sonne zu bestimmen, um alle übrigen leicht und sicher berechnen zu können. Edmund II alle y, Newton 's grösster Zeitgenosse, trat 1714 mit einem Vorschlage auf, der nach seiner An- sicht gelingen müsse: nämlich wenn Venus vor der Sonne yorttbergeht, ein Phänomen, was von dem grössten Theilc der Erdoberfläche wahrgenommen werden kann, und man denkt sich Linien, die von sehr verschiedenen Punctcn der Erde aus nach dem vorangehenden Rande der Venus 104 Mädler, gezogen werden, also nicht parallel sind, so werden diese jenseits der Venus auseinanderlaufen und können nicht gleichzeitig mit dem Rande der Sonne zusammentreffen; und eben dieses gilt auch von den Linien, welche man nach dem nachfolgenden Rande der Venus gezogen denkt. Der Eintritt der Venus in den Sonnenrand wird also an einem Erdorte früher, an einem andern später gesehen werden, und dass für den Austritt das hier Gesagte eben- falls maassgebend ist, ist klar. Nun aber bewegt sich die Erde um ihre Axe und in den 7 Stunden, die der Vorgang ungefähr währt, ha- ben mithin die verschiedenen Erdorte ihre Stellung sehr erheblich verändert. Wenn demnach zwei Orte der Erde A und B anfangs so standen, dass A den Eintritt früher als B wahrnahm, so kann in 7 Stunden die Stellung eine solche sein, dass B den Austritt früher als A wahrnimmt. Die Zeitdauer des Vorganges für die verschiedenen Orte der Erde muss demnach eine verschiedene sein, und wenn man alle Umstände, die hier einwirken, mit ein- ziger Ausnahme der Sonnenentfernung, hinreichend genau im Voraus kennt, so lässt sich auch berechnen, für welche Erdorte diese Verschiedenheit der Dauer die grösstmög- lichste sein werde, und sonach auch bestimmen, welche Stellen der Erde mit Beobachtern besetzt werden müssen. Im I8ten Jahrhundert ereigneten sich zwei dieser Durchgänge, am 6. Juni 1761 und am 4. Juni 1769, und beide wurden umsichtig benutzt. Halley hatte das Gan- gesthal und die Hudsonsbai als die Puncte bezeichnet, deren Differenz am grössten sei, und de Isle war es hauptsächlich, der die Vertheilung der Beobachter diri- girte. Le Gentil begab sich nach Indien, la Chappe nach Tobolsk, Pingre nach der Insel Rodriguez im äthio- pischen Ocean, Maskelyne nach St. Helena und Ma- son nach dem Cap der guten Hoffnung. Die Nordstaaten sorgten für Beobachter in Dront- heim, Lappland und Sibirien. Der Versuch dieser Beob- achtungen, auf eine scharfe Bestimmung gerichtet, ergab Entfernung der Erde von der Sonne. 105 nicht das, was man erwartet hatte; statt dessen ergaben einige Vergleichungen 17 Millionen, andere 21 Millionen Entfernung der Sonne, und man konnte sich nicht ver- hehlen, dass nicht Alles gewesen war, wie es sein sollte. Glücklicher Weise traf 8 Jahre später abermals ein Venus -Durchgang ein, und da man wusste, dass der nächste erst am 8. December 1874 statt finden würde, so that man Alles, um wo möglich diesmal ein besseres Resultat zu erhalten. Die Observatorien waren gegen früher vermehrt ; Cook 's Expedition beobachtete auf Otaheiti, die Wiener Astronomen Hell und Sainoviczk, so wie der Däne Borgrewing gingen nach Wardöhuus am Nordcap etc., aber nicht überall begünstigte die Witterung die Beob- achtungen. Im Ganzen wurden die Erwartungen etwas besser als das erste Mal erfüllt, aber auch diesmal nicht so, wie man gehofft hatte. Enke entdeckte aber doch statt der entstellten Zahlen der Hell'schen Beobachtungen die richtigen wieder, berechnete Alles aufs Neue und aus den Beobachtungen von 1769 den Winkel, den zwei von antipodischen Puncten des Erd-Aequators nach der Sonne gezogene Linien dort einschliessen, für die mittlere Ent- fernung 17", 142 (oder Parallaxe 8", 571) und hieraus ergab sich eine Entfernung für die Sonne von 20,666,230 geographischer Meilen. In neuerer Zeit ergaben sich verschiedene That- sachen, welche Zweifel in die Genauigkeit der erwähnten Zahlen von Enke erregten; obschon kein Rechnungs- fehler zu unterstellen, so konnten bei den Beobachtungen selbst ganz unbedeutende Fehler vorgekommen sein, welche das Resultat alterirten. 1. Hatte man die Zeit, welche die Sonnenstrahlen gebraucht, um zur Erde zu gelangen, nach verschiede- nen Methoden bestimmt und 8 Minuten 18 l j 5 Secunden mit grosser Uebereinstimmung gefunden und daraus, ver- bunden mit obiger Sonnenentfernung, die Geschwindig- keit des Lichtes berechnet. Foucault mass nun diese 106 Mädler, Geschwindigkeit terrestrisch und fand dieselbe um den 30sten Theil geringer, als die Astronomen sie annahmen, und man vermuthete daraus, dass die Entfernung der Sonne um diese Differenz zu gross angenommen sei. 2. Die Theorie des Mondlaufes und namentlich die einzelnen Wirkungen (Störungen) der Sonne auf diesen Lauf waren von Hansen mit einer Schärfe berechnet, wie nie zuvor geschehen. Auch hier ergab sich aus der sogenannten parallaktischen Gleichung, dass die Berech- nung nur dann in Uebereinstimmung mit den Beobach- tungen des Mondortes zu bringen war, wenn die Sonnen- entfernung etwas geringer angenommen wurde. 3. Was wir die Masse der Sonne nennen, die Zahl, welche ausdrückt, um wie viel das Gewicht der Sonne das unserer Erde übertreffe, ist aus der Umlaufszeit der Erde und ihrer Entfernung berechnet. Ist die Entfer- nung nun geringer, so muss auch die Masse der Sonne geringer sein-, aber nicht allein die der Sonne, sondern auch die Massen aller übrigen Weltkörper; denn allen Entfernungen liegt der Maassstab zum Grunde, um des- sen Bestimmung es sich eben handelt: steht die Sonne uns näher, so stehen uns auch alle Planeten näher und haben sonach auch weniger Masse, als man ihnen zu- theilt. Nun hatten Airy und Leverrier gefunden, dass die Beobachtungen für die gegenseitigen Wirkungen der Erde und Venus auf einander nicht mit dem Verhält- nisse in Uebereinstimmung zu bringen waren, welche man bisher für die Masse der Venus und die der Erde angenommen hatte ; die Uebereinstimmung ergab sich nur dann, wenn man die Masse der Venus verringerte; wo- mit nothwendig auch eine geringere Entfernung dersel- ben verbunden war. Dieses sind nun freilich noch keine feststehenden Beweise, sondern nur dringende Andeutungen; denn die Möglichkeit konnte man sich nicht verhehlen, dass auch wohl noch andere Ursachen die erwähnten Thatsachen Entfernung der Erde von der Sonne. 107 bewirkt oder doch mitgewirkt hätten ; so war z. B. denk- bar, dass die Geschwindigkeit des Lichtstrahles bei hori- zontaler Bewegung in der unteren Erdatmosphäre eine andere sei, als die mehr verticale im freien Weltenraume. Die Sache forderte zur näheren Untersuchung auf, und die Gelegenheit zeigte sich, als Mars bei seiner Op- position im Jahre 1862 der Erde bis 2 / 5 der Sonnen- entfernung nahe kam, was sehr selten stattfindet. Win- neke, Director der Sternwarte zu Pulkowa, hat nicht allein das Verdienst, auf die günstige Constellation hin- gedeutet, sondern auch die Art und Weise bezeichnet zu haben, die am sichersten und mit möglichst grossem Vor- theile zum Ziele führe und eine Hauptbedingung war dabei, dass der Meridianbogen zwischen den Sternwarten, welche mit concurrirten, der möglichst grösste sei. Unter den grösseren Sternwarten ist Pulkowa die nördlichste, das Cap und St. Jago de Chili sind die südlichsten. An diesen Puncten also wurde Mars sorgfältig und mit möglichst häufiger Wiederholung mit Fixsternen ver- glichen, um die durch Verschiedenheit des Standpunctes bewirkte Verschiedenheit der gegenseitigen Abstände zu erforschen. Noch liegen zwar die definitiven Resultate nicht vollständig vor, wohl aber kann man jetzt schon mit Gewissheit behaupten, dass die Bedenken, welche in Obigem formulirt wurden, vollständig begründet waren; denn die Sonne steht uns um wenigstens 800,000 Meilen, d. h. um den 25sten Theil der bisher angenommenen Ent- fernung näher. Die Vergleichung der Beobachtungen am Cap mit denen in Pulkowa gaben mit schöner Ueber- einstirnmung für die Parallaxe der Sonne 8" 965, was einer mittleren Entfernung von 19,778,000 geopraphischen Meilen entspricht. Jedes Hunderttheil einer Secunde, um welches die Parallaxe geändert werden müsste, bringt '22,000 Meilen Aendcrung in der Sonnenentfernung her- vor, und um sich eine sinnliche Vorstellung von dem zu machen, was eine Bogensecunde ist, denke man sich eine 108 Landerer, etwa 1 Zoll starke Stange in der Entfernung von 3 / 4 Mei- len, oder auch ein Menschenhaar in 100 Fuss Entfernung. ( Westermann's illustr. deutsche Monatshefte für das gesammte geistige Leben der Gegemvart. Octbr.-Heft 1864.) L. Ueber Cyperus -Wurzeln; von Dr. X. Landerer. Im Oriente kommen verschiedene Cyperus -Species vor und ausser der Cyperus esculentus, von den Orien- talen Manna genannt, welche dem Volke, namentlich in Egypten, als Speise dient und womit sich nach meiner Meinung vielleicht die Israeliten in der Wüste nährten, finden sich: Cyperus rotundus, C. longus, C. tetrastachys. Die Wurzeln oder besser die frischen Knollen dieser Cyperus- Arten, besonders die von C. rotundus, besitzen im frischen Zustande, wenn sie gekaut werden, eine bren- nende Schärfe, die sich um so mehr entwickelt, je mehr sie gekaut werden, und in Folge dieser Schärfe werden die weichen Theile des Mundes, des Gaumens und des Halses in einen entzündlichen Zustand versetzt. Schmerz und heftiges Brennen dieser Organe sind die Folgen des Zerkauens dieser Wurzelknollen. Dieses erinnert an die uns mehr bekannten bittern Mandeln und an die Senf- samen, aus denen sich durch die Einwirkung der Synap- tase auf das myrosinsaure Kali das Ol. Sinapis aethereum und in Folge des Emulsins der Mandeln auf das darin enthaltene Amygdalin die Blausäure und das Ol. aether. Amygd. amar. entwickelt. Vor mehreren Jahren hatte ich diese frischen Cyperus - Wurzeln einer Destillation mit Wasser unterworfen, nachdem ich sie gleich den bittern Mandeln im zerquetschten Zustande einige Tage in Di- gestion gelassen hatte. Ich erhielt daraus ein sehr schar- fes, die Haut röthendes ätherisches Oel, das dem Senföle in Betreff der brennenden Eigenschaft gleich kam und Parier atium maritimum. 109 welches in den frischen Wurzeln wahrscheinlich nicht als solches enthalten ist, sondern sich aus den Bestand- teilen daraus gebildet hat. Vielleicht ist es möglich, in diesen Wurzelknollen ein Cyperinum oder einen ähn- lichen krystallinischen Stoff aufzufinden, der durch Ein- wirkung eines eiweisshaltigen Stoffes ebenfalls in das ätherische Oel oder einen harzigen Stoff umgewandelt wird. Diese Wurzelknollen der Cyperus sind den Leuten im Oriente sehr gut bekannt und werden Kyperi genannt,, und da sie im getrockneten Zustande einen obgleich bedeu- tend weniger scharfen, mehr pfefferartigen Geschmack be- sitzen, so nennen die Leute diese Wurzel Piperonisa, d. i. Pfefferwurzel, und gebrauchen dieselbe im zerriebenen Zustande sub forma Pulveris ruditer contusae zur Berei- tung von Medicamenten gegen Magenschwäche und chro- nische Fieber. Pancratium maritimum; von Demselben. Eine der schönsten Pflanzen der Littoral - Flora des ganzen Orients ist Pancratium maritimum. Die Blüthen derselben besitzen einen sehr ausgezeichneten Geruch und wenige Blüthen sind im Stande, ein grosses Zimmer mit solch' feinem lieblichen Geruch zu erfüllen. Die Pflanze blüht in den Monaten Juli und August, und alle Badenden pflücken dieselbe bei ihrer Rückkehr, um ihre Wohnungen mit dem feinen Aroma zu füllen. Aus den getrockneten Zwiebeln bereiten sich die Frauen ein Amy- lum, womit sie sich die Haut waschen^ um den Teint zu verschönern, weshalb dasselbe von den Damen sehr 1 heuer bezahlt wird. Diese Zwiebel hat grosse Aehnlich- keit mit der Meerzwiebel, die Bulb. Pancratii maritim. sind jedoch kleiner als die Jiulb. fyuillae maritim., nur mangelt der ersteren der die Haut röthende und bis zur 110 Lander er, leichten Pustelbildung ätzende scharfe Saft. Aus dem frischen Safte bereiten sich die Leute, welche an chroni- schem Lungenkatarrh und asthmatischen Beschwerden leiden, mit Zucker und Honig Syrupe und Meliteumata, die eine sehr gute Wirkung bei solchen Leiden üben sollen. Landleute braten diese Zwiebeln und essen sie bei den angegebenen Leiden mit ausgezeichnetem Erfolge. Es ist schade, dass sich im Oriente keine Toiletten -Che- miker oder Parfumeurs finden, um aus diesen so wohl- riechenden Biüthen Pomaden oder Esprits zu bereiten. Schon in alten Zeiten scheint diese Pflanze mit der Scilla verwechselt worden zu sein, und Dioscorides, welcher sie Pankration nennt, sagt: quod Scillam aliqui cognominant. Wahrscheinlich wegen ihres Wohlgeruches und ihrer Schönheit wurde diese Pflanze die Alles beherrschende, xo irav xpaxcTv, navxpaxtov, genannt. Werden die Biüthen getrocknet, so verlieren sie ihren Geruch, weshalb sich aus den getrockneten Biüthen nichts Wohlriechendes mehr gewinnen lässt. Ueber die Enidosis oder Urticatio im Oriente; von Demselben. Tsouknida nennt das Volk in Griechenland die Brenn- nesseln, die sich in Masse finden. Unter den Varietäten ist die am häufigsten vorkommende die Urtica pilidifera, pillentragende Nessel, indem die Früchte derselben in Form von zusammenhängenden Pillen herabhängen. Wer sollte es denken, dass die Alles essenden Griechen, d. i. das arme Volk, auch die jungen Sprossen dieser Pflanze zum Salat verwenden und mit Lust verzehren? Wer sollte es glauben, dass die Lastträger in Constantinopel sogar die frischen Pflanzen von Conium maculalum mit Oel und Salz als Speise gemessen! Die Brennnessel hiess in alten Zeiten Knideh, von xvtjCcö, stechen, was über Erigeron viscosum. 111 mit dem Namen Urtica von urere, brennen, übereinstimmt. Eben so bezeichnend für diese Pflanze ist der Name Acalephe, von xaXij und a'cpr p weil sie nicht angenehm zu berühren ist. In alten Zeiten wurde diese Pflanze zum Berühren der von Paralyse befallenen Patienten verwen- det und diese Operation Knidosis oder Urticatio genannt. Der Gebrauch der Urtica zu diesem Zwecke ist auch jetzt noch unter den Landleuten bekannt und in Anwen- dung. Es scheint aus den ältesten Zeiten auf die heu- tige sich vererbt zu haben, dass man die an Hemiplegie oder Paraplegie Leidenden mit dieser Tsouknida peit- schen müsse. Deshalb werden die Patienten der Länge der Wirbelsäule nach mit den frischen Tsoukniden ge- peitscht, bis sie heftige Schmerzen fühlen. In andern Theilen des Landes herrscht die Meinung, dass Kataplas- men aus den frisch zerquetschten Pflanzen, auf die Wir- belsäule aufgelegt, eine noch intensivere Wirkung bei diesem Leiden äussern, weshalb auch diese angewandt und so lange darauf liegen gelassen werden, bis sich ein starkes Erythrem zeigt, sodann abgenommen, und diese Methode fortgesetzt, bis der Patient sich besser fühlt oder die Paralyse gehoben ist. Ich lernte drei Personen ken- nen, die Jahre lang in Folge einer Apoplexie an Para- plegie litten und sich selbst und ihrer Umgebung zur Last waren: dieselben befinden sich jetzt nach fortgesetz- tem Gebrauch der beschriebenen Knidosis oder Urticatio in gebessertem Zustande und können gehen. üeber Erigeron viscosum; von Demselben. Wenn man bedenkt, dass man während der Sommer- Monate die ganzen Nächte oft schlaflos zubringen muss, in- dem man jeden Augenblick von den Stichen der Insekten aufgeweckt wird und sich von Tausenden derselben be- 112 Landerer. über Erigeron viscosum. deckt sieht, so ist es begreiflich, dass man zu allen Mit- teln, welche gegen diese Menschenquäler und Plagegei- ster angegeben und in den Zeitungen als Cimicifuga oder Cimieiktona ausposaunt werden, seine Zuflucht nimmt. Im Allgemeinen kann man annehmen, dass es kein Ci- mieiktonon — von xsiva>, todten — geben dürfte, und Reinlichkeit und Jagd auf dieselben die einzigen Mittel sind, um sich von denselben zu befreien. In den letz- ten Zeiten tauchte als das sicherste Vertilgungsmittel das Erigeron viscosum im Oriente auf, und Möbeln oder Bet- ten, in welche man dieses Pulver streut, werden allmälig von den Wanzen befreit. Wer sollte es glauben, dass diese ekelhaften Thiere, die Wanzen, Cimex lectularia seu Acanthis lectularia, von dem gemeinen Volke im Oriente und besonders in der Türkei als Volksheilmittel angewendet werden! Man gebraucht sie gegen chronische Wechselfieber, und diese Thierchen, von denen es hier so viele giebt, um alle Fieber -Patienten in Europa heilen zu können, werden dem Patienten, ohne dass dieser sein Heilmittel kennt, in die Weinbeeren, Uvae passae minores, hinein gethan, um verschluckt zu werden. 113 III. Monatsbericht, Analyse des Mineralwassers von Dinan, von Malaguti» Die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen der Mineralwässer von Dinan sind vom Jahre 1664; eine spä- tere, dem damaligen Stande der Wissenschaft entspre- chende Untersuchung derselben vom Jahre 1778 ist von Chiffolian; in einer Notiz von Bigeon 1812 findet sich eine Analyse von Boullay, die sehr unvollständig ist. In 14 ! / 2 Kilogrammen Wasser findet Boullay 352 Centigramme fester Stoffe, bestehend aus: Salzsaurem Kalk 54 Centigrm. „ Natron 44 „ Salzsaurer Magnesia 33 „ Kohlensaurem Kalk 37 „ Schwefelsäure 20 „ Kieselerde 3 „ Eisenoxyd (säuerl.Carbonat) 30 „ 221 Centigrm. Der Verlust von fast 9 ° /0 , das Fehlen des Alkalis unter den Resultaten der Analyse, obgleich der Verfasser alkalische Reaction des Wassers angiebt, zeigen deutlich, dass man bis dahin die Ermittelung der Bestandteile die- ses Mineralwassers, dessen therapeutische Wirkungen wohl bekannt sind, vernachlässigte. Untersuchung des Mineralwassers an der Quelle. Die Quelle liegt etwa 2 Kilometer von Dinan in einem sehr engen, von kleinen Hügeln aus primärer For- mation eingeschlossenen Thale, ist nicht sonderlich ergie- big, genügt jedoch dem Verbrauche, Das Wasser sam- melt eich in einer ort (Zentimeter tiefen Höhle, aus wel- cher c nix rdicsst und etwa 3 bis 4 Meter weiter einen Bach bildet. Zu dem Niveau des Wassers in der Höhle, Weiche vefasst ist, steigt man auf 7 Stufen hinab, in dem üewöloe tritt ein leichter Geruch nach Schwefelwaa* itoff auf und die Oberfläche <)es Wassers ist an ein- zelnen Stelleil mit. einem dünnen U;iuteh und 19<>. An der Quelle hat das Wasser Eisengeschmack, röthet lebhaft Lackmus, lässt an der Luft eine Ockersubstanz fallen, die sich auch beim Sieden des Wassers selbst unter Abschluss der Luft abscheidet. Nach längerem Sieden ist die Reaction alka- lisch. Reagentien zeigen Kohlensäure, Schwefelsäure, Salz- säure, Kalk, Magnesia, Eisenoxydul; vergeblich sucht man Nitrate, Ammoniak und Eisenoxyd. Gas- Analyse. Versuch. Atm. Driwk. Tempe- Total- Rückstand Rückstand nach der ratur. volumen nach der Absorption durch des Gases. Absorption Pyrogallussäure durch Kali. und Kali. 1. 774 Mm. +190 85C.C. 27 C.C. 23,60 C.C. 2. 764 Mm. + 18<> 84 „ 26 „ 22,75 „ 3. 764 Mm. -j- 170 84 „ 26 „ 22,70 „ Es enthält ein Liter Mineralwasser auf 10° C. be- rechnet : Kohlensäure 44,64 C.C. Sauerstoff. 2,50 „ Stickstoff. 17,60 „ 64,74 C.C. Feste Stoffe des Mineralwassers. Es wurden nur 30 Liter Wasser eingedampft und so von Anfang an keine Rücksicht auf seltenere Stoffe genommen, da die in unendlich kleinen Mengen in Wäs- sern enthaltenen Substanzen doch nicht merklich die the- rapeutische Wirkung beeinflussen können. Es blieben 5,390 Grm. bei 100° getrockneter Rückstand, der mit kohlensaurem Ammoniak befeuchtet, bei beginnender Roth- gluth calcinirt und von Neuem getrocknet 4,7178 Grm. wog, nach dem Waschen mit schwach alkoholisirtem Was- ser 1,6823 Grm. Analyse des Mineralwassers von Dinan. 115 30 Liter Wasser enthalten demnach : Lösliehe wasserfreie Substanzen 3,0355 Grm. Unlösliche ^ „ „ 1,6823 „ Flüchtige Stoffe (Wasser und organ.). . . 0,6722 5,3900 Grm. Die löslichen Stoffe sind farblos, stark alkalisch, brau- sen lebhaft mit Säuren; die unlöslichen sind röthlich, brausen, folgen leicht dem Magnet; die flüchtigen sind gefärbt und stickstoffhaltig. Die löslichen wasserfreien Substanzen = 3,0355 Grm. Das Spectroskop zeigte Magnesia, Kali, Natron, Kalk, Lithium, die beiden letzten in so geringer Menge, dass sie den chemischen Reagentien entgingen. Die Resultate waren: Schwefelsäure 0,12158 Grm. . Chlor 0,92602 „ Magnesia 0,00940 „ Kali 0,29472 „ Natron 0,65886 „ Alkalisehe Carbonate. . . 1,22660 „ 3.23718 Grm. Es ist ein Plus von 0,20168 gefunden, weil die Chlor- verbindungen als Oxyde berechnet sind. Die unlöslichen wasserfreien Substanzen = lß823 Grm. Sie waren magnetisch und enthielten: Erdige zufällige Theile 0,03746 Grm. Gelatinöse Kieselerde 0,42722 Arsen 0,00079 l Phosphorsaures Eisenoxyd 0,00395 „ Manganoxyd 0,03955 „ Eisenoxyd 0,20728 „ Schwefelsaurer Kalk 0,16250 „ Kalk 0.30380 „ Magnesia 0.20886 „ Kohlensäure 0,28085 „ 1,67226 Grm. Die flüchtigen Substanzen. Meistenthcilp V r; braune stickstoffhaltige Stoffe mit wenig Ammoniak (entwickeln mit Aetzmagnesia kein Ammoniak, mitAetzkali eine geringe Menge). Die orga- nischen Substanzen betrugen ^'/iuimsoüOO- Der Ockerabsatz enthält zum grössten Theile Eiscnoxycl, dann Phos- 8* 116 Das Rheinwasser enthalt Lithion etc. phate, Arseniate, gelatinöse Kieselsäure, sehr wenig Kalk und Magnesia. Als neue wissenschaftliche Thatsache wird angeführt, dass das in dem Absätze enthaltene Eisenoxyd, obgleich amorph und völlig frei von metallischem Eisen, Eisenoxydul und magnetischem Eisenoxyd, doch dem Magnete folgt, sobald es calcinirt ist. Die rationelle Analyse des Mineralwassers von Dinan ergiebt in 1 Liter Wasser, bei 15° C. gemessen: Wasserfreien schwefelsauren Kalk 0,005416 Grm. Wasserfreie schwefelsaure Magnesia 0,000924 „ Schwefelsaures Kali 0,002950 „ Chlornatriurn 0,032890 „ Chlorkalium 0.013030 „ Doppelt- kohlensaures Natron 0,055033 „ „ kohlensauren Kalk 0,026040 „ „ kohlensaure Magnesia 0,004119 „ „ kohlensaures Eisonoxydul 0.013813 „ „ kohlensaures Manganoxydul 0,002732 „ Magnesiasilicat (Mg O, SiO 2 ) in Suspension 0.018059 „ Phosphorsaures Eisenoxydul 0,000150 „ Arseniat 0,000078 „ Kieselsäure 0,001834 „ Nichtgebundene Kohlensäure 29,87 CC 0,059096 „ Stickstoffhaltige organische Substanz durch ihr Rohr- zuokeraquivah'nt ausgedrückt 0,002600 „ Lithium durch das Spectroskop — „ Dieses Mineralwasser gehört demnach in die Reihe der alkalischen Eisen w äs s er. Unterstützt wurde Malaguti bei dieser Analyse von dem Inspector des Mineralwassers von Dinan, Dr. Piedvache; der an der Quelle selbst ausgeführte Tlieil der Untersuchung ist von Dr. Bella my. (Journ.de Pharm, et de Chim. Nov. 1863.) Dr. Reich. Das IMieinwasser enthält Lit'iiou und Stroiitian, aber weder Barytim, noch Cäsium, noch Rubidium. Um sich zu übcrzeugen ; ob das Rheinwasser Cäsium und Rubidium enthalte, verwandte Dibbits 1632 Liter desselben zu seiner Untersuchung ; dasselbe war im An- fange des Jahres 1862 aus dem sogenannten Krommen Rhyn (einem der Zweige, in welche der Rhein in Holland sich vertlicilt) in derKälie von Utrecht geschöpft worden. Das Resultat seiner Untersuchung ist folgendes: 1) Im Wasser des Rheines kommen Lithion und Stron- tian vor. 2) In 1632 Liter Rheinwasser lassen sich Cäsium, Fabrikationsmethode für Soda etc. 117 Rubidium und Baryum nicht nachweisen. (Journ.f. prakt. Chem. Bd. 92. 1.) B. Bei Verbrennungen mit Flusssäure empfiehlt Kessler die Auflegung von Leinewand, welche mit einer Lösung von essigsaurem Ammoniak be- feuchtet ist, oder die Einspritzung einer solchen Lösung in die Brandblase, wenn sich eine solche schon gebildet hat. Kessler ersetzt jedoch in den Fällen, wo die Säure an schwierig zugänglichen Stellen, z. B. unter den Nägeln gewirkt hat, das genannte Salz durch Aetzammoniak, und fügt hinzu, dass man sich durch den zwar oft sehr heftigen, aber doch nur vorübergehenden Schmerz, welcher dieser Aetzung folgt, nicht beunruhigen lassen dürfe. (Wieck'sGeiuerbeztg. 1863.) ß. Fabrikationsmethode für Soda, Chlor, Schwefelsäure und Salzsäure. Glühet man nach Th. Macfarlane eine Mischung von getrocknetem Eisenvitriol und Kochsalz in einem Luftstrome, so bildet sich zuerst Eisenchlorid, welches dann in Eisenoxyd und Chlor zerlegt wird, so dass im Rückstande schwefelsaures Natron und Eisenoxyd bleiben. 828 Th. Eisenvitriol werden in gelinder Hitze getrock- net und theilweise oxydirt, mit 352 Th. Kochsalz und 78 Eisenoxyd innig gemischt und in einem Muffelofen zu dunkler Rothgluth erhitzt, während mittelst eines Aspi- rations Apparats ein Strom über Aetzkalk getrockneter Luft darüber geleitet wird. Damit sich kein Eisenchlorid subli- mirt, muss die Temperatur sehr niedrig gehalten und die Mi- schung von Zeit zu Zeit umgerührt werden. Das gesammte Chlor wird auf diese Weise erhalten, zwar mit Stickstoff gemischt, aber für die Darstellung von Chlorkalk und andere Zwecke anwendbar. In der Muffel bleibt, da die Zersetzung des Salzes auf diese Weise vollständig erfol- gen soll, nur eine Mischung von Eisenoxyd und schwefel- saurem Natron; dieselbe wird gemahlen und mit 144 Th. Kohle gemischt, in einem Reverberirofen geschmolzen, i-n Heerd aus Aetzkalk, gemengt mit ein wenig basi- scher Schlacke oder (/las, gemacht und durch Aufschmelzen einer Mischung von schwefelsaurem Natron und Kohle mit Schwefelnatrium getränkt ist. Die geschmolzene Masse wird nach der Abkühlung mit Wasser behandelt 118 Fabrikationsmethode für Soda etc. und giebt einen Rückstand von Schwcfeleisen und eine Lösung von Aetznatron, etwas grünlich gefärbt durch sus- pendirtes oder gelöstes Schwefeleisen, welches jedoch durch Ueberleiten der kohlensäurehaltigen Ofengase über die Losung gefällt wird, worauf man eine Lösung von koh- lensaurem und Aetznatron hat, die wie gewöhnlich behan- delt wird. Der Rückstand von Schwefeleisen wird gewa- schen und in feuchtem Zustande auf einer mit Leinewand bedeckten, durchlöcherten hölzernen Bühne der Einwir- kung der Luft ausgesetzt, die bald wieder Eisenvitriol daraus bildet, der durch Auslaugen von dem überschüs- sigen Eisenoxyd getrennt wird. Man erhält so wieder das zur Umwandlung einer neuen Menge von Kochsalz erforderliche Material und kann dieselbe Menge fast unbe- grenzt oft zur Darstellung von Soda und Chlor verwen- den. Die Anwendung von Schwefelsäure und Braunstein wird hierbei ganz umgangen und nur Kohle und der Sauerstoff der Luft verbraucht. Um Schwefelsäure und Salzsäure zu bereiten, ver- wendet Th. Macfarlane ausser dem beim obigen Pro- cesse erhaltenen Chlor, die durch Verbrennen von Schwe- fel oder Schwefelkies erzeugte schweflige Säure. Aequi- valente Mengen beider Gase werden mit einem Dampf- strome durch einen mit Coaks gefüllten Condensator ge- leitet, wobei sie nach der Gleichung (SO 2 -J- HO -f- Cl = S0 3 -f-HCl) Schwefelsäure und Salzsäure geben, die durch Destillation getrennt werden. Nach einer anderen Methode wird eine Mischung von gleichen Aequivalenten Schwefelkies und Salz mit 4 Aeq. Eisenoxyd geglüht, wobei die zuerst sich entwickelnde schweflige Säure gröss- tentheils durch das überschüssige Eisenoxyd in schwefel- saures Eisenoxyd verwandelt und daher der grössere Theil des Kochsalzes in schwefelsaures Natron und Chiorgas übergeführt wird, welches letztere demnach in dem zwei- ten Stadium der Erhitzung erhalten wird. Wird eine Reihe von Oefen mit der Mischung beschickt und das Chlor des einen mit der schwefligen Säure des andern bei Gegenwart von Wasserdampf in Berührung gebracht, so kann man eine fortwährende Erzeugung von Schwefel- säure und Salzsäure unterhalten, während das Natron mit der Hälfte des Schwefels aus dem Schwefelkiese als schwe- felsaures Natron gewonnen wird. {Canad Natural. 1863. — Sillim. Amer. Journ. 1863. — Cliem. Centrbl. 1864. 17.) B. Ueber einen angeblichen löslichen Jodschwefel. 119 Heber Schwefelbestimmung, Price macht darauf aufmerksam, dass man sich bei Schwefelbestimmungen durch Schmelzen mit Salpeter in Acht zu nehmen habe, dass nicht ein Theil der geschmol- zenen Masse durch Uebersteigen auf die Aussenseite des Tiegels gelangt und so durch Berührung mit der Gas- flamme eine kleine Menge schwefliger Säure aus der- selben aufnehmen könne. Er hat gefunden, dass auf diese Weise von einer kleinen Menge an der unteren Seite einer Platinschale befindlichen Salpeters bei 3 4 stündigem Schmelzen eine 12 Milligrm. Schwefel entsprechende Menge Schwefel- säure aufgenommen wurde. (Journ. of the Soc. 1864. — Chem.Centrbl. 1864.42.) B. lieber einen angeblichen löslichen Jodschwefel. C a i 1 1 e t e t hatte im Journ. de Pharm. T. 42. p. 162 angegeben, dass er aus Jod und Einfach -Schwefelnatrium einen löslichen Jodschwefel erhalten habe. Da er auf 5 Th. Schwefelnatrium nur 4,75 Th. Jod angewendet hatte, so war klar, dass er in Wirklichkeit nur eine Lösung von Jod- natrium und Mehrfach -Schwefelnatrium erhalten hatte. Zum Ueberfluss überzeugte sichLebaigue davon, indem er einer solchen Lösung Eisenvitriol zusetzte, wodurch Schwefeleisen und Schwefel gefällt wurden. {Journ. de Pharm, et de Chim. — LTiem. Centrlbl. 1864. 43.) B. Heber die Reinigung der käuflichen Schwefelsäure von Arsenik und von salpetrigen Verbindungen. ßussy und Buignet haben durch Versuche bewie- sen, dass das Arsen als arsenige Säure bei der Destillation der Schwefelsäure mit übergehen könne, und dass man nur dann eine völlig von Arsen freie Säure durch Recti- fication der käuflichen erhalte, wenn das Arsen darin in der Form der feuerbeständigen Arsensaure vorhanden ist. Sie empfahlen daher, wenn nicht eine Prüfung mit Eisen- vitriol schon die gleichzeitige Gegenwart einer salpetrigen Verbindung anzeigte, der Schwefelsäure einige Tropfen Salpetersäure zuzufügen und darauf zu erhitzen, bis keine rothen Dämpfe mehr in der Flüssigkeit sich bilden. Da es nun aber oft von grosser Wichtigkeit ist, die Säure vollkommen frei von salpetrigen Verbindungen zu erhal- 120 Reinigung der Schwefelsäure von Arsenik u. s. w. ten (namentlich bei der Anwendung im Marsh'schen Appa- rate; — s. Archiv der Pharm. Decbr. 1864.), so wird vor- geschlagen, dann vor der Destillation noch eine Erhitzung mit einer kleinen Quantität schwefelsauren Ammoniaks vorzunehmen, dessen Ammoniak, wie Pelouze gezeigt hat, sich mit der salpetrigen Säure vollständig zu Wasser und Stickgas auflöst. — Die nach solchen Vorgängen mit gewissenhafter Vermeidung des Ueberspritzens de- stillirte Schwefelsäure war völlig frei von Arsen und salpetriger Verbindung, selbst wenn die Säure mit 0,1 Procent arseniger Säure versetzt worden war und zur Vertilgung der überschüssig zugefügten Salpetersäure eine verhältnissmässig sehr grosse Menge (bis 5 Proc.) schwefelsaures Ammoniak angewandt wurde. (Selbstver- ständlich darf nicht bis zur Trockne destillirt werden, son- dern höchstens bis zu !/| Rückstand.) Blondlot sprach sehr bald gegen dies Verfahren einige Bedenken aus, indem er meinte, dass die Anwendung des schwefelsauren Ammoniaks eine dreifache Gefahr böte, nämlich : Erstens würde bei zu geringem Zusätze leicht etwas Salpetersäure unzersetzt bleiben und mit überdestilliren können. Zweitens würde bei Anwendung einer überschüssigen Menge jenes Salz leicht auch seine reducirende Wirkung auf die Arsensäure ausdehnen. End- lich sei es leicht möglich, dass das Destillat auch durch Ammoniak verunreinigt werde (was allerdings kaum zu vermeiden sein dürfte, wenn man die gegen Ende bei 280° C. und darüber übergehende concentrirte Säure nicht besonders auffangt). — Hieraufhaben Bussy und Buignet auf experimentellem Wege bewiesen, dass die Befürchtun- gen Blondlot's ungegründete seien, indem das nach ihrer Methode erhaltene Product allen Anforderungen entsprach. Es giebt aber dennoch Blondlot denjenigen Mitteln zur Entfernung des Arsens und der Salpetersäure den Vorzug, welche nicht flüchtig sind und empfiehlt als solche namentlich den Braunstein und das Kupfer. Nach seiner Vorschrift soll man, um die Ueberführung der arsenigen Säure in Arsensäure zu bewirken, die Schwefelsäure in einer Porcellanschale unter Umrühren mit grob gepulver- tem Braunstein (8 — 10 Grm. pro Kilogramm) bis zum Sieden erhitzen und dann mit dem noch ungelösten Braun- stein der Destillation unterwerfen. Bei Gegenwart von salpetrigen Verbindungen in der käuflichen Schwefelsäure lässt Blondlot zuerst so lange einen Kupferstreifen in die- selbe eintauchen, bis Indigosolution nicht mehr durch sie Nachxceis unterschwefligsaurer Salze. 121 verändert wird, hierauf lässt er von dem schwarzen Bo- densatze (CuS) die Säure in eine Porcellanschale abgies- sen, worin die Erhitzung mit einer verhältnissmässig ver- grösserten Menge Braunstein vorgenommen wird, und lässt dann wie oben destilliren. Es hat dieses Verfahren Blondlot sehr befriedigende Resultate gegeben. (Journ. de Pharm, et de Chim. Septbr. 1863. Juin et Octbr. 1864.) Weinhold. Heber die Reinigung der Schwefelsäure. F. M. Lyte bestätigt Buignet's und Bussy's An- gabe, dass Arsenik nur dann mit überdestiliirt, wenn er als arsenige Säure vorhanden ist. Um bei der Destilla- tion von Anfang an eine völlig reine, namentlich auch von StickstofTverbindungen freie Säure zu erhalten, setzt er ihr J / 4 — 2 / 2 Proc. Oxalsäure zu und erhitzt in einer Porcellanschale unter beständigem Umrühren auf 110°, bis das Aufschäumen aufgehört hat, lässt auf 100° abküh- len und fügt gepulvertes zweifach -chromsaures KaH oder eine Lösung desselben in Schwefelsäure hinzu, bis durch den Uebergang der grünen Färbung in Gelbgrün die Gegenwart von Chromsäure neben Chromoxyd angezeigt wird. Die so vorbereitete Säure giebt bei der Destillation von Anfang an ein vollkommen reines Product. Entsteht bei gleich anfänglichem Zusatz von etwas chromsaurem KaH zu der käuflichen Säure eine grüne Färbung, so beweist dies die Gegenwart von schwefliger oder arseni- ger Säure und man kann dann annehmen, dass keine Oxydationsstufen des Stickstoffs vorhanden sind. (Chem. News. 1864. — Chem. CentrU. 1864. No. 48.) B. Heber den Nachweis unterschwefligsaurcr Salze. J. Reynolds ordnet die Reagentien auf unterschwe- fligsaure Salze nach ihrer P2mpHndlichkeit in folgende Reihe: J) Mit Nitroprussidnatrium lässt sich unterschwe- fligsaures Natron, wenn man es durch Kochen mit Salz- säure und dann mit einem geringen Ueberschuss von Aetzkali in Schwefelmetall verwandelt hat, in einer Flüs- sigkeit, die I (i(M)0 davon enthält, noch nachweisen. 2) Eisen- chlorid giebt bei 30000 facher, sehr deutlich bei 20000- facher Verdünnung noch durch Purpurfärbung die Ge- genwart jenes Salzet zu erkennen. .''») Jodstärke soll noch bis zu 160000 fache* Verdünnung entfärbt werden 122 Phosphorspectiwm. — Phosphor sesquisulfid. (was jedoch von R. Arendt bezweifelt wird). 4) Die Reduction von völlig neutralem Eisenchlorid durch unter- schwefligsaures Natron, durch Entstehung einer blauen Färbung auf Zusatz von Kaliumeisencyanid zu erkennen, ist noch bei oOOOOOfacher Verdünnung möglich. 5) Wenn man eine zu untersuchende Flüssigkeit mit ein wenig Salzsäure versetzt und etwas reines Zink hinzufügt, so entwickelt sich mit dem Wasserstoffgase auch Schwefel- wasserstoff, wenn unterschwefligsaures Natron vorhanden war, der bei einem Gehalte von Vsooooo des letzteren noch beleuchtetes Bleizuckerpapier bräunt. (Brit. Journ. ofPhotoyr. — Chern.Neivs 1863. — Cham. Centrhl. 1864. 17.) B. Phosphorspectrum. Wohl er machte bereits im Jahre 1841 auf die schöne grüne Flamme aufmerksam, welche das Wasser- stoffgas annimmt, wenn man phosphorige Säure in den Entwickelungs- Apparat bringt; später zeigte Dusart, dass Phosphor eine der phosphorigen Säure gleiche Wirkung ausübe. Blondlot gab endlich einen besondern Apparat und verschiedene Vorsichtsmaassregeln an, um mit Hülfe der genannten Flammenfärbung den Phosphor in gericht- lichen Fällen zu entdecken. Christof le und Bei Istein haben nun auch das Spectrum studirt, welches erhalten wird, wenn man die durch Phosphor grün gefärbte, aus einer Platinspitze brennende Wasserstoffflamme mittelst des Kirchhoff Bunsen'schen Spectroskops untersucht; man sieht alsdann drei grüne Linien:« ist die stärkste, § fast von gleicher Intensität, -y ist die schwächste. P ß fällt mit Baö genau zusammen, Pa und Bao liegen nur um 2 Theil- . striche auseinander, P7 liegt zwischen den erstgenannten und der Natronlinie. Die Resultate bleiben sich gleich, man mag die Grünfärbung der Flamme durch Einbringen von Phosphor, von phosphoriger oder von unterphospho- riger Säure hervorrufen. Die Verf. bestätigen bei dieser Gelegenheit, dass die Grünfärbung der Flamme, welche das aus Eisen entwickelte Wasserstoff meist zeigt, von dem Phosphorgehalt des Eisens herrühre. (Fresen. Ztschr. für analyt. Cham. 1864.) B. lieber das Phosphorscsqiiisulfid. Lässt man rothen Phosphor und Schwefel in ge- Phosphor sesquisulfid. 123 wissen Mengen auf einander einwirken, so bildet sieh bei einer Temperatur gegen 1600 eine neue Verbindung, das Phosphc-rsesquisulrid, P 2 S 3 . E. Lemoine erhielt es bei Anwendung folgender Verhältnisse beider Elemente: 2P und 3S; lP und lS; 2P und lS; 6P und 1 S, über- haupt immer, wenn Phosphor im Ueberschusse war; liess er dagegen 1 P und 3 S auf einander wirken, so erhielt er das Phosphorsulfid PS 3 . Man trennt die neue Verbindung von dem überschüs- sigen rothen Phosphor durch Schwefelkohlenstoff, welcher dieselbe löst, durch Eindampfen und Trocknen bei 200° im Kohlensäurestrom. Zur Feststellung der Zusammen- setzung hat Lemoine den auf letztere Weise erhaltenen Trockenrückstand successive mit geringen Mengen Schwe- felkohlenstoff ausgezogen, die Auszüge getrocknet und ein- zeln analysirt; ferner wurde die Masse in Phosphorchlorür gelöst und das, was sich beim Erkalten abschied, eben- falls analysirt. Auch die sehr geringe Menge, welche bei der Erhitzung der obigen Substanz auf 260° sublimirt war, und endlich die aus einer heissen concentrirten Lö- sung in Schwefelkohlenstoff durch langsames Erkalten abgeschiedenen Krystaile wurden ebenfalls der Analyse unterworfen. Alle Resultate waren übereinstimmend. Es ergab sich ein Gehalt von 43,4 — 44,1 Proc. S und 55,6 bis 56,0 Proc. P. Das Phosphorsesquisulfid ist dimorph. Die Krystaile aus der Schwefelkohlenstoff-, so wie die aus der Phosphorchlorürlösung sind rhombische Prismen, die bei '260° erhitzte Substanz scheint im regulären Systeme zu krystallisiien. Der neue Körper schmilzt bei 142° und siedet ohne Zersetzung zu erleiden bei einer Temperatur, welche zwischen 3000 und 400° liegt. Er löst sich leicht in Schwefelkohlenstoff und Phosphorchlorür; auch Aether und Alkohol wirken lösend, aber gleichzeitig zersetzend. Von anderen Schwefelverbindungen des Phosphors unter- scheidet sich das Phosphorsesquisulfid dadurch, dass es sich an der Luft und in kaltem Wasser nicht verändert. I ) «s Phosphorsesquisulfid ist in Schwefelkalium und Sehwc- felnatrium vollständig löslich, ebenso in Kali unter Wärme- entwickelung. Chlor zet setzt den Körper langsam, aber vollständig. Wenn mau annehmen darf, dass die beiden allotro- pi.schen Zustände des Phosphor« in den Verbindungen desselben präexistiren können, so scheint in der vor- liegenden Verbindung der Phosphor in seinem amorphem Zustande vorhanden zu nein, denn die Bildung des Ses- 124 Erfindung des Verkokens. — Schwefelkohlenstoff. quisulfids erfolgt schon bei 160°, d. h. unterhalb der Tem- peratur, welche nöthig ist, den rothen Phosphor wieder umzuwandeln, und durch die bei der Reaction entwickelte Wärme wird kein Theil des überschüssigen rothen Phos- phors in gewöhnlichen verwandelt. (Compt. rend. 1864. — Chem. Centrbl. 1864. 52.) B. Erfindung des Verkokens. Einer vor Kurzem erschienenen Schrift des Anhalti- schen Bergraths Bischof über die anorganische r"orma- tionsgruppe und den Unterharz, Dessau 1864, entnehmen wir Folgendes: „Auf die Thonschiefer des Harzrandes folgt zunächst die Steinkohlengruppe bei Ballenstedt. Die Steinkohle selbst ist durch plutonischen Einfluss hier und da verascht. Es fand hier etwa seit dem Jahre 1580, zu Joachim Ernst's Zeiten, ein Kohlenabbau statt und es wird in Beckmann, 's Chronik (1. Th. S. 65) um diese Zeit auch der Erfindung der Verkokung durch einen Anhaltiner gedacht und zwar mit folgenden Worten : „„Der Münzmeister Daniel Stumpfelt habe eine In- vention angegeben, den Steinkohlen den Gestank, die Wildigkeit und Unart zu benehmen, damit dieselben in schwarzen und andern Feuerwerken könnten gebraucht werden."" Dieser für die Pyrotechnik so wichtige Process ward weit später mit dem englischen Namen „Verkokung" belegt. Hiernach ist also die Verwandlung der Steinkohle in ein von ihren schädlichen Bestandtheilen befreites, der Holzkohle ähnlicheres Product, gleichsam ihre Zähmung, eine deutsche Erfindung. (ßl. für Handel u. Gevjerbe. 1864. 40.) B. lieber Schwefelkohlenstoff. Bei dem steigenden Verbrauch des Schwefelkohlenstoffs erscheint es immer nöthiger, denselben möglichst lein dar- zustellen und zugleich die Nebenproducte möglichst un- schädlich zu machen. Sehr störend war bisher das Auf- treten des Schwefelwasserstoffs, den Deiss jetzt dadurch beseitigt, dass er die unverdichtbar abziehenden Gase in Kästen leitet, in denen sich mehrere Schichten Kalkhydrat über einander befinden, welches den Schwefelwasserstoff vollständig absorbirt; man erneuert das Kalkhydrat, wenn es gesättigt ist. Payen schlügt vor, das Kalkhydrat durch Eisenoxydhydrat, mit Sägespänen gemengt, zu Einfluss des Schwefelkohlenstoffs auf die Gesundheit. 125 ersetzen. Es würde dadurch Wasser und Schwefel gebil- det, welcher letztere von Zeit zu Zeit wieder durch Schwe- felkohlenstoff gelöst werden könnte. (Bl. für Bändel u. Gewerbe. 1864.) B. Einfluss des Schwefelkohlenstoffs auf die Gesundheit. Die durch das Einathmen des Schwefelkohlenstoffs auf den menschlichen Organismus entstehenden Wirkun- gen sind sehr bedenklich und die Lage der bei dessen Fabrikation beschäftigten Arbeiter wirklich sehr traurig. Wenige dieser Arbeiter verheirathen sich, denn man weiss, dass sie selten oder niemals Kinder erzeugen. Die Krank- heits- Symptome bestehen hauptsächlich in Folgendem: Eingenommenheit des Kopfes und theilweiser Irrsinn; schwache Augen; verdorbener Geschmacksinn, indem alles, was man isst, an Schwefel erinnert; schlechtes Gehör; Erhöhung des Appetits bis zur Gehässigkeit; fast bestän- dige Uebeikeit; Störung der Respiration, des Blutumlaufs und der Secretions- Functionen. Die Krankheit weicht nur dann, wenn man sich von den Fabrikräumen entfernt hält. Bis jetzt kennt man aber noch keinen Stoff, welcher den Schwefelkohlen- stoff in den Künsten und Gewerben zu ersetzen im Stande wäre, um die Fabrikation desselben aufzugeben. (Chem. Neics. — Wittst. Vierteljahrsschr. Bd. 13. 4.) B. I'eber die Eigenschaften der Kieselsäure und anderer analoger Colloidc; von Th. Graham. Unsere Kenntnisse der Löslichkeit der Körper beziehen sich hauptsächlich auf krystallinische Salze und kaum auf die sogenannten Colloide. Kieselsäurehydrat z. B., welches zu diesen gehört, ist im löslichen Zustande eigent- lich ein flüssiger Körper, wie Alkohol, der sich in allen Verhältnissen mit Wasser mischen lässt. Von Löslichkeits- graden kann bei der Kieselsäure nur insofern die Rede sein, als man dabei ihren gelatinösen Zustand im Auge hat, in welchem sie gewöhnlich für unlöslich gehalten wird. Die Kieselgallerte kann mehr oder weniger Wasser ent- halten und im Verhältniss dieses Wassergehalts scheint mehr oder weniger löslich zu sein. Eine Gallerte, welche l Proo. Kieselsäure enthält, giebt mit kaltem Wasser eine Lösung, in der etwa 1 Th. Kieselsäure auf 6000 Th. Wasser kommt, eine .Oprocentige Gallerte giebt 11? 6 Eigenschaften der Kieselsäure etc. eine Lösung von 1 Th. in 10,000 Th. Wasser. Ein schwä- cheres Hydrat ist noch weniger löslich, und schliesslich, wenn die Gallerte wasserfrei gemacht wird, scheint die gummiartige weisse Masse völlig unlöslich zu sein, gleich der pulverigen leichten Kieselsäure, die man bei der Analyse von Silicaten durch Eintrocknen einer mit Sal- zen durchdrungenen Gallerte erhält. Die Liquidität der Kieselsäure wird nur durch eine Veränderung afficirt, welche permanent ist: die Coagula- tion oder Pectisation, durch welche die Säure in den. gallert- oder pectinartigen Zustand versetzt wird, indem sie ihre Mischbarkeit mit Wasser verliert. Die Liquidi- tät ist permanent im Verhaltniss des Verdünnungsgrade». der Kieselsäure und scheint durch niedrige Temperatur begünstigt zu werden. Concentrirung und Erhöhung der Temperatur sind ihr dagegen ungünstig. Eine flüssige Kieselsäure von 10 — 12 Proc. gelatinirt freiwillig in einigen Stunden bei gewöhnlicher Temperatur, sofort beim Erhitzen. Eine 5 procentige Lösung hält sich 5 — 6 Tage, eine 2 procentige 2 — 3 Monate, eine 1 procentige 2 Jahre. Bei noch grösserer Verdünnung wird wahrscheinlich mit der Zeit gar keine Veränderung eintreten, und daher die Möglichkeit, dass Kieselsäure in der Natur im auf- gelösten Zustande existiren kann. Uebrigens zeigt keine Lösung, wie schwach oder stark sie sein mag, irgend Neigung, Kieselsäure in krystallinischer Form abzuschei- den. Die Bildung des Quarzes bleibt demnach räthsel- haft; man muss annehmen, dass sie überaus langsam in unmessbaren Zeiträumen und aus äusserst verdünnten Lösungen statt findet. Die Gelatinirung der flüssigen Kie- selsäure wird durch die Gegenwart fester pulveriger Kör- per befördert. So gelatinirt eine 5 procentige Lösung in Berührung mit Graphit in 1 — 2 Stunden, eine 2 procen- tige in zwei Tagen. Im ersteren Falle bemerkt man eine Temperaturerhöhung von 1,1° C. Dem schliesslichen Gelatiniren geht eine allmälige Verdickung der Flüssigkeit voran. Kurz vor derselben fliesst die Kieselsäure wie Oel. Eine vorherrschende Eigenthümlichkeit der Colloide ist die Neigung ihrer Partikel, zu adhäriren, sich zu häu- fen und zusammenzuziehen. Diese Idio- Attraction offen- bart sich in der allmäligen Verdickung der Flüssigkeit und führt endlich zum Gelatiniren. In der Gallerte selbst schreitet diese Synairesis noch vor, bewirkt Absonderung von Wasser und Ausscheidung eines Gerinnsels, sie endigt Eigenschaften der Kieselsäure etc. 127 mit der Bildung einer harten glasartigen Masse, welche wasserfrei ist, wenn das Wasser verdunsten kann. Die starke Synairesis der Hausenblase, welche im Vacuum über Schwefelsäure getrocknet worden, bewirkt, dass beim Abziehen der Decke vom Glase etwas des letzteren mit abge- rissen wird. Glas selber gehört zu den Colloiden und die Adhäsion der Colloide unter einander scheint grösser zu sein, als die zwischen Colloiden und Krystalloiden. Hau- senblasengallerte in gleicher Weise auf Kalkspath oder Glimmer eingetrocknet, adhärirt nicht an der Oberfläche und löst sich leicht davon ab. Polirte Glasplatten darf man nicht mit einander in Berührung lassen, da sie fest an einander adhäriren. So ist auch die Adhäsion der Fragmente von glasartiger Phosphorsäure ein bekanntes Beispiel der Colloid- Synairesis. Erwägt man, dass die Colloid-Phase der Materie das Resultat einer eigenthümlichen Attraction der Molecüle ist, einer Eigenschaft, die der Materie niemals ganz fehlt, aber bei der einen Substanz sich stärker entwickelt zeigt als bei der andern, so ist nicht zu verwundern, dass sich colloidische Charaktere nach beiden Seiten hin in den flüs- sigen, wie in den festen Zustand hin verbreiten. Sie zei- gen sich in der Klebrigkeit der Flüssigkeiten einerseits, in der Weichheit und Tendenz zur Adhäsion bei festen Körpern andererseits. Metaphosphorsaures Natron in der Hitze geschmolzen, ist ein wahres Glas oder Colloid, wenn aber dieses Glas einige Minuten unter dem Schmelz- puncte erhalten wird, so nimmt es eine krystallinische Structur an, ohne die Durchsichtigkeit zu verlieren. Was- ser als Eis stellt eine ähnliche intermediäre Form zwi- schen Colloid und Krystalloid dar, als ersteres zeigt es sich adhäsiv und geneigt zum Anfrieren. Es ist unnöthig, hier auf die Thatsache zurückzukom- men, dass flüssige Kieselsäure durch alkalische Salze, auch solche von geringer Löslichkeit, wie kohlensaurer Kalk, so leicht gerinnt; nur das sei erwähnt, dass die -enwart von letzterem Salze sich so lange nicht mit dem gleichzeitigen Vorhandensein gelöster Kieselsäure verträgt, bis das Verhältniss der letztern zum Wasser sich auf '/ioooo reducirt. Gewisse flüssige Substanzen unterscheiden sich darin von den Salzen, dass sie auf das Gelatinircn der Kiesel- säure geringen oder gar keinen Einfluss haben. Anderer- seits sind dieselben Flüssigkeiten aber auch keino Prä- servative der Fluidität der Colloide, wenigstens nicht mehr 128 Eigenschaften der Kieselsäure etc. als hinzugefügtes Wasser. Zu diesen inactiven Verdün- nungsmitteln der Kieselsäure gehören Salzsäure, Salpeter- säure, Essigsäure und Weinsäure, Zuckersyrup, Glycerin und Alkohol. Diese alle aber und manche andere zeigen ein wichtiges Verhalten zur Kieselsäure, welches von dem gelatinirenden Einfluss der Salze sehr verschieden ist. Sie sind nämlich im Stande, das Wasser des Kieselsäure- hydrats, sei dasselbe im flüssigen oder gelatinösen Zustande, zu ersetzen und neue Substitutionsproducte zu bilden. Eine flüssige Verbindung von Alkohol und Kiesel- säure wird erhalten, indem man Alkohol zu wässeriger Kieselsäure fügt und der Mischung unter der Luftpumpe durch Aetzkalk oder trocknes kohlensaures Kali das Was- ser entzieht. Oder man hängt einen zur Dialyse geeig- neten Beutel von Pergamentpapier, welcher das Gemisch enthält, in einen mit Alkohol gefüllten Becher, das Was- ser diffundirt und im Beutel bleibt die flüssige Verbin- dung von Alkohol und Kieselsäure. Hierbei ist zu beach- ten, dass die Kieselsäure in der alkoholischen Lösung nicht mehr als ein Procent betragen darf, da diese sonst bei dem Experiment leicht gerinnt. Nennt man das flüssige Hydrat der Kieselsäure Hydrosol, das gelatinirte Hydrogel, so heissen die entsprechenden Verbindungen mit Alkohol Alkosol und Alkogel. Erstere Verbindung, 1 Proc. Kieselsäure enthaltend, ist eine farblose Flüssigkeit, in der weder durch Wasser noch Salz, noch durch Berührung mit unlöslichem Pulver Niederschläge entstehen. Sie kann ohne Veränderung zum Kochen erhitzt werden, gelatinirt aber durch Con- centration. Die Kieselsäure ist darin weniger fest gebun- den, als im Hydrosol, aber gleichfalls mit variirender Kraft, indem eine kleine Parthie des Alkohols so fest zurückgehalten wird, dass er verkohlt, wenn man die resultirende Gallerte bei hoher Temperatur einer raschen Destillation unterwirft. Nicht eine Spur von Kieselsäure- äther findet sich in dieser Art Verbindungen. Die Gal- lerte brennt mit Leichtigkeit an der Luft und hinterlässt alle Kieselsäure als weisse Asche. Alkogel, die feste Verbindung, entsteht, indem man gelatinöse Kieselsäure von 8 — 10 Proc. Gehalt in abso- luten Alkohol legt und letzteren bis zur völligen Entfernung des Wassers mehrmals erneuert. Sie ist gewöhnlich etwas opalisirend und im Ansehen dem Hydrogel ähnlich. In Wasser gelegt, diffundirt allmälig der Alkohol und Hydro- gel bildet sich wieder. Eigenschaften der Kieselsäure etc. 129 Aus dem Alkogel lassen sich durch Substitution mit anderen Flüssigkeiten eine Menge ähnlicher gallertartiger Körper darstellen. Dabei ist eine Bedingung, dass Alko- hol und die zu substituirende Flüssigkeit mischbar sind. So werden Verbindungen mit Aether, Benzol und Schwe- felkohlenstoff gebildet. Wiederum entspringen aus dem Aetherogel verschiedene Verbindungen, welche in Aether lösliche Flüssigkeiten, z. B. fette Oele, enthalten. Die Bildung der Glycerinverbindung wird durch die geringe Flüssigkeit des Glycerins erleichtert. Taucht man Kie- selsäurehydrat in Glycerin und erhitzt damit zum Kochen, so destiilirt Wasser ohne anderweitige Veränderung der Gallerte, als dass die opalisirende Gallerte vollkommen farblos und durchsichtig wird, so dass sie unter dem Gly- cerin nicht zu sehen ist. Aber eine Portion Kieselsäure löst sich und zugleich mit der Glyceringallerte entsteht ein Glycerosol. Das Glycerogel ist etwas weniger voluminös, als das Hydrogel. Beim Erhitzen schmilzt es nicht, das Glycerin geht fast ganz über, nur gegen das Ende findet eine ge- ringe Zersetzung statt. Die Schwefelsäureverbindung, das Sulfogel, ist mit Leichtigkeit aus dem Hydrogel dargestellt. Ein Klumpen hydratischer Kieselsäure bleibt äusserlich unversehrt, in- dem man ihn in Schwefelsäure taucht, die mit 2 — 3 Vol. Wasser verdünnt ist, und dann allmälig bis zum Vitriolöl fortschreitet. Das Sulfogel sinkt in der Säure nieder und kann mit einem Ueberschuss derselben destiilirt wer- den, ohne seine Durchsichtigkeit und gallertartige Beschaf- fenheit zu verlieren. Es hat einen geringern Umfang als das ursprüngliche Hydrogel, ist durchsichtig und farb- los. Beim Destilliren werden die letzten Portionen Schwe- felsäure stärker zurückgehalten, der Siedepunct der Schwe- felsäure wird dabei überschritten und schliesslich bleibt die Kieselsäure als weisse poröse bimsteinartige Masse zurück. Unter Wasser bildet sich daraus wieder Hydro- gel, mit Alkohol entsteht zuletzt Alkogel. Aehnliche Gal- lerten lassen sich leicht darstellen mit Salpetersäure, Es- sigsäure, Ameisensäure. Sic sind alle völlig durchsichtig. Die Darstellung der oben beschriebenen Kieselsäure- Verbindungen deutet einen viel weitern Umfang der Ai'ri- nität bei einem Colioide an, als man voraussetzen konnte. Die organischen Colioide sind ohne Zweifel mit einer gleich ausgedehnten Verwandschaftskraft begabt, welelie für den Physiologen wichtig werden kann. Daraus, dass ANkd. Pharm. CLXXlII.lsd*. l.u.'J.IIft. 9 130 Eigenschaften der Kieselsäure etc. sich eine Masse gelatinöser Kieselsäure, statt des Wassers mit Alkohol oder selbst Olein verbinden kann, ohne Ver- änderung der Form, lässt sich vielleicht die Durchdrin- gung der eiweissartigen Substanz der Membran durch fette und andere unlösliche Körper erklären, welche bei der Verdauung statt zu finden scheint. Noch merkwürdiger sind die flüssigen Verbindungen der Kieselsäure. Die flüssige Alkoholverbindung weist darauf hin, dass eine Verbindung des Colloids Eiweiss mit Olein bestehen könne, welche gleichfalls löslich wäre und mit dem Blute circuliren würde. Der schwache Zusammenhang zwischen den in ver- schiedene physikalische Classen gehörenden Colloiden und Krystalloiden verdient Beachtung. Wenn eine solche Verbindung in eine Flüssigkeit gebracht wird, so kann die höhere Diffusionskraft des Krystalloids dessen Tren- nung von dem Colloide bewirken. So scheidet sich aus dem Kieselsäurehydrat das Wasser, ein Krystalloid, von der Säure, einem Colloide, um in Alkohol zu diffundiren, und wenn der Alkohol wiederholt erneuert wird, so wird alles Wasser entfernt, indem der Alkohol, ein anderes Krystalloid, statt des Wassers sich mit der Säure ver- bindet. Das im Uebermaass vorhandene Liquidum (hier der Alkohol) bemächtigt sich vollständig der Kieselsäure. Umgekehrt verläuft der Process, wenn Alkogel in eine beträchtliche Menge Wasser gebracht wird, alsdann tritt der Alkohol ausser Verbindung wegen der leichten Dif- fusion in Wasser und das jetzt im Ueberschuss vorhan- dene Wasser bemächtigt sich wieder der Kieselsäure. Solche Vorgänge stellen den überwältigenden Einfluss der Masse ins Licht. Selbst die Verbindungen der Kieselsäure mit Alkalien widerstehen nicht der zersetzenden Kraft der Diffusion. Eine 1 — 2procentige Lösung von kieselsaurem Natron erleidet bei der Dialyse mit Wasser im Vacuum (um Kohlensäure abzuhalten) eine allmälige Zersetzung, indem Aetznatron in das Wasser übergeht. Das Gelatiniren flüssiger Kieselsäure und vieler anderer Colloide in Berüh- rung mit kleinen Mengen von Salzen geschieht auf eine noch nicht zu erklärende Weise. Andererseits kann die gelatinöse Kieselsäure durch sehr wenig Alkali wieder flüssig gemacht werden. Diese Veränderung geht nach und nach vor sich, indem 1 Th. Aetznatron in 10000 Tb. Wasser gelöst 200 Th. Kieselsäure (trocken berechnet) bei 1000 C. in 60 Minuten flüssig macht. Eigenschaften de?* Kieselsäure etc. 131 GelatinöseZinnsäure wird ebenfalls leicht durch eine kleine Quantität Alkali selbst bei gewöhnlicher Temperatur flüssig gemacht. Nachdem das Alkali diese Wirkung ausge- übt, kann es wieder von dem Colloide durch Diffusion in Was- ser auf einem zur Dialyse geigneten Apparate getrennt wer- den. Die Auflösung dieser Colloide unter solchen Umstän- den lässt sich als analog ansehen mit der Auflösung unlös- licher organischer Colloide, welche bei der thierischen Ver- dauung wahrgenommen wird, mit dem Unterschiede, dass das Solvens hier nicht sauer, sondern alkalisch ist. Flüs- sige Kieselsäure stellt sich dar als das Pepton gallert- artiger Kieselsäure, und dies Flüssigwerden der letzteren durch eine Spur Alkali kann man als die Verdauung oder Peptisation dieser Gallerte betrachten. Die reinen Gallerten der Thonerde, des Eisenoxyds und der Titan- säure, durch Dialyse bereitet, nähern sich mehr dem Ei- weiss, da sie durch geringe Mengen von Salzsäure ver- daut, peptisirt werden. Flüssige Zinn- und Metazinnsäure. Die erstere wird durch Dialyse des Zinnchlorids mit einem Zusatz von Alkali oder des zinnsauren Natrons mit Salzsäure bereitet. In beiden Fällen bildet sich erst eine Gallerte im Apparat, aber in dem Maasse als die Salze diffundiren, wird die Gallerte durch das wenige zurückbleibende freie Alkali wieder aufgelöst. Das Kali kann durch fortgesetzte Diffusion entfernt werden, wozu einige Tropfen Jodtinctur behülflich sind. Die flüssige Zinnsäure wird durch Er- hitzen in flüssige Metazinnsäure verwandelt. Beide wer- den auffallend leicht durch kleine Mengen von Salzsäure oder Salzen gallertförmig. Flüssige Titansäure erhält man durch kaltes Auflösen von gallertartiger Titansäure in ein wenig Salz- säure und nachherige Dialyse. Die Flüssigkeit darf nicht mehr als 1 Proc. Titansäure enthalten, sonst gelatinirt sie von selbst; im verdünnten Zustande ist sie beständig. Sowohl Titansäure, wie die beiden Zinnsäuren geben die- selben Verbindungen mit Alkohol etc., wie die Kiesel- säure. Flüssige Wol f r am säure. Das Dunkel, welches so lange über der Wolframsäure geschwebt, ist durch die dialytische Untersuchung aufgehellt. Sie ist in der That ein merkwürdiges Colloid, von dem bisher nur die Gal- lertform bekannt war. Flüe ige Wolframsäure erhält man durch Zusatz von verdünnter Salzsäure zu einer fünfpro- centigen Lösung von wolframsaurem Natron in unzurei- 132 Eigenschaften der Kieselsäure etc. ch ender Menge, um das Alkali zu neutralisiren, und dar- auf folgende Dialyse: In etwa drei Tagen findet sieh die Säure rein mit ungefähr 20 Proc. Verlust, indem die Salze gänzlich diffundirt sind. Merkwürdiger Weise wird die reine Säure weder durch Säuren noch Salze selbst bei Siedhitze coagulirt. Zur Trockne verdampft, bildet sie glasige Schuppen wie Gummi oder Gelatine, die zu- weilen so stark an der Oberfläche der Abdampfschale adhäriren, dass sie Stücke davon losreissen. Sie kann bis 200° C. erhitzt werden, ohne Verlust ihrer Löslichkeit oder Uebergang in den Gallertzustand, aber nahe der Roth- glühhitze erleidet sie eine Molecularveränderung und ver- liert zugleich 2,42 Proc. Wasser. Wenn Wasser zu un- veränderter Wolframsäure hinzugefügt wird, so wird sie teigig und klebrig wie Gummi, sie bildet mit etwa ein Viertel Wasser eine Flüssigkeit von solcher Dichte, dass Glas darauf schwimmt. Die Lösung braust mit kohlen- saurem Natron. Der Geschmack der in Wasser gelösten Wolframsäure ist nicht metallisch oder sauer, sondern bitter und zusammenziehend. Auflösungen derselben von 5,20, 50, 66,5 und 79,8 Proc. zeigen bei 190 C. e in spec. Gewicht von 1,0475, 1,2168, 1,8001, 2,396 und 3,243. Im Vacuum abgedampft, ist die Wolfram säure farblos, an der Luft wird sie durch desoxydirende Wirkung orga- nischer Stoffe grün. Flüssige Kieselsäure wird durch Bei- mischung von Wolfram säure vor dem Gelatiniren bewahrt, ein Umstand, der wahrscheinlich mit der Bildung der kürz- lich von Marignac beschriebenen Doppel Verbindung zu- sammenhängt. Molybdänsäure ist wie die Wolframsäure bisher nur in unlöslicher Form bekannt gewesen. Krystallisir- tes molybdänsaures Natron in Wasser gelöst, wird durch überschüssige Salzsäure ohne sofortige Präcipitation zer- setzt. Man dialysirt die Flüssigkeit unter jeweiliger Nach- fügung von Salzsäure. Nach drei Tagen bleiben ungefähr 60 Proc. Molybdänsäure im reinen Zustande zurück. Die Lösung derselben ist gelb, schmeckt adstringirend, reagirt sauer auf Lackmus, braust mit kohlensauren Sal- zen und besitzt grosse Stabilität. Lösliche Molybdän- säure hat im trocknen Zustande dasselbe gummiartige Ansehen wie Wolframsäure, und absorbirt Wasser aus feuchter Luft. Beide Säuren verlieren ihren colloidischen Charakter durch Verbindung mit Natron und geben ver- schiedene krystallisirbare Salze. ( Pharma c. Journ. and Transact. ll.Ser. Vol. VI. No.2. Aug. 1864. p. 63 ff.) Wp. Pottaschesorten des Handels. 133 Werthbestimuiuiig der Pottaschesorten des Handels und Analysen derselben. Seit einer Reihe von Jahren mit der Verwendung von Pottasche zu verschiedenen Fabrikationszweigen be- schäftigt, wurde H. Grüneberg veranlasst, die meisten im Handel vorkommenden Pottaschesorten einer genauen Prüfung zu unterwerfen. Für die gewöhnlichen im Handel vorkommenden Pott- aschen, wenn dieselben nicht mit Soda vermischt sind, ist die Gay-Lussac'sche Untersuchungsmethode jedenfalls die am meisten zu empfehlende. Dieselbe weist den wirklichen Alkaligehalt nach. Es wird mit einer Probesäure operirt, welche nach chemisch reinen und geglühten Alkalien normirt ist, und deren, zum Sättigen des zu untersuchen- den Alkalis verbrauchte Menge, in Cubikcentimetern bei gewissen abzuwägenden Quantitäten der Alkalien die wirklichen Gewichtsprocente derselben an kohlensaurem Kali angiebt. Sie lässt jedoch im Stiche, wenn wir mit Pottaschen zu thun haben, welche, wie z. B. Rübenasche, ziemlich bedeutende Antheile Soda enthalten. Auch ist auf die anderen Kalisalze, als schwefelsau- res Kali und Chlorkalium, Rücksicht zu nehmen. Bei Pottaschen von so abweichender Zusammensetzung bleibt nichts anderes übrig als vollständige Analysen zu machen, d. h. jedes der darin enthaltenen Salze zu bestimmen, für jedes der Salze einen Werth in Procenten auszusetzen und diese Werthe dann zu einer den Werth des Produc- tes ausdrückenden Gesammtsumme zu vereinigen. Grüneberg hat seit 5 Jahren zur Werthbestim- mung der Pottasche in Anbetracht der durch Mohr so sehr verbesserten Titrir- Analyse folgende Methode an- gewendet: Es wird der alkalimetrische Gehalt der zu untersuchenden Pottasche nach der Gay - Lussac 'sehen Methode als kohlensaures Kali gesucht, das Chlor nach der Mohr'schen Methode mit salpetersaurem Silberoxyd, die Schwefelsäure ebenfalls nach Mohr als Bleisalz bestimmt. Das vorhandene Kali wird gleichfalls nach Mohr als Weinstein abgeschieden und hieraus berechnet. Sämmt- liclies gefundene Chlor wird auf Chlorkalium, und sämmt- liche Schwefelsäure auf schwefelsaures Kali berechnet, flenn Chlor und Schwefelsäure sind in der Pottasche im- mer an Kali gebunden. Der an Chlor und Schwefelsäure nicht gebundene Rest des gefundenen Kalis, abgesehen von zu vernachlässigenden kleinen Quantitäten kieselsau- 134 Pottaschesorten des Handels. ren Kalis, welches als kohlensaures Kali gefunden wird, ist als kohlensaures Kali vorhanden und wird als solches berechnet. Das so ermittelte kohlensaure Kali wird von den alkalimetrisch gefundenen Pottascheprocenten in Abrech- nung gebracht, und der verbleibende Rest auf Soda im Verhältniss von 69,1 : 53,0 (KO, CO 2 : NaO, CO 2 ) berech- net. Bei einiger Uebung ist eine Pottasche nach dieser Methode in ein paar Stunden zu analysiren. Folgendes Beispiel möge diese Berechnungsweise er- läutern : Es sei gefunden in einer Pottasche: Alkalimetrischer Gehalt 51,1 Schwefelsaures Kali 31,4 Chlorkalium 14,5 Kali 52,87 Schwefels. Kali 31,4 darin Kali . . 17,00 Chlorkalium 14,5 darin Kali . . 9,18 26,18. 52,87 im Ganzen gefundenes Kali, davon abgezogen 26,18, giebt 26,69, welche 26,69 KO auf kohlensaures Kali berechnet aus der folgenden Proportion sich ergeben: 47,1 : 69,1 == 26,69 xj x = 38,9 KO, CO 2 . Diese 38,9 KO, CO 2 von dem gefundenen alkali- metrischen Gehalte von 51,1 subtrahirt, ergeben einen Rest von 12,2, welcher, im Verhältniss von 69,1:53,0 auf Soda berechnet, einem Sodagehalte von 9,3 Proc. ent- spricht. Die fragliche Pottasche enthielt also: Kohlensaures Kali 38,9 „ Natron 9,3 Schwefelsaures Kali 31,4 Chlorkalium 14,9 Wasser und Unlösliches . . . 5,5 ~1Ö0,0. Für den Salpeterfabrikanten würde bei leidlichen Salpeterpreisen jene Sfcala etwa folgende sein: Kohlens. Kali, Werth per Proc 4 Sgr. Natron l*/ 4 „ Schwefels. Kali 1 „ Chlorkalium l 1 ^ » Der Werth einer russischen Asche von folgender Zusammensetzung würde sich nach obiger Scala etwa wie folgt herausstellen: „ Natron 4 „ * 1^4 . Schwefels. Kali 17 „ ä 1 , Chlorkalium 3,5 „ ä IV2 ■ Pottaschesorten des Handels. 135 Kohlens. Kali 68 Proc. ä 4 Sgr. = 9 Thlr. 2 Sgr. —Pf. _ i\ _^ = - „ 17 „ - „ 100,0 Proc. = 9 Thlr. 29 Sgr. 3 Pf. Natürlich muss diese &ala eine andere sein, je nach localen Verhältnissen und Conjuncturen ; vor Allem aber je nach den Zwecken, zu welchen die fragliche Pottasche verwendet werden soll. So darf z. B. der Seifenfabrikant Chlorkalium und schwefelsaures Kali nicht berechnen, weil diese Kalisalze für ihn fast werthlos sind, wogegen für den Alaunfabri- kanten, welcher eine geringe Pottasche anwendet, das schwefelsaure Kali einen höheren Werth hat, als für den Salpeterfabrikanten. Für Consumenten der Rübenasche ist bei der ausserordentlich schwankenden Zusammen- setzung derselben in Folge des Bodens, auf welchem die Rüben gezogen wurden, eine solche Werthbestimmung von grosser Wichtigkeit. Bei reinen Pottaschesorten lässt sich die Analyse derselben vereinfachen und eine Kali- bestimmung umgehen. Man bestimmt den alkalimetri- schen Gehalt der zu untersuchenden Pottasche als kohlen- saures Kali, das Chlor als Chlorkalium, die Schwefel- säure als schwefelsaures Kali. Es wird ferner Feuchtigkeit und Unlösliches, im Falle solches vorhanden, festgestellt, und sämmtliche ge- fundene Procente werden addirt. Hierdurch wird eine Summe erhalten, welche, wenn ein Natronsalz (Soda) vor- handen war, ein gewisses Plus über 100 ergeben wird. Bei genauer Operation wird jedes über 100 gefundene Procent einem Sodagehalte von 3,2927 entsprechen, so dass man, um den Sodagehalt einer Pottasche zu berech- nen, nur jenes gefundene Plus mit 3,2927 zu multiplici- ren hat. Der Multiplicator 3,2927 wird auf folgende Weise gefunden : Von einer Probesäure, von welcher 100 C.C. 100 Proc. einer abgewogenen Menge kohlensauren Kalis sättigen, werden, wenn die gleiche Gewichtsmenge kohlen- sauren Natrons gesättigt werden soll, 130,37 CC. erfor- derlich sein, denn die zur Sättigung obiger Alkalien erfor- derliche Säuremenge verhält sich umgekehrt wie deren Aequivalent. Mithin 53,0 (NaO, CO«) : 09,1 (EO, CO*) = 100 : 130,37. Es erfordert also jene Quantität kohlensauren Natrons 136 Pottaschesorten des Handels. 30,37 C.C. Probesäure mehr, als ein gleiches Gewicht kohlensauren Kalis. Auf andere Weise: Jene Quantität Alkali, falls dessen Qualität zweifelhaft sein sollte, wird, wenn zu deren Sättigung 30,37 C.C. Probesäure mehr als 100 verbraucht werden, 100 Proc. kohlensauren Na- trons enthalten, also reines kohlensaures Natron sein. Da nun 30,67 Mehrbestand ' 100 Procent kohlensaures Natron repräsentirt, so wird 1 Procent Mehrbefund = 100 = 3,2927 kohlensaures Natron sein, oder man 30,37 ' ' hat jedes über 100 gefundene Procent mit 3,2927 zu mul- tipliciren, um den Sodagehalt einer fraglichen Pottasche festzustellen. Zur Ermittelung der Pottasche neben der Soda hat man nur den durch jenen Multiplicator berech- neten Sodagehalt nebst dem gefundenen Plus (welches, da der vorhandene Sodagehalt bei der alkalimetrischen Operation als kohlensaures Kali berechnet, entsprechend dem Unterschiede der Aequivalente von KO, CO 2 und NaO, CO 2 zu hoch berechnet war) von dem gefundenen alkalimetrischen Gehalte (Alkaliprocente) zu subtrahiren. Z. B. Es sei gefunden in einer rheinischen Pott- asche : Alkalimetrischer Gehalt 51,1 Proc. Schwefelsaures Kali 31,4 „ Chlorkalium 14,5 „ Wasser und Unlösliches 6 „ 103,0 Proc. Gefunden also über 100 3 X 3,2927 = 9,87 Proc. Soda. 51 ? 1 — (9,87 -f- 3) — 38,23 kohlensaures Kali. Die rheinische Pottasche hat also folgende Zusammen- setzung : Kohlensaures Kali 38,23 Natron 9,87 Schwefelsaures Kali 31,40 Chlorkalium 14,50 Wasser und Unlösliches 6,00 100,00 Enthält eine Pottasche Aetzkali, so müssen 100 Th. der zuvor durch Glühen von Feuchtigkeit befreiten Pott- asche mit kohlensaurem Ammoniak geglüht werden. Man analysirt 100 Theile des erhaltenen kohlensauren Alkalis, Pottasciiesorten des Handels. 137 bestimmt darin den Sodagehalt nach obiger Methode und addirt hierzu das kohlensaure Natron, welches der Rech- nung nach in dem durch Glühen mit kohlensaurem Am- moniak erhaltenen Mehrgewichte noch enthalten ist. Die meisten Pottaschen folgender Zusammenstellung wurden nach obiger Methode bestimmt. Bei den mit * bezeichneten Analysen von F. Meyer wurde das in der Pottasche enthaltene Chlorkalium als Chlornatrium berech- net, weshalb die Analysen umgerechnet und der Natron- gehalt als Soda aufgeführt werden musste. Ein Vergleich der Colonnen a und b macht es deut- lich, wie leicht man bei einer einfachen alkalimetrischen Prüfung der Pottasche über den Gehalt an kohlensaurem Kali sich täuschen kann, und wie wichtig es ist, bei gewissen Pottaschen ausser den alkalimetrischen Bestim- mungen eine quantitative Bestimmung der einzelnen Be- standteile der Pottasche vorzunehmen. Analyse verschiedener Pottaschen des Handels. Ursprung der Pottasche. Ana- lytiker. a. b. CA c. d. > Kolilens. Kali Kalihydrat, her. kohlens. Kai I aa | tu S 4) ,3 Ix o M 2 ■fl So« <2§ \4 o CO Amerikanische Pottasche . . . * desgl * desgl desgl desgl desgl. con- demned. . desgl. do. . . * desgl desgl * desgl * desgl Payen F. Mayer, desgl. H. G. H. G. H. G. II. G. F. Mayer. II. G. F. Mayer. desgl. 55,5 68 68 5,8 15,3 108,2 41,7 49,6 106,4 1,4 4,0 87,8 19,4 44,4 77,2 8,2 16,1 81,7 18,3 36,6 65,9 12,2 15,1 81,8 34,5 29,6 77,9 3,0 15,0 79,8 — — 64,4 15,4 27,8 67,9 — — 66,1 1,4 15,2 71,3 8,2 38,6 57,4 10,7 19,7 74,1 — — 52,2 17,0 18,4 68$ 43,1 6,6 50,7 9,5 27,7 76,2 47,1 4,4 51,8 18,8 21,3 8,1 2,0 5,6 14,6 7,5 8,9 18,2 8,4 20,8 13,5 7,0 138 Pottaschesorten des Handels. Ursprung der Pottasche. Ana- lytiker. a. b. C. d. ■ und rech. Kali. a o "« m t» 0« US rt O «- 15 09 z, UI — C 09 ^- *? <Ä 5 JA hlei lihy ko o < Ort» Ui co Amerikanische Pottasche Desgl Russische Pottasche Desgl Desgl Toskanische Pottasche.... Desgl Illyrische Pottasche Vogesen- Pottasche Französische Pottasche... Desgl. (Valencienne) Desgl. (doppelt affinirt).. . Desgl. v. Hamoir, Duquene Loinne, Paris Belgische raffln. Pottasche Desgl Desgl Desgl. rohe Rübenasche . . Desgl Englische raffln. Pottasche Siebenbürger Pottasche zweimal calcinirt Desgl. Waldasche zweimal calcinirt Desgl. Buchenwaldasche zweimal calcinirt Ungarische Hausasche Rheinische Pottasche Desgl Rohe Rübenasche, Magde- burg Desgl Cölner Pottasche von Vor- ster und Grüneberg.. Payen. H. G. Payen. Gmelin. H. G. Payen. H. G. H. G. Payen. Payen. H. G. H. G. Payen. H. G. H. G. H. G. H. G. H. G. H. G. H. G. H. G. H. G. H. G. H. G. H. G. H. G. H. G. H. G. H. G. 74,2 71,3 2,3 70,2 65,0 4,0 73,5 69,6 3,0 74,1 68,2 4,6 73,5 69,0 3,5 78,0 74,1 3,0 76,9 62,6 11,0 89,3 89,3 0,0 43,8 38,6 4,0 83,9 53,9 23,1 98,5 79,0 14,3 96,5 89,3 5,6 98,1 76,0 16,3 93,0 80,0 10,0 78,0 63,0 11,9 65,9 55,0 8,4 65,2 43,0 11,0 51,2 34,3 13,0 81,3 76,9 3,4 90,0 81,2 6,8 92,5 84,6 6,1 88,3 80,8 8,9 68,0 44,6 18,1 58,8 51,3 5,6 62,1 56,9 4,0 56,9 32,9 18,5 50,5 27,1 18,0 93,3 93,3 0,0 91,8 84,0 6,0 14.3 21,0 14,1 17,0 14,0 13,4 15,5 1,2 38,8 2,9 3,9 2,2 1,19 7,1 6,1 4,0 4,7 11,0 1,0 6,4 8,8 5,8 30,0 26,0 19,6 14,0 10,5 2,3 6,5 (Ztschr. des Ver. deutsch Ingenieure Bd. 7. — Dingl. £ ilyt. Journ. Bd. 171. 1864.) B. Neue Anwendung des ßromkaliums. 139 lieber Aetznatron. E. Reichardt macht auf eine Verfälschung des Aetznatrons mit 33 l j 3 Proc. Chlornatrium aufmerksam. Das Aetznatron war in Jena zu 3 Sgr. das Pfund verkauft und zeichnete sich durch einen schönen krystal- linisch glänzenden Bruch sehr vortheilhaft aus. Der Werth ist gegen reines Aetznatron etwa die Hälfte, da auch 10,5 Wasser darin sich fanden. (Dingl. Journ. Bd. 172. Hft. 6. S. 449.) Bkb. Neue Anwendungen des ßromkaliums. A. Smith hat eine Reihe von Keuchhustenfällen mit Bromkalium behandelt und beobachtet, dass dieses Heil- mittel im Allgemeinen mit ziemlicher Schnelligkeit die Hustenanfälle zum Verschwinden brachte und hierauf voll- kommene Heilung bewirkte. Smith empfiehlt die Anwendung massiger Dosen dieses Bromsalzes, einige Grane täglich zwei bis drei Mal. Erhöhte Gaben sind zu vermeiden, denn sie können so- gar nachtheilig wirken. {The medic. mirror.) H. B ehrend in London rühmt die Anwendung des Bromkaliums (25 Gran, täglich drei Mal während der Mahlzeit) sehr gegen gewisse Fälle von Schlaflosigkeit, bei welcher das nervöse Element vorherrscht. Hier bringen das Opium und seine verschiedenen Präparate gewöhnlich keine gute Wirkung hervor, sie werden vom Organis- mus schlecht vertragen und vermehren oft die Aufre- gung und Reizbarkeit, unter welchen die Patienten zu leiden haben. Die oben angegebene Dosis wird vollkom- men gut vertragen und bewirkt keinen unangenehmen Zufall auf die Gesundheit oder wohl gar Vergiftung, bringt auch nie eine Schwächung der Geschlechtsfunc- tionen hervor, die man gewöhnlich zu den Wirkungen des Bromkaliums rechnet. (The Lancet. — N. Repert.f. Pharm. 1864. 7.) B* Darstellung von Bromkalium, -Lithium, -Calcium und -Magnium. V. Klein benutzt dazu das Verfahren, dessen sich Lieb ig zur Darstellung der entsprechenden Jodide be- diente. Brom calci um. Es wird 1 Th. fein zerriebener amor- pher Phosphor in einer Rcibschalc mit 30 bis 40 Th. Wasser 140 Darstellung von Bromkalium, -Lithium, etc. zerrieben und dann unter einem gut ziehenden Rauch- fange 12,5 Th. Brom hinzugesetzt. Das Brom verbindet sich mit dem Phosphor unter einer ganz ungefährlichen Feuererscheinung und die Flüssigkeit erhitzt sich bedeu- tend. Nach dem jedesmaligen Zusätze von Brom rührt man um. Ist das Brom verbraucht, so erhitzt man, bis die Anfangs braune Flüssigkeit wasserhell geworden ist und setzt noch so viel wässeriges Brom zu, dass die Flüs- sigkeit hellgelb gefärbt ist. Man giesst dann die saure Flüssigkeit vom Bodensatze ab und versetzt sie mit Kalk- milch bis zur schwach alkalischen Reaction, filtrirt, wäscht den Niederschlag aus, dampft das Filtrat ein, filtrirt noch- mals vom entstandenen kohlensauren Kalk ab und erhält so bei weiterem Eindampfen sehr schönes und reines Bromcalcium. Aus 16 Grm. Phosphor, 200 Grm. Brom und 75 Grm. Aetzkalk wurden 230 Grm. Bromcalcium erhalten. — Durch Einwirkung des Broms auf Phosphor und Wasser bildet sich Phosphorsäure und Bromwasser- stofTsäure und beim Neutralisiren mit der Kalkmilch ent- steht unlöslicher phosphorsaurer Kalk und lösliches Brom- calcium. Brommagnium. Man neutralisirt die durch Ein- wirkung von 12,5 Th. Brom auf 1 Th. Phosphor entstan- dene saure Flüssigkeit mit Magnesia alba vollständig, filtrirt, wäscht aus, dampft möglichst stark ein und trock- net über Schwefelsäure. Bromlithium. Eine Lösung von Bromcalcium wird zuerst mit einer zur vollständigen Zersetzung nicht hin- reichenden Menge kohlensaurem Lithion versetzt und nach 24 Stunden vollständig mit wässeriger Lösung von kohlensaurem Lithion gefällt. Bromkalium. Eine Lösung von Bromcalcium wird mit einer Lösung von schwefelsaurem Kali versetzt, nach 12 Stunden filtrirt. Dem Filtrat fügt man eine Lösung von reinem kohlensauren Kali so lange hinzu, als noch eine Trübung entsteht. Man filtrirt wiederum und dampft ein. Hierbei scheidet sich immerfort noch schwefelsaurer Kalk ab und trotz mehrmaliger Entfernung des Gypses konnte das Bromkalium nicht gypsfrei erhalten werden ; nur die grösseren Krystalle waren gypsfrei. (Annal. der Chem. u. Pharm. CXXVIII, 237 — 240.) G. Ueler das Fluor silicium- Fluorlithium. 141 lieber das Fluorsiliciuiii-Fltiorlithiuiti. Man stellt dasselbe am besten nach F. Stolba dar, indem man reines kohlensaures Lithion in Kieselflusssäure löst, zur Trockne verdunstet, aus dem Gemenge von Kie- selfluorlithium mit etwas Kieselerde ersteres mit Wasser auszieht, unter Zusatz einiger Tropfen Kieselflusssäure nochmals zur Trockne eindampft, wieder in Wasser löst und eindampft, bis sich der grösste Theil des Salzes in Krusten ausgeschieden hat. Man kann es auch aus käuf- lichem kohlensauren Lithion darstellen, indem man letz- teres zuerst durch Auskochen mit Wasser von Kali und Natronsalzen befreit, es dann mit einer zur Lösung unzu- reichenden Menge Essigsäure kocht, wobei Thonerde, Eisenoxyd und ein Theil des kohlensauren Kalks unauf- gelöst bleiben, aus der Lösung den Kalk durch Oxalsäure fällt, dann die Schwefelsäure durch essigsauren Baryt ent- fernt und die filtrirte Flüssigkeit mit Kieselflusssäure in hinreichender Menge versetzt, worauf sich der Baryt als Kieseln 1 uorbaryum vollständig abscheidet; die Flüssigkeit wird dann zur Trockne verdampft, wodurch die Essig- säure ausgetrieben wird, und der Rückstand, wie oben angegeben, behandelt. Das Kieselfluorlithium krystalli- lirt bei freiwilligem Verdunsten in vierseitigen, schief abgestumpften Prismen oder unregelmässig sechsseitigen Tafeln, die dem schief rhombischen Systeme anzugehören scheinen. Die Angaben von Berzelius, dass das Kie- selfluorlithium in Wasser schwer löslich sei und beim Glü- hen schwierig zersetzt werde, ist unrichtig. Es löst sich in 1,9 Th. Wasser und auch in Weingeist um so leichter, je wasserreicher er ist. In Aether und Benzin ist es unlöslich. Sein spec. Gew. ist 2,33 bei 12°. Die Zusam- mensetzung ist LiF, SiF 2 , 2 HO. Die Krystalle werden an der Luft durch Verwitterung undurch3cheinend, und verlieren bei 100° ihr Wasser vollständig, wobei sie unter Beibehaltung ihrer Form milchweiss werden. Das Salz reagirt stark sauer und kann, wie Stolba dies für die Kieselfluoralkalimetalle angegeben hat, aci- dimetrisch genau bestimmt werden. l)i<- Löslichkeit des Kieselfluorlithiuma in Wasser und Weingeist wird sich wahrscheinlich für dir Trennung von Kali und Natron benutzen lassen, worüber Stolba wei- > Versuche anstellen wird. (Journ.für prakt. Chem. Bd. <)1. _ Chem. Cenfrbl. 1864. 56.) B. 142 Darstellung des Magniums. lieber die Löslichkeit des schwefelsauren Barytes, Stron- tians und Kalkes in Schwefelsäure. Es ist bekannt, dass in der englischen Schwefelsäure mancher Fabriken schwefelsaurer Baryt *) gelöst enthal- ten ist und beim Verdünnen mit Wasser analog dem schwe- felsauren Bleioxyde vollständig herausfällt. Dass dieses Lösungsvermögen der concentrirten Schwefelsäure gegen- über dem sonst so unlöslichen Barytsalze ein nicht unbe- deutendes ist, kann man beobachten, wenn man zu einer Quantität Schwefelsäurehydrat allmälig von einer concen- trirten Chlorbaryumlösung zutröpfelt. Es entwickelt sich hierbei Salzsäure und die Flüssigkeit bleibt bei dem rich- tigen Verhältniss klar. Stellt man den Versuch in glei- cher Weise mit Chlorstrontium und Chlorcalcium an, so nimmt man wahr, dass namentlich von letzterem eine geringe Quantität hinreicht, um die Schwefelsäure zu trü- ben und dass die durch Absetzenlassen klar gewordene Flüs- sigkeit beim Verdünnen mit Wasser sich gar nicht und auf Zusatz von Alkohol nur sehr wenig trübt. Es scheint sonach von jenen 3 schwefelsauren Salzen der schwefel- saure Baryt in Bezug auf concentrirte Schwefelsäure das löslichste zu sein. (Journ. de Pharm, et de Chim. Mai 1864.) Weinhold. Darstellung des Magniums. Nach Sons tadt dampft man eine Lösung von Chlor- magnium im Gemisch mit gewöhnlichem Kochsalze ab und schmilzt, wodurch man unter geringem Verlust von Salzsäure und Chlormagnium ein wasserfreies Doppelsalz erhält, welches bei der Reduction reichliche Mengen von Magnium liefert. Das erhaltene Chlormagnium und Chlornatrium wird in einem schmiedeeisernen Tiegel durch Natrium zersetzt. Hierdurch lassen sich grössere Mengen auf ein- mal behandeln, das Magnium kann kein Silicium aufneh- men und der Tiegel wird, wenigstens wenn die Hitze nicht zu hoch gesteigert wird, durchaus nicht angegriffen und hält wohl 100 Operationen aus. Eine Veröffent- lichung über die Methode, das erhaltene Magnium durch *) Der Barytgehalt der englischen Schwefelsäure rührt von einer Digestion derselben mit BaS her, welche anstatt des Einleitens von HS zur Ausfällung des Arsens hier und da gebräuchlich ist. W. lieber Alumiumbronze. 143 Destillation zu reinigen, wird von Sons tadt später erfol- gen. (Polyt. Centrbl. 1863. S. 1514.) B. Feuerfeste Steine aus Magnesit. Zu St. Katharein in Steiermark werden patentirte feuerfeste Ziegeln aus dem dort in ausgedehnten Lagern vorkommenden Magnesit verfertigt. Diese fabricirten Magnesit -Ziegeln zeigen sich durch vollkommene Feuer- beständigkeit und Leichtigkeit aus. Der St. Katharein- Magnesit enthält 94 — 99 Procent kohlensaure Magnesia. (Inclust. Statistik der österr. Monarchie. — Zeitschr. des österr. Apoth.-Vereins. 1864. No.4.) B. Heber Alumiumbronze. G. Moreau berichtet über die Eigenschaften der Alumiumbronze, und zwar in Bezug auf ihren Widerstand gegen das Zerreissen, das Zusammendrü- cken, ihre Hämmerbarkeit, Steifigkeit, Ausdehnung durch die Wärme, ihr Verhalten beim Giessen, gegen die Feile und gegen Schneidwerkzeuge, Einfluss der Atmo- sphärilien, Gravirungsfähigkeit, Elasticität, Verwendbar- keit zu gezogenen Röhren, specifisches Gewicht; er weist fast in jeder Beziehung einen Vorzug der Alumiumbronze vor andern Metallen nach und berechnet auch, dass sich der Preis einer 10 Proc. Alumium enthaltenden Bronze nicht zu hoch stellen dürfte. (Bl. für Hdl. u. Givbe. 1864.) B. lieber das Färbende im Smaragd. Als Vauquelin im Smaragd Chromoxyd entdeckte, erklärte er dasselbe ganz natürlich für die Ursache der Farbe dieses Edelsteins. HerrLewy, der 1858 eine sehr gründ- liche Abhandlung über das Vorkommen und die Zusam- mensetzung der Smaragde von Muso in Neu -Granada publicirt hat, theilt diese Ansicht nicht, sondern glaubt durch seine Versuche bewiesen zu haben, dass das Fär- bende im Smaragd durch eine organische Substanz be- wirkt werde, daher derselbe auch beim Glühen seine Farbe verliere. In einer brieflichen Mittheilung W ö h 1 e r's an Poggd ndor fi erklärt Ersterer, dass er und Gustav Rose Lewy'i Angabe bei Anwendung von Löthrohr- hitze nicht bestätigt gefunden und dies zu einigen ande- ren Versuchen Anlass gegeben habe, aus denen gcschlos- 144 Vanadin im Roheisen von Wiltshire. sen werden müsse, dass der Smaragd seine schöne Farbe in der That der darin enthaltenen kleinen Menge von Chromoxyd verdanke. Ein ganzes Stück von einem ziemlich tief grünen, aber wenig klaren Smaragdkrystall vonMuso, nach dem Trocknen bei 100° C. 6,971 Grm. schwer, wurde in einem Platintiegel 1 Stunde lang in einem Windofen einer Glüh- hitze ausgesetzt, bei welcher Kupfer leicht schmilzt. Nach dem Erkalten zeigte der Stein noch ganz die ursprüng- liche grüne Farbe, er war nur undurchsichtig geworden. Er wog nun 6,858 Grm., hatte also 1,62 Proc. an Gewicht verloren. (Lewy fand 1,66 Proc. Wasser und 0,12 Proc. organische Materie.) Er wurde fein gerieben und mit kohlensaurem Alkali und etwas Salpeter geschmolzen. Bei Behandlung der Masse mit Wasser wurde eine gelbe Lösung erhalten, aus der nach bekannten Methoden 0,013 Gramm oder 0,186 Proc. vom Gewicht des Smaragds Chromoxyd abgeschieden werden konnten. Lewy fand bei seinen Analysen so wenig Chrom- oxyd, dass er dessen Menge gar nicht angiebt; auch ist er der Ansicht, dass eine so kleine Menge unmöglich eine so intensiv grüne Farbe hervorbringen könne. Um hierüber Aufschluss zu erhalten, wurden 6,791 Grm. fein geriebenes weisses Glaspulver mit 13 Milligrm. Chrom- oxyd, als der in jener Menge Smaragds gefundenen Menge vermischt und in einem Thontiegel, der, umgeben mit Koh- lenpulver in einem grösseren stand, zusammengeschmolzen. Die wohlgeflossene klare Glassmasse hatte dieselbe inten- siv grüne Farbe, wie der angewandte Smaragd. Es kann also keinem Zweifel unterliegen, dass 13 Gewichtstheile Chromoxyd nahe an 7000 Gewichtstheilen eines Silicats eine tiefgrüne Farbe zu ertheilen vermögen. {Anwal. der Phys. u. Chem. Bd. 122.) B. Heber das Vorkommen von Vanadin im Roheisen von Wiltshire. Bei genauerer Untersuchung des Roheisens von West- bury in Wiltshire, welches aus oolithischem Eisenerze dargestellt war, hat E. Riley gefunden, dass dasselbe nicht Titan, wie er früher angegeben, sondern Va- nadin enthielt. Die beste Methode, das Vanadin aus dem Roheisen abzuscheiden, ist dieselbe, die für die Tren- nung vom Titan angewendet wird. Man löst fast ganz in verdünnter Salzsäure, setzt dann conc. Salzsäure hin- Manganoxyd- und Uebermangansäure- Verbindungen. 145 zu und siedet eine Zeit lang, filtrirt die Eisenlösung von dem Graphit und der Kieselsäure ab und behandelt den Rückstand auf dem Filter mit Aetzkali und dann mit Salzsäure, trocknet und glüht über der Gaslampe oder besser in einer Muffel. Man erhält als Rückstand eine halbgeschmolzene Masse, die aus einer Mischung von schmelzbarem und unschmelzbaren Oxyd besteht und bei der weiteren Behandlung in bekannter Weise Vanadinsäure liefert. Das untersuchte Roheisen scheint mehr Vanadin zu enthalten, als das aus dem Erze von Taberg in Schweden, und kann dazu dienen, bedeutendere Mengen dieses bisher seltenen Metalles zu liefern. (Jouom. ofthechem. 1864. — Chem.Centrbl. 1864. 43.) B. teber die optische rntersckeidung der Maiigauoxvd- und der tebermangaiisäure- Verbindungen. Die Lösung von Uebermangansäure und deren Kali- salz sowohl, wie die des phosphorsauren Manganoxyds üben eine sehr kräftige Absorption auf den grünen und grüngelben Theil des Sonnenspectrum, verdünnt man aber die Lösungen allmälig, so schwindet bei letzterer die Dun- kelheit in der Mitte des Spectrums, ohne dass bestimmte Absorptionsstreifen auftreten, während man bei der Ver- dünnung der übermangansäurehaltigen Lösungen 5 solche Streifen erkennt, von denen der erste schwache jenseits der Linie D (vom Roth ab gerechnet), der zweite dunkle in der Mitte zwischen C und b, der dritte ebenfalls sehr dunkle auf E bis b reichend, der vierte zwischen b und F und der schwächste aufF liegt. Besonders schön tre- ten die Streifen beim Auffangen des Spectrums auf einem Papierschirme hervor. Das salzsaure und schwefelsaure Manganoxyd verhalten sich wie das phosphorsaure, nur treten bei ihnen neue Absorptionen im Blau und Violett hinzu. Iloppe-Sey ler hat diesen Unterschied zur Ent- scheidung benutzt, ob die purpurrotbe Färbung der Flüs- sigkeit, welche man nach W. Crum durch Kochen einer Manganverbindung mit Bleihyperoxyd und Salpetersäure erhält, von Uebermangansäure herrührt, wie dieser, oder von s;i turem Manganoxyd, wie Rose annahm. Die fragliche Flüssigkeit zeigte die fünf Absorptionsstreifen auf das Deutlichst«', enthielt also sicher Uebermangan- säure; denn wenn auch ein salpetersaures Manganoxyd Arcb.d. riiurm. CLXXIII. Uds. l.u.2. Hit. 10 146 lieber eine neue grüne Farbe. noch nicht dargestellt ist, so würde es doch ohne Zweifel sich den anderen Oxydsalzen ähnlich verhalten, gleich wie dies bei anderen Metallen der Fall ist. (Journ. für prakt. Chemie. Bd. 90. S. 303.) B. Heber eine neue grüne Farbe ans mangansaurem Baryt. Dem Chemiker Rosenstiel in Strassburg wurde im vorigen Jahre von Seiten der Academie de Stanislas eine lobende Anerkennung zu Theil in Folge seiner Ent- deckung einer neuen und schönen grünen Farbe, welche aus 3 BaO, 2 MnO 3 besteht und ein günstiges Mittel bietet, die bei der Chlorbereitung in den Fabriken als fast werthloses Nebenproduct erhaltenen Manganlösungen nutzbar zu machen. — Durch die grünen Flecken, welche Rosenstiel häufig auf dem durch Glühen des salpeter- sauren Baryts dargestellten Aetzbaryt beobachtete und die sich als aus mangansaurem Baryt bestehend ergaben, wurde er angeregt, die Darstellung dieser Verbindung zu versuchen. Am besten gelang ihm dieselbe durch Eintragen eines innigen Gemisches aus 3 — 4 Th. Aetzbaryt (mit etwas Wasser zu löschen), 2 Th. salpetersauren Baryt und 0,5 Th. Manganoxydul in einen dunkel -rothglühen- den Tiegel, Ausgiessen der bald geschmolzenen und grün gewordenen Masse auf eine kalte Platte, Zerstossen, Aus- kochen, dann Auswaschen mit kaltem Wasser und Trock- nen in einer kohlensäurefreien Atmosphäre. Das auf solche Weise erhaltene Product stellt ein schön smaragd- grünes Pulver dar, welches sich unter dem Mikroskope als aus kleinen, durchsichtigen, prächtig grünen, hexagona- len Körnchen bestehend erkennen lässt. Durch die Hitze wird es nicht verändert, auch nicht durch die Einwirkung von Alkalien und es lässt sich diese Farbe mit Eiweiss auf Kleiderstoffe und mit Leimlösung auf chlorfreies Pa- pier mit gutem Erfolg auftragen. Verdünnte Säuren wir- ken zuerst lösend, sehr bald aber bildet sich dann rother übermangansaurer Baryt und ein dunkelbrauner Absatz von Manganhyperoxyd. Kohlensäure und Schwefelsäure wirken auf jene Farbe im trocknen Zustande nur sehr langsam, in feuchtem jedoch rascher zersetzend ein. Chlor verändert die Farbe sehr rasch. — Rosenstiel gedenkt diese Farbe bald im Grossen darzustellen, und es dürfte dieselbe dann hoffentlich die arsenhaltigen, grünen Far- ben endlich entbehrlich machen. {Journ. de Pharm, et de Chim. Novb. 1864.) Weinhold. lieber die sogenannte Passivität der Metalle. 147 Heber die sogenannte Passivität der Metalle. W. Heldt hat die Prüfung der Ansichten der verschiedenen Chemiker über die sogenannte Passivi- tät der Metalle sich zur Aufgabe gestellt. Seine Ab- handlung hat den Zweck, zu zeigen, dass in den Fäl- len, in welchen man einigen Metalien sogenannte active oder passive Zustände beilegte, nicht nur eine falsche Interpretation der Beobachtungen, sondern häufig auch eine incorrecte Beobachtung zu dem überflüssigen und Nichts erklärenden Nothbehelf der Aufstellung activer und passiver Zustände Veranlassung gegeben und dass man jedesmal, wenn diese Ausdrücke angewendet wurden, sicher sein könne, dass eine Erscheinung missverstanden worden sei, oder dass man eine Erklärung schuldig blei- ben wolle. Das Ergebniss seiner Prüfung hat W. Heldt in folgenden Puncten festgestellt. 1) Werden die beobachteten Erscheinungen in ihrer Totalität aufgefasst, so ergiebt sich, dass eine sogenannte Passivität d. h. ein eigenthümlicher Zustand, in welchem die Natur der Metalle dauernd durch verschiedene Agen- tien eine völlig veränderte geworden, nicht existirt, sondern dass einzig und allein an der Oberfläche einiger Metalle, und zwar nur derjenigen, deren salpeter- saureSalze in concentrirter Salpetersäure unlös- lich sind, in Folge der Bildung unlöslicher Ueber- züge eben dieser salpetersauren Salze, veränderte Erscheinungen eintreten, die zu der Täuschung geführt haben, es sei das Metall in einen eigenen elektrodyna- nischen Zustand oder in eine Polarisation versetzt worden. — Nur die Metalle, deren salpetersaure Salze in verdünnter Salpetersäure löslich, in concentrir- ter dagegen unlöslich sind, können diese Erscheinun- gen hervorbringen. Beim Zinn wird das in verdünnter wie in concentrirter Salpetersäure unlösli ch e Z inn oxyd gebildet, das nur durch Abschaben entfernt werden kann. — Die Ueberzüge sind beim Kupfer und Zinn (mit Platin) auch für das unbewaffnete Auge erkenn- bar, bei den Übrigen durch die Loupe. Durch angesäuer- tes Wasser vrerden dieselben leicht aufgelöst und es wird das Metall in seinem ursprünglichen Zustande h i n terlassen. So lange der Ueberzug von wasserfreiem salpeter- saurem Salz auf der Oberfläche haftet, so lange wird jede Commtinication mit der Säure gehemmt. — Das 10* 148 Ueber die sogenannte Passivität der Metalle. Zinnoxyd, wenn es als dichter Ueberzug das Metall be- deckt, muss abgeschabt oder abgefeilt werden. 2) Durch Berührung mit Platin wird in der concen- trirten Salpetersäure, in welcher sich sonst die Metalle bis zu einem gewissen Grade lösen würden, auf der Stelle das wasserfreie salpetersaure Salz niedergeschla- gen und jede Bewegung der Säure verhindert, da die Gasentwickelung sogleich gehemmt wird, so wie das Me- tall mit dem Platin in Berührung kommt. Beim Zinn bildet sich augenblicklich die weisse unlösliche Haut von Zinnoxyd auch in der verdünnten Säure. — Bei den übrigen Metallen wird dagegen in der verdünnten Säure durch Platin keine Wirkung hervorgebracht. Die Berührung der Metalle mit Platin unter der Säure befördert also die Oxydation, denn das unlösliche Salz ist im Moment wasserfrei über die Oberfläche des eingetauchten Theils verbreitet, und durch eine eigenthümliche Attraction wie über das Metall über- gössen worden und glänzend; da alle diese Salze durchsichtig und glänzend sind, so schimmert das Metall mit seinem Glänze durch den Ueberzug durch und wird durch den Glanz des letzteren der Glanz des erste- ren oft erhöht. Eine Gasentwickelung findet bei diesem Vorgange nicht statt. Beim Kupfer ist der glänzende Ueberzug grün und darunter schimmert das rothe Metall durch. Dieser Vorgang ist beim Kupfer am deutlichsten mit blossem Auge zu erkennen. Beim Eisen und Wis- muth sind die Ueberzüge farblos und glänzend, nur durch die Loupe erkennbar. Die Krystalle des salpetersauren Eisen- oxyds und salpetersauren Wismuthoxyds sind weiss, glän- zend und durchsichtig. Im wasserfreien Zustande ist das salpetersaure Eisenoxyd ganz unlöslich in stärkerer Sal- petersäure und in diesem Zustande wird dasselbe immer auf der Oberfläche des Metalls abgeschieden. 3) Eisenoxydoxydul (Hammerschlag) wirkt in con- centrirter Säure, mit Eisen in Berührung, ähnlich wie Pla- tin. In verdünnter Säure dagegen hemmt es nur die Gas- entwickelung und das Metall löst sich als salpetersaures Oxydul auf, welches mit Stickoxyd die schwarzen Wol- ken in der Flüssigkeit bildet. Das metallische Ende des Eisendrahts wird in concentrirte Salpetersäure durch das oxydirte Ende positiv elektrisch. 4) Die Masse des angewendeten Metalls wirkt mit- bestimmend bei Zersetzung der Salpetersäure. Wird da- her das Metall in feinzertheiltem Zustande, wie z. B. Zinn- lieber die sogenannte Passivität der Metalle. 149 folie, angewendet, so kann es noch eine Salpetersäure zersetzen, gegen welche das Metall im compacten Zustande indifferent ist. Fein zertheiltes Wismuth zersetzt die Säure von 1,45 unter heftiger Erhitzung. Fein gepulver- tes Eisen zersetzt Salpetersäure von 1,49 dagegen schon nicht mehr. Ebenso wirkt die Masse der Metalle bei Niederschla- gung anderer Metalle aus ihren Lösungen, die deshalb bis zu einem gewissen Grade verdünnt werden müssen *), wenn man eine schnellere Präcipitation erzielen will. Ge- pulvertes Eisen schlägt aus einer concentrirten Silber- lösung sofort den grössten Theil des Silbers nieder, wäh- rend ein blanker Eisenstab längere Zeit dazu braucht. 5) In salpetersaurem Bleioxyd, salpetersaurem Silber- oxyd und salpetersaurem Quecksilberoxyd wird Eisen nie- mals, wie früher angegeben, in einen sogenannten passi- ven Zustand versetzt. Das abgewaschene Eisen hat alle Eigenschaften des metallischen Eisens. 6) Eisenoxydoxydul (Hammerschlag) in Berührung mit Eisen schlägt aus Kupfervitriol das Kupfer in grosser Menge wieder, während ohne Berührung mit Eisen keine Wirkung erfolgt. — Auch Eisen, welches theilweise durch OD / Glühen mit Hammerschlag bedeckt worden, schlägt auf seiner ganzen Oberfläche das Kupfer nieder. — Hat das Eisen aber in concentrirter Salpetersäure gelegen, und sich mit dem unlöslichen Ueberzug von salpetersaurem Eisenoxyd bedeckt, so ist dasselbe in Folge des hindern- den Ueberzugs indifferent gegen Kupfervitriol, fällt den- selben aber wieder, nachdem der Ueberzug durch ver- dünnte Säure abgespült worden ist, oder auch, wenn es unter der Flüssigkeit mit Zink, Kupfer oder einem ande- ren leicht oxydirbaren Metalle berührt wird. 7) Wie angeführt, werden die bisher besprochenen Erscheinungen nur von denjenigen Metallen hervorgebracht, deren salpetersaure Salze in concentrirter Salpetersäure unlöslich oder sehr schwer löslich sind. — Blei und Sil- ber werden selbst durch Kochen der concentrirten Säure nicht gelöst. Andere Metalle kann man aber in ähnliche Zustände *) Hierauf erklärt sich, warum concentrirtet sal petersau res Kup- feroxyd auf blanke« Eisen getropft, dasselbe nur langsam ver- kupfert, während die verdünnte Lösung sogleich Kupfer abseist, .(•ii im letzteren Falle in Beziehung auf das beruh« rende Kupfer an der Oberfläche mit grösserer Massenwirkung auftritt. 150 Ueber die sogenannte Passivität der Metalle. versetzen, wenn man der Salpetersäure eine Flüssigkeit zusetzt, in welcher die sich bildenden salpetersauren Salze nicht löslich oder schwer löslich sind. So wird Zink in Salpetersäure, die mit absolutem Alkohol versetzt wor- den ist, sehr wenig angegriffen, Quecksilber aber nicht im mindesten, weil das salpetersaure Quecksilberoxydul in Weingeist unlöslich ist. 8) Dieselbe Wirkung wird dadurch erreicht, dass man die Metalle mit der starken Salpetersäure einer nie- drigen Temperatur aussetzt. Zink bedeckt sich unter einfach gewässerter Salpetersäure bei — 20° mit einer weissen Schicht von abgeschiedenem salpetersaurem Oxyd, welches aber, wenn die Kältemischung entfernt wird, sich leicht lost und nun eine heftige Einwirkung der Säure zulässt. — Salpetersäure mit 4 Aeq. Wasser lässt bei — 18° das Zink ganz blank, während die Säure bei 0° heftig angreift. 9) Setzt man zur Salpetersäure Vitriolöl, so erfolgt durch Eisen keine Gasentwickelung, sondern das Eisen löst sich als Oxydul auf, und die zur Oxydirung ver- wendete Salpetersäure findet man als Ammoniak in der Flüssigkeit vor. 10) Scheidet sich auf der Oberfläche des Metalls, wie es öfter beim Auflösen von Eisen in Salpetersäure geschieht, fein zer t heil t e Ko hie aus, welche das Eisen mit einem schwarzen Ueberzug bedeckt, so hört die Ein- wirkung der Säure auf. Nach dem Abwischen der Kohle oxydirt sich das Metall wieder in der Säure. Beim Stahl hört die Wirkung der Säure in Folge von sich ausschei- dendem Graphit häufig sehr bald auf. 11) Salpetersäure von solcher Concentration, dass sie ein Metall wenig oder gar nicht angreift, kann wirksam werden, indem man salpetrige Säure oder Stickoxyd in dieselbe hineinführt, welche beide ihren Stickstoff viel leichter abgeben können, als die Salpetersäure. In die- sem Falle sind die Beimischungen das wirkende Agens. Wird das Stick oxyd durch zugefügten Eisenvitriol absorbirt," so hört wieder jede Einwirkung der Säure auf. So werden Arsen und Antimon bei gewöhnlicher Tem- peratur nicht angegriffen, wohl aber, wenn salpetrige Säure in der Salpetersäure vorhanden ist. 12) Einzelne Manipulationen, z. B. das mehrmalige Herausnehmen des Eisens aus der Salpetersäure von 1,35 etc. befördern die Bildung des salpetersauren Oxyds lieber die sogenannte Passivität der Metalle. 151 durch Antrocknen und unlösliche Abscheidung aus dem geringen Quantum der anhaftenden Säure. 13) Die Berührung des in Folge des Ueberzugs von wasserfreiem salpetersauren Eisenoxyd indifferent gewor- denen Metalls unter der Salpetersäure, (oder nach dem Herausnehmen) mit einem Draht von leicht oxydirbaren anderen Metallen, wie Kupfer, Zink (oder auch Eisen selbst) bewirkt nun wieder die Gasentwickelung durch das damit berührte Metall, indem jene Drähte den Ueber- zug verletzen oder ritzen und die Salpetersäure wieder zu- nächst mit einem kleinen Theil der metallischen Oberfläche in Communication gebracht wird. Das sich entwickelnde Stickoxydgas schiebt sich zwischen Metall und Ueberzug ein, indem es seinen Weg an der Oberfläche des Metalls verfolgt und lost den Ueberzug los. Auch ein mit Ham- merschlag überzogener Draht wird allmälig aus gleichem Grunde wieder säurezersetzend und es entwickelt sich heftig Gas. Der grösste Theil des Hammerschlags wird, nach Auflösung kleinerer Mengen desselben, wodurch das Metall zuerst an einzelnen Puncten mit der Säure in Be- rührung kommt, durch das sich zwischen dem Metall und dem Ueberzug durchdrängende Gas abgeschülfert und schwimmt in der Säure herum, welche lange Zeit und Anwendung von Wärme braucht, um das Oxydoxydul völlig auflösen zu können. 14) Die in dem Vorangehenden besprochenen Metalle zeigen sich in jeder Beziehung den kohlensauren Salzen analog, wenn diese ebenfalls mit concentrirter Salpeter- säure behandelt werden. Geschmolzenes wasserfreies koh- lensaures Natron und gewöhnliches kohlensaures Bleioxyd werden von der Säure nicht angegriffen, der kohlensaure Baryt selbst nicht beim Kochen mit der Säure, weil die salpetersauren Salze dieser Base in concentrirter Salpeter- säure nicht löslich sind. Wasserfreies kohlensaures Kali wird dagegen leicht zersetzt, weil der Salpeter in der Säure löslich ist. Dagegen wird wiederum auch das kohlensaure Kali nicht zersetzt, wenn Weingeist zur con- centrirten Salpetersäure zugesetzt wird, weil der Sal- peter in Alkohol nicht löslich ist u. s. w. 16] Je kleiner nun die Oberfläche d.h. also die wir- kende Masse des Metalls ist, das man auf die Salpeter- säure wirken last, desto schwieriger wird die Zersetzung der Säure gemacht (wie schon aus Umkehrung des in No. 4 Gesagten hervorgeht.) Hieraus ist die Beobachtung von Andrews zu 152 Ueber die sogenannte Passivität der Metalle. erklären, dass das in eine enge Glasröhre eingeschmolzene Wismuthmetall, wenn es in derselben nach dem Erkalten durchschnitten wird, sich von Anfang an gegen Salpeter- säure von 1,40 passiv verhalten soll. Allmälig bildet sich hier das salpetersaure Salz, welches sich an die Glasrän- der fest anlagert und keine Säure mehr an das Metall treten lässt. Nach Entfernung des Ueberzuges löst sich aber wieder etwas Wismuthoxyd und bildet wieder an den Glasrändern den hemmenden Salzüberzug u. s. w. 16) Metallisches Platin bildet augenblicklich bei der Berührung mit Wismuth, Zinn, Eisen, Kupfer mit diesen Metallen eine Kette in der Salpetersäure und diese Me- talle bilden den positiven Pol. Die Stromwirkung die- ses einzigen Paares bewirkt im Moment der Berührung: a. Beim Zinn die gleichförmige Emaillirung des Me- talls mit weissem Zinnoxyd, welche über die ganze ein- getauchte Oberfläche des Metalls ausgegossen wird, ohne Entwicklung von Gas mit blossem Auge sichtbar. b. Beim Eisen, Wismuth die Emaillirung der Metalle mit einem durchsichtigen, glänzend weissen Glase von salpetersaurem Oxydsalz, das beim Kupfer grün erscheint und wie auf der Metallfläche angegossen festsitzt, eben- falls ohne Gasentwickung. Es bewirkt der Strom also immer die Bildung des höheren Oxyds auf der Stelle, während z. B. Eisen sich ohne Mitwirkung des Stromes als Oxydulsalz hauptsächlich löst. In verdünnterer Salpetersäure hilft die Berührung mit Platin nichts, weil der Strom nicht stark genug ist, so viel Säure aus der Flüssigkeit um das Metall zu verdich- ten, dass sich das Oxydsalz bildet und zu schwach, um die Gasentwickelung zu hindern, da sie längs der Ober- fläche des Metalls statt findet, dass sich das Zinnoxyd am Metall festsetze. Es äussert also der Strom eine eigenthümliche galvanische Anziehung der gelösten Salz- theilchen sowohl des Zinnoxyds und zwar eine so kräf- tige, dass sogleich ein hermetisch anliegender Ueber- zug sich bildet. Beim Kupfer kann man sehr genau mit blossem Auge erkennen, wie dasselbe augenblicklich mit einem gleichförmigen grünen Glase Übergossen wird, des- sen Durchsichtigkeit gestattet, das kupferrothe Metall durchglänzen zu sehen. Bei Eisen und Wismuth erscheint ein durchsichtiger glänzender Glasüberzug ohne Farbe, der den Glanz des Metalls noch erhöht. 17) Es lag nun nahe, zu beobachten, ob in den Fällen, wo die Berührung mit Platin (also eine einfache Kette) Analyse eines Meteoriten. 153 keine Wirkung mehr äusserte, durch Vermehrung der Stromintensität, z. B. durch die Volta'sche Säule grössere und den beschriebenen ähnliche Wirkungen zu erzielen wären. So hat Schönbein gefunden, dass Eisendraht als positiver Pol einer Batterie nach dem Einführen des Platindrahts am negativen Pol in Salpetersäure von 1,35 eingetaucht, nicht im Mindesten angegriffen wird, und später das durch die Wasserzersetzung erzeugte Sauer- stoffgas frei an demselben aufsteigt. Auch noch nach lOOfacher Verdünnung soll dies statt linden. Der starke Strom müsste im letzteren Falle die ganze in der Flüs- sigkeit befindliche Salpetersäure an der Oberfläche des Eisens concentriren, denn anders könnte diese Wirkung nicht hervorgebracht werden. Dem widerspricht aber Buff und giebt an: Das Gas ist bei einer starken Bat- terie in concentrirter Säure Stick oxydgas, in verdünn- terer (30 fache Verdünnung) Stick oxydulgas, und das Eisen löst sich auf, bleibt aber blank. Auch Faraday giebt an, dass das Eisen aufgelöst wird. Die Wider- sprüche lassen sich nicht ganz vereinigen, indessen ist im letzteren Falle ersichtlich, dass eine ähnliche zweite Form der Auflösung des Eisens hier statt findet, wie bei der Verbindung des Eisens mit Eisenoxyd in der Säure (S. No. 3.) angeführt worden ist. Uebrigens ist zu bemer- ken, dass Stickoxydul, wenn nicht speciell untersucht, leicht mit Sauerstoff verwechselt werden kann. (Journ. für prakt. Chemie. Bd. 90. Hft. 5.) B. Anah sc eines Meteoriten. Bei Tourinnes-la-Grosse bei Löwen in Belgien ist am 7. December 1863 ein Meteorit gefallen, welchen Dau- bree analysirt hat. Er gleicht in Farbe den gewöhn- lichen Meteoriten, man sieht darin Körner von Meteor- eisen und Pyrit (nicht magnetisch). Von Salzsäure wird er theilweise zersetzt und giebt Schwefelwasserstoffgeruch. Beim Eindampfen wird die Masse gallertartig. Durch den Magnet lässt sich das Eisen ausziehen, während der Schwefelkies mit den Silicaten zurückbleibt. Das spec. Gewicht ist 3,525. Die Gesammtanalyse gab: Eisen 11,06 Nickel 1,30 Zinn 0,17 Schwefel '2,21 Chromeisen 0,71 154 Entfernung des Phosphors aus Gusseisen. Kieselsäure 37,47 Thonerde 3,65 Eisenoxydul 13,89 Manganoxydul Spuren Talkerde 24,40 Kalk 2,61 Natron und Kali 2,26 99,72. Die Elemente sind folgendermaassen gruppirt: Eisen mit Nickel, Zinn, Spu- ren von Phosphor 8,67 Schwefelkies 6,06 Chromeisen 0,71 Silicate 84,28 99,72. (Compt. rend. 58. 169. — Joum. für prakt. Chemie. Bd. 91. Heft 4.) B. lieber einen Magnetberg. Der Magnetberg der deutschen Sage ist zu einer naturhistorischen Wahrheit geworden. In Schwedisch- Lappland ist ein magnetischer Berg entdeckt worden. Er ist von einer Ader magnetischen Eisens durchzogen, die eine Dicke von mehreren Fuss hat und die reichste bisher bekannte sein soll. Der Eigenthümer des Berges hat die Mine bereits aufgeschlossen, in der Hoffnung, die ganze Welt mit Magneten von grosser Kraft zu ver- sehen. Einen dieser Magnete, der 68 schwedische Pfund wiegt, hat bereits der im Fache der Elektricität ausge- zeichnete Gelehrte Professor Dove in Berlin erworben. (Yearbook of Facts. 1864.) B. Entfernung des Phosphors aus Gusseisen. H. Caron hat zahlreiche Versuche angestellt zur Entfernung des Phosphors aus dem Gusseisen ; dieselben sind nicht allein vergebens gewesen, sondern haben auch ergeben, dass das Gusseisen den dasselbe umgebenden Phosphor im Augenblicke seiner Bildung zum grössten Theile absorbirt, besonders wenn die Schlacke kieselhal- tig ist. So behandelte Caron mehrere Male ganz phos- phorfreie Mineralien mit Holzkohle unter Zusatz von Kalk- phosphat und Kieselsäure und fand constant in der so gewonnenen Schmelze allen Phosphor des zugesetzten Phosphats. Seine Versuche stellte Caron mit einem Eisen- carbonate von Benndorf an, das er in einem Tiegel redu- cirte, der mit Kohle gefüttert war, welcher er Kalkphos- Genaue Bestimmung des Eisens. 155 phat zugesetzt hatte. Die Menge des Kalkphosphats wurde nach der Ausbeute des Minerals berechnet, so dass 1 Proc. Phosphor in die Schmelze eingeführt werden konnte. Bei Reduction mit 15 Proc. Kieselsäure enthielt das Eisen 0,92 Proc. Phosphor, bei Reduction mit 10 Proc. Kieselsäure 0,89, mit 5 Proc. Kieselsäure 0,87, ohne Zu- schlag 0,85, bei Zuschlag von 5 oder 10 Proc. Kalkcar- bonat 0,82 Proc. Phosphor. Da es demnach kein Mittel zu geben scheint, dem Eisen den Phosphor zu entziehen, und da die Schmelze sich stets mit dem Phosphor verbindet, wenn sie ihn trifft, so muss Alles vermieden werden, was die Einführung Vismutho\vd als Desinfections- mittel. Bringt man basisch -salpetersaures Wismuthoxyd auf eine eiternde Wunde, so verbessert sich diese bald; in einigen Stunden ist der üble Geruch verschwunden und die Vernarbung geht rasch vor sich. Mit Erfolg wandte Riemslay das Mittel auch bei scrophulösen Geschwüren an. (Arch. de med. milit. 1863.) B. Reaction auf Antimon. Giesst man eine mit Salzsäure angesäuerte Auflösung eines Antimonsalzes in die Vertiefung eines blanken Pla- tintiegeldeckels oder ein anderes kleines Platingefäss und legt ein Stückchen Zink hinein, so schlägt sich nach Fresenius (Ztschr. für analyt. Chem. 1. 144.) bei concen- trirteren Lösungen sofort, bei sehr verdünnten aber erst Auf elektrischem Wege niedergeschlagenes Antimon. 165 nach einiger Zeit das Antimon auf der Platinfläche nie- der und überzieht dieselbe mit einem bei sehr dünnen Schichten braunen, bei dickeren braunschwarzen bis schwarzen Niederschlage. Diese Erscheinung ist so cha- rakteristisch, dass sie bei den kleinsten Mengen Antimon eintritt. Gleichzeitige Anwesenheit von Zinn oder Arsen wirkt nicht störend ein. (Wittst.Vierteljahrsschr. Bd. 13. S. 275.) B. Eigenschaften des auf elektrischem AVege niedergeschlagenen Antimons. Wird ein elektrischer Strom mittelst einer Anode von Antimon und einer Kathode von Silber durch eine Lösung von Antimonchlorid geleitet, so bedeckt sich die Kathode mit einem glänzend schwarzen, amorphen, metal- lischen Ueberzuge, welcher, mit einer Nadel gerieben oder mit einem heissen Drahte berührt, sich plötzlich um mehrere Hundert Fahrenheit'sche Grade erhitzt und eine kleine Menge saurer Dämpfe ausstösst. Bei Anwendung des Brom- oder Jodantimons statt des Chlorantimons äussern sich diese Eigenschaften weniger hervortretend, bei Fluor- antimon gar nicht. Durch Sättigen von 2 Maassen Salz- säure mit Oxyd oder Oxycblorid und Hinzufügen von 1 Maass Säure erhält man die geeigneteste Losung. Verlangsamt man nach und nach die Ablagerung des Niederschlages, so verändert sich ganz plötzlich der Charakter des sich absetzenden Metalls, indem die graue krystallinische Varietät zu erscheinen anfängt. Diese Veränderung findet ganz plötzlich ohne allmäligen Ueber- gang statt, so dass man die beiden Metallschichten durch ein Messer trennen kann. Gemeinsam mit derartigen Niederschlägen überhaupt befinden sich die äussern und innern Oberflächen des Metalls in einer ungleichen mole- cularen Spannung, die sich durch Zusammenrollen klei- ner Platten äussert, wodurch sehr häufig ein schwacher Ton hervorgebracht wird. Verfährt man vorsichtig, so t sich der Niederschlag pulvern, ohne seine Wärme zu entwickeln, er verliert aber, in gepulvertem Zustande längere Zeit aufbewahrt, seine merkwürdigen Eigenschaf- ten. Als O. Gore einen Niederschlag auf einem '/g Zoll starken Zinnstäbchen mit einem erhitzten Drahte berührte, entwickelte jener genügende Hitze, um das Zinn zu schmelzen. Das tpec. Gewicht der activen Varietät ist §,739 — 6,944, das der inactiven G,:JG.'{D — C,G7.'5. Auch 166 Flammenreaction auf Kupfer. ist der Uebergang aus dem einen in den andern Zustand gleichzeig mit einer Farbenveränderung verbunden. Die Analyse des activen Niederschlages ergab 93,36 Antimon, 5,98 Chlorantimon und 0,46 Salzsäure, unter allen Umständen verliert er seine activen Eigenschaften, wenn man ihm das Chlorantimon entzieht. Die aus Lösungen von Brom- und Jodantimon erhal- tenen Niederschläge zeigen ähnliche Eigenschaften, aber durchaus nicht so energisch. Der erstere enthält 20 Proc, der letztere 22,2 Proc. nichtmetallische Substanzen, wäh- rend der aus Chlorantimon erhaltene bloss 6,3 Proc. da- von enthält. Jede dieser verschiedenen Varietäten kann man nach G. Gore als eine schwache chemische Verbindung zwi- schen metallischem Antimon und einem Salze desselben ansehen, und derselbe glaubt auch durch verschiedene Umstände überzeugt zu sein, dass sie nicht bloss mecha- nische Mischungen sind. (Chem. Soc. Journ. 1863. — Chem. Centrbl. 1864. 17.) B. Uebcr die Flammenreaction auf Kupfer. Die blaue Färbung, welche Chlorkupfer der Flamme ertheilt, wird durch viel Alkalisalz verdeckt. Sie lässt sich jedoch in einer Mischung, welche auf 1 Th. Kupfer 3000 Th. Kochsalz enthält, noch wahrnehmen, wenn man sie mit !/ 3 Vol. Salmiak mischt, mit Wasser oder besser mit Salzsäure zu einem dicken Teige formt und von die- sem etwas auf einem Eisendrahte in den aussersten Saum einer Spiritusflamme bringt, die sich besser dazu eignet, als eine Gasflamme. Der Salmiak befördert die Bildung von Chlorkupfer und hält durch seine Verdampfung die Temperatur so niedrig, dass die Natronreaction schwach bleibt und die azurblaue Kupferfärbung daher deutlich hervortritt. F. Stolba hat auf diese Weise mit Leich- tigkeit das Kupfer in der Asche des Blutes, Bieres u. s. w. nachweisen können. {Journ. für prakt. Chemie. Bd. 90. ß. 460.) B. Löthrohrreaction auf Hupfer. B. W. Gerland benutzt zu Löthrohranalysen die Gasflamme und findet sie für alle Zwecke der qualitati- ven und quantitativen Analyse verwendbar, hat damit aber nicht die undurchsichtige rothe Kupferfarbe in der Re- ductionsflamme darstellen können, statt dessen aber eine LöthroJrrreaction auf Kupfer, 167 bisher nicht angegebene Reaction, die Farbe des rothen Kupferoxydulglases, erhalten. Die aus der innern Flamme entfernte Boraxprobe ist völlig durchsichtig und farblos und bleibt so beim Erkalten ; erhitzt man sie aber gelinde, so entwickelt sich ohne Trübung der Probe eine schöne Rubinfarbe, die durchs Erkalten nicht verändert wird. Die Reaction ist sehr empfindlich ; wenn so wenig Kupfer vorhanden ist, dass die Probe in der Oxydationsflamme kaum bemerkbar bläulich gefärbt wird, so tritt bei der erwähnten Behandlung entschiedene Rubinfarbe auf; das bei Befeuchtung des Kupferbrenners mit Salzsäure ver- flüchtigte Kupfer genügt, sie hervorzurufen. Die Reac- tion wird nicht durch andere Metalle verdeckt, wenn de- ren Menge nicht allzu gross ist, um, z. B. bei Blei und Wismuth, die Perle ganz undurchsichtig zu machen; aber auch dann gelingt es leicht, die Metalle grösstentheils in Flocken abzuscheiden, so dass die Rubinfarbe erkenn- bar wird. Bei Gegenwart von Chrom ist das Kupfer durch die Aenderung in der grünen Farbe beim Wieder- erhitzen zu erkennen. Ist viel Molybdän vorhanden, so ist es rathsam, es durch fortgesetztes Erhitzen zu ver- flüchtigen, da solches bei hinreichender Menge die Borax- probe in der Reductionsflamme durchsichtig rothbraun und beim Wiedererhitzen undurchsichtig und dunkelbraun macht. Die Rubinfarbung scheint beini ersten Erweichen de3 oxydirten Glases aufzutreten und verschwindet beim Schmelzen desselben. Auch Phosphorsalz giebt die Fär- bung, wie Berzelius bereits erwähnt hat, doch ist die Reaction weniger empfindlich und wegen der leichteren Schmelzbarkeit desselben schwieriger zu beobachten. Zu- satz von metallischem Zinn zur leichteren Reduction des Kupferoxyds ist ohne Einfluss auf die Reaction. In allen Fällen, wo die Rubinfärbung erhalten wurde, hatte sicli metallisches Kupfer abgeschieden und mit dem Platin- draht legirt; durch hinlänglich langes Behandeln in der Reductionsflamme kann das Kupfer gänzlich aus dem Glase entfernt werden. (Cliem. News. 1864. — Chem. Cen- tralblatt. 1864. 42.) B. Schwcfelkupfer - Schwcfelanimonium. Man versetzt nach II. Peltzer eine verdünnte Lö- sung von Kupfervitriol mit Ammoniak im Ueberschuss und lässt sie in gewöhnliches Mehrfach-Schwefelammonium so lange eintröpfeln, bis ein permanenter Niederschlag 168 Quecksilberprocliiction der Erde, entsteht, filtrirt in einen Kolben, der bis oben angefüllt werden muss, und verkorkt denselben. Nach ein bis zwei Tagen hat sich ein rothes Salz mit nur wenig Schwefel abgeschieden. Dieses Salz ist sehr wenig be- ständig und wird rasch braun unter Verlust von Schwe- felammonium und endlich schwarz. Durch Pressen zwi- schen Fliesspapier befreit man es von dem anhängenden Schwefelammonium und von der Feuchtigkeit, wobei es sich bräunt, aber häufig die krystallinisehe Textur noch beibehält; durch Ueberleiten von trockenem Schwefel- ammonium lässt es sich dann wieder regeneriren und nimmt wiederum eine hochrothe Farbe an. Die Analyse giebt sehr schwankende Resultate, weil sich das Salz nicht frei von beigemengtem Schwefel dar- stellen lässt. Die Formel H^NC^S? = H*NS + 2CuS3 für dasselbe ist die wahrscheinlichste. (Annal. der CTiem. u. Pharm. CXXVIIL 180 — 189.) G. Die Quecksilberproduction der Erde. Man schätzt die jährliche Gesammtproduction der Erde an Quecksilber auf 61,000 Ctr., wovon auf Spanien (Alma- den) 20,000, auf Californien (Neu-Almaden) 28,000, auf an- dere californische Gruben 7500, auf Peru 3000 und auf Deutschland mit Oesterreich und Frankreich 2500 Ctr. ge- rechnet werden. Man nimmt an, dass Mexiko, Peru, Chili und Bolivia jährlich zur Silberextraction 23,000, China und Japan zur Zinnoberfabrikation und Silberex- traction 10,000, Australien und Californien zur Silber- und Goldextraction, Europa und die Vereinigten Staaten von Nordamerika für ihre Industrie 12,000 Ctr. Quecksilber bedürfen, so dass also das jährliche Verbrauchsquantum auf wenigstens 51,000 Ctr. angenommen werden darf, und mithin der Bedarf der alten und neuen Welt an Queck- silber hinreichend gedeckt erscheint. (A. Z. 1864.) B. Vorkommen von metallischem Quecksilber im Emmen- thaler Käse wurde von meinem Assistenten Herrn Wein hold und von mir vor Kurzem hier beobachtet. Dasselbe sass im In- nern der Rinde. Sollten vielleicht Lederbeutel, in denen vorher Quecksilber befindlich gewesen, bei Bereitung sol- chen Käses benutzt worden sein? Solches quecksilberhal- tiges Leder wird auch zuweilen höchst unpassend zur Verbindung von Säureffaschen benutzt. Jena, den 13. Juli 1865. H. Ludwig. Reduction des Chlorsilbers auf nassem Wege. 169 Vorkommen metallischen Quecksilbers in Lintorf bei Ratingen. Unter dem 10. November d. J. wird aus Lintorf be- richtet : Ein seltener Fund ist in unserer Nähe gethan worden. Man hat nämlich Quecksilber entdeckt. Merk- würdig ist dieser Fund deshalb, weil das Quecksilber in metallischer Form, als kleine, hellglänzende Kügelchen vorkommt, während es gewöhnlich, an Schwefel gebun- den, als Zinnober gewonnen wird. Die Lagerstätte des Quecksilbers ist 1 bis 5 Fuss mächtig und bildet die un- terste Schicht eines 60 Fuss mächtigen Thonlagers, auf Dechen's geologischer Karte als Thon von Ratingen be- zeichnet, zur Braunkohlenf'ormation gehörend. Die me- tallführende Schicht besteht aus einem Conglomerat von abgerundeten Schieferbrocken mit einem chloritischen Bindemittel, beide Bestandtheile im durchweichten Zu- stande. (Essen. Ztg. 1864.) B. Reduction des Chlorsilbers auf nassem Wege. Nach Brunner lost man gut ausgewaschenes feuch- tes Chlorsilber in Ammoniak und lässt die Lösung tr op fen- weise oder in einem schwachen Strahle in eine klare siedende Lösung von 1 Th. Stärkezucker und 3 Th. kohlensauren Natron in 40 Th. Wasser fallen, ohne das Sieden zu unterbrechen. Ein günstiges Verhältniss ist auf 3 Th. metallisches Silber 5 Th. Stärkezucker. Nach dem Eintragen der Silberlösung lässt man noch einige Minuten kochen, giesst von dem abgesetzten Niederschlage die Flüssigkeit ab und wäscht sie zuerst mit schwacher Salzlösung, dann mit Wasser. Das so dargestellte Silber ist hellgrau mit einem Stiche ins Gelbliche und wird, auf 300° erhitzt, silberweiss. In Salpetersäure ist es ohne Rück- stand löslich. Mischt man die ammoniakalische Silber- lösung mit der Zucker- und Natronlösung und erhitzt dann, so scheidet sich Chlorsilber aus, welches nicht mehr zer- setzt wird. Rohrzucker bewirkt unvollkommene Reduc- tion, Milchzucker wirkt besser. (Bern. Mitth. No.556. — Journ.fürprakt Chetn. Bd. 91. 8:264,) B. Kalte Versilberung des Glases, Nach A. Martin (Compt. rend. T, 66.) erhält man am leichtesten nach folgender Methode eine sehr schöne und gut haftende Silberschicht auf Glas. Man bereitet : 110 Versilberung des Glases auf kaltem Wege. 1) eine Lösung von 10 Grm. salpetersauren Silberoxyd in 100 Grm. destillirten Wasser; 2) eine Lösung von reinem Ammoniak, 13° Cart. stark; 3) eine Lösung von 20 Grm. reinem Aetznatron in 500 Grm. Wasser; 4) eine Lösung von 25 Grm. gewöhnlichen weissen Zucker in 200 Grm. Wasser, fügt dieser 1 C.C. Salpeter- säure von 36° zu, lässt während 20 Minuten kochen, um die Intervertirung des Zuckers zu bewirken und ergänzt durch Zusatz von Wasser und von 50 C.C. Alkohol von 360 auf 500 C.C. Nun giesst man in einer Flasche 12 C.C. der Silber- lösung mit 8 C.C. der Ammoniaklösung und 20 C.C. der Natronlösung zusammen und ergänzt durch Wasserzusatz (60 C.C.) auf 100 C.C. Sind die Verhältnisse gut eingehalten, so bleibt die Mischung klar und ein Tropfen Silberlösung muss einen bleibenden Niederschlag darin hervorbringen ; man lässt sie in allen Fällen 24 ^Stunden stehen, sie ist dann zum Gebrauche fertig. Die zu versilbernde Oberfläche des Glases reinigt man gut mit einem Baumwollenballen, der mit ein Paar Tro- pfen Salpetersäure befeuchtet ist, spült mit Wasser ab, lässt abtropfen und legt dann das Glas auf einer Unter- lage auf die Oberfläche des beschriebenen Silberbades, dem noch ^q — ! /| 2 der Zuckerlösung (4) zugesetzt wor- den ist. Unter dem Einflüsse des zerstreuten Lichts wird die Flüssigkeit, in welche die Oberfläche des zu versilbernden Gegenstandes taucht, erst gelb, dann braun, nach Verlauf von 2 — 5 Minuten überzieht die Versilbe- rung die ganze Oberfläche des Glases und nach 10 — 15 Minuten hat sie die gewünschte Dicke. Man wäscht dann mit Wasser ab, lässt abtropfen und in freier Luft trocknen. Die trockne Oberfläche hat alsdann eine Politur, die mit einem leichten weisslichen Hauch bedeckt ist, den man durch einen mit Polirroth bestäubten Ballen aus weichem Leder leicht hinwegnehmen kann. (Journ.fiir prakt.Chem. Bd. 91. Heft 7.) B. * Versilberung des Glases auf kaltem Wege. Das Verfahren von Petitjean zur Herstellung von Silberspiegeln besteht in der Keducirung einer ammonia- kalischen Lösung von Silberoxyd durch Anwendung von Weinsäure oder weinsaurem Alkali bei einer Temperatur Versilberung des Glases auf kaltem Wege. 171 von 90° C. Durch den Umstand, dass angeschimmelte Lösungen von Weinsäure diese Reduction bisweilen bes- ser hervorbringen, fand sich F. Bethe veranlasst, Un- tersuchungen über die bei dieser Reaction entstehenden Verbindungen anzustellen, deren Resultate zunächst die Entdeckung einer neuen organischen Säure war, über welche sich Bethe weitere Mittheilungen vorbehält. Die bei dem zu beschreibenden Verfahren der Glas- versilberung zu verwendenden Flüssigkeiten werden auf folgende Weise dargestellt. 1. Die Silberlösung. Salpetersaures Silberoxyd wird in Wasser gelöst und nach und nach so lange mit Ammoniakwasser versetzt, bis der entstandene braune Niederschlag fast vollständig wieder verschwunden ist, darauf die Flüssigkeit filtrirt und so weit mit Wasser verdünnt, dass aus 1,00 Grm. Silbersalz 100 C.C. Lösung entstehen. 2. Die Reductionsflüssigkeit. Eine wässerige Lösung von salpetersaurem Silberoxyd wird mit Seignette- salzlösung gefällt, der Niederschlag auf ein grosses Fil- ter gebracht und nach dem Abtropfen auf dem Filter selbst mit siedendem Wasser Übergossen, in welchem er sich unter Schwärzung zum grössten Theile löst. Auf 10,0 Grm. Silbersalz sind 8,290 Grm. Seignettesalz erforderlich und es bedarf der entstandene Niederschlag circa 5 Liter Wasser zur Zersetzung und Lösung. Aus der erkalteten Lösung scheidet sich leicht das Silbersalz einer neuen or- ganischen Säure, welche ihres hohen Sau erstofTgeh altes wegen von Bethe Oxyweinsäure genannt worden ist, in Krystallen aus, die sich in erwärmtem Wasser vollständig und ohne Zersetzung lösen. 3. Die Zu satzflüssigkeit. Dieselbe erhält man durch Auflösen von 1,00 Grm. des Seignettesalzes zu 50 C. C. Lösung. Werden gleiche Raumtheile der Flüssigkeiten 1 und 2 gemischt, so beginnt alsbald die langsame Ausscheidung reducirten Silbers, welches sich spiegelnd an Glasflächen ansetzt und eine mit tiefblauer Farbe durchsichtige, fest- haftende Schicht bildet. Setzt man nun auf 100 C.C. der genannten Mischung 1 — 2 C.C. der unter 3 beschrie- benen Seignettesalzlösung hinzu, so scheidet sich ein dich- teres und weisseres Silber aus. Die Herstellung einer inneren Versilberung von Glas- gefässen geschieht ohne Weiteres durch Eingiessen der beschriebenen Mischung, in 3 — 4 Stunden ist die Schicht 172 Glasversilberung. hinreichend dick und lässt sich nach dem Reinigen mit Wasser und vollständigen Trocknen durch Firniss dauer- haft schützen. Spiegelglasplatten erfordern eine sorgfäl- tige Reinigung mit Salpetersäure, mit präcipitirter koh- lensaurer Kalkerde oder Magnesia und weingeistiger Lö- sung von Benzol. Die so vorbereitete Platte wird dann mit einer verdünnten Seignettesalzlösung (1,00 Grm. auf 200 bis 300 C.C. Wasser) benetzt, horizontal gelegt und uit der bezüglichen Mischung 1 — 2 Millim. hoch übergössen. Zur Erzeugung eines schönen Spiegels ist es zweckmäs- sig, die Flüssigkeit nach 1 oder 2 Stunden abzugiessen, die Platte abzuspülen und aufs Neue Flüssigkeit darauf zu bringen, da nur auf diese Weise die kleinen Oeffnun- gen, welche durch die unvermeidlichen Staubtheilchen entstehen, vollständig beseitigt werden können. Nach dem Abspülen und Trocknen verträgt die Schicht ein Firnissen und ist dann vollständig dauerhaft. Das beschriebene Verfahren ist von Bethe durch beinahe fünf Jahre erprobt worden und besitzt nach dem- selben den Vorzug vor allen bisher publicirten Methoden. Auf 1 Quadratmeter Fläche bedarf man für 2 Millim. Dicke der benetzenden Schicht nur 2 Liter Flüssigkeit, also 10,00 Grm. salpetersaures Silberoxyd in ammoniakali- scher Lösung und 2,00 Grm. zur Herstellung der Reduc- tionsflüssigkeit. Die abgegossene Flüssigkeit enthält 50 — 60 Proc. der angewendeten Silbermenge, und lässt sich zwar nicht wie- der zur Erzeugung der ersten, spiegelnden Silberschicht verwenden, doch aber nach Zusatz einiger Tropfen einer Lösung von salpetersaurem Silberoxyd und neuer Reduc- tionsflussigkeit zur Verstärkung dieser Schicht. (Journ. für jjract. Chemie. Bd. 92. 3u.4.) B. lieber Clasversilberung. C. Finckh in Tübingen hat sämmtliche Methoden der Glasversilberung bei Herstellung einiger Silberspiegel zu optischen Zwecken geprüft und giebt in Folgendem das von Lieb ig gebräuchliche Verfahren dazu an. Die von Lieb ig vorgeschlagene Silberlösung ist fol- gende : 1 Th. salpetersaures Silberoxyd löst man in 20 Theilen destillirten Wasser, versetzt mit reiner Ammo- niakflüssigkeit, bis der entstandene Niederschlag sich eben wieder gelöst hat, fügt 45 — 50 Th. einer caustischen Natronlauge von 1,03 spec. Gew. zu und löst den sich Gewinnung der Metalle aus den Platinriickständen. 173 hierbei bildenden Niederschlag wieder in Ammoniak auf. Um jeden Ueberschuss von freiem Ammoniak wegzuneh- men, giebt man einige Tropfen Silberlösung zu, bis ein bleibender Niederschlag entstanden ist, und verdünnt das Ganze mit destillirtem Wasser, bis es 150 Theile gewor- den sind. Diese Mischung hält sich sehr gut und kann längere Zeit aufbewahrt werden, wenn sie in gut verschlossene Gefässe gebracht wird. Zur Glasversilberung mischt man sie mit l j l0 Th. einer lOproc. Milchzuckerlösung, welche ganz klar und frisch bereitet sein muss. Die zu versil- bernde Glasfläche polirt man mit sehr fein geschlämmtem Zinnoxyd oder Eisenoxyd, wäscht zuerst mit Salpetersäure, hierauf mit reiner Natronlauge und zuletzt mit destillirtem Wasser ab, bis die ganze Fläche gleichförmig benetzt ist. Das so vorbereitete Glas befestigt man mittelst Kleb- wachs an einem durch ein Stativ gehaltenen Stab, senkt ihn in ein Glasgefäss bis auf l / 2 Zoll Entfernung vom Boden desselben ein und giesst so viel von der mit Milchzuckerlösung vermischten Versilberungsflüssigkeit ein, bis sie eben das Glas berührt. Nach Ablauf von 3 — 4 Stunden wird alles Silber daraus gefällt sein, man nimmt das versilberte Glas aus der Flüssigkeit, wäscht es vorsichtig mit destillirtem Was- ser ab und lässt es in schiefer Stellung vollkommen ab- trocknen. Während der Versilberung muss man das Glas auf der Oberfläche der Flüssigkeit etwas bewegen, damit sich das zugleich mit ausscheidende pulverförmige Silber leichter zu Boden setzt und sich nicht an den Spiegel anlegt. Zur Haltbarmachung der Silberbelegung über- zieht man die äusserst dünne Silberschicht mit einem Firniss von Leinöl und Mennige, oder, wenn man einen schneller trocknenden Ueberzug wünscht, mit einer Lö- sung von 20 Th. Dammar, 3 Th. Asphalt, 5 Th. Gutta- percha in 75 Th. Benzol, einer Mischung, welche einen Tag nach dem Auftragen trocken ist. Die am Glase haftende Silberschicht beträgt sehr wenig, so dass ein grosser Theil des verwandten Silbers aus den Waschflüssig- keiten wieder erhalten werden kann. (Gwbabl. ausWürtemb.) B. >Ictlio ä 1/2 4- Haidinger, W., ein vorhomeriseher Fall von zwei Meteorstein- massen bei Troja. Lex.-8. (8 S.) Wien, Gerold's Sohn. n. 2 syr. Handwörterbuch der reinen u. angewandten Chemie. Redig. v. Prof. Dr. H. v. Fehling. Mit Holzschn. 9. Bd. 7—10. Lief. (In der Reihe die 62— 65. (Schluss-) Lief.) gr. 8. (S. 769— 1231.) Braunschweig, Vieweg u. Sohn, ä n. 2 / 3 4- Hedwigia, Notizblatt für kryptogamische Studien nebst Repeti- torium für kryptogam. Literatur. Redig. v. Dr. L. Rabenhorst. Jahrg. 1865. 12 Nrn. Mit Steintaf. Dresden, Burdach. n. 2 4- Heer, Prof. Dr. Osw., die Urwelt der Schweiz. 12. u. 13. Lief. Lex.-8. (XXIX u. S. 497 — 622 mit eingedr. Holzschn. u. 1 Holzschntaf. in Tondr.) Zürich, Schulthess. 5 / 6 4- (compl. 4 J /2 4-) Henkel, Prof. Dr. J. B. u. W. Höchste tt er, Synopsis der Nadel- hölzer, deren charakteristische Merkmale nebst Andeutungen über ihre Cultur und Ausdauer in Deutschlands Klima, gr. 8. (XXIX u. 417 S.) Stuttgart, Cotta. 2 4. Heuglin, M. Th. v., Beiträge zur Zoologie Central -Afrikas. Mit 1 lith. Taf. gr. 4. (15 S.) Dresden 1864. (Jena, Fr. From- mann.) n. 5 / 6 4- Kern er, A. u. J., Herbarium österreichischer Weiden. 3. Decade. Fol. (10 Bl. mit aufgekl. Pflanzen u. 1 Bl. Text.) Innsbruck, Wagner. In Mappe baar ä n. 1 4- Kirchenpauer, Senator Dr., neue Serrulariden aus verschiedenen Hamburg. Sammlungen, nebst allgem. Bemerkungen über La- Bibliographischer Anzeiger. 191 mouroux' Gattung Dynamena. Mit 1 lith. Taf. in qu. Fol. gr. 4. 16 S. Dresden 1864. (Jena, Fr. Frommann.) n. % 4. Leitgeb, Dr. H., die Luftwurzeln der Orchideen. Mit 3 lith. Taf. Imp.-4. (46 S.) Wien 1864, Gerold's Sohn in Commiss. n. I x k4^ Lersch, Dr. B. M., Hydro -Physik od. Lehre vom physikalischen Verhalten der natürlichen Wässer, namentlich von der Bildung der kalten u. warmen Quellen. 2. Aufl. Lex.-8. (VI u. 283 S. mit eingedr. Holzschn., 4 Stein- u. Holzschn.) Berlin, Hirsch- wald, n. 12/ 3 4. Marquart, Dr. Clamor, Lehrbuch der prakt. u. theoret. Pharma- cie. 2. Aufl. Bearb. von Dr. Ernst Hallier u. Prof. Dr. Herrn. Ludwig. 4 — 6. Heft. gr. 8. (1. Bd. XX u. S. 481 — 511 u. 2. Bd. S. 1 — 432 mit eingedr. Holzschn.) Mainz, Kuntze. n. 2/3 4. Marti us, Dr. Carol. Frid. Phil, de, Flora Brasiliensis sive enume- ratio plantarum in Brasilia hactenus detectarum. Fase. XXXVI — XXXVIII. gr. Fol. (236 Sp. u. 42 Steintaf.) Leipzig, Fr. Fleischer in Commiss. n. 18 4 18 sgr. (1—38 n. 354,$ 29 «gr.) Meyer, H.A. u. K. Möbius, Fauna der Kieler Bucht. A. u.d. T. Die Hinterkeimer oder Oxistobranchia der Kieler Bucht. Mit 26 lith. Taf. Fol. (138 S.) Leipzig, Engel mann. cart. n. 10.$. Milde, Dr. Jul., die höheren Sporenpflanzen Deutschlands u. der Schweiz, gr. 8. (VIII u. 152 S.) Leipzig, Felix. 27 sgr. Mohr, Med.-Rath Dr. Fr., Commentar zur preuss. Pharmakopoe, nebst Uebersetzung des Textes. 3. umgearb. Aufl. 5te bis 8te (Schluss-) Lief. gr. 8. (XXII u. S. 385- 703.) Braunschweig, Vieweg & Sohn, ä n. 1/2 *$•- Muspratt's theoret., prakt. und analyt. Chemie, in Anwendung auf Künste und Gewerbe. Frei bearb. von Dr. F. Stohmann. 2. Aufl. 1. Bd. 20 - 23. Lief. gr. 4. (XX. Sp. 1217-1470.) Braunschweig, Schwetschke u. Sohn, a n. 12 «jr. Palaeoutographica. Beiträge zur Naturgeschichte der Vorwelt. 13. Bd. Herausg. von Dr. Wilh. Dunker. 3. Lief. u. 14. Bd. Herausg. v. Herrn, v. Mever. 1. Lief. 4. Cassel, Fischer, n. 11 A (I— XII. 4. XIII. 1-3. XIV. 1. n. 282i/ 3 4.) Pringsneim, Dr. N., über Richtung und Erfolge der kryptogami- ßchen Studien neuerer Zeit. 8. (29 S.) Jena, F. Frommann. 6 «gr. Reichenbach, Hofrath Dir. Prof. Dr. H, G. Ludw. und Prof. A. Gust. Reichenbach, Deutschlands Flora mit höchst naturgetr. Abbild. No. 257 - 260. gr. 4. (40 Kupftaf. u. 16 S. Text in Lex.-8.) Leipzig, Abel, ä n. 5 / 6 4\ col. ä n. 1 1/2 4- dasselbe. Wohlf. Ausgabe; halbcol. 1. Ser. Heft 189— 192. Lex.-8. (40 Kupftaf. u. 16 S. Text.) Ebd. k n. 16 s 9 r. — — (Iconographia botanica.) Icones florae germanicae et helve- ticae nimul terrarum adjacentium ergo mediae Europae. Tom. XXI. Dccas 8—11. (gr. 4. 80 Kupftaf. u. 16 S. Text) Ebd. a n. 5/ fi 4- col. a n. l»/ 2 4- Böftmann, Dr« mathematisch -physikalische Studien. 8. (44 S. mit 1 Steint&f.) Wohlau 1864. (Königsberg, Theile.) baar 2 !z4- Rubini, Giov. Furd., dell' ozono. Monografia. 8. (39 S.) Tricst 1864, Coen. 8 «gr. Schacht, Dr. J. B. und F. W. LftUZ, Preise von Arzneimitteln, welch»; in der 7. Ausg. der Preuss. Landes-Pharmakopöe nicht enthalten sind, zusammengestellt mit den Arzneimittclpreisen 192 Bibliographischer Anzeiger. — Erklärung. der Königl. Preuss. Arzneitaxe für das J. 1865 nach den Prin- cipien derselben berechnet, gr. 4. 64 S. Berlin, Gärtner, baar n. J/3 4- Schmidlin, Ed., populäre Botanik. 2. Aufl. (In 17 — 18 Lief.) l.Lief. gr. 8. (48 S. mit 4 col. Steintaf.) Stuttgart, G. Wiese. V 4 4- Sehr ötter, Prof. A., über ein vereinfachtes Verfahren, das Li- thium, Rubidium, Cäsium und Thallium aus Lithiumglimmer zu gewinnen. Lex.-8. Schwabe, Hofr. Sam. Heinr., Flora von Anhalt. 2te (deutsche) _ Ausg. 8. (XI u. 419 S.) Dessau, Neubürger. l'/ 2 4 Spill er, Prof. Pb., populäre Physik für Handwerker, Gewerbtrei- bende etc. Mit in den Text gedr. Holzschn. 3— 5. Lief. gr. 8. (S. 129— 320.) Berlin, Oehmigke's Verl. k n. l/e 4- Stefan, J., über Nebenringe am Newton -FarbeDglase. Lex.- 8. (3 S.) Wien 1864, Gerold's Sohn. li/ 2 sgr. Stille, Werner, über eine Bestimmungsart von Arbeitsleistungen chemischer Verwandtschaftskräfte. Inaug.-Dissert. gr. 8. (32 S.) Göttingen, Deuerlich. n. ^6 4- Tabula stoechiometrica, pondera aequivalentia mixtionis complec- tens. Tabelle der Formeln u. Aequivalente der Grundstoffe u. d. ehem. Verbindungen, gr. 8. (117 S.) Lissa, Günther's Verl. 1 4. Taschenberg, Dr. E. L., Naturgeschichte der wirbellosen Thiere, die in Deutschland, so wie in den Provinzen Preussen u. Posen den Feld-, Wiesen- u. Weide-Culturpflanzen schädlich werden. Mit 7 lith. col. Taf. Lex.-8. (XII u. 288 S.) Leipzig, Kum- mer, n. 3 4- Unger, Prof. F., Beiträge zur Anatomie u. Physiologie der Pflan- zen. Mit 1 lith. u. col. Taf. Lex.- 8. (35 S.) Wien, Gerold's Sohn. 12 sgr. Veränderungen der Königl. preuss. Arzneitaxe für die Hoben- zollernschen Lande für 1865. gr. 8. (14 S.) Berlin, Gärtner, baar n. 2'/2 s $ r - Wagner, Dr. Mor., Beiträge zur Meteorologie u. Klimatologie von Mittel -Amerika. gr. 4. (31 S.) Dresden 1864. (Jena, Fr. Frommann.) n. % 4- Mr. Erklärung. In einer von dem Buchhändler, Herrn Gustav Poenicke in Leipzig ausgehenden „Anweisung zum Gebrauche der Dr. A.Wer- ner 'sehen Schwedischen Lebensessenz" wird angegeben, dass die- ses Geheimmittel auf meine Veranlassung im Königl. Universitäts- Laboratorium chemisch untersucht und laut des betreffenden Gut- achtens vom 19. Mai 1863 von allen der Gesundheit schädlichen Stoffen frei gefunden worden sei. Ein solches Gutachten ist aber von mir nie gegeben oder veranlasst worden. Leipzig, den 9. Juli 1865. Dr. 0. L. Erdmann, Professor der Chemie an der Uni- versität zu Leipzig. Hofbuchdruckerei der Gebr. Jänecke zu Hannover. ARCHIV DERJHARME. CLXXUI. Bandes drittes Heft. I. Physik, Chemie und praktische Pliarmacie. Darstellung eines eiweisshaltigen Fleisch -Extractes auf Grundlage des kalten Fleisch -Aufgusses nach Liebig vom Jahre 1854; von Dr. med. W. Hörn in Bremen. Oeitdem ich Gelegenheit genommen, auf der letzten (39.) Naturforscher- Versammlung in Giessen über ein von mir ersonnenes Fleisch -Extract einige allgemeine Mitthei- lungen zu machen, habe ich es auch sofort für meine Schuldigkeit angesehen, in den den Herren Pharmaceu- ten zugängigsten Journalen eine detaillirtere Rechenschaft zu geben, als sie in einer General-Versammlung der Ge- sellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zulässig war. Dass es nicht früher geschah, indem die Erfindung schon aus dem Jahre 18G0 stammt, beruht indess nur auf mei- ner Erwartung, das Extract langsam um so sicherer zur vollen Anerkennung zu bringen, nicht auf einem Zau- dern meinerseits, vielleicht aus eigenem Interesse, oder vielmehr dem meines Mitarbeiters, des Herrn Apothekers Friedrich Toel hieselbst, des ersten Darstellers. Denn «•inestheils habe ich schon in der ersten Zeit dessen B&mmtliche Collegen am Orte mit der Bereitungsweise vollständig bekannt gemacht — fast Alle haben das Ex- tract selber dargestellt, Manche bezogen es aber nachher der Einfachheit halber lieber von Herrn Toel — andern- theila halte ich auch dafür, dass der Arzt, wenn er nicht Arch. d. Pharm. CLXXIII. Bda. 3. Ilft. 13 '194 Hörn, nebenher Kaufmann werden will, nach dem Inhalte des Hippokratischen Eides jedes Neue, das er zum Wohle der Menschheit erdacht zu haben meint, rückhaltlos der Oeffentlichkeit zu übergeben hat. Die Zeit der Geheim- mittel wird und soll vorüber sein. Und da ist es in der That nicht genug, dass einige allgemeine Angaben zur besseren Legitimation, etwa in Form einer den Laien bestechenden chemischen Analyse, dazu gegeben werden, oder dass man einige physiologische Reflexionen als Köder für Aerzte und Naturfreunde herbeizieht, den Wie- derverkäufern aber durch entsprechenden Rabatt den neuen Artikel mundgerecht macht. Aerzte und Apothe- ker haben das gleiche Interesse, materiell so wie ideell, zur Hebung ihres Standes, dass das Publicum sie nicht wegen eines entreissbaren Privilegs, einer Geheimniss- krämerei, die ja oft, nach den Erfahrungen aller Zeiten, auf Humbug hinausläuft, respectire, sondern nur wegen Leistungen, zu denen die ewig imponirende Wissenschaft sie autorisirt hat. Zur Versinnbildlichung dieser Har- monie hatte ich zu einer von sämmtlichen hiesigen Apo- thekern und Aerzten dem Senior dieser, Dr. Philipp Heineken, zum 50jährigen Doctor-Jubiläum am 12ten December 1860 veranstalteten Festlichkeit ein bis jetzt allerdings ungedrucktes Manuscript über Fleisch - Extract, Apotheker von den ersten Proben desselben dem Jubilar überreicht. Möge nun aber auch ferner dies Mittel in einer Zeit, in der die Receptur der Aerzte dem Laufe der Sache nach sich wesentlich gegen frühere Jahrzehnte geändert hat, andererseits die Notwendigkeit von Apo- theken überhaupt vielfach angefochten wird, einen neuen Beweis liefern, dass doch gerade „aus den Apotheken Gutes kommt". So viel zur Einleitung! Wie schon angeführt, kam ich 1860 auf die Idee, Liebig'sche (eiweisshaltige) „Bouillon" eindampfen zu las- sen. Angeblich sollte ein von Herrn Simon in Berlin verschicktes Extract so bereitet sein. Ganz richtig! Denn Liebig hat ja 1847 angegeben, wie man aus feingehack- Darstellvng eines eiweissshaltigen Fleisch-Extractes. 195 tem Fleische ohne zu frühe Anwendung der Hitze die beste Brühe erhielte; und diese, eingedampft, figurirt (vielleicht einzig auf Anlass des Herrn Dr. Breslau in München) seit 1848 als Extr. carn. Ph, bavar. Aus sol- cher, folglich eiweissloser Bouillon war also auch das Simon'sche Extract. Da wir nun aber in Bremen seit 1855 unter Liebig'scher „Bouillon" nur die eiweisshal- tige von 1854 verstehen, so forderte ich, anfänglich ganz arglos, Herrn Toel auf, selber diese einzudampfen, na- türlich bei 30° R. Das Resultat, das ganz anders als das Simon'sche Extract aussah, überraschte ihn nicht wenig. Da ich aber sofort das Gewonnene probirte, den Ge- schmack und (nach vielfacher früherer Uebung) an mir selbst die Nahrungswirkung für ganz ausgezeichnet erklä- ren musste, ermunterte ich ihn zur fortgesetzten Darstel- lung, erkennend, dass wir jetzt erst recht ein eiweisshal- tiges Fleisch-Extract gefunden hatten. Herr Toel kam nun, um bei 80° R. abdampfen zu können, auf den Versuch, durch Zutröpfeln von Alkohol das Eiweiss (in leicht löslicher Form) vorweg zu entfer- nen. Ein anderer Darsteller schlug Vertheilung der Flüs- sigkeit in viele Schalen bei 30° R. vor. So gingen einige Tage mit Experimenten der Techniker hin, die ich be- nutzte, um mich mit den bekannten Details der Natur der Eiweisskörper genauer vertraut zu machen, eigent- lich nur, um etwaige weitere Modifikationen der Tech- niker genauer controliren und verschiedene Vorschläge gegen einander abwägen zu können. Da wurde ich, besonders durch die Anleitung zur zoochemischen Analyse von Dr. v. Gorup-Besanez auf das Acid-Albumin des Prof. Panum in Kopenhagen auf- merksam. Bisher hatte es wahrscheinlich nur für die Urin -Untersuchung Bedeutung gehabt und die Vorsicht der Analytiker herausgefordert. Ich beschloss die Sache umzukehren und die Bedingungen herzustellen, um das Eiweiss nicht durch Ausfällung in der Hitze finden 13* 196 Hörn, zu können, um also die Flüssigkeit ohne Coagulation, sogar anfänglich bei 80° R. abzudampfen. Mit Hinzuziehung aller von Herrn Toel gewonne- nen technischen Erfahrungen, so weit sie sich von einem Nicht -Pharmaceuten beschreiben lassen, stellte ich vor jetzt 4^ Jahren folgende noch gültige Vorschrift als voll- ständig auf. 1 Pfund Fleisch, wie zu Liebig's Arbeiten ganz frisch, möglichst fettfrei, fein gehackt, wird eine Stunde lang mit der gleichen Menge Wassers und vorläufig den bekannten 8 Tropfen Salzsäure, aber ohne Kochsalzzusatz, macerirt. Auf das Colatorium gebracht, wird der Rück- stand, herabgenommen, noch einmal in der Porcellan- schale mit */ 2 Pfd. Wasser angerührt. Beim zweiten Coliren beginnt nun der vollständigste Unterschied von der Bereitung des Liebig'schen kalten Fleisch-Aufgusses. Da es uns nicht auf Klarheit der Flüssigkeit ankommt, und auch nachher filtrirt werden darf, so kann man jetzt auf dem Colatorium das Fleisch auspressen und erspart sich das dritte Aufgiessen, gewinnt alles Lösliche und erhält weniger Masse. Nicht sowohl, - um nun noch in der Wärme löslichere Salze zu gewinnen, sondern um den Brühgeruch zu er- zielen, wird zum Schluss noch der Fleisch-Rückstand mit wenig Wasser ausgekocht. (Seit der Bereitung im Gros- sen thut es Herr Toel nicht mehr.) Dies Decoct filtrirt, für sich eingedampft, ergiebt nur etwa 2 / 2 Drachme noch. Wir dachten aber vor Allem Geruch und Geschmack, Aeusserlichkeiten, die bei den früheren, gänzlich durch Siedhitze bereiteten Extracten so bestechend schienen, dem unsern zu gewinnen, und empfehle ich es noch. Das Eindampfen des kalten Fleisch - Aufgusses folgt jetzt als Hauptsache. Es war bekannt, dass das Eiweiss in schwach saurer Lösung nicht durch Kochen fäll- bar war, dagegen durch viel Alkalisalz, sogar in der Kälte. Der im Gegensatz zur Salpetersäure-Fällung dick- flockige Niederschlag ist durch genügenden Wasser- Darstellung eines eiweisshaltigen Fleisch -Extractes. 197 zusatz wieder löslich, sogar erst recht beim Kochen. Er ist ferner um so löslicher, bei je. niederer Tem- peratur, also durch Ueberwiegen von Salz und Säure, als Acid-Albumin, er entstanden ist. Hiernach bestimmten sich die Regeln der Darstel- lung. Aus diesen Gründen war das Kochsalz bisher weg- gelassen worden, denn wenn auch nicht anfänglich, so doch nachher bei grösserer Concentration musste dasselbe in der Hitze das Eiweiss früher, also schwerer löslich, aus- fällen, beim Vorhandensein der Fleischsalze erst recht. Eben wegen derselben musste ein genau richtiger Zusatz von Säure bemessen werden. Zu wenig verhindert nicht die Coagulation in der Hitze, zu viel bewirkt mit den Fleisch- salzen eben in der Hitze ebenfalls schwerer lösliches Eiweiss. Herr Toel wählte mit Glück die Salzsäure, zumeist des Geschmacks wegen. Sie ist ausserdem schon bei der Bouillonbereitung in Gebrauch gezogen und braucht als die stärkste uns zu Gebote stehende Säure nur in um so kleinerer Menge zugesetzt zu werden. Das vor jedem Eindampfen zu wiederholende Verfahren ist nun so, dass, im Verhältniss zu dem von Herrn Toel gefundenen Mit- tel eines halben Tropfens Salzsäure auf 1 Unze der circa l 1 ^ Pfd. Colatur, derselben Acid. mur. dilut., im Anfang nur wenig, zugetröpfelt wird. Von nun an werden Pro- ben entnommen, im Reagensgläschen gekocht und so lange noch Salzsäure nachgetröpfelt, bis beim Kochen einer Probe keine Trübung mehr entsteht. 12 Tropfen auf 1 Pfd. Fleisch oder 24 Unzen Colatur geben mit den ersten 8 Tropfen als Durchschnitt 20, wechselnd nach dem Eiweissgehalt des Fleisches. Die so angesäuerte Fleischflüssigkeit ohne Kochsalz kann nun im Dampfbade von 80° R. einige Zeit stehen. Die Temperatur i n der Schale aber, da das Arbeiten mit gespannten Dämpfen bis jetzt noch nicht ausführbar erschien, ist .selbstverständlich nie 80° R., höchstens GO bis 70°, meist weniger, nach dem Grade der Verdun- stung. Diese fördert man nämlich durch fortwährendes 198 Hörn, Umrühren. Dasselbe hat ausserdem den Zweck, localer Gerinnung an der Oberfläche vorzubeugen, insofern als sie in der Ruhe häutig werden würde. Flockige Aus- scheidung, leicht löslich, findet dagegen, je nach der Quantität, bald statt. Sollten sich dennoch Häutchen oder gar Krusten gebildet haben, so spare man nicht die Mühe, diese vorläufig zu entfernen. Man kann sie, wenn man will, wieder in kochendem salzsaurem Wasser lösen. Wann man das Kochsalz zusetzen soll, ist gewiss von grossem Einfluss auf die weitere Entwickelung des Extractes. Bei der Verarbeitung weniger Pfunde Fleisch, wie für erste Versuche zu empfehlen, kann man sogar, nach Ermässigung der Temperatur im Dampf bade, bei circa 40° in der Schale, schon in 4 bis 5 Stunden einen dickflüssigen Brei von ca. l J / 2 Unzen aus 1 Pfund Fleisch erhalten, reibt nun erst das Kochsalz (l 1 ^? De i rascherem Verbrauch, wenn gewünscht, nur 1 Drachme) hinzu, ebenso die halbe Drachme Decoct des Fleisch- restes und noch so viel Wasser, um als vorschriftsmassi- ges Mittel 2 Unzen Extract aus 1 Pfd. Fleisch dispen- siren zu können. Bei der Bereitung im Grossen liess Herr Toel zu- nächst das Decoct weg. (Vielleicht lässt sich der Ge- schmack auch anderweitig verfeinern, worauf ich hier nicht weiter eingehen will.) Bei der Abdampfung sieht man schon lange, ehe die Flüssigkeit auf die Hälfte redu- cirt ist, eine flockige Ausscheidung, ja jene sogar eine brei- artige Consistenz annehmen. Herr Toel unterbricht jetzt die Eindampfung, verringert die Zahl seiner Schüsseln durch Zusammenschütten, rührt die entsprechende Menge Kochsalz hinein und dampft die jetzt verflüssigte Masse bei erniedrigter Temperatur weiter ab. Theoretisch wie praktisch ist es wohl noch nicht festgestellt, ob das schon flockig ausgeschiedene Eiweiss an seiner Leichtlöslich- keit bei fortgesetzter Wärme -Einwirkung mehr oder we- niger Einbusse erleidet, je nachdem man früher oder später das Kochsalz zusetzt. Darstellung eines elweisshaltigen Fleisch- Extractes. 199 Dies bringt uns auf die Eigenschaften des fertigen Extractes. Es sieht gleichinässig chocoladebraun aus, ist vollkommen eben, fast tropfbar wie Honig, von Geruch der Bratenkruste, von schwach säuerlich salzigem Ge- schmack, mit Erinnerung an kräftige Bouillon oder Bra- tensauce. Löslich in kaltem Wasser ist dies Acid-Albu- min erst nach gehöriger Verdünnung, resp. Auswaschung der Salze; ohne diese Mühe in kochendem salzsauren "Wasser. Pepsin befördert natürlich die rasche Löslich- keit. Im Sandbade getrocknet fanden sich 48 Proc. fester Bestandtheile. Die Haltbarkeit hängt nicht ab von der Temperatur an sich, sondern vom Luftabschluss. Diesen bedingt schon meist eine sich oben bildende kleine Salzwasser- schicht. Zum Gebrauche empfiehlt sich das Zusichnehmen einzelner Tropfen oder das Einrühren in Salzzusatz ver- tragende Getränke. Das zu Pulver abgedampfte Extract wurde auch wohl ohne Kochsalz mit Zucker zu Pastillen geformt oder ist zu Pillen gedreht mit Tolubalsam zu überziehen. Auch lässt sich das Extract auf gewisse Weise zu einem leichten Gebäck hinzuthun; endlich nach Auswaschung aller Salze, in weiterem Wasser gelöst, mit Syrup mengen. Auf einige Uebelstände mache ich noch aufmerksam. 1) Zu geringes Eindampfen giebt ein milder schmecken- des, aber weniger haltbares Präparat. 2) In irdenen Kru- ken findet, wie an der Luft vertheilt, Eintrocknung statt. Alan nehme nur Gläser mit Glasstöpsel oder gutem Korke, aber weiter Oeffnung. Porcellankruken erinnern an Sal- ben. 3) Schwarzgebrannte, ganz entfärbte hellgraue oder schlammartige Extracte sind als verfehlt zu bezeichnen, w<-nn auch frisch gemessbar. An verunglückten Versuchen wird es auch künftig nicht fehlen! Möge man sich dadurch nicht gegen das Extract einnehmen lassen, oder gegen mich, der ich als 200 Geuther, Arzt das nie von mir selber Dargestellte zu beschreiben versuchte! Dennoch glaube ich, dass der richtige Weg der Ausbreitung der Sache das . Selbstdarstellen Seitens der Pharmaceuten ist. Auf ihre Empfehlung hin wird es der Arzt am ehesten verschreiben. Ueber die Einwirkung von salpetrigsaurem Kali auf salzsaures Triäthylamin; von A. Geuther *). Das salpetrigsaure Kali setzt sich wie bekannt mit dem -salzsauren Aethylamin um unter Bildung von Sal petrigsäure-Aether, mit dem salzsauren Diäthylamin aber unter Bildung von Nitrosodiäthylin. Wie sich das- selbe zu salzsaurem Triäthylamin verhält, zeigen die folgenden Versuche, welche auf meine Veranlassung Herr Dr. W. Schult ze ausgeführt hat. Das Triäthylamin wurde nach dem gewöhnlichen Ver- fahren mit Jodäthyl dargestellt, aus der concentrirten Lö- sung des jodwasserstoffsauren Salzes mit concentrirter Na- tronlauge abgeschieden, destillirt und wiederholt über festes Natronhydrat rectificirt. Bei der Destillation für sich stieg das Thermometer bis auf 90°. Die höchst siedende Portion für sich gesammelt und wiederholt fractionirt, lie- ferte ein constant bei- 89° (corrigirt) siedendes Product. Dasselbe wurde in die neutrale salzsaure Verbindung über- geführt und dann mit neutraler salpetrigsaurer Kalilösung destillirt. Der Verlauf der Reaction war ganz so, wie ich es früher**) bei dem Diäthylaminsalz beobachtet habe. Mit dem Destillat wurde auf ganz gleiche Weise verfahren. Das erhaltene gelbe Ölige Product wurde, nachdem es über Chlorcalcium getrocknet worden war, der Destillation un- *) Abdruck aus der Jen. Zeitschr. f. Medic. u. Naturwissensch. I. 4. (1864.) Vom Hrn. Verf. gütigst initgetheilt. H. Ludwig. **) Annal. der Chem. und Pharm. Bd. CXXVIII. p. 151. Einwirkung von salpttrigs. Kali auf salzs. Triäthylamin. 201 terworfen. Die Hauptmenge ging unter geringer Bräu- nung bis 182° vollkommen über. Es besass genau den Geruch des Nitrosodiäthylins. Die von 180° an überge- gangene Portion wurde zur Analyse verwandt. 0,1873 Grm. Substanz lieferten 0,324 Grm. Kohlen- säure und 0,169 Grm. Wasser, was 47,2 Proc. Kohlen- stoff und 10,0 Proc. Wasserstoff entspricht. 0,201 Grm. gaben 52,5 CG. Stickgas bei 19<> C. und 738,79 Mm. Barometerstand, was 0,05861 Grm. = 29,2 Procent Stickstoff entspricht. Diese Zahlen lehren, dass die Substanz die Zusam- mensetzung des Nitrosodiäthylins besitzt: berechnet gefunden C* == 47,1 47,2 *) H!0 = 9,8 10,0 N2 = 27,4 29,2 02 = 15,7 — Zur weiteren Bestätigung wurde die Einwirkung der Salzsäure darauf untersucht. Das Product löst sich, gleich dem Nitiosodiäthylin, leicht in concentrirter Salzsäure und liefert beim Eindampfen auf dem Wasser bade eine Salz- masse, welche nichts anderes als D iäthy 1 am ins alz ist. Die damit und Platinchlorid dargestellte Doppelverbindung wurde gross krystallisirt, vom Ansehen des chlorwasser- stoffsauren Diäthylamin- Platinchlorids, erhalten und gab bei der Analyse folgende Platinmenge. 0,1605 Grm. bei 100° getrocknet, Hessen nach dem Glühen 0,0565 Grm. = 35,2 Proc. Platin. Die Formel: qI^\ I1^N,I1 Cl -f PtCl* verlangt 35,3 Proc. Somit ist also erwiesen, dass bei der Einwirkung von salpetrigsaurem Kali auf chlorwasscrstoffsaures Tri- äthylamin das nämliche Product entsteht, wie bei der Einwirkung auf das Diäthylaminsalz. Was aus dem 1 Mgt. Leuchtgas wird, ist nicht Daher untersucht worden, zwci- < », = 8, H = 1, N = 14. 202 Geuther, feilos aber tritt dasselbe als Alkohol aus der Verbindung, und der Process verläuft nach der Gleichung: C2H4J (HO C2H4'H3N.HCl + KO,NO3=G4H10N2O2 + C2H4\HO cm*\ +kci. Ueber die wahrscheinliche Natur der aus den Mono- cyansäuren durch Alkalien entstehenden Säuren; von Demselben*). H. Kolbe und H.Müller haben, einer kurzen Mit- theilung **) zufolge, die Monocy anessigsäure und die Monocyanpropionsäure dargestellt und aus diesen Säuren durch Behandeln mit concentrirter Kalilauge neue stickstoffreie Säuren erhalten, welche in ihrer Zusammen- setzung mit der Malonsäure und der Bern st ein säure übereinstimmen. Kolbe hält jene für wirklich identisch mit diesen. Wenn das nun in Bezug auf die Malonsäure richtig sein mag, so bezweifle ich es doch sehr in Bezug auf die Bernsteinsäure. Man hält freilich allgemein die Malonsäure für ein der Bernsteinsäurereihe angehöriges Glied, wie ich aber glaube mit Unrecht. Man weiss, dass die Bernsteinsäure zum Elaylcyanür in derselben Bezie- hung steht, wie die Propionsäure zum Aethylcyanür, dass somit die Constitution derselben von der Constitution des Elaylcyanürs oder schliesslich von der des Glykols in eben dem Grade abhängig ist, wie die Constitution der Pro- pionsäure von der des Aethylcyanürs oder des Alkohols. Nach meinem Dafürhalten sind nun die Alkohole die Hy- drate von Kohlenwasserstoffen (Wasserstoffbasen), deren Acidität in gesetzmässiger Weise abhängig istvon dem in ihnen vorhandenen Kohlen- und Waserstoff- verhältniss, in der Art, dass ein Kohlenwasserstoff *) Vom Hrn. Verfasser gütigst mitgetheilt. H. Ludwig. **) Annal. der Chem. und Pharm. Bd. CXXXI. p. 348 u. 350. aus Monocy ansäuren durch Alkalien entsteh. Säuren. 203 von der Formel: C n H( 2n + 2 > — 2 ° nur null säurig, ein Kohlen Wasserstoff von der Formel: C n H (2n + 2 )~ 2 - 1 ein- säurig (niemals mehrsäurig), ein Kohlenwasserstoff von der Formel: OH( 2n + 2 ) -2 - 2 zweisäurig (niemals mehr- säurig) und einsäurig, ein Kohlenwasserstoff von der Formel: OH (2n + 2) — 2 - 3 dreisäurig (niemals mehrsäurig), zweisäurig und ein säur ig u. s. f., ein Kohlenwasser- stoff von der Formel: C n H (2n + 2 ) — 2m (wo m eine ganze Zahl bedeutet) niemals mehr als m — säurig, gleichwohl aber (m — 1), (m — 2), (m — 3), etc. -säurig sein kann. So sind das Sumpfgas und seine Homologen nullsäurig, sie bilden keine Verbindungen mit Säuren, das Leucht- gas und seine Homologen nur einsäurig (Alkohole der fetten Säuren), das Acetylen und seine Homologen zwei- säurig (Glykole) und einsäurig (Acrylalkohole), das Glyceren (C 3 H 2 ) dreisäurig (Glycerine), zweisäurig (Glycide) und einsäurig (Glycerenalkohol). Alkohol Glykol Glycerin C2l34)HO C^H2/H202 cSg2/H303 JHO iH202 iH303 Acetylalkohol Glycidalkohol C^H2)HO C31T2/H202 (HO \H2Q2 Glycerenalkohol C3H2'™ }HO etc. Nach dieser Anschauungsweise ist also im Alkohol das Aethylen (und nicht das hypothet. Aethyl), im Glykol das Acetylen (und nicht das Aethylen), im Glycerin das Glyceren (und nicht das hypothet. Allyl) enthalten, ein „Me- thylglykol", ein „Aethyl-" und „Methylglyccrin" sind dar- nach unmögliche Verbindungen, einfach deshalb, weil homologe niedere Glieder vom Acetylen und Glyce- ren nicht möglich sind *). *) Das MlMllDgeo aller Versuche, BOlche Verbindungen darzustel- len, spricht sehr zu Gunsten der obigen Ansicht. Die s. g. 204 Geuther, Die neutralen Cyanwasserstoffäther dieser Alkohole sind demnach : C^JHCy; ^H'Cy*, ^| H 3 Cy 3 ; und die beim Behandeln mit Kalilauge daraus, unter Ver- wandlung von 1 Mgt. Blausäure in CO 2 und NH 3 , her- vorgehenden Säuren: Propionsäure Bernsteinsäuie Saure v. Simpson C2H*, C02/HO C2H2 ; C204/H202 C3H2, C306)H303 (HO (H202 JH303 Da es nun kein niedrigeres Glied in der Reihe der Gly- kole giebt als den Aethylglykol, so kann es auch kein niedrigeres Glied in der Bernsteinsäure -Reihe als die Bernsteinsäure selbst geben. Aus diesem Grunde also kann, nach unserer Auffassungs weise, die Malonsäure nicht zur Bernsteinsäure gehören. Aber neben der Bernsteinsäure -Reihe ist noch eine Reihe Säuren von völlig gleicher Zusammensetzung, aber von ganz anderer Constitution möglieb, in welcher auch ein Glied von der Zusammensetzung der Malonsäure vor- kommt. Das Folgende wird uns zu ihrer Kenntniss führen. Wenn auf die Propionsäure, Bernsteinsäure etc. Salz- Methylglycolverbindungen Butlerow's, hervorgegangen aus dem s. g. Methylenjodür, welche nicht Methylglykol liefern, müssen anders constituirt betrachtet werden. Das Methylen- jodür (CH 2 J 2 ) selbst kann aufgefasst werden als einfach jodir- C 1 H2; tes Jodmethyl = p™ H 2 J 2 , die daraus mit essigsaurem Sil- beroxyd erzeugte Verbindung (CH 2 2 , 2C 2 H3 3 ) als der Essigsäure -Aether eines Aceto-monoxymethylalkohols = CH 2 ^ C0 2 H 2 2 CH 2 C0 2 CH 2 C0 2 und das Dioxymethylen (— CH 2 2 ) als der im Monoxymethyl- alkohol enthaltene Oxykohlen Wasserstoff, das Oxymethylen CH 2 i nämlich = C0 2 H 2 2 ' we l cnes zum Methylen in der näm- lichen Beziehung steht, wie die Milchsäure zur Propionsäure. H 2 2 2C 2 H3Q3 aus Monocyansäuren durch Alkalien entsteh. Säuren. 205 bildner einwirken, so werden diese auf den für sie am leichtesten angreifbaren Theil der Gruppe zunächst ihre Wirkung äussern, und dieser ist nicht das Kohlenoxyd oder das Wasser, sondern gewiss der Kohlenwasserstoff. Dieser wird allmälig verändert, indem sich stückweise die kleinstmögliche Menge Kohlenwasserstoff = C H 2 da- von absondert und, so wie es mit OH 2 unmittelbar der Fall ist, seinen Wasserstoffgehalt gegen den Salzbildner auswechselt. So erhalten folgende Formeln die Monobrombernsteinsäure C2H2, C2CH/H404 C2Br2,C204\H404 Dibrombernsteinsäure C2ßr2, C204(H202 iH2Q2 Monocblorpropionsäure C«H«, C02|H2()2 (CC1 2 2) C02 S H2 ° 2 Dichlorpropionsäure /CH2. C02 )H0 )HO Bei dem Uebergang dieser Haloidsäuren in Oxysäu- ren findet nun nicht bloss eine Auswechslung von je 1 Mgt. Chlor gegen je 1 Mgt. Sauerstoff statt, sondern noch eine gleichzeitige Aufnahme von je 1 Mgt. Wasser. Dieses, durch die Entstehung von Kohlensauerstoffgrup- pen seinem Vorhandensein und seiner Menge nach be- dingte Wasser muss in den Formeln der Oxysäuren auch als besondere Gruppe erscheinen, es ist vollkommen durch Metalloxyde vertretbar unter Bildung jener eigenthümlichen sehr basischen Salze, zu deren Erklärung man so künst- liche Hypothesen erfunden hat, es ist verbindbar mit Wasserstoff basen, und mit solchen Kohlenwasserstoffen in den Aether -Oxysäuren wirklich verbunden. Monoxypropionsäure Monoxybernsteinsäure (Milchsäure) (Opt. unwirks. Aepfelsäure) 021I4 ; (J02 1112Q2 C2H2,C204 |LHO* (co*)' C021I202 S H2 ° 2 Dioxypropionsäare (Glycerinsüure) (g£),CO*H*0*JHO C202, C204H202|H40 4 DioxybemsteinsHure (Kekule's inact. Weinsäure) C202,C204II202|H202 IH202 206 Geuther, Bei dem Uebergang der Haloidsäuren in Cyansäuren entstehen Kohlenstickstoffgruppen, die um ihren Zusam- menhang mit den Chlor-, Brom- etc. Kohlenstoffen in der Formel der ersteren Säuren erkenntlich zu lassen, als Cyankohlenstoffverbindungen geschrieben werden können: Monocyanpropionsäure Monocyanbernsteinsäure C 2 H*, CO 2 )H2 2 C 2 H 2 ,C 2 0* \H404 (cS N2 > C02 l H2 ° 2 C2C2N2 > C2 °w 404 Bei der Einwirkung von Kalilauge werden diese Koh- lenstickstoffgruppen, unter Zersetzung von so viel Was- ser, dass aller Stickstoff mit allem Wasserstoff Ammoniak bildet und aller Sauerstoff zum Kohlenstoff geht, überge- führt in Kohlensauerstoffgruppen, aber unter gleichzeitiger Aufnahme von nur genau so viel Wasser, als bei dem Uebergang einer Monohaloidsäure in eine Monooxysäure aufgenommen wird. Nur 2 Mgt. Sauerstoff der Kohlen- oxydgruppe verlangen eine Aufnahme von 2 Mgt. Was- ser, die anderen 4 Mgt. Sauerstoff nicht, das deutlichste Zeichen, dass hier die Bildung einer Oxysäure neben Koh- lenoxyd statt gefunden hat, d.h. eine Ameisen-Oxy- säure. Die aus der Monocyanpropionsäure hervorgehende Säure wird also als eine, der Benzoe-Milchsäure ganz ana- log constituirte Am ei sen -Milch säure, und die aus Mo- nocyanessigsäure hervorgehende, als Ameisen-Glykol- säure (Malonsäure) aufzufassen sein. Benzoe - Milchsäure Ameisen - Milchsäure C 2 H*, CO 2 jH 2 2 C 2 H*, CO 2 ,H 2 2 (cO 2 )' C0 2 H 2 2 (H 2 2 (col)> C0 2 H 2 2 (h 2 2 C6H4,C0 2 ( CO 2 ( C6H4,C0 2 ' CO 2 ) = C 2 <>H20CM6 = C8Hi 2 16 Ameisen - Glykolsaure CH 2 ,C0 2 ]H 2 2 C0 2 ,C0 2 H 2 2 H 2 2 CO 2 CO 2 ) == OH8CM6. aus Monocy ansäuren durch Alkalien entsteh. Säuren. 207 Diese Ameisen-Monoxy säuren sind es, welche eine der Bernsteinsäure nebenher laufende Reihe mit gleich zusammengesetzten Gliedern bilden können. Ameisenglykolsäure: C 6 H 8 O 16 fehlt. Ameisenmilchsäure: C 8 H 12 16 Bernsteinsäure: C 4 H 6 8 Ameisenoxybuttersäure : C 10 H 16 O 16 Brenzweinsäure: C 5 H 8 8 Als ähnliche Ameisen-Oxysäuren sind meiner Ansicht nach auch die in der Natur vorkommende Weinsäure, die Citronensäure und vielleicht auch die optisch wirk- same Apfelsäure aufzufassen: Wahre Weinsäure = Ameisen-Trioxypropion- säure: .(CH.O.») = UK co ,H.O.L 01 C02\ C02) Citronensäure = Diameisen-Dioxyaceton- saure: Ich 2 y 2(C6H8Qi4) = .CQ2 H2Q2 (co2 Yc C02 ' H202 C02 C02 C02 C02 Wahre Aepfelsäure = Ameisen-Dioxypro- pionsäure(?) : P4H6H10 ( CE2 \ rO2 H2 ° 2 ( H0 Die Weinsäure müsste dann aus Monocyangly cc- rinsäure, die Citronensäure aus Dicyanacetonsäure und die Aepfelsäure aus Monocyanmilch säure durch Umsetzung mit Kali entstehen. Von der Wichtigkeit der Darstellung solcher Amei- 208 Geuther, Säuren aus Monocy ansäuren durch Alkalien. senoxysäuren längst überzeugt, habe ich vor längerer Zeit zwei vorläufige Versuche zu ihrer Darstellung unternom- men, die aber, anderer Arbeiten halber, bis jetzt nicht weiter durchgeführt worden sind. Es waren folgende: 1) Es wurde Lactid mit einem Ueberschuss von Amei- sensäure, wie sie durch Zersetzung von getrocknetem Schwefelwasserstoff und Bleisalz erhalten wird, in ein Rohr eingeschlossen und auf 100°, später auf 130° er- wärmt. Das Lactid hatte sich leicht gelöst. Als darauf die Ameisensäure im Wasserbade verjagt worden war, blieb ein saurer Syrup, der wie das damit dargestellte Zinksalz seinen Eigenschaften und. seiner Zusammen- setzung nach zeigte, aus nichts anderem als gewöhnlicher Milchsäure bestand. Sie konnte, da sonst keine anderen Producte entstanden waren, ihre Entstehung nur einem Wassergehalt der angewandten Ameisensäure verdanken. Der Process hätte bei völlig wasserfreier Säure verlaufen müssen nach der Gleichung: Lactid -f~ 2 Ameisensäure = Ameisen -Milchsäure C2H4,C02 | C0 2^H0 C2H4, C02 jH202 (gg!) l COw|+ jgg = (™ 2 ),C02H202 H202 cu /HO C02 C02) 2) Es wurde trocknes ameisensaures Natron und Di- chloressigsäure-Aether mit starkem Alkohol im verschlos- senen Rohr auf 130° erhitzt. Es hatte indess keine merk- liche Umsetzung statt gefunden. Weitere Versuche erst -müssen zeigen, ob die beiden angewandten Methoden zur Bildung dieser Säuren führen, wie ganz wahrscheinlich ist. Jena, den 18. Septbr. 1864. Schnitze, über schicefligsaure Kobalt-Alkalisalze etc. 209 Ueber schwefligsaure Kobalt - Alkalisalze und die Löslichkeit des Eobaltoxydhydrats in concen- trirter Kali- oder Natronlauge; von W. Schnitze*). 1. Schweflig saures Kobaltoxydkali und Kobaltoxydnatron. Vor nicht langer Zeit theilte Geuther**) mit, dass bei der Einwirkung von neutralem schwefligsauren Kali oder Natron auf feuchtes Kobaltoxydhydrat schwefligsau- res Kobaltoxydkali resp. Kobaltoxydnatron entstehe. Diese interessanten Doppelsalze bedurften noch der näheren Untersuchung ; auf Veranlassung des Herrn Prof. Geuther unternahm ich dieselbe und bringe nun deren Ergebnisse in folgenden Zeilen zur Mittheilung. Um die Doppelsalze zu erhalten, verfährt man folgen- dem) aassen : Man übergiesst feuchtes Kobaltoxydhydrat mit einer concentrirten, neutralen oder schwach alkalischen Lösung von schwefligsaurem Kali oder Natron, erhitzt das Ganze längere Zeit, lässt absetzen und erkalten ; darauf hebt man die über dem Bodensatze stehende Flüssigkeit ab, ersetzt sie durch eine neue Lösung von schwefligsaurem Alkali und kocht abermals anhaltend. Dies wiederholt man drei- bis viermal, um sicher sein zu können, dass alles Kobalt- oxyd sich in Verbindung befinde. Der Bodensatz ist das Kobaltoxyddoppelsalz. Die Wechselwirkung zwischen dem Kobaltoxyd und den schwefligsauren Alkalien geht in der Kälte langsam, in der Wärme rasch vor sich: in beiden Fällen wird die Einwirkung des schwefligsauren Kalis eher vollendet, als die dos s is schwefligaa uro Kobaltoxydkali ist amorph, •) Abdruck an« der Jen. Zeitachr. für Medicin etc. I. 4. (1HG4); voin Herrn Verfasser gütigst uiitgetheilt. II. Ludwig. **) Anna!, der Crjem. n. Pharm. CXXVIII. 163. Arcli.d. Pharm. CLXXHI.Bdf. 3. Uft. 14 210 Schnitze, hellbraun, wenig löslich in Wasser, leicht löslich in wäs- seriger schwefliger Säure und in Salzsäure. Concentrirte Kalilauge scheidet aus demselben beim Erwärmen schwar- zes Kobaltoxyd ab, und die über dem Kobaltoxyd ste- hende Flüssigkeit färbt sich prachtvoll blau. Beim Lie- gen an der Luft verändert es sich sehr rasch, es wird schwarz ; auch bei dem Waschen mit Wasser muss es eine Veränderung erleiden, denn das Waschwasser läuft immer opalisirend durch; unter Wasser in verschlossenen Flaschen hält es sich längere Zeit. Da sich das schwefligsaure Kobaltoxydkali ohne Zer- setzung nicht trocknen Hess, so musste es zur Ermitte- lung seiner Zusammensetzung einer relativen Analyse unterworfen werden. Zur Umwandlung der schwefligen Säure in Schwefelsäure war Schmelzen der Substanz mit Soda und Salpeter nöthig. Deshalb mussten zwei Portio- nen zur Analyse verwandt und in der einen das Ver- hältniss zwischen Kali und Kobaltoxyd, in der andern das Verhältniss zwischen Kobaltoxyd und schwefliger Säure bestimmt werden. Von diesen beiden gefundenen Verhältnissen kann man dann durch Rechnung das Ver- hältniss zwischen Kali, Kobaltoxyd und schwefliger Säure bestimmen. Ein unbestimmtes Quantum Substanz wurde in Salz- säure gelöst, die Lösung neutralisirt, aus derselben das Kobalt als Schwefelkobalt gefällt, und dieses in schwefel- saures Kobaltoxydul umgewandelt. Das Filtrat vom Schwe- felkobalt wurde eingedampft, aus dem trocknen Rückstande durch Erhitzen die Ammoniaksalze entfernt und das Chlor- kalium in neutrales schwefelsaures Kali verwandelt. Es wurden erhalten: 0,2960 Grm. schwefelsaures Kali, ent- sprechend 0,1602 Grm. Kali, und 0,4863 Grm. schwefel- saures Kobaltoxydul, entsprechend 0,2604 Grm. Kobalt- oxyd. KO °' 1602 =0,00339. 47,2 Co203 °>*™ = 0,00314. 83 aber schwefligsaure Kobalt- Alkalisalze etc. 211 Das Aequivalentverhältniss zwischen Kali und Kobaltoxyd ist also nahezu wie 1:1. Ein anderes unbestimmtes Quantum Substanz wurde nun mit Soda und Salpeter erhitzt, die Schmelze mit Wasser ausgelaugt, das zurückbleibende Kobaltoxyd in schwefelsaures Kobaltoxydul verwandelt, während aus dem wässerigen Auszuge nach dem Uebersättigen mit Salzsäure die Schwefelsäure als schwefelsaurer Baryt gefällt wurde. Man erhielt 0,1209 Grm. schwefelsaures Kobaltoxydul, entsprechend 0,06474 Grm. Kobaltoxyd, und 0,3352 Grm. schwefelsauren Baryt, entsprechend 0,09208 Grm. schwef- liger Säure. Co203 °>°« i7i =0,00078. OD S02 °' 09208 =0,00288. 32 ' Mithin das Aequivalentverhältniss 1 : 3,75. Man hat gefunden: 1) KO: Co203 =1:1. 2) Co203 : S02 = 1:3,75. Daraus folgt KO:Co203:S02 = 1:1:3,75. Diesem Aequivalentverhältnisse entspricht die Formel: KO,S02 -f Co2 03, 23/ 4 S02. Sie deutet jedenfalls an, dass hier keine ganz reine Ver- bindung vorliegt, vielleicht ein Gemisch einer Oxydver- bindung von der Formel: KO, S02 + Co2()3, 3S02 und der weiter unten beschriebenen nach der Formel: KO, S02 -f CoO,S02 zusammengesetzten Oxydulverbindung. Das schwefligsaure Kobaltoxydnatron ist ufalls amorph, aber von etwas dunklerer Farbe, als das Kalisalz; beim Trocknen verliert es Wasser und wird fast schwarz; gegen Wasser, gegen verdünnte Säu- ren und gegen Kalilauge verhält es sich gerade so wie das Kalisalz; es ist aber nicht so leicht veränderlich, als 14* 212 Schultze, wie dieses, ja es lässt sich ohne Zersetzung bei 100° C. trocknen: deshalb konnte von demselben, ausser einer relativen, auch eine absolute Analyse ausgeführt werden. In beiden Analysen wurde, wie oben angegeben, verfahren. 0,4815 Grm. der bei 100° C. getrockneten Substanz lieferten 0,1680 Grm. schwefelsaures Natron, entsprechend. 0,0733 Grm. Natron == 15,22 Proc; 0,5280 Grm. Sub- stanz lieferten 0,2042 Grm. Kobaltoxydoxydul, entsprechend 0,2109 Grm. Kobaltoxyd = 39,96 Proc, und 0,8354 Grm. schwefelsauren Baryt, entsprechend 0,2295 Grm. schwef- liger Säure = 43,45 Proc. Daraus ergiebt sich das Aequivalentverhältniss: NaO:Co203:S02 = 1,019:1:2,820. Eine unbestimmte Portion der feuchten Substanz lieferte 0,1648 Grm. schwefelsaures Natron, entsprechend 0,07195 Gramm Natron, und 0,2967 Grm. schwefelsaures Kobalt- oxydul, entsprechend 0,1589 Grm. Kobaltoxyd. NaO - °'°: i 195 = 0,00232. 31 Co203 ° ?1 o 5 o 89 == 0,00191. 83 Mithin: NaO : Co2()3 = 1,214 : 1. Eine andere Portion ergab: 0,4412 Grm. schwefel- saures Kobaltoxydul, entsprechend 0,2362 Grm. Kobalt- oxyd, und 0,9269 Grm. schwefelsauren Baryt, entsprechend 0,2546 Grm. schwefliger Säure. Co2 03 °'ff 2 -0,002846. 83 S02 -^ß- = 0,007956. 32 Mithin: Co2()3 : S 02 = l : 2,795. Das Aequivalentverhältniss aller drei Bestandtheile ist dieser Analyse zufolge also: Na : Co203 : S 02 = 1,214 : 1 : 2,795. Die Ergebnisse der beiden Analysen stimmen ziemlich überein; sie weisen wohl hin auf die Formel: NaO, S02 -f- Co203, 2S02. über schweflig saure Kobalt- Alkalisalze etc. 213 Nachdem die eigenthümliche Einwirkung neutraler, schwefligsaurer Alkalien auf Kobaltoxyd constatirt worden war, lag nun der Gedanke nahe, zu untersuchen, ob auch andere Sesquioxyde eine ähnliche Veränderung er- leiden würden. Die zu diesem Behufe angestellten Ver- suche ergaben aber alle ein negatives Resultat. Feuchtes Nickeloxydhydrat z. B. wurde durch schwef- ligsaures Natron desoxydirt: es entstand ein grüner Kör- per von Nickeloxydulhydrat nach der Gleichung: Ni203,3HO + NaO,S02=2(NiO,HO) + NaO,S03+HO. Bleisesquioxyd nahm im Anfang der Einwirkung des schwefligsauren Natrons eine citronengelbe Farbe an, welche dann bei längerer Einwirkung immer matter und matter, zuletzt ganz weiss wurde; in dieser weissen Masse Hessen sich schwefelsaures Bleioxyd und schwefligsaures Blei- oxyd nachweisen. 2. Schweflig saures Kobaltoxydulkali und Kobaltoxydul- natron. Diese beiden Doppelsalze entstehen, wenn eine Lö- sung schwefligsauren Kobaltoxyduls oder Chlorkobalts mit einer neutralen Lösung schwefligsauren Kalis oder Natrons vermischt und erhitzt wird; oder wenn Kobalt- oxydhydrat mit einer hinreichend sauren Lösung schwef- ligsauren Alkalis gekocht wird. In allen diesen Fällen scheiden sie sich als unlöslich aus. Das schwefligsaure Kobalt oxydulkali ist blassroth, kleinkrystallinisch, in Wasser unlöslich, in Salz- säure leicht löslich. An der Luft verändert es sich sehr leicht, es wird schwarz, wahrscheinlich in Folge einer Oxydation; es muss ' deshalb unter Wasser aufbewahrt werden, aber auch dann noch erleidet es bei wochenlan- gem Stehen eine Veränderung: seine Farbe nämlich wird blasser und blasser, und das schützende Wasser färbt sich schön roth, so dass es scheint, als trete Kobaltoxydulsalz aus dem Doppolsalze aus und löse sich im Wasser auf. oentrirte Kalilauge scheidet beim Kochen blassrothes Kobaltoxydul ab. 214 Schultze, Auch hier musste das Verfahren der relativen Ana- lyse angewandt werden. Ein unbestimmtes; gut ausgewaschenes Quantum Sub- stanz lieferte 0,3680 Grm. schwefelsaures Kali, entspre- chend ; 1992 Grm. Kali, und 0,3268 Grm. schwefelsau- res Kobaltoxydul, entsprechend 0,1581 Grm. Kobaltoxydul. KO 0>1 , 9 f = 0,00422. 47,2 ; ~ ~ 0,1581 CoO — W^r- = 0,00422. o7,5 Folglich : KO:CoO = 1:1, Eine andere Portion Substanz ergab 0,1249 Grm. Ko- baltoxydoxydul, entsprechend 0,1166 Grm. Kobaltoxydul, und 0,7401 Grm. schwefelsauren Baryt, entsprechend 0,2033 Grm. schwefliger Säure. CoO -2^|1 =0,00311, S02 f'!° 33 = 0,00635, wonach man wohl annehmen darf, dass CoO:S02 = 1:2. Diesen Verhältnissen entspricht die Formel: KO, S02 -f CoO, S02. Das schwefligsaure Kobaltoxydulnatron stimmt fast in allen seinen Eigenschaften mit dem schwefligsau- ren Kobaltoxydulkali überein ; es unterscheidet sich von diesem in seinem Aeusseren dadurch, dass es dunkler roth und nichtkrystallinisch ist. Bei monatelangem Ste- hen unter Wasser bei Luftzutritt war es in braunes krystallinisches Oxydnatronsalz umgewandelt worden. Eine ungewogene Portion Substanz lieferte 0,1755 Gramm schwefelsaures Natron, entsprechend 0,0766 Grm. Natron, und 0,5917 Grm. schwefelsaures Kobaltoxyd, ent- sprechend 0,2863 Grm. Kobaltoxydul: über schivefligsaare Kobalt-Alkalisalze etc. 215 NaO °' / 66 = 0,00247. 31 CoO -Ät = 0,00763. Folglich: NaO : CoO == 1:3. Aus einer andern Portion Substanz erhielt man 0,4872 Gramm Kobaltoxydoxydul, entsprechend 0,4548 Grm. Ko- baltoxydul, und 1,3706 Grm. schwefelsauren Baryt, ent- sprechend 0,3765 Grm. Säure. CoO ^11=0,01213. 37,5 SO* -°&_ 0,01176. 62 Mithin CoO: SO 2 = 1:1. Aus NaO: CoO = 1:3 und CoO: SO 2 =1:1 folgt NaO: CoO: SO* == 1:3:3, welchem Verhältnisse die Formel: NaO, SO* -f 3 CoO, 2SO* entspricht. Eigentümlich ist, dass nur in den Kali doppelsalzen das Kobaltoxydul und Oxyd als neutrales Salz (CoO, SO 2 und Co 2 3 , 3 SO 2 ), in den Natron doppelsalzen dagegen als basisches Salz (3 CoO, 2 SO 2 und Co 2 03, 2 SO 2 ) auftritt. 3. Lieber die Löslichkeit des Kobaltoxydhydrats in con- centrirter Kali- oder Natronlauge. Es ist bei der Anführung der Eigenschaften der bei- den schwefligsauren Kobaltoxydalkalisalze nicht unerwähnt gelassen, dass, wenn concentrirte Kali- oder Natronlauge auf diese Salze (hinwirkt, neben der Abscheidung von schwarzem Kobaltoxydhydrat die Bildung einer pracht- voll blauen Flüssigkeit statt finde. . Verdünnt man diese Flüssigkeit mit Wasser, oder läs-it man sie frei an der Luft stehen, so verschwindet 216 Schnitze, die blaue Farbe und ein schwarzbrauner Körper scheidet sich aus, ebenso auf Zusatz von Säuren. Dieser schwarzbraune Körper ist, seinen Reactionen zufolge, Kobaltoxydhydrat. Darnach könnte denn die blaue Flüssigkeit eine Auf- lösung von Kobaltoxyd in Kalilauge sein. Wenn dieses der Fall ist, dann muss sie auch ent- stehen bei der Einwirkung concentrirter Kalilauge auf reines Kobaltoxydhydrat. Kocht man feuchtes Kobaltoxydhydrat mit concen- trirter Kalilauge anhaltend in einem Proberöhrchen und lässt dann absetzen, so zeigt wirklich die überstehende Flüssigkeit eine schön blaue Färbung und gegen Was- ser und Luft ganz das nämliche Verhalten, wie die aus den schwefligsauren Kobaltoxydalkalisalzen erzeugte blaue Flüssigkeit. Die blaue Flüssigkeit ist demnach eine Auflösung von Kobaltoxydhydrat in concentrirter Kali-, resp. Na- tronlauge, und nicht, wie Winkler*) meint, von CoO 3 . Ausser dem schon oben Mitgetheilten haben die Ver- suche noch Folgendes, die Darstellung der Lösung be- treffend, ergeben: 1) Die Lösung bildet sich schneller aus den bezeich- neten Kobaltoxydsalzen, als aus reinem Kobaltoxydhydrat, man braucht nicht so anhaltend zu kochen. Der Grund hiervon ist wohl der, dass sich das beim Zusammentref- fen der Kalilauge und der Kobaltoxydsalze ausscheidende Kobaltoxyd in einem Zustande feinerer Vertheilung be- findet, als das für sich dargestellte, und in Folge davon der auflösenden Kraft der Kalilauge weniger Widerstand entgegensetzt, als das andere. 2) Die Kalilauge muss, mag man nun Kobaltoxyd- salze oder Kobaltoxyd anwenden, recht concentrirt sein; je concentrirter sie ist, desto tiefer ist das Blau der Lo- sung. *) Chem. Centralbl. 1864. p. 827. über schweflig saure Kobalt- Alkalis alze etc. 217 3) Die Darstellung einer grösseren Menge der blauen Lösung durch vorsichtiges Schmelzen von Kobaltoxyd mit nur etwas wässerigem Kalihydrat in einem Silbertiegel und Autlösen der Schmelze in wenig Wasser gelang nicht; es resultirte eine schwarze Schmelze (nur einige an den oberen Theil des Tiegels gespritzte und erstarrte Tropfen zeigten eine blaue Farbe). Durch die Versuche von Schwarzenberg, Pebal und W.Mayer weiss man, dass hierbei als Endproduct eine kalihaltige Verbindung einer liöheren Oxydationsstufe des Kobalts (Co 3 5 ) erhalten wird. Die von Schwarzen- berg beobachtete, im Anfang (wenn noch Wasser vor- handen ist) auftretende, blaue Farbe der Schmelze rührt also von Kobaltoxyd her. Jena, den 12. August 1864. 218 II. Naturgeschichte und Pharma- kognosie. Einiges aber die physiologische Wirkung des Emser Wassers; von Hofralh Dr. L. Spengler zu Bad Ems. (Aus dem Wochenblatt der Zeitschrift der K. K. Gesellschaft der Aerzte zu Wien, 1865, vom 3. Mai, No. 18.) Es dürfte nicht uninteressant sein, einige physiolo- gische Beobachtungen über die Wirkungen der Emser Thermen mitzutheilen, da dergleichen Untersuchungen die Basis für die Tndicationen der Mineralwässer bilden. Es gehören vor allen Dingen dahin, die Wirkungen auf den Puls beim Trinken des Mineralwassers, auf die Differenz des Pulses vor und nach dem Bade, auf die Frequenz der Respiration, auf das Blut und den Stoffwechsel. Ich will nun im Nachstehenden einige Beobachtungen dieser Art mittheilen, wie sie mir die letzte Bade -Saison geboten hat. 1. Wirkung des Trinkens auf den Puls. Der leichteren Uebersicht halber gebe ich die Beob- achtungen in einer auf S. 219 befindlichen Tabelle. So sehr wenig vollständig diese Notizen sind, so sind sie doch der Ausdruck der allgemeinen Wirkung, und es scheint unzweifelhaft aus ihnen hervorzugehen, dass man so allgemeinhin von einer aufregenden Wirkung der Ther- men von Ems nicht sprechen kann. Die von mir so vielfach erprobte wohlthätige Wirkung des Emser Was- sers bei Pneumonien wird dadurch erklärlich. (Cfr. mei- nen Aufsatz über die Wirkung des Emser Kesseibrun- Spengler, physiologische Wirkung des Emser Wassers. 219 Name. o Pulsfrequenz — vor dem e3 •-5 U Trinken Zeit Zahl der < Uhr. Pulse. Anzahl der getrunke- nen Gläser ä 6 Unzen. Pulsfrequenz nach dem Trinken Uhr. Zahl der Pulse. Diagnose der Krankheit. Hr.Dr.A.n. 42 W 56 » H. 48 6 61 . R. 45 6 69 „ L.s. 60 W 84 F 73 w 74 „ L. n. 60 w 70 n B. 35 1/47 84 „ A. e. 40 7 90 . s. 36 V 4 8 94 4 Kessel 5 „ 4 „ 4 . 4 n 4 , 1 . 4 „ 2 Krähnch. 8 58 3/ 4 8 58 V28 72 3/ 4 8 70 3/ 4 8 68 8 64 8 76 3/ 4 8 80 8 88 Chron. Bronch Katarrh Heiserkeit, La- ryngit. ehr. Intermitt. quart. Bronch. -Katarrh Emphysem Chron. Katarrh Pleth. abd. Hä- morrh. Fist. a. nens bei Pneumonien in meinen brunnenärztlichen Mit- theilungen über die Thermen von Ems, 4. Aufl. p. 33 ff.) Aus dieser Pulsverminderung ist auch zum Theil die Ermüdung und Abspannung zu erklären, die die Brun- nentrinker so gern befällt. Die Herabsetzung der Herz- und Gefässthätigkeit, das Gefühl der Erschlaffung dauerte gewöhnlich bis nach dem Bade, wo die Kranken wieder munterer und erregter wurden. 2. Wirkung des Badens auf den Puls. Als ich in früheren Jahren Untersuchungen über die Absorption von Emser Wasser in dem Bade anstellte (Deutsch« Klinik, 1864, No. 22 et I.e. 120), beobachtete ich, das8 der Puls nach dem Bade constant 4 bis C> Schläge weniger inachte, als vor demselben. Ich vven- dete dieser Erscheinung meine ungetheilte Aufmerksam- keit zu, und es wurde mir namentlich in letzter Saison di<- Bestätigung meiner Beobachtungen von mehreren Col- legen mitgetheilt, indem bei ihnen der Puls nacli dem 220 Spengler 7 Bade stets 4 — 5 Schläge weniger machte, als vor dem- selben. Die Bäder waren stets zwischen 27 und 280 R. genommen. Diese Herabsetzung des Pulses dauerte aber nie längere Zeit, indem gewöhnlich nach einer Stunde die Pulsfrequenz vor dem Bade wiederhergestellt war. 3. Wirkung des Bades auf die Frequenz der Respiration. Gelegentlich jener Untersuchungen über die Absorp- tion in den Bädern von Ems machte ich ebenfalls die Beobachtung, dass die Respirationsfrequenz abnahm. Im letzten Sommer bat ich einen Collegen, der die Kur wegen eines chronischen Blasenkatarrhs gebrauchte, diese Beobachtungen zu controlireu. Er fand regelmässig, dass er nach dem Bade 3 — 4 Respirationen weniger machte. 4. Wirkung des Emser Wassers auf die Blutfarbe und die Blutkörperchen. Um die Wirkung des Emser Wassers auf das Blut direct zu beobachten, benutzte ich die Gelegenheit, wo einer Frau wegen Plethora und Kopfcongestionen ein Aderlass gemacht wurde. Das Blut wurde sofort in gra- duirte Probegläschen aus der Armvene gelassen und Em- ser Kesselbrunnen in seiner natürlichen Wärme zugesetzt, und zwar in verschiedenen Verhältnissen, nämlich 1 Was- ser zu 1, 2, 3 und 4 Raumtheilen Blut. Das Blut wurde röther, und zwar je nach der Verdünnung, so dass das Probirgläschen, worin Blut und Wasser zu gleichen Thei- len war, eine hellkirschrothe Farbe zeigte, und jenes, worin 1 Th. Wasser und 4 Th. Blut, eine dunklere, roth- braune Färbung hatte. Diese Farbe wechselte nicht mehr und war nach 24 Stunden in dem verschlossenen Gläschen noch dieselbe. Die Blutkörperchen zeigten sich nach diesen 24 Stun- den meistens ganz unverändert, nicht gerunzelt, einige zeigten schwach gezähnte Ränder; dieses Ergebniss war bei allen 4 Proben dasselbe, so dass also das Emser Wasser eine Veränderung der Gestalt und der Grösse physiologische Wirkung des Emser Wassers. 221 der Blutkörperchen des Menschen nicht hervorzurufen scheint. 5. Wirkung des Emser Wassers auf den Stoffwechsel. Da nun die festen Theile des Blutes durch Einfüh- rung des Emser Wassers keine besondere Aenderung zu erleiden scheinen, so muss wohl die Blutflüssigkeit es sein, worauf das Emser Wasser besonders einwirkt. Das doppelt-kohlensaure Natron ist ein normaler Bestand- teil des Blutes, bewirkt dessen Alkalescenz und ver- mindert die Gerinnungsfähigkeit des Eiweisses und ver- hütet die Ansammlung von Säuren. Es muss daher im Urin Veränderungen hervorrufen. Dass der Harn alka- lisch wird, dass also die Harnsäure sich im geringeren Maasse vorfindet, ist eine bekannte Sache. — Eine grosse Veränderung des Harnstoffes konnte ich nicht constati- ren. Dagegen war das Auffallendste, dass bei vielen Kranken, namentlich bei alten Katarrhen, stets eine nicht unbedeutende Menge kohlensauren Ammoniaks im Harn beobachtet wurde. Da nun Ammoniaksalze im normalen Harn gar nicht (Liebig, Scherer, Lehmann) oder nur in höchst geringer Quantität (Böcker) vor- kommen, so darf dieses bedeutendere Auftreten im Harn bei einer Emser Trinkkur als eine hauptsächliche Wir- kung des Emser Wassers angesehen werden. Es darf wohl als Umsetzungsproduct der wesentlichen Organ- bestandtheile betrachtet werden, das in den Lungen ab- dunstet und durch den Urin entfernt wird (C.Ludwig). Die Kranken bemerken meist selbst die Ammoniak-Aus- scheidung. Die Secrction des Urins ist vermehrt; der Urin wird blassgelb; häufige Regung zum Uriniren; Bren- nen, Stechen, Schmerzen beim Urinlassen, da das Am- moniak ätzend auf die Ilarnwege wirkt; der Geruch des Urins wird stechend und übelriechend, so dass die Pa- tienten sich über den eigentümlichen stinkenden Geruch beschweren. Der Urin reagirt alkalisch, rothes Lacknms- p.'tpier wird blau, beim Trocknen aber wieder roth; ein 222 Zoophyten- Haus des zoologischen Gartens in London. mit Salzsäure befeuchteter Glasstab lässt weisse Nebel aufsteigen; beim Hineinfallen eines Tropfens Säure in den Uriji braust derselbe auf; der Urin macht ein Sedi- ment von Erdphosphaten. Sowohl wenn der Urin einige Zeit zurückgehalten war, findet sich der Ammoniakgehalt, als auch dann, wenn kurze Zeit, J / 4 bis 1 j 2 Stunde nach der völligen Entleerung der Blase, wieder Urin gelassen wird, also ganz frisch lässt er deutlich die charakteristi- schen Zeichen wahrnehmen. Es geht also aus allen die- sen Beobachtungen hervor, dass ein reichlicher Gehalt des Urins an kohlensaurem Ammoniak das charakteristi- sche Zeichen des Urins beim Gebrauch des Emser Was- sers ist; und da das Ammoniak schon bei der Entlee- rung des Urins vorhanden, so ist dies ein Beweis, dass das Ammoniak innerhalb des Organismus durch den Stoff- wechsel entstanden ist. Ein Besuch im Zoophyten - Hause des zoologischen Gartens in London*). Ich stand mitten in einem sonnenbeleuchteten Kry- stallsalon, überall ausgeschmückt mit Blumen von seltener Gestaltung und reichster Färbung. Da waren liebliche, weisse, vielstielige Blüthen, unmittelbar aus Gestein wachsend, wie es schien, scharlachrothe und purpurne Anemonen, blühende Brillanten von Mesembryanthemum, freudig die Sonne mit ausgestreckten Armen grüssend, märchenhafte Blüthen in grünen, weissen, rosigen, purpur- nen Tinten — kurz die reichste Versammlung von Blu- menfeen unter dem warmen, glänzenden, geschlossenen Kry stalldache, nicht von Winden und Zephyren umkost und doch alle in freudiger Bewegung, jede nach ihrer Willkür mit den Stielen, Blättern und Blüthen graziös *) Separatabdruck aus dem Sonntagsblatte, "Wissenschaft fürs Leben. 1865. 5. Zoophyten-Haus des zoologischen Gartens in London. 223 umherschwankend und gleichsam declamirend, Arme und Finger in sich selbst zurückziehend, damit verschwindend, dann wieder in andern Kichtungen plötzlich in vollen Blüthen hervorschiessend und damit winkend, gesticuli- rend, als wollten sie Etwas sagen; oder discurirten sie wirklich untereinander? Kurz, die Blumen waren alle lebendig, lebendig wie die Thiere der Erde und die Fische im Wasser. Sie standen nicht gebannt in Töpfen, sie gesticulirten frei und in vollständig willkürlichster Bewegung im Wasser umher. Zwischen diese lebendigen „Thierblumen" schlangen sich seltsame Seegewächse, durch welche sich andere Ar- ten lebendiger Gestalten lustig umherjagten, und dann noch Fische von ungewöhnlichem und bezauberndem Far- benspiel. Einige speisten, andere haschten sich und ver- steckten sich, andere schliefen. Hier schoss einer rasch empor, dort verkroch sich ein anderer in die graue Ve- getation des Bodens unten, andere schwebten still und gedankenvoll in der Mitte, bis sie plötzlich Einfälle be- kamen und an diesem oder jenem Spiele Theil nahmen. Es war eine Scene, wie sie die Königin Gulnare sah, als sie mit ihrem Bruder in die Tiefe des Meeres stieg, um ihren unterwassrigen Unterthanen einen Besuch ab- zustatten, nur dass ich mich weder in einem Märchen, noch in dem Meere, sondern in voller materieller Wirk- lichkeit befand, bequem auf einem Stuhle des Zoophyten- hauses im zoologischen Garten des Regent-Parks in Lon- don sitzend. Dieser zoologische Garten gilt als der reichste und vollständigste der Erde. Es wird also wohl der Mühe lohnen, diese verwirklichte Märchen- und Feenwelt der Tiefe genauer anzusehen und zu erzählen, was ich sah und wie ich mich bezaubert und dichterischer erho- ben und begeistert fand, als jemals durch Volksmärchen. I);ts Zoophyten-Haus besteht durchweg aus jenem dicken, halb transparenten Glase, welches das Sonnenlicht dwrchlässt und zugleich zu einer Sanftheit bricht, wie sie für dergleichen /wecke unentbehrlich ist. Ausserdem 224 Zoophyten- Haus des zoologischen Gartens in London. kann das Licht noch durch grosse Rouleaux von oben her gedämpft werden. Das Haus ist viereckig, 55 Fuss lang und 40 Fuss breit und ringsherum von Cisternen in Spiegelglas besetzt. In der Mitte zieht sich eine Reihe kleinerer Cisternen derselben Art hin. Die grössten sind 6 Fuss lang, 3 Fuss tief und 2*/ 2 Fuss breit, die klei- nern haben etwa 2 / 3 dieser Grösse. Beim Eintritt steht man den acht grössten gegenüber. In den vier Ecken befinden sich ebenfalls welche, nur wenig mit Wasser und in besondern Abtheilungen mit trocknem Sande gefüllt, für Schildkröten, kleinere Arten von Krokodilen und son- stige Halb-Wasserthiere. Die Cisternen auf beiden Sei- ten sind mit Flusswasser gefüllt. Der Grund gleicht ge- nau einem Flussbette mit Steinen, Wassergewächsen, Schlamm etc. Darin logiren allerlei Flussfische, so zahm, dass sie sich gar nicht fürchten. Man kann sie hier in dem klarsten Wasser, jegli- chen in seiner Art und in seinen natürlichen Unarten und Schwächen, auf das Genaueste studiren, da sie sich offenbar gewöhnt haben, sich nicht im Geringsten vor den Leuten zu. geniren. Hier sieht man erst, was sie für grosse, kluge Augen haben, wie leicht und graziös sie sich bewegen, wie wohl es ihnen ist, wie gesund sie sind. Wirklich vergisst man bei diesem lustigen, leicht- sinnigen Leben in dem klaren Wasser, dass man darin ertrinken kann. Die grossen Cisternen der Thür gegenüber sind die Gefängnisse und zugleich Lustschlösser der Meeresfische und der grössten Zoophyten. Die Mittelreihe ist die aus- schliessliche Stadt der sonderbaren Thierblumen, Pflan- zenthiere, Zoophyten, Mollusken und Crustaceen, deren geheimnissvolle Entstehung, Lebensweise und Fortpflan- zung man hier auf das Genaueste und Bequemste erfor- schen und beobachten kann. Es geht ihnen hier in der Gefangenschaft nichts von der Natur ab, wie sie sie lie- ben. So gleichen die Cisternen genau den Gegenden Zoophyten- Haas des zoologischen Gartens in London. 225 des Meeres, wo die einzelnen Seefische leben. Felsen, »Schwammgewächse, Algen, Schlamm, Sand, Steine, ve- getabilisches und animalisches Leben, Alles umgiebt sie so, als wenn sie in ihrer natürlichen Heimath wären. Dabei geht die Zärtlichkeit für sie so weit, dass man ihnen nicht einmal künstliches Seewasser als ihr Element giebt, sondern es ihnen in der Natur daher kommen lässt, wo ihre Stammverwandten sich am liebsten aufhalten. Bei der richtigen Mischung von animalischem und vege- tabilischem Leben in den Cisternen hält sich das Wasser auch Monate lang gesund und wird im Durchschnitt bloss alle halbe Jahre durch frisches ersetzt. Auf das Studium der Fische will ich mich hier nicht einlassen, da ich es auch im Zoophytenhause nicht that. Die Zoöphyten selbst nahmen alle meine Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch. So lasse ich die Leoparden des Meeres, die schwarz- und goldgefleckten Fische, die brillanten grünen, die langna- sigen, schnabelartigen See -Schnepfen, die sonderbaren Wasserkomiker oder Plattfische und sonstige Arten der grossen Pleuronektidenfamilie mit ihrer Liebe für Gründ- lichkeit, d. h. den Sumpf, mit ihren grotesken, schiefen Mäulern, auf der einen Seite weiss, auf der andern schwarz, mit ihrer komischen Manier, einäugig zu erscheinen und dabei so altklug heraufzublicken, als machten sie Witze über die Leute draussen, unbeachtet und verweile zunächst bei einer Cisterne mit Crustaceen. Kommt Jemand durch die gelehrte Kruste dieses Namens nicht hindurch, so braucht man nur an Krebse und sonstige von Natur mit I'.nizern versehene Ritter des Wassers und Schlammes zu denken. Wer diese bepanzerte Aristokratie bloss von einem Gericht republikfarbig gekochter Krebse oder aus Hummersalat kennt, wird sich kaum vorstellen, wie lie- benewürdlg und interessant diese Art von Geschöpfen sein kann. Sie gehen durchaus nicht immer rückwärts wie die BuchhJtadlerkrebse. [cii unterhielt mich wohl eine halbe Stunde mit einem Krustenritter, welcher durchweg mit einem dichten blauen lieh. d. Pharm. n.XXHUMs. 8. Hft. 15 226 Zoophy ten -Haus des zoologischen Gartens in London. Stahlpanzer bedeckt war, der in beweglichen glänzenden Schuppen geringelt bis ans äusserste Ende des Schwanzes- hinauslief. Der Rücken war aus einem Stück gearbeitet, wie von polirtem, blau angelaufenem Stahl. Die Füsse stecken,, wie der Schwanz, in beweglichen Schuppen und boten nicht einmal eine Achillesferse. Um den Mund bewegten sich lange, starke, biegsame Fühlhörner, und die Augen trug er an langen Stangen, wie wir etwa Lichte in beiden Händen tragen und damit herumleuchten, wenn wir Etwas suchen. Man kann auch sagen: er trug die Augen auf den Händen, mit denen er überall zugleich umher- griff und sah. An den Schwanzschuppen hatte er sich mit Franzen und feinen Federn geputzt. Er breitete ihn alle Augenblicke aus, wie der Pfau seinen radschlagenden Schweif, nur dass er durchaus stahlblau blieb. Die Augen an den langen Stangen waren scharlachroth, um das Mauerwerk unterhielten bewegte Borsten einen fortwäh- renden Wirbel im Wasser. Dabei arbeitete er ganz ge- schäftsmässig mit den langen Vorderklauen in den Stei- nen unten umher und construirte einen Berg daraus, um eine steinfreie weiche Stelle als Lager zu gewinnen. Dieses seltsame Thier.war gleichwohl weiter nichts, als der gemeine Hummer, von welchem der delicate Hum- mersalat, die Passion der Engländer, gemacht wird. Von sonstigen Krebsen und Krabben, obgleich zum Theil wunderschön in ihren himmelblauen Gewändern, stark und lustig, klug und übermüthig, so dass sie ganz andere Wesen scheinen, als sie in der gewöhnlichen Vor- stellung der Leute sind, will ich hier weiter nicht reden. Nur noch ein Wort über die kleine, in England populärste Crustacee, die See-Garnele, die unter dem Titel „Shrim-ps" täglich millionenweise zum Thee verspeisst wird. Man kauft sie, in Salzwasser gekocht, durch alle Theile Lon- dons nösel- und kannenweise für wenige Pence. Sie wer- den an den Meeresküsten des Nachts herausgeschaufelt und so jeden Morgen in Schiffsladungen nach London u. s. w\ gebracht, ein Beispiel von Fortpflanzungskraft und Zoophyten- Haus des zoologischen Gartens in London. 227 Unverwüstlichkeit, wie es wohl kaum zum zweiten Male in der Natur vorkommt. Und wie elegant, blitzschnell und durchsichtig sind diese kleinen Creaturen ! Man sieht durch ihre lichten, fleischfarbigen Panzer genau ihre in- nere Organisation, den Umlauf ihrer Säfte, ihre Eingeweide, nur dass sie selten still halten. Sie freuen sich ihres kur- zen, schnell- und vielfüssigen Daseins unter beständiger Furcht, verschlungen zu werden, da es in diesen Was- serstaaten augenscheinlich keine Wasserpolizei giebt, die Eigenthum und Leben schützt. Sie dienen hier verschie- denen Pflanzenthieren, besonders den See-Anemonen, zur Nahrung. Ich sah, wie eine grosse Aktinie mit einem Zweige sich eine fing, doch rettete diese sich mit einem blitzschnellen Muthsprunge diesmal noch, um bald einem andern Feinde in die Klauen zu fallen. Die merkwürdigste Crustacee ist der Eremit oder „die Soldatenkrabbe", eine stets umherschnüffelnde Creatur mit krebsigen Vorderklauen, sonst aber mit dem ganzen Körper in einer grossen, weissen Muschel steckend. Bald rasselt sie seitwärts über die Steine, bald stösst sie sich rückwärts, dann springt sie plötzlich mit weit ausgestreck- ten knochigen Klauen vorwärts. Dabei erregen die vor- gestreckten Klauen und der borstige Bart in steter Kampf- lust und prahlerischer Herausforderung einen beständigen Wirbel im Wasser; gleichwohl kriecht sie feig in ihre Burg, wenn ein respectabler Feind naht. Das Seltsamste freilich ist, dass dieser Held doch nur als Esel oder Pferd für See-Anemonen dient, die auf seinem muscheligen Rü- cken einherreiten und rauben und morden. Die Muscheln, worin die Eremiten stecken, sind verlassene Wohnungen ihrer früheren Eigenthümer. Als solche mögen sie oft lange im Meere umhergetrieben sein, ehe Eremiten in ihre Klause einzogen. Man findet sie daher fast immer mannigfach umkleidet mit anderen muscheligen Sub- stanzen, in denen die Thierchen leben, besonders der „Eichelmuschel", die an den südwestlichen Küsten Eng- lands viele Meilen lange Strecken während des Spiels 15* 228 Zoophyten - Haus des zoologischen Gartens in London. von Ebbe und Fluth mit ihren blendenweissen Häuschen überkrustet. Der Balonus oder die Eichelmuschel baut sich von Kalk diese runden Wälle von J / 4 bis */ 2 Zoll im Durchmesser und V 3 Zoll hoch, nach einwärts sich ver- engend, so dass die Oefmung oben noch einmal so weit ist, wie die Basis. In diese kleine schneeweisse Festung logirt sich dieses niedliche Thier ein, da seine Muschel selbst zu zart ist, um es vollständig zu schützen. Sie hängt meisterhaft in Angeln, durch welche sie vollstän- dig geschlossen wird, sobald das Thier sich frei ins Was- ser wagt. Nimmt man solche belebte Eichelmuschel aus dem Wasser, legt sie etwa eine Stunde trocken und bringt sie dann wieder in Seewasser, so kann man sehen, wie graziös sie sich öffnet, um ihren Durst zu stillen. Es kommen dann Köpfchen mit dem prächstigsten Feder- schmuck heraus, mit den „tentacula" , womit sie Luft und Nahrung schöpfen. Aus kalkigen weissen Röhren, die sich wie Schlangen in einander wickeln, gesticulirten rothe, weisse, orangene federartige tentacula oder Fang- und Fühlfäden ganz feenhafter Crustaceen: Schlangen von weissem Stein mit den lebendigsten, zartesten, faserigen Blumen, die im Wasser hin und her wehten, wie von ver- schiedenen Winden gewiegt. Dazwischen faullenzen mit ihren hässlichen, klumpigen Körpern bräunliche, sammet- artige Mollusken mit langen Ohren, sogenannte Seehasen, mit deren Gift einst Titus den Domitian vergiftete, wie es überhaupt als geheime Polizei der römischen Kaiser eine grosse Rolle gespielt haben soll. Doch ist der See- hase eben so unschuldig, wie der zu Lande, wenn auch nicht so gutschmeckend; wenigstens erklären einige eng- lische Philanthropen, die allerlei seltsame Dinge kosteten, um neue Nahrungsmittel ausfindig zu machen, den schlüpf- rigen Seehasen für ungeniessbar. Wie steht es nun aber mit den erwähnten lebendigen, umherlaufenden Pflanzen und Blumen? Da fallen besonders die See Anemonen als schön und originell auf, ein Name, der die ganze reiche Familie der Actinidae (ocxti;, actis = Strahl) oder strah- Zoophyten - Haus des zoologischen Gartens in London. 229 lenförmige Pflanzenthiere einschliesst. Die Wissenschaft nennt sie Zoophytq helianthoida mit griechischen Wörtern, w eiche etwa „sonnenförmige Thierpflanzen" übersetzt wer- den können. Ihre Tentakeln strahlen in regelmässigen Zirkeln aus, überhaupt mit den lebhaftesten Farben, so dass sie im Grossen den Blüthenstrahlen unserer schön- sten gefranzten und strahlenden Blumen gleichen. Der eigentliche Körper der Helianthoida gleicht oft einem ab- geschnittenen Kegel oder kurzem Cylinder auf einer fla- chen Ebene; das entgegengesetzte Ende ist in der Mitte mit Grübchen versehen, aus denen die mannigfachsten Formen von Tentakeln ausstrahlen. Diese können belie- big zusammengezogen werden, so dass man nichts sieht, als Grübchen. In der Mitte des ebenen Endes ist der Mund, der durch einen kurzen, weiten Hals in den gros- sen Magen führt, in einen häutigen Beutel mit zahlrei- chen Falten, den in der Mitte eine grosse Furche theilt. Bei grossem Hunger treibt manches Helianthoidon den ganzen Magen vor den Mund hinaus, so dass er wie ein .Sack beinahe über den ganzen Körper hängt und sich sofort gierig zusammenklappt und nach innen zurückzieht, wenn er eine Beute gefangen. Der untere Theil dieser sonderbaren Geschöpfe ist mit einer grossen Saugwarze -eben, mit der sie sich an jeden Körper fest anklam- mern können. Wollen sie spazieren gehen, so lassen sie los, ziehen Wasser und rudern dann mit ihren Tenta- keln umher. Die Actiiäa oder eigentlichen strahligen, blümigen Ptlanzentliiere sind in fast eben so viel Arten als gänse- blumenartige Pflanzen da. Man unterscheidet sie auch danach, so dass es Mesembryanthema, Diantha, Nelken-, ►lumen- und andere Actinia giebt. Der allgemeine Name fiir sie i.st „See-Anemonen", hat also eine so weite ieutung wie ..Polypen", ein Ausdruck, der keine be- imtcn Grenzen hat und die See Anemone oft mit ein- Schliesst, obgleich diese gar keine Püsse hat, sondern nur dwerk und Magen ist. Das Mundwerk besteht zu- 230 Zoophi/ten-Haus des zoologischen Gartens in London. nächst aus den Mundarmen oder Tentakeln, röhrenförmigen, fleischigen Strahlen, die jede in einen besonderen Mund auslaufen. Durch diese Strahlen und OefFnungen saugt das Thier Wasser, um seinen Körper zum Schwimmen anzuschwellen, und seine Nahrung ein, die in der Regel aus kleinen, unsichtbaren Wasserthierchen bestehen mag. Es gedeiht, wächst und vermehrt sich lustig im Seewas- ser, wenn dieses nur öfter erneuert wird. Im Zoophyten- Hause ist es freilich nicht auf diese schmale Kost angre- wiesen. Hier füttert man es mit Fleisch. Nichts sah cu- rioser aus, als die Art, wie die Thiere ihre kleinen Fleisch- bissen, die ihnen in dünnen Stückchen vorgehalten wur- den, verzehrten. Sowie das Fleisch in ihren Strahlen- kreis kam, falteten sie sich alle gierig darüber und be- iorderten den Bissen in den Magen hinunter, um sofort wieder mit frischem Appetite nach allen Seiten zu strah- len. In ihrem Hunger und in ihrer Freiheit sind sie nicht selten gefährlich. Eine einzige See- Anemone kann einen ganzen Hummer verschlingen, ihn im Magen aus- saugen und dann die Krusten wieder auswerfen. Doch wie liebenswürdig waren die Thiere in den Wasserbehältern des Zoophvten- Hauses, besonders die Actinia olianthus, weiss wie Schnee, glänzend wie Por- cellan und zierlich bemalt mit purpurnen und bernstein- farbigen Figuren. Jetzt schwimmt sie wie ein Stückchen Porcellan 2 1 2 Zoll lang, dann verwandelt sie sich in eine schöne weisse Untertasse, um welche die Tentakeln wie Blumenblätter strahlen; hierauf fällt ihr ein, sich in eine zarte weisse Distel umzuformen, dann in eine Art von Sanduhr mit enger Taille in der Mitte etc. Manchmal ist sie wie ihre eigene Hälfte, dann wird sie dreimal so gross; kurz sie verwandelt sich bei guter Laune fortwäh- rend in unzählige Formen und scheint sich förmlich um- drehen zu können, wie ein Handschuh, so dass die in- nern Seiten nach aussen kommen. — Die Species Anthea cereus, erst unlängst bei Torbay aufgefunden, von Gestalt wie eine grosse, quastige Chry- > Aus dem botanischen Garten zu Breslau. 231 santhemum-Blüthe, wechselt die Farbe. Jetzt erscheint das reich betakelte Thier im lebendigsten Röthlichblau, wie spanischer Hollunder; kurz darauf geht die ganze Gestalt, mit Ausnahme der Spitzen, in das heiterste Grün des Frühlings über, um darin die Hollunderblüthen wan- dernd spielen zu lassen und eine perlige Blume zu spie- len. Dann ist es wieder ganz Hollunderblüthe, die Farbe verduftet und grünt wieder in eine Farbe über, wie man sie nicht schöner durch ein von der Sonne beschienenes Blatt des Lenzes sehen kann. In der Provence macht man aus dieser Species ein Lieblingsgericht, genannt „Rastegna". Ueberhaupt giebt es unter diesen zahlrei- chen Völkern der Tiefe wohl noch ganz andere Deli- catessen, als Krebssuppe, Hummersalat, die englischen Shrimps und die kosmopolitischen Austern. Holen sich doch die Plebejer Londons täglich ganze Fuder Schne- cken mit Stecknadeln aus deren schwarzen Gehäusen! Jetzt, nachdem die Völker der Oceane und unter- seeischen Höhlen, Berge und Thäler zum Theil Lieblinge der feinsten Gesellschaften in englischen draicing - rooms (Staatszimmern) geworden sind, wird man vielleicht einige vor Liebe aufessen lernen. Als Putzzimmer-Decorationen gelten die Mar ine- Aq uarien mit den lebendigen Wun- dern der Meerestiefe zwischen den krystallenen Wänden, klar und durchsichtig auf dem Tische, als eine der schön- sten, 'originellsten und malerischesten Ausschmückungen englischer Häuslichkeit. In Deutschland scheut man noch deren Kostspieligkeit. Ans dem botanischen Garten zn Breslau. i. Unter dieser Aufschrift beabsichtige ich von Zeit zu Zeit über wissenschaftliche und allgemein interessante Verhältnisse, Gewächse etc. des botanischen Gartens zu richten, zunächst über ein auserordentlich rasches 232 Aus dem botanischen Garten zu Breslau. Wachsthum, wie es bis jetzt wenigstens noch bei kei- ner andern Pflanze beobachtet worden ist. Vor 12 Jah- ren erhielt ich aus Holland zwei Exemplare des damals noch sehr seltenen Pandanus furcatus Roxb. von der Grösse gewöhnlicher Ananaspflanzen, die seit der Zeit zu Stämmen von 18 — 22 Fuss Höhe mit zahlreichen Blät- tern von 15 Fuss Länge herangewachsen sind und Haupt- zierden unseres Palmenhauses ausmachen. Bei einer De- monstration der grössern dieser interessanten Pflanze am 2. Mai war von einer Blüthenentwickelung nichts zu se- hen, den 4ten Abends zeigten sich an der Spitze einige weisse, mit ihren Spitzen geschlossene Blätter und am andern Morgen war aus ihnen eine traubige, fast 1 Zoll dicke und bereits 3 Fuss lange Blüthentraube hervor- getreten mit 10 — 14 Zoll langen, 2 — 3 Zoll breiten Blät- tern, in deren Winkeln eben so viele, unsern Teichkol- ben (Typha) ähnliche, 6—8 Zoll lange, l 1 ^ Zoll dicke Aehren sich befanden, welche Millionen gelblich weisse, nur aus Staubgefässen bestehende Blüthen enthielten. Die Verlängerung erfolgte nun langsamer, die Blüthenrispe senkte sich, hatte aber dennoch in der kurzen Zeit von 36 Stunden die enorme Länge von 5 Fuss erreicht. Ebenso schnell begann das zweite Exemplar am 13. Mai Abends in Blüthe zu treten, und obschon kaum zu er- wartende Umstände auch hier eine exacte Beobachtung in kurzen Zwischenräumen verhinderten, ergab sich doch, dass die grösste Längenentwickelung von 3 ! 2 Fuss in dem Verlauf von 4 — 5 Stunden statt gefunden hatte. Die Länge des Stiels betrug hier 3% Fuss, die der Blüthen- traube 2 x / 2 Fuss, also das Ganze fast 6 Fuss. Man hätte hier in der That das Wachsthum sichtbar verfolgen kön- nen, wie dies Miquel gelungen ist, der innerhalb 3 Stun- den den Kolben um 3 Fuss sich verlängern sah *). Viel- *) Der Blürhenstengel von Jgave arnericana wächst durchschnitt- lich nur 2 Fuss in jeder Woche, der von Dasylirion etwas rascher, 10 — 12 Zoll täglich. Aus dem botanischen Garten zu Breslau. 233 leicht glückt es uns das nächste Mal, diese wunderbare Erscheinung, bei welcher ich auch noch die Entwickelung hoher Temperaturgrade bemerkte, in ihrem ganzen Ver- laufe zu beobachten. Der Blüthenkolben selbst wird neben der Mutterpflanze bei einem aus Java stammenden Fruchtkolben derselben Art im Palmenhause aufgestellt. Verwandtes physiologisches Interesse bietet ein in der Nähe des Wassergrabens an der kleinen Weinlaube angestell- tes, Jedem zugängliches Experiment. Eine auf einer W e i n- rebe durch Kautschuk befestigte Glasröhre zeigte das schnelle Steigen des Saftes, welches von Beginn der Vegetation bis zum Ausschlagen der Blätter dauert, und bis zur Höhe von 3G Fuss erfolgt, wie ich vor einigen Jahren beobachtete. Haies sah das in eine Röhre ge- gossene Quecksilber 38 Zoll sich erheben, was einer Was- sersäule von 43 Fuss 3 3 4 Zoll Höhe gleichkommt, worauf also die das Wasser in die Höhe treibende Kraft den Druck von 2*2 Atmosphären auszuhalten vermöchte und fünfmal stärker wäre als die Kraft, welche das Blut in die Schenkel der Schlagadern eines Pferdes treibt. Es _t auf der Hand, dass diese Erscheinung nicht durch rein physikalische Momente, wie etwa durch Haarröhr- chen-Anziehung, wie Einige meinen, sondern nur durch die organische Thätigkeit der Zellen erklärt werden kann. An einem Orte des Gartens, der auch physiologische Zwecke zu verfolgen sich vorzugsweise zur Aufgabe stellt, sieht man als Product des Bildungssaftes in einer Weide, die auf St an niolblättchen abgelagerten Jahreslagen derselben u. dergl. Die zahlreichen bei uns eingeführten Arten der f'omaceen, Amygdaleen^ welche fast durchweg der gemässigten Zone der nördlichen Halbkugel angehören, stehen nun in Blüthe, unter ihnen auch die japanischen, welche sich durch Schönheit der Karben und lilüthon- reicbthum, nicht aber durch Trefflichkeit der Früchte auszeichnen, wie die Obstcultur mit der der Blumen Ober- haupt dort nicht gleichen Schritt zu halten scheint. Die in der Thai .sein- reich blühende Malus Toringa und flo- 231 Landerer, ribunda sind von Pyrus baccata nicht verschieden. Zu Zierden der in der Nähe befindlichen japanischen Parthie gehören vor allen jetzt die Magnolien, die Formen der Magnolia Yulan, Sonlangeana, aus China, Lenneana, wie auch die nordamerikanische M. auriculata, acuminata. Die Flora des hohen Nordens und der Alpen beginnt sich immer mehr zu entfalten. Ich komme später darauf zurück, erwähne hier nur, bereits die für die Bewohner des hohen Nordens durch seine wohlschmeckenden Früchte besonders wichtigen Rubus arcticus, Cornus suecica, die Zierde der Haine Skandinaviens, und Cypripedium ma- cranthuniy der sibirische Frauenschuh, überaus grossblü- thige Erdorchideen, Papaver nudicaule nach Franklin, die härteste Pflanze der arktischen Regionen etc. Ein Rho- dodendron magnoliaefolium vom Himalaja, mit wohlriechen- den liliengrossenBlüthen auf der neu eingerichteten Eriken- partie, links von der Kastanienallee, lässt auf die gross- artigen Verhältnisse der alpinen Flora jenes interessantesten Gebirges der alten Welt schliessen. Die Aufstellungen ge- hen ihrer Beendigung entgegen, unter ihnen diesmal auch der im vorigen Herbst und Winter gezogene Pilz des in so vieler Beziehung so überaus interessanten Mutter- kornes {Claviceps purpurea). Breslau, den 16. Mai 1865. H. K. Göppert. Pharmakologische Notizen ; von Dr. X. Landerer. In einer französischen Zeitschrift wurde mitgetheilt, dass durch Einathmen des Leuchtgases der Paroxismus des Keuchhustens bedeutend gemildert werde und die damit behafteten Kinder in kurzer Zeit davon geheilt würden. Da nun auch in Athen eine Leuchtgas-Anstalt existirt, so theilte die Direction diese Mittheilung durch die Zeitungen mit und erbot sich, denjenigen, die das- selbe einzuathmen gesonnen seien, dasselbe gratis zu ge- pharmakologische Notizen. 235 statten. Da der Keuchhusten, in Griechenland Kora- bycha, d. i. Raben- Husten, von xöpa$, Rabe, ßu$, Husten, genannt, von Zeit zu Zeit epidemisch auftritt und die Kinder oft Monate lang damit behaftet sind, und alle dagegen angewandten Mittel, wie auch die Seeluft, sich nutzlos dagegen erweisen, so brachten schon mehrere Eltern ihre kranken Kinder in die Gasanstalt, um von ihnen das Carburetum Hydrogenü einathmen zu lassen, und nach Mittheilungen, die ich erhalten habe, sollen die Paroxismen nach einigen Tagen abgenommen und der Keuchhusten aufgehört haben. Diese günstigen Ver- suche sollen auch alte Personen, die an Asthma litten, bewogen haben, das Gas gegen asthmatische Beschwer- den mittelst Inhalationen anzuwenden, und ein solcher asthmatischer Patient versicherte mir, durch diese Inha- lationen eine bedeutende Linderung der Anfälle verspürt zu haben. Da ich nicht weiss, ob solche Versuche mit dem Leuchtgase auch in Deutschland angestellt werden, so theile ich diese Notiz zum Zweck genauerer Untersuchun- gen über den Nutzen desselben gegen die angegebenen Krankheitsfälle mit und wünsche eine Bestätigung von deutschen Aerzten zu erfahren. — Schon früher theilte ich mit, dass die gemeinen Leute im Oriente den Samen von Urtica pilulifera, der am häutigsten vorkommenden Nesselart in Griechenland, als ein Medicamentum galactoporon oder Galactogogon be- trachten, und dass Mütter, die wenig Milch haben, um die Milch -Secretion zu vermehren, ihre Zuflucht zu Ab- suden dieser Samen nehmen, denen man auch die fri- schen Blätter von Lactuca sativa und von Sonchus olera- ceus zugesetzt, und man versicherte von diesem Absude eine ausgezeichnete Wirkung auf die Milch -Secretion zu verspüren. In letzter Zeit tauchte auch die Mittheilun^ auf, dass die Blätter von Ricinus communis oder R. viri- dis eine ähnliche Wirkung haben sollen. Bei Frauen in Athen, die an unterdrückter Milch - Absonderung litten, 236 Landerer, wurden die Fol. Ricini theils in Form von Cataplasmen auf die Brüste, theils als Thee mit dem besten Erfolge angewendet. Dies ist mithin ein Mittel, welches jede Dame sich leicht zu verschaffen im Stande ist. — Ueber Entfernung von Silberflecken durch Jodcyan- kalium. — Wenn ich diese Notiz vielleicht auch schon früher mittheilte, so halte ich es doch nicht für über- flüssig, nochmals auf diesen Gegenstand zurückzukom- men. Jedermann weiss, wie schwer es hält, schwarz gewordene Flecke von zersetztem Silbersalpeter von den Fingern und noch schwieriger aus Leinwand zu entfer- nen, denn alle angegebenen Mittel, wie Jodkalium, Chlor- natrium, Schwefelammonium, führen nicht zum erwünsch- ten Zweck. Unter allen bekannten Mitteln ist das Cyan- kalium das ausgezeichnetste, reicht jedoch auch nicht aus, wenn die Flecken sehr alt sind. In diesem Falle ist eine Verbindung von Jod mit Cyankalium am besten. Werden die von dem zersetzten Silbersalze schwarz ge- färbten Finger, oder auch die Wäsche, worauf sich solche Hecke befinden, zuerst mit Jod und darauf mit Cyan- kalium eingerieben, so verschwinden dieselben nach eini- gen Minuten. Auf diese Weise ist es möglich, Silber- fiecke, die allen andern Mitteln widerstanden, rasch zu vertilgen. Ich habe einem Photographen und auch mir selbst die Hände, welche ganz schwarz waren, in einem Zeitraum von einigen Minuten auf diese Weise gereinigt. Diese Notiz könnte denjenigen Collegen von Nutzen sein, die sich mit der Bereitung von Höllenstein und mit Pho- tographie beschäftigen. — Pikrodaphne, der Lorbeerbaum, von Däphne, der Lor- beer, und pikris, bitter, mithin der bittere Lorberbaum, nennt man im Orient den Nerium Oleander. Derselbe ist einer der schönsten Zierstäucher in den Gärten, fin- det sich an allen wasserreichen Plätzen und ziert die Flussbette. Da diese Pflanze das Wasser liebt, so nannte man sie Nerium — Nirion — von neros, feucht, in Be- zug auf den Standort dieser Pflanze an feuchten Plätzen. pharmakologische Notizen. 237 Woher der Name Oleander abgeleitet ist, kann ich nicht bestimmen. Aus meinen Untersuchungen und denen mei- ner Freunde geht hervor, dass die Pflanze zu den nar- kotisch scharfen Giftpflanzen gehört, deren Ausdünstun- gen schon schädlich sind, zu rechnen ist, und es liegen viele Fälle vor, dass Personen, besonders Hirten, die sich zur Mittagszeit in dem Schatten dieser Sträucher aufhielten und schliefen, heftige Kopfschmerzen, Neigung zum Erbrechen und starken Schwindel verspürten. Aehn- liche Symptome verspürte ich an mir selbst, als ich im Juni zur Mittagszeit auf der Insel Zea unter einem sol- chen Strauche schlief. Der innerliche Gebrauch der Blü- then und Blätter, deren Abkochung einen höchst unan- genehmen, fürchterlich bittern, nauseosen Geschmack be- sitzt, bringt alle Symptome der narkotisch drastischen Gifte mit starken dysenterischen Erscheinungen hervor. Vor kurzer Zeit habe ich die wichtige Mittheilung erhal- ten, dass ein an epileptischen Anfällen Leidender, der alle Heilmittel ohne Erfolg Jahre lang gebraucht hatte, nach dem Gebrauch von Absuden dieser Blätter, die ihm ein alter empirischer Arzt anempfahl, geheilt wurde. Möge diese Mittheilung zu Versuchen über die Heilwir- kung dieser Pflanze bei dieser Krankheit veranlassen. Auch in letzterer Zeit beschäftigte ich mich mit der Untersuchung dieser Pflanze und ich glaube, dass es Dicht schwer halten dürfte, aus der frischen Pflanze namentlich aus den frischen Blättern, ein Alkaloid, das Xiiinum zu nennen sein dürfte, isolirt darzustellen. Da ich keine Mittel mehr habe, diese Untersuchungen fort- zusetzen, so bitte ich meine Freunde, diesem Gegen- stande ihre Aufmerksamkeit zu widmen. 238 Lander er, Notiz über Papyrus antiquorum; von Demselben. Die berühmte, 4 bis 10 Fuss hohe Papierstaude der Alten, Cyperus Papyrus, oder früher Papyrus, wächst be- sonders in Egypten, dem Nil entlang. Schon in den ältesten Zeiten assen die armen Egypter den grossen Wurzelstock und deshalb nannte man diese Leute Papy- rophagen. In Egypten wird die Wurzel noch heutzutage von der armen Bevölkerung gegessen, theils in rohem Zustande, theils gekocht oder auf Kohlen, gleich wie man den Mais isst, leicht gebraten. Ob man diese Leute noch jetzt Papyrophagen nennt, weiss ich nicht. Aus dem Holze des Papyrus -Strauches machte man Stricke, Seile, Bänder, Kleider, Segel, Schiffe, und Plinius er- wähnt Naves papyraceae, auch Gefässe. Sanguis inhibetur papyraceo ligamine. Aus der Veget. de re veterum geht hervor, dass man die Weinreben mittelst Stricken aus Papyrus festband. Auch Lichtdochte, die man Sellych- nium papyraceum nannte, wurden aus den Fasern der Papyrus - Staude gemacht. Was nun das aus dersel- ben verfertigte Papier betrifft, so wurde dieses aus der von dem Stengel oder den Halmen der Staude ab- gelösten Oberhaut mittelst des Nilwasserschleimes zusam- mengeklebt. Man breitete die abgelösten Blättchen auf einer Tafel aus, überstrich sie mit dem klebrigen Nil- wasser und formte so die Blätter. Auf diese Weise wurde das alte Papier in Alexandrien bereitet, welches sich durch die Papierbereitung grosse Reichthümer er- warb. In alten Zeiten hatten die Alexandriner ihre be- sonderen Leimer (glutinatores), um die vom Stengel ab- gelösten Blätter zusammenzuleimen; nach dem Trocknen wurden diese dann geklopft (malleatores), um sie zu ebe- nen. Darauf wurden die Papierblätter aufgewickelt und in Rollenform versendet und verkauft. Mittelst Griffeln und Federn aus demselben Papyrus wurden sie beschrie- Notiz über Papyrus antiqxiorum. 239 ben. Ich hatte Gelegenheit, beschriebene und unbeschrie- bene Papyrusrollen aus alten egyptischen Gräbern zu sehen. Die auf diesen vorkommenden Schriftzeichen sind theils mit schwarzer, seltener mit rother und höchst sel- ten mit blauer Farbe geschrieben, in ausserordentlich seltenen Fällen auch vergoldet. Da eine solche Papyrus- rolle je nach dem Mumiensarge, worin sie aufgefunden worden, mit Tausenden von Piastern bezahlt wird, so ist es begreiflich, dass man nicht leicht zu solchen Farben gelangen kann. Ich hatte jedoch das Glück, solche Far- ben zu bekommen, die ich von einem abgekratzt hatte. Die schwarze Farbe ist ein Kohlenschwarz und soll nach einem egyptischen Schriftsteller aus der Papyrus -Staude gemacht worden sein ; von Metallen fand sich keine Spur darin. Die rothe Farbe bestand aus Zinnober und eine blaugrüne enthielt Kupferoxyd. Ebenso habe ich eine lasurblaue Farbe untersucht und in derselben Kobalt, eine Art Zaffer, gefunden. Woher die alten Egypter dieses Metall entnahmen, ist nicht bekannt; jedoch fin- det sich auch in blauen Glasflüssen der Egypter als blau- färbender Bestandtheil Kobaltoxyd. Alle diese zum Schrei- ben dienenden Farben oder Dinten wurden mit dem so- genannten Fischleimgummi, Gummi Sarkokollae, von einem im südlichen Afrika und in Aethiopien einheimischen Strauche, Penaea Sarkokolla, abstammend, verdeckt und sodann zu dem angegebenen Zwecke gebraucht. Vor vielen Jahren erhielt ich aus einem egyptischen Grabe ein grosses Stück eines Gummi oder Harzes, das ich schon damals als Gummi Sarkokollae bestimmte. Die- ses Harz kannte auch Dioscorides und leitete es von einem in Persien vorkommenden Strauche ab ; er schrieb demselben wundenheilende und augenstärkende Kräfte zu und die Araber benutzten dasselbe als Purgirmittel. In Betreff der Anwendung des Schilfes des Papyrus tmHqwrum geht aus den Ilippokratischen Schriften her- vor, dass die Alten aus den zu einem Cylinder zusam- mengewickelten Häuten {K^idennide caulium) eine Art 2 10 Landerer, Notiz über Agnus Castus. Spongiae compressae machten, die man um fistulöse Gänge zu erweitern, in dieselben steckte und darin aufquellen Hess. i ■•ai»o »< ?■ » - Notiz über Agnus Castus; von Demselben. Diese Pflanze nennt man in Griechenland Lygos, von hrfe, zäh, biegsam, indem dieselbe im Orient gleich den Weiden an andern Orten zum Flechten von Körben und zum Anbinden der Bäume verwendet wird. Auch Agnus oder Castus quod ab iis, a quibus estur aut bibitur, aut substernitur castitatem observat et matronae in Themospho- riis Atheniensium castitatem custodientes folia hujus arboris sibi sternebant. Die Früchte dieses schönen Strauches gleichen den Pfefferkörnern und haben auch einen sehr scharfen, dem Pfeffer ähnlichen Geschmack. Durch Di- gestion dieser Körner mit Weingeist und Abtropfen der weingeistigen Tinctur erhielt ich eine balsamähnliche Masse, die dem Extr. Cubebar. aether. ähnliche Eigen- schaften besitzt und auch gleich dem letztgenannten Ex- tracte gegen Leiden des uropoethischen Systems mit Nutzen angewendet werden kann. Die Blätter desselben werden in Griechenland von den Landleuten und von den noch existirenden empirischen Aerzten zur Unter- drückung von stinkenden Fussschweissen angewendet, welche nach dem Gebrauche von Fussbädern mittelst stark gesättigter Abkochungen derselben aufhören. Als einen kleinen Beitrag theile ich folgenden traurigen Fall mit. Ein mir befreundeter junger Mann, der an solchen stinkenden Fussschweissen (Bromidrosis) litt und alle Mit- tel dagegen ohne Nutzen anwendete, nahm seine Zuflucht auch zu diesem Mittel und nach dem Gebrauch von meh- ren Fussbädern wurden dieselben unterdrückt, jedoch schwächte sich leider die Sehkraft des Patienten von Tage zu Tage und die traurige Folge war eine Aman- Landerer, zu Volksheilmitteln im Oriente. 241 rose 7 woran derselbe seit drei Jahren leidet. Hieraus ist zu ersehen, wie gefährlich es ist, solche chronische Se- cretionen zu unterdrücken. Man wendete später alles Mögliche an, um die Bromidrose wieder hervorzurufen, jedoch war alles vergebens. Zu Volksheilmitteln im Oriente; von Demselben. Auch die Dinte ist als Heilmittel im Oriente nicht unbekannt. Wer sollte es glauben, dass sich die Leute, die an herpetischen Ausschlägen leiden, die von Herpes oder Liehen befallenen Stellen mit Dinte bestreichen und dieses wiederholen, bis das Exanthem abgetrocknet ist, was oft sehr rasch erfolgt. Eine mir befreundete Dame, die am Halse einen solchen Ausschlag hatte, und diese Heilmethode andern vorzog, wurde schnell von diesem üebel befreit. Die Ursache dieser Abtrocknung und Heilung ist wahrscheinlich die freie Schwefelsäure, viel- leicht auch die adstringirende Wirkung des in der Dinte als gallussaures und gerbsaures Eisenoxydoxydul enthal- tenen Eisens. Jedenfalls liegt eine Menge von Fällen vor, dass die Dinte als Heilmittel äusserlich angewendet wird. Arch. d. Pharm. CLXXIII. VA,. 8. Hft. .- 242 Ol. Monatsbericht. Apparat zur Bestimmung des Alkoholgehalts im Wein. Bier, Most u. s. w. von Scheeffer. L Lampe. — D Flasche zur Aufnahme der zu prü- fenden Flüssigkeit. — P Pipette von 10 C.C. sehr genau eingetheilt. — A Kühlgefäss für die aus D entwickelten in b zu verdichtenden Dämpfe. — R in Cubikcentimeter getheilte Proberöhre für das Destillat, gross genug, um so viel Wasser aufzunehmen, dass eine Mischung von 10 Proc. reinem Alkohol im Volumen dargestellt werden kann. Zu dem Apparate gehört noch eine kleine, an beiden Enden zugeschmolzene Glasröhre als aräometrischer Schwimmer, Wirkung der Alkohole auf zusammengesetzte Aether. 243 der bei 15° C. in einer Mischung von 10 Proc. Alkohol- gehalt im Gleichgewichte bleibt. In die Flasche werden genau 10 C.C. der zu prü- fenden Flüssigkeit gebracht, der Apparat, wie die Zeich- nung ergiebt, zusammengestellt und etwa 5 C.C. in die graduirte Röhre abdestillirt, der Schwimmer hineinge- bracht, an der Eintheilung abgelesen, wie viel C.C. er von dem Niveau der Flüssigkeit differirt, und so viel Wasser hinzugebracht, dass er sich an der Oberfläche der Flüssigkeit bei 15° im Gleichgewichte befindet. Der Schwimmer steigt oder sinkt schon auf Zusatz von 1 Tropfen Alkohol oder Wasser, so dass er in seiner Empfindlich- keit alle bisher construirten Alkoholometer übertrifft. So- bald der Schwimmer äquilibrirt, findet man den Alkohol- gehalt in Hunderten durch die Zahl der von der Flüs- sigkeit eingenommenen Cubikcentimeter ausgedrückt. Eine Flüssigkeit, in welcher der Schwimmer im Gleichgewicht ist, enthält l j 10 ihres Volumens Alkohol; beträgt sie z.B. 12 C.C, so ist der Alkoholgehalt 1,2 C.C. in den ab- gemessenen 10 C.C. Wein, ist also für 100 C.C. Wein = 12 Proc. Alkohol. Dieselbe Zahl, welche die Flüs- sigkeitsmenge in der graduirten Röhre anzeigt, drückt zugleich den Procentgehalt der untersuchten Flüssigkeit an absolutem Alkohol aus. (Journ. de Pharm, et de Chim. Dec. 1863.) Dr. Reich. Ueber die Wirkung der Alkohole auf zusammen- gesetzte Aether. C. Friedel und J. M. Crafts hatten früher bei der Einwirkung von Amylalkohol auf Aethylchlorsilicat die Bildung einer kleinen Menge Flüssigkeit von höhe- rem Siedepuncte und KohlenstorTgehalte als denen des Triäthylmonamyl- Kieselsäureäthers bemerkt. Da die Re- action nach der Gleichung C^ll^O* + (3 CWO, Si2 CIO 3 ) = (3C«H*0, CWH«0, Si2()4) _j_ HCl verlaufen musste, so konnten sie die Entstehung eines kohlereiche- ren Körpers nur durch die Einwirkung eines Theils des Amylalkohols auf den bereits gebildeten gemischten Aether erklären, wodurch Alkohol undDiäthyldiamyl-Kieselsäure- ttther gebildet wurde. Der Versuch bestätigte diese Ver- nmthung; denn hei mehrfach wiederholter Destillation von Kieselsäureäther mit Amylakohol oder besser noch, wenn beide zusammen in einem geschlossenen Glasröhre einigt; Stunden auf JGO ( > oder 1*0 ( > erhitzt worden, entstand ge- 16* 244 Wirkung der Alkohole auf zusammengesetzte Aether. wohnlicher Alkohol und der Siedepunct der weniger fluch tigen Producte erhob sich von dem des Kieselsäureäthers (165°) bis zu dem des Kieselsäureamyläthers (324°) und die letzten Antheile gaben bei der Zersetzung durch Al- kali Amylakohol. Auch andere gemischte Aether verhal- ten sich ähnlich. Essigsäureäther gab mit Amylalkohol gewöhnlichen Alkohol und die gegen 132° siedenden Pro- ducte lieferten beim Kochen mit Aetzkalilauge essigsau- res Kali ; doch Hessen sich Essigsäureamyläther und Amyl- alkohol wegen des geringen Unterschiedes ihrer Siede- puncte nicht trennen. Bei den Jodüren gelang es jedoch. Benzoesäureäther und Aethylchlorür scheinen sich schwieriger zu zersetzen, als die besprochenen Aether. Neutraler, zwischen 1820 und 184° siedender Oxalsäure- äther dagegen, 36 Stunden mit einem Aequivalent völlig trockenem Amylalkohol auf 220° bis 250° erhitzt, erlitt eine Umsetzung. Beim OefFnen des Rohres entwickelte sich Kohlensäure und Kohlenoxyd ohne Kohlenwasserstoffe. Der Röhreninhalt war völlig neutral ; der unter 90° destil- lirende Theil enthielt Aether, der durch Kochsalzlösung daraus abgeschieden wurde; aus letzterer wurde nach weiterer wiederholter Reinigung eine bei 78° siedende Flüssigkeit mit allen Eigenschaften des Alkohols gewon- nen. Die höher siedenden Theile gaben ein wenig Oxal- säureäthyläther ; dann stieg die Siedetemperatur bis ge- gen 260°. Durch fractionirte Destillation wurde eine zwischen 259° und 261° siedende Flüssigkeit mit 62,24 Proc. C und 9,49 Proc. H erhalten, die demnach fast rei- ner Oxalsäurearn yläther war, da die Formel 2C 10 H 11 O, C*06 62,61 Proc. C und 9,56 Proc. H erfordert. Gleich- zeitig musste sich Oxalsäureäthylamyläther gebildet ha- ben. Es wurde in der That eine ziemlieh beträchtliche Menge zwischen 225° und 233° siedender Flüssigkeit auf- gefangen ; aber es Hess sich daraus nicht der reine ge- mischte Aether erhalten, da derselbe sich bei der Destil- lation zu zersetzen schien. Zur Prüfung wurde die zwi- schen 230° und 242° siedende Flüssigkeit 24 Stunden lang auf 2200 — 2500 erhitzt. Beim OefFnen des Rohrs ent- wickelte sich sehr wenig Gas; es hatten sich Spuren von Aethyläther gebildet; die Flüssigkeit war braun gewor- den, dabei aber neutral geblieben. Durch fractionirte De- stillation Hessen sich daraus zwei Flüssigkeiten erhalten, deren Siedepunct mit denen des Oxalsäureäthyläthers 184° und des Oxalsäureamyläthers 262° ziemlich zusammen- trifft. Die Zersetzung war ziemUch weit vorgeschritten. Verhalten des Alkohols im Organismus. 245 Aus dieser Untersuchung geht nun hervor, dass die Alkohole die von andern Alkoholen abgeleiteten Aether zersetzen können, dass diese Zersetzung nicht von einer vorwaltenden Verwandtschaft gewisser Alkohole herrührt, sondern eine Massenwirkung ist, und dass die durch Was- ser leicht zersetzbaren Aether auch durch Alkohole am. leichtesten zersetzt werden. {Bull, de la Soc. chim. 1863. — Chem. Centrbl. 1864. 34.) B. lieber das Verhalten des Alkohols im Organismus, E. Baudot wurde durch seine Forschungen bestimmt, den Alkohol wieder in die Reihe der respiratorischen Nah- rungsmittel zu versetzen, im Gegensatze zu den Behaup- tungen von L'Allemand, Perrin und Duroy in einer von der Academie des Sciences im Jahre 1861 gekrönten Denkschrift, welche mit den Schlusssätzen endete: a) der Alkohol ist kein Nahrungsmittel. . . . h) der Alkohol wird im Organismus weder umgewan- delt, noch zerstört. . . . c) der Alkohol wird vom Organismus in seiner Qua- lität und Totalität ausgeschieden. Die Eliminationswege sind: die Lungen, die Haut und besonders die Nieren. Baudot kritisirte und controlirte in einer ausführ- lichen und interessanten Schrift die Versuche der eben ge- nannten Autoren, machte neue und gelangte zu folgenden Schlusssätzen: 1) Der Alkohol, massig und in Form von Wein, Kirsch- wasser, Rum und Weingeist genossen, wird nicht vom Harne eliminirt. 2) Man kann gleichwohl in gewissen Fällen fast un- merkliche Spuren davon in dieser Flüssigkeit finden. 3) In anderen, ausnahmsweisen Fällen, findet man «ine erhebliche Mengo, welche aber doch immer im Ver- hältnisse zur eingeführten sehr gering ist. 4) Das Alkoholometer ist völlig geeignet, sehr geringe Alkoholmengen zu entdecken. 5) Die Auflösung des doppelt- chromsauren Kalis in Schwefelsäure (1 auf 300) ist eine sehr empfindliche Flüs- sigkeit, mehr als bei dergleichen Untersuchungen noth- dig ist. 6J Man hat Grand, anzunehmen, dass der Alkohol im Organismus zerstört wird und darin die Kolle eii 246 Weingahrung. respiratorischen Nahrungsmittels spielt, welche ihm schon Liebig angewiesen hat. (Union medicale.) Heber die Weingahrung. A. Bechamp und Maumene haben neuerdings über diesen zur Zeit noch sehr dunklen und in seinem ganzen Verlauf schwierig aufzuhellenden chemischen Process Be- obachtungen und Ansichten mitgetheilt, die theilweise mit einander übereinstimmen, theilweise nicht. Die Beobachtungen, welche Bechamp während der Weinernten 1862 und 1863 anstellte, beziehen sich vor- züglich auf den Einfluss der längeren oder kürzeren Kü- fung (cuvage), auf den Einfluss der Luft während der Gährung und Wirkung der Fermente. Das Product der Gährung, welches man Wein nennt, wird gewöhnlich nur der Wirkung der Hefe zugeschrie- ben, welche alle Eigenschaften der bekannten Bierhefe besitzt. So ist es auch nach Bechamp in gewissen Fäl- len, nicht aber in allen. Stellt man z. B. filtrirten Most an die Luft, so entsteht fast nur die sogenannte Bierhefe, die jedoch etwas kleinere Dimensionen besitzt, als die in Zuckerwasser mit Hefeabkochung sich bildende. Bei der Gährung dieses Mostes entsteht jedoch ein Wein, der ganz anderen Geschmack und anderes Bouquet besitzt, als im unfiltrirten Most. Und wenn man filtrirten Most mit ge- waschener Bierhefe in Gährung setzt, so hat der sich bil- dende Wein wieder anderes Aroma als der vorige. Als Bechamp nun zerquetschte Trauben in einem fast vol- len Gefässe unter Abschluss der Luft in seinem Labora- torium freiwillig gähren Hess, bildeten sich neben der ge- wöhnlichen Hefe stets viel kleinere Körperchen, deren Längsdurchmesser oft zehnmal grösser als der Quer- durchmesser war, und die statt der zahlreichen Granula- tionen der Bierhefe nur wenige Kerne innerlich enthiel- ten. Dieselbe Erscheinung wurde auch in dem Weinkel- ler eines grossen Fabrikanten beobachtet. So wie aber Luft Zutritt erhielt, bildeten sich in viel reichlicherer Menge die fadenförmigen Fermente, welche dem Träberhut seine lebhafte Farbe und seinen angenehmen Weingeschmack raubten. Aus den bisherigen Beobachtungen zieht Bechamp die Schlüsse: 1) Dass die Weingahrung ein viel complicirterer Pro- Weingahfung. 247 cess ist, als die gewöhnliche alkoholische Gährung, inso- fern bei der gleichzeitigen Anwesenheit von Hülsen und Kämmen mehrere Fermente entstehen, die den letzteren als Sporen oder Keime anhängend neben der gewöhn- lichen Hefe sich ausbilden. Dies gilt für die Wein- bereitung in Languedoc. 2) Dass die fadenförmigen Fermente nicht wesent- lich zur Essigbildung beitragen, weil letzterer in nicht grösserer Menge im Wein normal vorhanden ist, als in dem durch Bierhefe vergohrenen Zucker. Hinsichtlich der Frage, ob der Wein das Product nur eines oder mehrerer Fermente sei, findet sich Maumene nicht in Uebereinstimmung mit Bechamp, wenigstens nicht für die Weinbereitung der Champagne, die freilich etwas anders vor sich geht. Der zum Schaumwein bestimmte Most wird hier von der Presse in Pipen von 5 — 6 Hek- toliter Inhalt aufgefangen und 24 — 48 Stunden absetzen gelassen, wobei Hülsen, Kerne, Kamme u. s. w. sich zu Boden senken, trotz der stürmischen Gährung, die schon eintritt. Dann zapft man den Most auf Stücken von Hek- toliter, die fast ganz damit gefüllt werden, Und schliesst das Spundloch mit einem Weinblatt und einem Ziegel- stein. Der Absatz in den Pipen enthält in dem genannten Bodensatz fremdartiger Stoffe, Kügelchen von Hefe, et- was kleiner als Bierhefe, und jene von Bechamp be- schriebenen länglichen Körperchen von zehnfach längerem Durchmesser. Der untere Hefenabsatz in den Stücken ist sehr ho- mogen und besteht nur aus Individuen, deren grössere Axe j /|S2j die kleinere 1 / 357 Millim. beträgt. Die Ursache der Verschiedenheit des Bouquets der Weine auf die Wirkung mehrerer Fermente zurückzufüh- ren, hält Maumene für bedenklich, bevor nicht nach- gewiesen ist, dass die verschiedenen Fermente sehr un- gleichartige Producte liefern. Denn die Bierhefe wirkt auf den (Jeschmack der von ihr erzeugten alkoholischen Flüssigkeit ganz eigentümlich ein, indem sie in ihrer Substanz thcilwei.se eine Veränderung erfährt und lösliche Stoffe abgiebt. Setzt man Zucker wasser mit gewasche- ner Bierhefe und andererseits mit gewaschener Weinhefe in Gährung, so erhält man weinige Flüssigkeiten von ganz verschiedenem Bouqnet Was aber die Verschiedenheit des Weins aus frei- willig gegohrenem filtrirten und aus demselben unfiltrir- 248 Weingährung. ten Most anlangt, so stimmt Maumene mit Bechamp nicht überein, sofern nur die Filtration schnell nach der Pressung geschah. Essigsäure konnte Maumene im Champagnerwein mit den feinsten Reagentien nicht nachweisen und er lässt es unentschieden, ob sie nicht eine zufällige Beimischung in anderen Weinen sei, die bei mehr Luftzutritt bereitet werden. (Journ. für prakt. Chemie. Bd. 93. 3.) B. Heber Weingährung. Zwei Arbeiten über Weingährung von Bechamp und von Fr. Mohr ergänzen einander in mancher Be- ziehung. Beide leiten das Verderben des Weins,, Eintritt von Schimmelbildung, von zu langem Liegen nach ge- schlossener Hauptgährung ab, die unter stürmischer Ent- wicklung von Kohlensäure verläuft, welche den Zutritt der atmosphärischen Luft abhält. Der erstere schlägt darum kürzere Gährung vor, der letztere Gährung unter Abhaltung von Luft. Er lässt ein zweischenkliges, 4'" weites Glasrohr in einem Korkspund befestigen, dessen zweiter Schenkel in ein Gefäss mit Wasser taucht. Auf diese Weise kann man den Verlauf der Gährung genau beobachten, die Luft ist vollkommen abgeschlossen, und es bleibt nur fraglich, wie eine zufällige Verstopfung einer so engen Röhre zu verhüten ist, die ein Zersprin- gen des ganzen Gebindes zur Folge haben kann. Wenn eine zerdrückte Traubenbeere auch leichter ein enges Rohr verstopft, so sind 4"' doch nicht weit genug, um dasselbe zu verhindern. {El. für Hdl. u. Geivbe. 1864.) B. Fabrikation des Tin de Pelle; von Nickles. Der ziemlich gute Vin de Pelle wird nur in Lothrin- gen und hauptsächlich im Departement der Meurthe fa- bricirt. Das Material sind die Trauben des ordinären Weines, so dass die Güte des Vin de Pelle nur in der Darstellungsmethode liegen kann, die bewirkt, dass in wenigen Monaten der Wein die Eigenschaften erlangt, die ordinären Weinen erst nach und nach in längerer Zeit zu Theil werden. Das Verfahren ging bis vor Kurzem durch mündliche Ueberlieferung auf die Nachkommen über; das Fabrikations verfahren für grosse Quantitäten wurde zuerst von Henri on-Barb esant in der Zeitung Fabrikation des Vin de Pelle. 249 der Socie'te centrale d'agricvlture de Nancy: le Bon cul- tivateur, 1858. p. 145 mitgetheilt. Die Trauben werden durch Walzen zerquetscht, 48 Stunden lang in Bottichen mit eisernen Schaufeln (pelles ä brasseur) durchgerührt, was von 4 Arbeitern besorgt wird, dann lässt man ruhig stehen, worauf die durch das Rühren gehemmte Gährung eintritt, so dass in weniger als 12 Stunden die Trestern abgeschieden sind. Darauf zieht man die Flüssigkeit ab, füllt die Fässer zu % un d lässt in den leeren Raum etwas Schwefeldampf treten, um die Oxydation des Weins zu hindern. Die Trestern lässt man abtropfen, presst sie und legt sie zurück. In den Fässern wird die Gährung vollendet. Henrion berechnet für 50 Hectoliter die Kosten auf 61 Frcs. 40 Cent, etwa 2 Frcs. für das Hectoliter Wein; 50 Hectoliter Trauben geben 34 Hectoliter Wein. Es stellt sich hierbei ein beträchtlicher Vortheil heraus: so verkaufte Henrion 1856 seinen Vin de Pelle 20 % theurer, als der auf gewöhnlichem Wege aus denselben Trauben dargestellte Wein kostete. Das Durchrühren wird oft durch Holzpfähle (dames) verrichtet, welchen man eine auf- und absteigende Be- wegung giebt, wie es in Foug auf der Grenze der De- partements Meurthe und Meuse geschieht, während bei Nancy die pelles ä brasseur in Gebrauch sind. Fragt man sich, wie diese ganz mechanische Opera- tion die Qualität des Weines in Bezug auf Bouquet und Alkoholgehalt verbessern könne, so sind es vier verschie- dene Wirkungen, welche durch das Rühren des Mostes hervorgebracht werden und nothwendig auf die Wein- bildung wirken müssen: 1) Durch die Bewegung wird das Verdampfen des Wassers begünstigt, folglich Concentration des Mostes und grösserer Alkoholgehalt. 2) Sie hemmt die Gährung und verhindert die Ent- wickelung der Fermentzellen. 3 Sie befördert die Luftaufnahme und so die Ab- sorption von Sauerstoff. 4 Die Reibung der festen Theile der Trauben dient zur Absonderung des Farbstoffes und seiner Vcrtheilun°" in dem Moste. Nick 16 s fand in den Weinen der Umgegend von Maren (Meurthe) beträchtliche Mengen Gallussäure; sie haben lange auf den Trestern gestanden und ihnen Tan- nin entzogen, aus welchem durch Einfluefi dw Atmo- 250 Champagner - Fabrikation in Ungarn. Sphäre sich Gallussäure bildete. Der Vin de Pelle hin- gegen enthält keine Gallussäure, weil trotz der langen Dauer der Fabrikation die beschleunigte Alkoholbildung die Umbildung des Tannins in Gallussäure hindert und weil das Tannin selbst nur kurze Zeit der Luft ausge- setzt war. Die Verbesserung des Weines beruht also in der Concentration des Mostes durch das Rühren und in der Entwickelung des Bouquets durch Sauerstoffaufnahme. Ersteres ist dadurch bewiesen, dass die gleiche Menge Trauben weniger Vin de Pelle liefert, als gewöhnlichen Wein; der Zucker bleibt zurück, macht den Most, folg- lich auch den Wein gehaltreicher, wie denn Vin de Pelle mehr Rückstand giebt, als gewöhnlicher Wein aus den- selben Trauben. Die SauerstofTaufnahme bewirkt die Entwickelung des Bouquets, d. h. eines ätherischen Parfüms, welches aus den Elementen des Alkohols und der vorhandenen Säu- ren entsteht. Die bedeutende Zuführung von Sauerstoff würde den Wein herbe machen, wenn nicht die Säuren sich zum grössten Theile mit dem entstehenden Alkohol vereinigten und so Verbindungen bildeten, die wie der Essigäther einen angenehmen Geruch haben, oder wie die Weinsäure dem Weine einen eigenthümlichen Ge- schmack geben. Andererseits verhindern oder vermin- dern doch diese Säuren die Entstehung des Amylalkohols und ähnlicher Alkohole, lauter Gährungsproducten von dem Geruch und Geschmack, wie ihn der Tresterbrannt- wein in hohem Grade zeigt. Die Fabrikationsmethode des Vin de Pelle hat also den Zweck, dem Weine bald die Eigenschaften eines alten Weines zu geben {vieillir le vin). (Joarn. de Pharm, et de Chim. Novbr. 1863.) ' Dr. Reich. Ueber die Champagner - Fabrikation in Lngarn. Nach J. Nentvich werden gerbstoffreiche Weine mit Hausenblase versetzt und nach 14 Tagen abgezogen; wenn sie nicht ganz spiegelrein sind, so ist ein zweiter Zusatz von Hausenblase nöthig, ganz reine können dann gleich zur Champagner -Erzeugung verwendet werden. Man kennt den Inhalt des Champagner -Cylinders und berechnet für jede Bouteille 6 Loth weissen Rafinat-Zucker, hackt letzteren in kleine Stücke, welche dann im Weine kalt Champagner- Fabrikation in Ungarn. 251 gelöst werden. Die Auflösung wird nun filtrit, in den Cylinder gefüllt und Kohlensäure bei einer Temperatur von -\- 5° R. mit einem Drucke von 4 Atmosphären n ~J~ *V n n r> r> rt " » n "l 1" » » n » »'"'•* eingepresst. Die Filtration der Weine geschieht nach zwei Methoden. Man bedient sich eines Filzspitzbeutels, indem man meistens Filtrirpapier in dem gesüssten Weine er- weichen lässt und die erweichten Bogen mit einem eisernen Schneeschläger so zerrührt, bis die Papierflocken ganz fein zertheilt darin schwimmen, dann wird der Hut damit ganz voll gegossen und durch einige Zeit durch immer- währendes Zurückgiessen voll erhalten, bis sich der Papier- brei an die Wände des Filzhutes angelegt hat und die Flüssigkeit gar klar abläuft. Nach der zweiten Methode filtrirt man durch Flanellspitzbeutel, welche einen Durch- messer von 6 Zoll und die Länge von 12 Zoll besitzen. Diese werden über entsprechenden Tenakeln aufgehängt und ein gewöhnliches spitzes Papierfilter aus einem Bogen weissen Filtrirpapieres eingelegt. Um dieses Filter Tag und Nacht ohne Mühe in Gang zu setzen, wird über dem- selben der zu filtrirende Wein in Töpfen von 10 Maass Inhalt aufgestellt und diese mit Holzdeckeln versehen, worin ein runder Einschnitt am Rande angebracht ist, um einen gewöhnlichen Glasheber in den Einschnitt legen zu können, dessen letzteres Ende mit einem kleinen Kork- pfropf derart geschlossen wird, dass die Flüssigkeit nur stark in das Filter abtropft. Hierbei muss genau bemerkt werden, dass der längere Theil des Hebers mit seinem Ende an dem Filterpapiere anliege, um nicht durch die Schwere des fallenden Tropfens das Papier zu durchlöchern. Unter dem Flanellbeutel steht eine Flasche mit einem Glastrichter, welche den filtrirten Wein aufnimmt. Der so filtrirtc Wein kommt dann in die Cylinder und wird mit Kohlensäure imprägnirt. Das Abziehen in die Bouteillen erfordert einige manuelle Fertigkeit und zwar Betreffs des Korkens. Die Korke müssen insgesammt mit heissem Wasser gebrüht, mit einer Korkzange gedrückt und durch die Maschine 4 Tage den Bouteillen aufgepasst werden. Nach 1 Tagen sind die Korke gewöhnlich zum Gebrauche genug trocken und können verwendet werden, indem man dieselben von ihren Bouteillen abnimmt und die an- der«: mit Champagner gefüllte Masche damit verschliesst. Zu diesem Zwecke hat man eigene Korkungsbouteillen, um die Verunreinigung des Weins zu verhüten, welche bloss 252 Bouquet der Weine. dazu bestimmt sind, dem Korke die Form zu geben. Die mit Champagner gefüllte und verkorkte Bouteille kommt nun auf den Bindetisch. Dieser gleicht einer grossen Siegelpresse, wo durch das Gewinde der Kork durch einen Messingstock, welcher unten halbrund abgedreht und in der Mitte einen zwei Linien breiten, nach oben acht Linien tiefen Durchschnitt hat, niedergepresst und dann mit Oelfirniss getränktem dreifädigen Kordel festgebunden wird. (Ztschr. des allg. österr. Apoth.-Ver. 1864.) B. lieber das Bouquet der Weine. Um den eigentümlichen Geruch der Weine, den man der Anwesenheit verschiedener zusammengesetzter Aetherarten zuschreibt, synthetisch nachzuahmen, hat Mau nie ne (Compt. rend. Tom. 57, 482) Oenanthäther oder vielmehr das Destillat von 60 Liter frischer Wein- hefe und 60 Liter Wasser, ferner 1 Volumen valerian- sauren Amyläther in 6 Volumen Weingeist von 36° iBirnenessenz), endlich gewöhnlichen Butteräther ange- wendet. Wenn man nur wenige Tropfen der gedachten Aether- arten nimmt, so bekommt die Flüssigkeit das Bouquet verschiedener Weinsorten, z. B. bei Butteräther, das des guten Bouzy; aber bei zu grosser Quantiät des Zusatzes schwindet die Aehnlichkeit mit Wein. Der Geschmack solcher künstlichen Gemische entfernt sich jedoch weiter von dem der Weine als ihr Geruch. Die Alkohole und Säuren von höheren Aequivalenten scheinen unter den verschiedenen verwendbaren Aether- arten den Vorzug zu verdienen. (Journ. für prakt. Chemie, Bd. 93. 3.) B. Heber die in den Weinen enthaltenen Aetherarten und einige Veränderungen derselben. Berthelot hat auf Grund seiner früheren Versuche hinsichtlich dieses Gegenstandes schon einige Andeutungen gegeben, aber ohne der Lösung der Frage sich einiger- massen zu nähern. Jetzt giebt er noch weitere Resultate, die einen Schritt mehr thun. {Compt. rend. T. 57, 287.) Schüttelt man Wein mit seinem gleichen Volumen Aether, so nimmt dieser nur eine höchst geringe Menge Säure auf. Hieraus schliesst B., dass ausser der Essig- säure keine Säuren mit 4 Aeq. Sauerstoff (fette Säuren) lieber die in den Weinen enthaltenen Aetherarten etc. 253 vorhanden sind. Dies müsste man auch durch den Ge- ruch wahrnehmen, aber ausser gewissen spanischen Weinen besitzt keiner den charakteristischen Bocksgeruch jener Säuren. Die mehrbasigen Säuren, wie Weinsäure und Bernsteinsäure, erzeugen mit sehr verdünntem Alkohol (10 Th. Alkohol und 90 Th. Wasser) hauptsächlich die entsprechenden Aethersäuren und nur sehr wenig neutralen Aether. Um den Gehalt eines Weines an neutralen Aetherarten zu ermitteln, sättigt B. ein gewisses Maass (etwa 500 C.C.) mit kohlensaurem Kali bis zur schwach alkalischen Reaction, schüttelt mit 1 j 2 Volumen reinen Aether und erhitzt die filtrirte ätherische Lösung mit 10 C.C. einer titrirten Barytlösung in zugeschmolzenen Röhren auf 100° hinreichend lange Zeit. Schliesslich wird der Inhalt der Röhren zurücktitrirt. Aus dem Ver- lust des Titers könnte man den Gehalt an neutralen Aethern, folglich auch an Alkohol darin erschliessen, wenn letztere die einzigen anwesenden Substanzen wären, welche den Baryt sättigen. In dem Weine von Fornichon (Beaujolais) betrug der in den neutralen Aethern enthaltene Alkohol weniger als ^'30000 vom Gewicht des Weines und V3000 vom ^ e " sammtgehalt des Alkohols. Im Weine vom Pomard (1858) mit sehr entwickel- tem Bouquet betrug der in den Aethern enthaltene Alko- hol Visooo? m dem Medoc (1858) ebensoviel und im St. Emilien (1857) i /l2Q00 vom Gewicht des Weines. Man sieht, welche Kleinigkeit, durch die Analyse kaum nachweisbar, auf unsern Geruch und Geschmack schon sehr merklich einwirkt. Die Aethersäuren wirken am wenigsten oder gar nicht auf den Geruch, dagegen mögen sie sich dem Ge- schmacke bemerklich machen und ihrer allmäligen Bildung ist B. geneigt, das Gemisch von mannigfach wechselndem Geschmack und von ungleicher Dauer bei den neuen Weinen zuzuschreiben. Der Einflus8 der zusammengesetzten Aetherarten auf Bouquet der Weine scheint innerhalb sehr enger ozen zu liegen und man kann sich nicht erklären, wober die bedeutenden und plötzlichen Veränderungen im Geschmack eines erhitzten Weines rühren. Was dem Weine den weinigen Geschmack ertheilt, ist ganz anderer Art, und man kann diese Substanzen dem Weine durch kalte Digestion mit Aether entziehen. Verdampft man die ätherische Lösung unter völligem Ab- 254 lieber die in den Weinen enthaltenen Aetherarten etc. schluss der Luft in sehr niederer Temperatur, so erhält man ein Extract — weniger als ^'iooo vom Gewicht des Weines, — in welchem sich das Bouquet und der weinige Geschmack concentrirt vorfinden. Der Rückstand des mit Aether extrahirten Weines hat nach dem Vertreiben des gelösten Aethers vermittelst eines Gasstroms einen sauren, alkoho- lischen und unangenehmen Geschmack. Das ätherische Ex- tract ist eben so veränderlich, wie das Bouquet im Wein, bis 35° — 40° erwärmt, schmeckte es wie gekocht, und wenn während der Verdunstung die Luft nicht völlig abge- schlossen war, roch es wie vergossener Wein. Dieses Extract besitzt gleichzeitig den allgemeinen weinigen und den specifisch eigenthümlichen Geruch desjenigen Weins, aus dem es gewonnen ist. In verschiedenen Weinen Burgunds und Bordeaux bestand dieses Extract aus ein wenig Aethylalkohol, einem im Wasser unlöslichen ätherischen Oel (vielleicht Oenanth- äther), einer Kleinigkeit einer Säure und zwei Substanzen, von welchen die eine durch ihre leichte Veränderlichkeit an der Luft und in der Wärme besonders wichtig ist für die Erklärung des Bouquets der Weine. Diese Substanz re- ducirt in der Kälte ammoniakalische Silbersalzlösung, fällt weinsaure Kalikupferoxydlösung und bräunt sich mit Kalilauge; sie ist nur mit Aetherdämpfen ein wenig flüchtig, löst sich sehr leicht in Wasser und Alkohol und wird aus der wässerigen Lösung durch Aether, nicht aber durch Schwefelkohlenstoff, ausgezogen. An der Luft ver- ändert sie sich sehr bald, in der Wärme augenblicklich. Sie ist durchaus vom Aldehyd verschieden, mag aber der Aldehyd eines mehratomigen Alkohols sein. Der letzte zu erwähnende Bestandtheil jenes Extracts ist wenig flüchtig, reducirt ammoniakalische Silberlösung nicht und erinnert in seinem Geruch noch entfernt an den Wein. Vielleicht ist er ein Umwandlungsproduct der erwähnten Substanz. (Journ. für prakt. Chemie, Bd. 92. 3. u. 4.) B. lieber die Bestimmung des Weinsteins, der Weinsäure und des Kalis in Weinen, von Berthelot und Fleurieu. Nach mehren Versuchen zur Bestimmung des Wein- steins, d. h. des sauren weinsauren Kalis, welches im Weine gelöst ist und während des Aufbewahrens sich absetzt, kamen die Verfasser zu folgender Methode: Bestimmung des Weinsteins, der Weinsäure etc. 255 Man bringt .10 C.C. Wein in eine kleine Flasche, fügt 50 C. C. einer Mischung von Alkohol und Aether zu gleichem Volumen hinzu, schüttelt durch, verschliesst das Gefäss und lässt es 24 Stunden bei gewöhnlicher Temperatur stehen. Der Weinstein präcipitirt sich und haftet an den Wänden der Flasche, während die Säu- ren, das Wasser und die übrigen organischen Bestand- teile des Weins in dem Aetheralkohol in Lösung bleiben zugleich mit etwa 2 Milligramm W'einstein, die man in Rechnung bringt. Die Flüssigkeit wird auf ein kleines Filter gebracht, der Niederschlag in derselben Flasche ausgewaschen durch Decanthiren mit einer geringen Menge Aetheralkohol, den man auf dasselbe Filter bringt. Dieses wird auf der Mündung des Gefässes durchstossen, mit Wasser gew T aschen und dann selbst in die Flasche gebracht; man erhitzt und bestimmt bald darauf den Säuregehalt durch Normalbarytflüssigkeit. Die Methode wurde durch Versuche erhalten, die mit einer wässerigen Lösung des Weinsteins angestellt wurden, der man nach und nach l0°/ Alkohol zufügte. Nach mehren Tagen war eine den meisten Weinen ver- gleichbare Flüssigkeit entstanden, die etwa 3 Gramm Weinstein im Liter enthielt. Das Barytwasser war so titrit, dass 10 C.C. der vorigen Flüssigkeit circa 50 Th. Baryt erforderten. Das Verfahren bewährte sich gleich- massig bei Flüssigkeiten, die einen Ueberschuss von Weinsäure oder kleine Mengen anderer organischen Säu- 'ren enthielten, gab annähernd richtige Resultate so- gar bei Gegenwart beträchtlicher Mengen fremder orga- nischen Säuren, ist jedoch nicht anwendbar, wenn diese in einem zu grossen Ueberschusse vorhanden sind. Die Untersuchung verschiedener Weine ergab : 1) Gehalt an Weinstein wie in einer gesättigten Lösung desselben in Wasser und Alkohol nach den Pro- portionen, wie diese im Weine enthalten sind. Das Total- ster an Säure war etwa das Sechsfache des an Wein- stein : Formichon 1860 und 18G2 (3 Grm. im Liter), beide enthalten keine freie Weinsäure, jedoch andere organische Säuren im freien Zustande. Meistens ist der Gehalt an Weinstein unterhalb Jättigungsponctes. Der Unterschied beträgt die Hälfte im Formichon 185«.», Savigny 1860, Medoc 1858, ordinärem Montpellier; Savigny 1*.V.* und Saint- Kinilien enthalten nur ' , defl /ur Sättigung nöthigen Weinsteins. Die geringsten Mengen enthielten Savigny 18G1, der dem 256 Bestimmung des Weinsteins, der Weinsäure etc. Froste ausgesetzt war, weniger als 1 Grm. im Liter; Sautenay 1858, etwas verändert, enthielt l j 2 Grm. im Liter. 3) Niemals übersteigt der Gehalt an Weinstein den Sättigungspunct. Eine Beziehung zwischen Weinsteingehalt und gesamm- tem Säuregehalt findet nicht statt; in Weinen von gleichem Säure- und Alkoholgehalt: Formichon 1859 und 1862, schwankte der Weinstein bis zur doppelten Menge. Die höchste Zahl entsprach einer mit Weinstein gesättigten Flüssigkeit und wurde bei ganz jungen Weinen gefunden, woraus hervorgeht, dass die Veränderungen nicht durch eine merkliche Zersetzung des Weinsteins durch die freien Säuren hervorgebracht werden. So enthielt drei Jahre hindurch theils in Flaschen, theils im Fasse aufbewahrter Formichon 1857 denselben Weinsteingehalt. Die erwähnte Methode kann annähernd zur Bestimmung der freien Weinsäure und des gesammten Kaligehaltes im Weine dienen. 1) Eine verdünnte Weinsäurelösung theilt man in zwei gleiche Theile, neutralisirt den einen genau mit Kali und mischt beide Flüssigkeiten. Auf Zusatz von Aetheralkohül fällt alle Weinsäure als Weinstein, bis auf die in dem Gemische lösliche Spur. Man kann kleine Mengen organischer Säuren zufügen, ohne die Resultate merklich zu beeinträchtigen. 2) Um nun zu erkennen, ob ein Wein unabhängig von dem Weinstein freie Weinsäure enthalte, sättigt man von 50 C.C. des Weins 10 C.C. mit Kali, mischt die restirenden 40 C.C. hinzu, nimmt von dem Gemenge ] / 5 ab und fügt 50 C.C. Aetheralkohol hinzu. Bei einem Ge- halte an freier Säure wird ein reichlicherer Niederschlag erhalten, als mit der ursprünglichen Flüssigkeit. Der Säureüberschuss des Niederschlages entspricht fast genau dem halben Gewichte der freien Weinsäure des Weines. Die Methode war bei allen untersuchten Weinen anwend- bar, weil ihr Gesammt-Säuregehalt viel grösser war als der, welcher dem Weinsteingehalt entspricht. Man würde sonst nicht das Zusamraenvorkommen des neutralen weinsauren Kalis und einer organischen Säure erklären können, denn eine Lösung von weinsaurem Kali mit einer Spur Essigsäure oder einer andern Säure versetzt und mit Aetheralkohol behandelt, lässt einen Niederschlag von Weinstein ent- stehen. Andererseits wurde die Genauigkeit der Methode dadurch geprüft, dass dem Weine von Formichon kleine Krankheiten des Weines. 257 Mengen Weinsäure zugefügt wurden, die man in dem Niederschlage wiederfand. Die meisten Weine enthalten keine freie Weinsäure ; in wenigen Fällen nur vermehrte ein Zusatz von kohlen- saurem Kali den Niederschlag, so dass die freie Säure die Hälfte der in dem Weinstein enthaltenen Säure be- trug. Formichon 1859 enthielt die doppelte Menge freier Säure: 2,2 Grra. im Liter, während der gesammte Säure- gehalt, frei und gebunden, 3,3 war: es ist dieses das Maximum von Weinsäuregehalt. Das Minimum enthielten gefrorener Savigny 1861: Gesammt- Säuregehalt 0,7 Grm. im Liter und Sauten ay 1858 : 0,4 Grm. In den meisten Fäl- len ist das Gewicht der gesammten Weinsäure durch das des Weinsteins gegeben, der davon 4 / 5 repräsentirt. Das Fehlen freier Weinsäure in den meisten unter- suchten Weinen ist eine Thatsache von grosser Bedeutung. Die Säuremenge des Weinsteins ist nur ein geringer Theil der gesammten Säure. Die Menge derselben im Formichon 1858 ist äquivalent 7,4 Grm. Weinsäure im Liter, die Säure des Weinsteins repräsentirt davon nur 1,1 Grm.; die überschüssige Weinsäure 0,5 Grm., es restirt also eine Säuremenge von 5,8 Grm. für andere Sauren. Nach Pasteur 1,5 Grm. Bernsteinsäure; nach Bechamp einige Decigramme Essigsäure, so dass ein Säureäquivalent von etwa 4 Grm. übrig bleibt, welches nur wenig bekannte fixe Säuren repräsentirt. Man muss dieser Zahl jedoch noch das Gewicht der mit Weinbasen verbundenen Säuren zufügen. Aus diesen Angaben ist ersichtlich, bis zu welchem Punkte neue Untersuchungen über den Wein erforderlich sind. (Journ. de Pharm, et de Chim. Oct.1863.) Dr. Reich. leber die Krankheiten des Weines. Die freiwilligen Veränderungen oder Krankheiten des Weines hat Pasteur an verschiedenen Sorten Jura- Weinen untersacht und ist hierbei zu dem Resultat gelangt, dass diese Krankheiten durch mikroskopische Vegetationen, deren Formen er in seiner Arbeit durch Zeichnung er- läutert, bervorgerufen werden. Wenn die rothen oder m Jura-Weine auf dem Fasa sauer werden, so ist die Ursache davon Mycoderma acetL welches dann auf der Oberfläche in beträchtlicher Menge sich ansammelt. Diese Weine darf man nicht mit den umgeschlagenen niv'sy montiiü) verwechseln. Ar-:!,. d. Pharm. CLXXIII. Bd*. 8. Hft. 17 258 Krankheiten des Weines. Da die gewöhnlichen weissen Weine sich nur gut aus- bilden, wenn sie in den Fässern durch Verdunsten allraälig an Volum der Flüssigkeit verlieren ; da es im Jura nicht üblich ist, nachzufüllen, und da kein Wein in theilweise leeren, selbst gut verspundeten Fässern sich hält, ohne dass sich seine Oberfläche mit Weinblumen überzieht, so findet man natürlich diese letzteren stets und sie be- stehen entweder aus Mycoderma vini oder M. aceti oder aus beiden. Nur an Ort und Stelle kann man die Ur- sache des Sauerwerdes untersuchen, indem man von der Oberfläche des Weines mit einem Glasstäbchen etwas heraushebt und unter dem Mikroskop prüft. Beobachtet man das Mycoderma aceti allein und ist der Wein stark sauer geworden, so ist keine Besserung möglich, und man thut am besten, ihn durch Aufheben des Spundes völlig in Essig übergehen zu lassen. Ist aber die Säure noch nicht stark hervortretend, so kann der Wein wieder gut gemacht werden, falls er nicht mehr als 2 Grm. Essigsäure pro Liter enthält. Man nimmt genau den Titer des gesunden und kranken Weines und sättigt den Säureüberschuss des letzteren genau durch Kalilauge ab. Dadurch leidet sein Bouquet nicht im Ge- ringsten. Ist endlich das Mycod. aceti eben erst in der Entwickelung begriffen und Essiggeschmack noch nicht bemerkbar, so thut man gut, den Wein vorsichtig abzu- ziehen, so dass keine Mycod. aceti mit in das neue Fass übergeht. Beobachtet man Mycod. vini, so ist nichts zu fürchten, im Gegentheil, der Wein ist im besten Werden ; denn ohne Entwickelung dieses Pilzes bildet sich der Wein nicht gut aus. Säet man nämlich dieses Mycod. auf künstlichen Wein aus, so entwickelt sich jederzeit ein Theil des eigenthümlichen Bouquets; überdies wirkt das Mycod. vini der Bildung des Mycod. aceti entgegen. Wo also keine Nachfüllung der Fässer im Gebrauch ist, sich dennoch die Mycodermen entwickeln, würde es am zweck- mässigsten sein, vom Beginn an das Mycod. vini aus- zusäen. Das Gemisch von Mycod. vini und aceti findet man auf feinen weissen und rothen Weinen, selten auf gewöhn- lichen, wenn man nicht fortdauernd ein Fass im Abzapfen für den täglichen Gebrauch hält. Die ordinairen Roth- weine führen nur Mycod. vini, weil sie viel stickstoff- haltige und extractive Materien enthalten; aber die alten Rothweine von gutem Boden und gutem Jahrgang, welche Krankheiten des Weines. 259 solche Materien nicht enthalten, sind leicht zur Säuerung geneigt und gerade die besten Rothweine des Jura gehen, wenn sie lange auf Fässern liegen, verloren, indem sich Mycod. aceti auf ihnen entwickelt. So lange sich auf ihnen nur Mycod. vini zeigt, werden sie immer besser und feiner. Die Bitterkeit der Weine (alter Geschmack) rührt von einem Pilze her, welcher aus knotigen, vielästigen Fäden besteht, begleitet von einer Menge kleiner brauner Kügelchen. In der Regel findet er sich nur in rothen, feinen Weinen und zwar häufiger in Burgund als im Jura. Gewöhnlich erkennt man den Pilz selbst durch die Flasche als einen schwarzen schwimmenden Nieder- schlag, und das beste Mittel gegen ihn mag sehr baldige erneute Schönung und frische Auffüllung des Weines sein. Die Krankheit des Umschlagens (vins tournes, montes, qui ont la pousse) trifft alle Arten rother und weisser Weine. Der sich dabei zeigende Pilz bildet sehr zarte Fäden, die im Weine herumschwimmen und ihn trüben. Hefe, der man gewöhnlich diese Trübung zuzuschreiben pflegt, ist nicht vorhanden. Nach Baiard findet er sich auch in den umgeschlagenen südlichen Weinen. Anfangs ver- wechselt man ihn mit dem Milchsäureferment, aber bei genauer Beobachtung unterscheidet man ihn an den sehr biegsamen einfachen Fäden ohne Einschnürung, während das Milchsäureferment kurz gegliedert ist. Es gehört eine genauere Beobachtung der physiologischen Eigen- schaften dazu, um die Natur eines Ferments zu erkennen. Häufig haben die Weine, der Champagner, die Bleicher und Schaumweine des Jura einen unangenehmen scharfen Geschmack, dieser rührt ebenfalls von jenem Pilze her. Oefteres einfaches Umfüllen hilft als Heilmittel dagegen, worauf jene Fäden sich zu Boden setzen. Die Weine, welche anfangs stürmische Gährung und dann wegen ihres Zuckergehaltes noch eine unmerkliche Gährung durchmachten, enthalten oft alle drei bisher ge- nannten Pilze. Die Krankheit der fadenziehenden, schleimigen Weiss- weine wird durch ein Ferment angezeigt, welches aus aneinander gereihten, sehr kleinen Kügelchen besteht, ge- nau von derselben Art, wie bei der künstlichen schleimigen Gährung. Nach dem Bisherigen ist der Wein das Pro- duet eines bestimmten Ferments und er verändert sich durch die Entstellung anderer parasitischer Vegetationen. zteren entzogen, reift er hauptsächlich in Folge des Eindringens von Sauerstoff durch die Fassdauben. Um 17* 260 Echten Roihivein v. künstlich gefärbtem zu unterscheiden. die Ursache der freiwilligen Veränderungen zu beseitigen, ist ihre Entstehung fortdauernd mittelst des Mikroskops zu überwachen. Ausser den angeführten giebt Pasteur auch Zeich- nungen vom Harnstoffferment des Urins, welches auch das des rechtsweinsauren Ammoniaks ist, und mit dem der schleimigen Weine grosse Aehnlichkeit besitzt, ferner vom Milchsäureferment, welches mit Mycoderma aceti ver- wechselt werden kann, endlich von einigen Buttersäure- Infusorien, die eine Menge verschiedener Substanzen in Gährung versetzen können, unter anderen sehr leicht das Glycerin. Auch hier beobachtete Pasteur, dass diese Infusorien ohne Sauerstoff leben können. (Journ. für prakt. Chem. Bd. 93. 3.) B. Heber ein einfaches Verfahren, echten Rothwein von künstlich gefärbtem zu unterscheiden. Das vom Apotheker Blume in Berlin ermittelte Verfahren, künstlich gefärbte Rothweine von echten Roth- weinen zu unterscheiden, besteht in Folgendem. In den zu prüfenden Rothwein tauche man ein Stückchen Brod- krume oder einen vorher ausgewaschenen Schwamm und lasse diesen völlig sich mit dem Weine anfüllen. Wenn dies geschehen ist, werfe man dann das so mit Roth wein vollgesogene Stück Brodkrume oder den Schwamm in einen mit Wasser gefüllten Porzellantel- ler; es färbe sich das Wasser, wenn der fragliche Wein mit künstlichen Farbstoffen gefärbt gewesen, sofort röth- lich-violett, sei der Rothwein dagegen echt, und die Färbung eine natürliche, so trete erst nach */ 4 bis */ 2 Stunde eine Färbung des Wassers ein, wobei zuerst ein Opalisiren des- selben bemerkbar wäre. Ganz genau nach diesen An- gaben von Boettger, sowohl mit echten, natürlichen Rothweinen, als auch mit künstlich gefärbten Weinen an- gestellte Versuche haben demselben keine ganz befriedigende Resultate gegeben. Derselbe machte nun bei seinen Versuchen zufällig die Beobachtung, dass kleine durch verdünnte Salzsäure von etwaigen Kalkpartikelchen zuvor befreite, hierauf wieder sehr sorgfältig ausgewaschene und dann getrock- nete weisse Badeschwämme, sobald sie mit der zu prü- fenden Weinsorte getränkt, hierauf wieder durch öfteres (15-maliges) Auswaschen mit gewöhnlichem Brunnen- wasser und dann durch Ausdrücken zwischen doppelten Steinerne Weinfässer. 261 Lagen von Fliesspapier trocken gelegt worden, eine ganz auffallend verschiedene Farbe angenommen hatten. Ein im natürlichen Rothwein etwa drei Minuten gelegenes Schwämmehen zeigte sich nämlich nach einer solchen Behandlang gar nicht gefärbt, dagegen in einem mit Malvenblüthen oder mit Heidelbeeren gefärbten Weine eben so lange gelegenes und wie angegeben behandeltes Schwämmchen erschien stets auffallend bläulichgrau bis schieferfarben. Boettger empfiehlt das von ihm ver- besserte Blume'sche Verfahren als probehaltig. {Polyt. Notizbl. 1864. 7.) B. Steinerne Weinfässer. Stamm 's illustrirte Zeitschrift bringt folgende in- teressante Mittheilung des Herrn Ingenieur Zander über die Anwendung von Cisternen statt Lagerfässer für Weine: Es dürfte manchen Leser interessiren, zu erfahren, mit welchem ausserordentlich guten Erfolge der Grund- und Realitätenbesitzer Carl Polley in Sessana am Karst auf seinem namhaften Weinlager sich gegenwärtig fast ausschliesslich der steinernen Fässer bedient. Polley wendete vor einigen Jahren in Folge des schnellen Defect- werdens guter eichener Lagerfässer versuchsweise eine aus Karster Kalkquader gemauerte Cisterne, welche mit Laibacher Cement gut gefugt war, zum Einlagern von circa 100 Eimer seines Weines an. Nach circa ein- jährigem Lagern war das Resultat dieses ersten Versuches ein über Erwarten günstiges; der Wein hatte sich voll- kommen geklärt und der Geschmack desselben übertraf in Bouquet und Würze nicht nur den in Holzfässern ge- lagerten Wein derselben Fassung, es stellte sich sogar das steinerne Lager bedeutend ökonomischer heraus, weil in demselben keine Zehrung zu finden war, das Weinniveau war "unverändert in Folge der Dichtheit seiner Wände bis hart an das im Schlussgewölbe befindliche Spundloch stehen geblieben. In Folge dessen beschloss Polley die hölzernen Lagergefftsse ganz aufzugeben und steinerne Fässer im Keller anzulegen. Derselbe legte bereits das Ergebniss seiner letztem Weinernte in eine lange Reihe im directen Verband Btehender Steinfässer, von denen jedes einzelne einem Füllraum von 120 bis 150 Kimern entspricht. Die einzelnen Lagerzellen sind viereckig im Grund- mit einer nach vorn geneigten ( Jrundiläche versehen, 262 Essigsäure als Product der weinigen Gahrung. die Umfassungswände sind vertikal aufgeführt, jede Zelle ist mittelst solidem Tonnengewölbe geschlossen, in deren Schlussstein das Spundloch sich befindet. Im Horizont des Grundpflasters befindet sich in der vorderen Wand eine circa 16 Zoll Diameter haltende runde Oeffnung, vor welcher ein kleiner eichner Fuss- boden mit dem Zapfen zum Abziehen des Weines durch starke Ankerschrauben und eiserne Bügel gut befestigt ist. (Polyt. Notizbl. 1864. 22.) B. Unterscheidung des echten Cognacs von sog. Facon- Cognac. Wiederhold, der vor einiger Zeit schon ein Mittel zur Unterscheidung des echten von sog. Facon-Rum an- gegeben, giebt jetzt ein solches zur Unterscheidung von echtem Cognac von sog. Fa9on-Cognac. Derechte Cognac reagirt stets sauer, was bei dem andern nicht der Fall ist, und giebt mit verdünnter Eisenchloridlösung so- fort eine tiefschwarze Färbung, während der Facon- Cognac höchstens nach einiger Zeit missfarbige Nieder- schläge damit bildet. (Bl.fiir Hdl. u. Gewbe. 1864.) B. Ueber die Essigsäure als Product der weinigen Gährung, Ueber diesen bisher von Pasteur behaupteten und anderseits bestrittenen Gegenstand theilt auch Maumene (Compt. rend. T. 27. 398.) seine Ansicht mit. Er hält es mindestens für sehr zweifelhaft, dass die Essigsäure das Product der wirklichen normalen Wein- gährung sei. Denn dass in manchen Weinen wirklich Essigsäure vorkomme, sei unzweifelhaft, gehöre aber in ein anderes Gebiet chemischer Veränderungen. Die Con- statirung der Essigsäure im Wein erfordere besondere Aufmerksamkeit und Umsicht. Viele halten das saure flüchtige Destillationsproduct des Weins für Essig. Aber wenn man dieses Product, welches in der That stark sauer reagirt und eine ziem- liche Quantität Natron zur Sättigung erfordert, mit Kali neutralisirt, eindampft und mit AsO 3 glüht, so beobach- tet man keine Spur Arsendirnethyloxyd, wenigstens nicht, wenn man die mit der grössten Sorgfalt behandelten Champagnerweine zur Untersuchung verwendet. Ess'jgährung und alkoholische Verbrennung. 263 Das stark sauer reagirende Destillat ist nichts An- deres als eine Lösung von Kohlensäure in Alko- hol, welche schon nach Malaguti's Mittheilungen diese Eigenschaft weit stärker besitzt, als die wässerige Lösung. Schüttelt man absoluten Alkohol mit trockner Kohlensäure, so reagirt die Lösung gar nicht auf Lackmus, aber bei Zusatz von Wasser sogleich, und zwar so stark, wie ver- dünnte Schwefelsäure. Maumene für seinen Theil betrachtet die Essig- säure nicht als ein Product normaler Weingährung. Bechamp behauptet gerade das Gegentheil, gestützt auf seine Versuche in einer durchaus normalen Gährung. (Journ. für prakt. Chemie. Bd. 93. 1.) B. lieber die Essiggährung und alkoholische Verbrennung. Das Vorkommen der Essigsäure unter den mannig- faltigsten Bedingungen, welches zu der Annahme ihrer Entstehung durch verschiedene Ursachen führt, hat Ch. Blondeau (Compt. rend. T. 27. 953) veranlasst, einige dieser Ursachen aufzusuchen. Wenn man Zuckerwasser mit einem Eiweisskörper, z. B. mit Käsestoff, vermischt, so entwickeln sich Myco- dermen und der Zucker verwandelt sich in Essigsäure. So lange die Lösung sauer ist, wachsen die Mycodermen üppig fort, wird sie aber alkalisch durch Fäulniss des Caseins, dann entstehen Infusorien und die Mycodermen verschwinden. Derselbe Process findet offenbar auch in den an Essigsäure reichen Kufen der Stärkefabriken statt, nur dass hier das Stärkemehl die Essigsäure liefert. Blon- deau nennt dies speciell Essiggährung. Die Ansicht Pasteur's, dass Mycoderma aceti den Sauerstoff der Luft an Weingeist überträgt und so diesen zu Essigsäure oxydirt, billigt B Ion de au nur mit einer gewis- Kinschränkung, wodurch dem Mycoderma als lebender Pflanze der Antheil an der Hssigbildung entzogen wird. Als Beleg dafür führt Blondeau Versuche an, in denen er Membranen aus mit Schwefelsäure behandel- tem Papier, aus dünnen Ilolzlamellen u. a., mit Alkohol in Berührung brachte und den besten Erfolg erzielte. Er vergleicht diese Oxydationswirkung mit jener durch Platin- schwamm oder der Respiration der Pflanzen und Thiere. >i.m. für prakt. Chemie. Bd. 93* 1.) H. 264 Aetlier im Branntwein und Weinessig. leber die Menge der in dem Branntwein und Wein- essig enthaltenen Aether. Berthelot zieht auf Grund seiner früheren Versuche über Bildung und Zersetzung der Aether einige Schlüsse über den Gehalt des Branntweins und des Essigs an Aetherarten. Der durch Destillation des Weins oder auch anderer gegohrener Flüssigkeiten bereitete Branntwein enthält in der Regel 40 — 60 Gewichtsprocente Aethylalkohol nebst Spuren von Amylalkohol, ferner Wasser, die flüchtig- sten Aether des Weins, Spuren ätherischer Oele, Alde- hyde, empyreumatische Producte und einige den Fässern entlehnte Stoffe. Nach einigen Jahren wird sich zwischen den Säuren und dem Alkohol ein Gleichgewichtszustand hergestellt haben und dieser wird den früheren Beobach- tungen entsprechend folgender sein: in* dem 60 procenti- gen Branntwein werden 2 /3, in dem 50 proc. l /5 , in dem 40 proc. J / 6 der ursprünglich vorhandenen Säure ätheri- ficirt. Ist in einem frischen Branntwein der relative Be- trag an Aethern geringer als der vorgenannte, so setzt sich die Aetherificirung bis zu dieser Grenze fort, im entgegengesetzten Falle findet Zersetzung eines Theils derselben statt. Setzt man daher zu einem Branntwein einen fertig gebildeten neutralen Aether, um ihm ein gewisses Bou- quet zu ertheilen, so kann man möglicher Weise dadurch sehr complicirte Wirkungen hervorbringen, die man gar nicht erwartet. Denn überschreitet dieser Zusatz nur im Geringsten die Gleichgewichtsgrenze, so wird der Aether zersetzt und ein Theil seiner Säure und seines Alkohols werden frei. Diese beiden letzteren werden, namentlich wenn der Alkohol ein vom Aethylalkohol verschiedener ist, wieder auf die ursprünglich vorhandenen Säuren und den Alkohol wirken und neue Aetherarten erzeugen, so dass das Bouquet ein ganz von dem beabsichtigten ver- schiedenes werden kann. Dasselbe gilt vom Zusatz eines Aethers zu irgend einem Weine oder einer anderen alkoholischen Flüssigkeit. Im Essig finden sich durchschnittlich kleine Mengen Weingeist, also auch Aetherarten, sei es, dass sie schon im Wein vorhanden waren, sei es, dass sie sich erst wäh- rend der Oxydation durch Einfluss der entstehenden Es- sigsäure bildeten. Im Allgemeinen bestehen die Aether aus Essigäther und tragen zum Bouquet der Essige we- Essigsäuregehalt im Weinessig. 265 sentlich bei. Die Quantität des Essigäthers lässt sich be- 2 a A rechnen durch die Formel — tt^t; — > worin a das Gewicht der in 1 Liter enthaltenen Säure, A das Gewicht des darin vorhandenen Alkohols in Grammen ausdrückt. (Journ. für prakt. Chem. Bd. 93. 3.) B. leber die Bestimmung des Essigsäuregehaltes im Weinessig. Unter den zahlreichen Methoden, welche im Gebrauch sind, um den Essigsäuregehalt des Essigs zu bestimmen, finden diejenigen mit Recht den Vorzug, welche sich auf das maassanalytische Verfahren stützen. Immer leiden dieselben aber noch an dem Uebelstande, dass durch die im gewöhnlichen Essig noch enthaltenen organischen Stoffe, welche zum Theil bei der Sättigung und namentlich beim beginnenden Vorwalten des Alkalis eine Veränderung er- leiden, die Farbe der Lackmuslösung dermaassen alterirt wird, dass es meist kaum möglich ist, den Punct wahr- zunehmen, wo das Roth in Blau übergeht und das Re- sultat der Titrirung daher ein unsicheres bleibt. Diesem Uebelstande abzuhelfen empfiehlt Jaillard, die alkalische Titrirflüssigkeit im Ueberschusse anzuwen- den und dann mit titrirter Schwefelsäure die genaue Sät- tigung zu bewirken. Man soll sich nach Jaill ard's Vor- schrift eine Auflösung von kohlensaurem Kali im Ver- hältniss 1 : 10 bereiten und davon 20C.C, mit 190 C.C. Wasser und 6 Tropfen Lackmuslösung vermischt, mit nach G a j - L uss ac bereiteter Schwefelsäure - Probeflüssigkeit titriren. Alsdann soll man zu einer der vorigen völlig gleichen Mischung 10 C. C. des zu prüfenden Essigs hin- zufügen und mit der Gay-Lussac'schen Schwefelsäure den Sättigungspunct bestimmen. Aus der Differenz der er- sten und zweiten Titrirung mit Schwefelsäure lässt sich dann leicht durch folgenden Ansatz der Procentgehalt des geprüften Essigs berechnen: HO, SO 3 : C 4 H 4 4 = DifT. : x. Hätte z.B. die erste Titrirung der Kalilösung 19,5 C.C. Schwefelsäure erfordert und die zweite (nach Zusatz des Essigs) 12 C.C, so erhält man durch Subtrac- tion die Zahl 7,5 als drittes (Mied der Proportion und der Essigsäuregebalt beträgt sonach (612,5:750 = 7,5: x ss 9,113 9,18 i'rocent. (Journ. de Pharm, et de Chim* Dec.1864.) Weinhold. 266 Wirkung von Jod u. Jodwasserstoffsäure auf Acetylen. Heber das Verhalten von Acetylen zn Brom. Hugo Müller versuchte aus gewöhnlichem Lon- doner Steinkohlengas Acetylen abzuscheiden und leitete mit Hülfe eines Wassertrommel-Aspirators das Gas durch ammoniakalische Kupferchlorürlösung, wodurch nach eini- ger Zeit etwa 1 Kilogrm. der bekannten rothen Acetylen- kupferverbindung erhalten wurde. Die rothe Verbindung wurde gewaschen, zum Zweck der Abscheidung des Ace- tylens mit Chlorwasserstoffsäure behandelt und das sich entwickelnde Gas aufgefangen. Zur Darstellung von Bromacetylen wurde das Gas langsam durch einen Brom enthaltenden Kugelapparat geleitet, wobei anscheinend keine Einwirkung des Gases auf das Brom wahrgenom- men werden konnte. Das im Kugelapparate befindliche Brom wurde in verdünnte Sodalösung gelegt, wobei eine sehr geringe Menge einer schweren ölartigen Flüssigkeit blieb, welche möglicher Weise Bromacetylen, aber zu gering war, um dies zu constatiren. (Ztsclir. für Chem. u. Pharm. 3. 1864) . B. Wirkung von Jod und Jodwasserstoflsäure auf Acetylen. Bei gewöhnlicher Temperatur scheint sich das Ace- tylen mit Jod selbst im Sonnenlichte nicht zu verbinden. Wenn man aber im zugeschmolzenen Rohre 15 — 20 Stun- den lang auf 100° erhitzt, so erhält man nach Berthelot ein krystallisirtes Jodür, welches dem Aethylenjodür sehr ähnlich ist, bei 70° schmilzt und die Zusammensetzung C4H2J2 hat. Concentrirte Jodwasserstoffsäure absorbirt bei ge- wöhnlicher Temperatur das Acetylen langsam und giebt ein flüssiges Dijodhydrat C 4 H 2 , 2 HJ, welches bei 132» ohne Zersetzung flüchtig ist. Seine Dichte ist &twa dop- pelt so gross, als die des Wassers. Es entsteht durch directe Vereinigung beider Körper. Es ist beständiger als das Aethylenjodür. Das Acetylenjodür sowohl, wie das Acetylenjodhy- drat geben mit alkoholischem Kali behandelt wieder Ace- tylen. Das Aethylenjodür giebt unter gleichen Umstän- den ebenfalls eine gewisse Menge Aethylen. Aehnliches hat Reboul bei der Einwirkung von alkoholischem Kali auf die Bromderivate der genannten Gase beobachtet. Mit concentrirter Bromwasserstoffsäure auf 100° erhitzt, giebt das Acetylen eine gasförmige oder sehr fluch- Leichte Darstellungsweise für Zinkäthyl. 267 tige bromirte Verbindung; dieselbe ist wahrscheinlich ein Monobromhydrat C^H^Br = C 4 H 2 ,HBr und isomer mit dem Bromäthylen. Eine analoge, aber chlorhaltige Verbindung entsteht fast immer bei der Darstellung von Acetylen aus einem Kupferacetylür bei Gegenwart eines grossen Ueberschusses von Salzsäure. Diese Körper erinnern besonders an verschiedene Chlorhydrate des Terpentinöls: C20H16, 2H Cl und C20H*6, HCl; ebenso an gewisse von Wurtz neuerlich entdeckte Derivate des Allyls. Die Beziehungen zwischen allen diesen Körpern und den Abkömmlingen, welche man durch bekannte Methoden leicht daraus gewinnen könnte, sind vergleichbar mit denen, auf welche Berthelot früher bezüglich des Tri- chlorhydrins C^CP un d des Epi-Dichlorhydrins C^H^Cl*, die beide fähig sind, den Alkohol, das Glycerin, zu erzeu- gen, hingewiesen hat; ebenso mit denen, welche zwischen dem Propylenbromür C 6 H6ßr 2 und dem Allylbromür C 6 H 5 Br bestehen, aus welchen zwei verschiedene Alko- hole, ein zweiatomiger und ein einatomiger, entstehen. Wenn Acetylen mit Chlorzink auf 250° erhitzt wird, so verwandelt es sich in einen polymeren Körper, der durch sein Aussehen, seinen Geruch und seine Dichtig- keit an Gaskohle erinnert. (Compt. rend. 1864. — Chem. Centrbl. 1864. 54.) B. Leichte Darstcllungsmcthodc für Zinkäthyl. Synthese des Propylens. Die durch Anwendung einer Legirung von Zink mit Natrium an Stelle des reinen Zinks schon sehr erleich- terte Darstellung des Zinkäthyls haben P. Alexeyeff und F. Beilstein (Compt. rend. T. 58. p. 171) dadurch sehr vereinfacht, dass sie ein Gemisch einer kleinen Menge von Zink- Natriumlegirung mit Drehspänen von Zink anwenden. Es genügt, einem Gemenge von Zink« drehspünen mit Jodäthyl einige Grammen der pulverisir- ten Zink- Natriumlegirung zuzusetzen, um sogleich die Reaction beginnen zu sehen; ist diese einmal im Gange, so wird sie durch das Zink eben so rasch und regel- mässig zu Ende geführt, wie durch die Natriumlegirung. Eine einmalige Darstellung der Zink - Natriumlegirung genügt also zur Bereitung einer unbestimmten Menge von Zinkäthyl. Geeignete Verhältnisse bei dieser Darstellung sind 268 Leichte Darstellungsweise für Zinkäthyl. z. B. 100 Grm. Jodäthyl, 7 — 8 Grm. Natriuralegirung und 70 — 80 Grm. über Schwefelsäure getrocknete Zinkdreh- späne. Wirkung von Bromoform auf Zinkäthyl. Es ist bekannt, dass das Zinkäthyl durch Chloroform unter Bildung von Amylen zersetzt wird: C2H C13 + 3 (Zn C4H5) = ciORio _f_ 3 ZnCl -f C*IR Amylen = C*H5j -f C 4 H4 = Formylo-Aethylen-Aethyl. + C2H ) Die Verfasser untersuchten das Verhalten des Chloro- forms, des Bromoform s und Jodoforms zu Zinkäthyl, da diese in den Formeln ähnlichen Körper bekanntlich nicht immer dieselben Reactionen zeigen, wie z. B. ihr verschie- denes Verhalten gegen Aethernatron beweist. Der Ver- such Hess wirklich auch in diesem Falle eine Verschie- denheit erkennen. Das Bromoform reagirt viel lebhafter auf das Zink- äthyl als das Chloroform; jeder Tropfen, welcher auf das erkaltete Zinkäthyl fällt, bringt eine sehr lebhafte Reac- tion hervor. Die entweichenden Producte wurden durch eine erkaltete Rohre in einen Brom enthaltenden Kugel- apparat geleitet. In der kalten Röhre verdichtete sich eine gegen 41° C. siedende Flüssigkeit, die reines Brom- äthyl war. Die entweichenden Gase wurden vollständig von Brom absorbirt. Durch Sättigung des Broms mit Aetz- natron schied sich ein bei 142° siedendes Oel ab, dasPro- pylenbromür war. Gleichzeitig war eine kleine Menge Aethylenbromür entstanden, durch die Entwickelung von ein wenig Aethylen, welches fast stets als secundäres Product bei allen Reactionen des Zinkäthyls auftritt. Die Zersetzung ging daher nach folgender Gleichung vor sich: C2HBr3 -f 2 (Zn C«H*j = C&H6 + G*H*Br -f 2 Zn Br. Bei Behandlung des erhaltenen Propylenbromürs mit Natriurnärhyl und Einleiten des entwickeltenGases in ammo- niakalische Kupferchlorürlösung entstand der charakteristi- sche gelbe Niederschlag von Kupfer all ylü r. Es unter- liegt daher keinem Zweifel, dass das durch Addition der zwei Radicale C 2 HundC 4 H 5 gebildete Propylen nicht identisch ist mit dem durch gewöhnliche Mittel entstehen- den Propylen. Das Jodoform reagirt gleichfalls mit grosser Heftig- Einwirkung von Brom und Jod auf Allylen. 269 keit auf Zinkäthyl, es konnte dabei aber keine Entwicke- lung eines flüchtigen Products beobachtet werden. Schliesslich erwähnen Alexeyeff und Beil stein, dass .sie vergebens das Chromallylür darzustellen ver- suchten. Das violette Chromsesquichlorid wirkt nur in hoher Temperatur auf Zinkäthyl; die grüne Färbung der Flüssigkeit beweist eine Reduction desselben zu Chroni- chlorür. (Journ.für prallt. Ckem. Bd. 93.2.) B. Einwirkung von Brom und Jod auf Allylen. Das zu den Versuchen verwandte Allylen wurde von Oppenheim nach der Methode von Sa witsch dar- gestellt. Wegen seiner leichten Löslichkeit in Alkohol und in Wasser muss es über concentrirter Kochsalzlösung aufgefangen werden. Giesst man in einen mit diesem Gase gefüllten Ballon im Schatten tropfenweise Brom, so erhält man ein klares und durchsichtiges Gemenge von zwei verschiedenen Bromüren. Arbeitet man in der Sonne, so entwickelt der erste Tropfen Brom, welcher mit dem Allylen in Berührung kommt, Bromwasserstoffsäure, und man erhält eine schwarze, zum Theil kohlige Flüssigkeit, welche aus verschiedenen, noch nicht isolirt erhaltenen Producten besteht. Die beiden erstgenannten Bromver- bindungen kann man durch Destillation im Vacuum im reinen Zustande herstellen. Allylen -Dibromür, C 6 H 4 Br 2 , ist eine farblose Flüssigkeit von süsslichem Geschrnacke, deren Dämpfe die Augen stark reizen. Dichte = 2,05 bei 0°. Sie siedet an der Luft ohne sich zu zersetzen. Der grösste Theil geht ungefähr bei 132° über. Hier- durch unterscheidet sich diese Verbindung von den beiden Isomeren: dem Zweifach -Bromwasserstoffsäure- Glycidäther, der bei 151 — 152° siedet, und dem Di- brompropylen, dessen Siedepunct bei 120° liegt. Ally- len -Tetrabromür, C 6 H 4 Br 4 , ist eine ungefärbte Flüssig- keit von stark kampherartigem Gerüche, Dichte = 2,94 bei 0°. Unter einem Drucke von 1 Cent, geht es zwi- schen 110° und 130° fast ganz über. Der Siedepunct liegt zwischen 225° und 230°, ist also niedriger, als der des bromirten Zweifach- Brom wasserstoffsäure- Glycidäthers, und nicht sehr von dem des Dibrompropylenbromürs ent- fernt. Quecksilber wirkt bei 100° nicht auf das Tetra- bromür ein. Bei YM) {) verkohlt es dasselbe vollständig. Jod verbindet sich mit dem Allylen. Beide Sub- stanzen in einem geschlossenen Ballon der Sonne aus- 270 Dihydrat des Diallyls. gesetzt, hatten sich nur langsam und theilweise mit ein- ander vereinigt. Am Boden des Gefässes fanden sich einige Tropfen von Allylen-Dijodür, C 6 H 4 J 2 . Die Ein- wirkung erfolgt nicht merklich schneller, wenn man im Wasserbade erhitzt. Mit Vortheil aber erhitzt man das trockne Allyl mit einer Jodlösung in Schwefelkohlenstoff oder in Jodkalium. Das Allylen-Dijodür ist eine farb- lose Flüssigkeit, welche sich bei der Destillation zersetzt. Auf Zusatz von Brom erhitzt sie sich beträchtlich. (Compt. rend. T. 58. 1864. — Chem. Centrbl. 1864. 54.) B. lieber das Dihydrat des Diallyls. Durch Behandlung des Jodallyls C 6 H 5 J mit Na- trium erhielten Berthelot und de Luca das Allyl = (C 6 H 5 , C 6 H 5 ). Wenn man dasselbe in einem geschlosse- nen Gefässe mit überschüssiger, sehr concentrirter Jod- wasserstoffsäure behandelt, so bildet sich nach A. Wurtz einDijodhydrat C 12 H 10 ,2HJ, welches nicht ohne Zersetzung flüchtig ist. Durch Behandlung der von der überschüssigen ►Säure getrennten Flüssigkeit mit schwacher Lauge, Trock- nen über Chlorcalcium und Erhitzen im Vacuum auf 130° bis 140° erhält man es ziemlich rein, obgleich etwas durch freies Jod gefärbt. Es ist eine schwere, in Wasser un- lösliche Flüssigkeit. Durch Natrium wird es unter Bil- dung von Jodnatrium in ein Gemisch von Kohlenwasser- stoffen, welches wahrscheinlich Allyl und Hexylen ent- hält, und Wasserstoff zerlegt. Dieses Dijodhydrat wirkt bei gewöhnlicher Temperatur auf essigsaures Silberoxyd. Um die Reaction zu massigen, vertheilt man letzteres in Aether und fügt eine äquivalente Menge Dijodhydrat hinzu. Nach 24 Stunden fügt man mehr Aether hinzu, filtrirt vomJodsilber ab und unterwirft die Flüssigkeit der frac- tionirten Destillation. Man erhält dadurch vier Producte: Diallyl, C 12 H 10 , Essigsäure und zwei Essigsäureverbin- dungen, deren eine bei 154°, die andere über 200° siedet. Die letztere enthält ein dem Dijodhydrat entsprechendes Diallyl-Diacetat. Dieses ist eine farblose, dicke, etwas aromatisch riechende Flüssigkeit von 1,009 specif. Gew. bei 0°. Sie ist unlöslich in Wasser, zersetzt sich nicht merklich bei 250« und siedet bei 225<>— 230°. Die zwischen 200° und 215° übergegangenen An- theile führten bei der Analyse auf die Formel des Mono- acetats: C 12 HK>, H 2 2 , OHSCR Es existirt ein diesen beiden Acetaten entsprechendes Dihydrat, das man durch Einwirkung des Natriums auf Valeraldehyd. 271 vorsichtige Behandlung jener mittelst trockenen Aetzkalis erhält; es bildet eine farblose, syrupdicke Flüssigkeit von 0,9638 spec. Gew. bei 00 und 0,9202 bei 65<>, siedet bei 212° — 215° und löst sich in Wasser, Alkohol und Aether. Seine Zusammensetzung ist die des Hexylglykols = C 12 H 14 4 . Wurtz glaubt, dass zwischen dem neuen Kör- per und dem Hexylglykol dieselbe Isomerie besteht, wie zwischen dem Amylhydrat und Amylalkohol. Wenn man das Dihydrat im geschlossenen Gefasse mit sehr concen- trirter Salzsäure erhitzt, so scheidet sich bald eine Flüs- sigkeit aus, welche das Dichlorhydrat des Diallyls = C12H10, H2C1 2 ist. Es siedet gegen 1700—173«. Diese Reaction ist mit der der Jod- oder Chlorwasserstoffsäure auf Amylenhydrat, die Amy len-, Jod- oder Chlorhydrat bil- det, identisch. Es ist daher anzunehmen, dass das Di- allylhydrat nur isomer mit dem Hexylglykol ist; ent- scheiden kann sich dies erst, wenn der letztere aus dem Hexvlen dargestellt ist. Das Diallyl (C6H5, C6H5) verhält sich in allen die- sen Reactionen wie ein ungesättigter Kohlenwasserstoff der Formel C 2n H 2n-2 . Um sich zu sättigen, muss es sich mit 2 At. Jodwasserstoffsäure oder deren Aequivalen- ten vereinigen, um Verbindungen von dem Typus C 12 H 10 -f- 4 x zu bilden, wo x ein einatomiges Element oder eine einatomige Gruppe ist. Es kann sich aber auch mit 1 At. Jodwasserstoff oder dessen Aequivalent ver- binden und entspricht dann dem ungesättigten Typus (J12JJ10 _|_ 2 x, nach welchem es eine der zweiatomigen par- allele Reihe einatomiger Verbindungen bildet, die Wurtz demnächst beschreiben wird. (Compt. rend. T. 58 — Chem. Centrbl 1864. 20.) B. leber die Einwirkung des Natriums auf Valeraldehyd, Die Resultate der Arbeit A. Borodin's über die Einwirkung des Natriums auf Valeraldehyd lassen sich in Folgendem zusammenfassen. Bei der Einwirkung von Natrium auf Valeraldehyd wird Wasserstoff ausgetrieben ; die dabei sich bildende natriuinlialtige Substanz ist aber kein einfaches Substitu- tionsproduet, sondern ein Gemisch. Beim Behandeln dieses Gemisches mit Wasser wird dasselbe zersetzt. Unter den Zersetzungsprodueten wird weder Valer- 272 Darstellung der Valeriansäure. aldebyd, noch ein Polymeres oder Isomeres des letzteren aufgefunden, was für die Abwesenheit eines Natrium- valeraldehydrats in der ursprünglichen Substanz spricht. Die wesentlichen Zersetzungsproducte sind : Aetz- natron, baldriansaures Natron, Amylalkohol Und zwei neue Körper: C20H22()2 und C20H»SO2. Die Baldriansäure wird auf Kosten des in dem Alde- hyd selbst enthaltenen Sauerstoffs gebildet und nicht als Nebenproduct durch Oxydation des Aldehyds an der Luft. Der Körper C 2 0H 2 2()2 ist ein einatomiger Alkohol, welcher mit dem der Caprinsäure entsprechenden iden- tisch oder eher isomer sein kann. C20H ,9 O 2 ist ein neutraler Körper von noch unbestimm- ter chemischer Natur; erscheint aber durch Natrium ersetz- baren Wasserstoff zu enthalten. Weit entfernt davon, daraus Schlüsse für das Ver- halten anderer Aldehyde zu ziehen, hat Borodin die Absicht, weitere Forschungen zu unternehmen und zu ent- scheiden : 1) ob die dem Valeraldehyd homologen Alde- hyde sich ähnlich verhalten und Alkohole, die mit dem Körper C 2 0H 2 2O2 homolog sind, geben; 2) ob nicht bei der Einwirkung von Natrium auf ein Gemisch von zwei Aldehyden ein intermediärer Alkohol gebildet wird, ähn- lich z. B. wie bei der Einwirkung von Schwefelsäure zu- gleich auf zwei Alkohole intermediäre oder gemischte Aether, bei der Elektrolyse der Salze von zwei verschie- denen fetten Säuren intermediäre Kohlenwasserstoffe, bei ihrer Destillation intermediäre Kohlenwasserstoffe und bei ihrer Destillation intermediäre Ketone gebildet werden. Auf diese Art wäre es vielleicht möglich, bei gleich- zeitiger Anwendung z. B. von C4H402 mit C'OHIOO 2 oder OH60 2 mit CSBPO 2 Alkohole zu bekommen, welche mit dem der Oenanthylsäure nur isomer wären. Dieses könnte vielleicht einiges Licht über die Isomerie der Alkohole verbreiten. (Ztschr. für Chem, u. Pharm. Jahrg. 7. Hft. 12.) B: Heber die Darstellung der Valeriansäure. N. Lawross und N. Jazukowitsch untersuchten den Einfluss verschiedener Mengenverhältnisse an Schwe- felsäure, Kalibichromat und Fuselöl auf die Ausbeute an Valeriansäure. Es resultirt aus ihren Versuchen, dass die theoretische Menge der Bestandtheile, nach der For- Valerijlen. 273 mel: SCMH 1 **)' + 4 (KO, Cr^O« + 16(H0, S03) = 3CiOHiOO^ + 4(KO, S03 + Cr203, 3S03) 4- 22 HO die geringste Ausbeute liefert, während nach Traut- wein's Vorschrift (5,1 Gewth. KO, Ct^O* , 3,9 Gewth. HO, S03, 1 Gewth. C10H12O2, 3,9 Gewth. HO) die grosseste Menge Yaleriansäure erhalten wird. Bei der Bereitung der Yaleriansäure ist im Allgemeinen Folgendes zu beachten: 1) Das chromsaure Salz darf nur gröblich gepulvert werden. 2) Die Schwefelsäure wird mit dem Fuselöl vorsich- tig und in kleinen Mengen gemischt. 3) Das Gemisch von Schwefelsäure und Fuselöl kann anfangs ziemlich rasch zu der in einer Retorte befind- lichen Lösung des Kalibichromats in Wasser gegossen werden ; das erste Viertel sogar auf einmal. Dann aber muss das Gemenge tropfenweise zugegeben werden, doch auch nicht zu langsam, damit die Flüssigkeit nicht aus dem wallenden Sieden kommt. 4) Bei heftiger Reaction ist die Ausbeute an Valerian- säure stets grösser, auch destillirt diese dann rascher ab. Ist hierauf 2 — 2 1 / 2 mal so viel übergegangen als Fuselöl angewandt wurde, so kann man das von Trautwein vorgeschriebene Nachgiessen von Wasser unterlassen, nur muss dann die Menge des angewandten Wassers 5 mal so gross sein, als die Menge des Fuselöls. 5) Lässt die Reaction nach, so unterstütze man sie durch Erwärmen. Die Retorte kann bis zu 3 / 4 mit dem Gemisch angefüllt werden, da sich bei der Operation kein starker Schaum bildet. (Zeitschr. für Chemie u. Pharmac. 1864. 3.) B. leber das Yalerylen. Reboul hat nach der für andere Kohlenwasser- stoffe der Reihe C 2n H 2n — 2 bereits ausgeführten Methoden aus dem Amylen durch Darstellung des Dibromürs und mehrstündiges Erhitzen desselben auf 140° mit weingei- Kalilauge in geschlossenen Röhren das Valerylen C^H 8 dargestellt. Es ist eine farblose, sehr bewegliche Flüssigkeit von durchdringendem, knoblauchartigen Ge- rüche, leichter als Wasser, worin es sicli wenig löst. Siedepunct bperationen ausreicht, ein besseres Präparat, namentlich \§t die Oleinsäure eben so schön, ja selbst besser, als die zur Fabrikation de* Seife gesuchtesten Oele. Hierdurch würde sich der Process der Verabeitung der Oele umkehren. Während man jetzt die fetten Körper auf Stearinsäure verarbeitet und Oleinsäure im Rückstände behält, kann man künftig direct Oleinsäure fabriciren und erhält dabei eine Stearinsäure, deren Preis sich dann 280 Glycerin zur Extraction und Conservation von Aromen. um den Werth der gewonnenen Oleinsäure verringern muss. Zum Zwecke der Seifenbereitung kann man entweder reine Oleinsäure oder dieselbe mit anderen Oelen ge- mischt benutzen. Im ersteren Falle genügt es, die Säure mit schwacher Lauge zu sättigen. Die Seifenkügelchen bilden sich sofort und man kann dieselben sogleich zur Schmelzung bringen. Wendet man einen Zusatz von Oel an, oder benutzt man bloss Oel, wie dies gegenwärtig geschieht, so verfährt man auf die oben für den Talg angegebene Weise, man zertheilt das Oel, so dass es Kugelform an- nimmt und rührt heisse gesalzene Lauge darunter, bis die Seifenbildung vollendet ist. Darauf schmilzt man, trennt die Seife von der Lauge und bringt sie in die Formen. Der ganze Process erfordet nur 6 Stunden wirklicher Arbeit und in 14 Stunden gewinnt man eine Seife vorzüglicher Qualität. (Compt. rend. T. 58. 864. 1864.) Pelouze knüpft an diese Mittheilung einige Bemer- kungen und erwähnt dabei, dass man durch gewöhnliche Seife bei einer Temperatur von etwas über 100° aus neu- tralen Fetten die fetten Säuren abscheiden könne, und dass verschiedene Fabrikanten durch Anwendung dieses Mittels bereits den zur Seifenbildung nöthigen Kalk von 25 bis 5 oder 6 Proc. verringert haben, und dass diese Operation bei Anwendung von mehren Kilogrm. Fett ebenfalls in 4 — 5 Stunden zu vollenden sei. Schliesslich zweifelt Pelouze, dass das von Mege-Mouries em- pfohlene Verfahren dieses letztere verdrängen werde. Chevreul dagegen hebt nochmals die Vorzüge des Processes von Mege-Mouries hervor. {Compt. rend. T. 58. 868. 869. 1864. Chem. Central. 1864. 54.) B. Glycerin zur Extraction und Conservation von Aromen; von Tichborne. Frische Fliederblumen sollen sich in Glycerin ge- taucht vollkommen unverändert erhalten und demselben ihren Geruch mittheilen. Aus einem so aromatisirten Glycerin kann man durch Destillation mit Wasser ein vortreffliches Fliederwasser bereiten. Das Glycerin selbst ist nach der Concentration zu gleichem Zwecke wieder anwendbar. Zarte Aromata, die Erhitzung nicht ver- tragen, gewinnt man leicht, indem man das damit impräg- nirte Glycerin verdünnt und mit Chloroform schüttelt, Leber Kirschlorleerivasser. 281 welches sie ihm entzieht. Nach Absonderung und Ver- dunstung des Chloroforms bleiben die riechenden Sub- stanzen unverändert zurück. (Pharm. Journ. and Tr ansäet. Vol. VI. Nro. 5. Novbr. 1864. p. 206.) Wp. leber Kirschlorbeerwasser. Bei der Prüfung eines von einem pariser Handels- hause bezogenen Kirschlorbeerwassers nach dem Buignet- schen Verfahren (Titriren mit ammoniakalischer Kupfer- lösung) bemerkten Blondlot und Fraisse, nachdem sich der vorschriftsmässige ßlausäuregehait erwiesen hatte, dass sich die Flüssigkeit allmälig trübte und weisse käsige Flocken ausschied. Diese Erscheinung, welche Blondlot bei seinen zahlreichen Prüfungen bei Gelegenheit der Apothekenrevisionen bis dahin erst zweimal entgegen- getreten war, veranlasste den Apotheker Fraisse zu einer Untersuchung dieser ausgeschiedenen Substanz, welche in folgender Weise ausgeführt wurde. 2000 C.C. Aq. Laurocerasi wurden mit 200 C.C. Ammoniakliquor und soviel Kupferlösung versetzt, dass die blaue Färbung eben eintrat; hierauf wurde 8 Stunden stehen gelassen, die auf der Oberfläche abgeschiedene Schicht weisser Flocken gesammelt und über Schwefelsäure ausgetrocknet. Nach abermaligem Stehenlassen der Flüssigkeit hatte sich ein schwefelgelber Bodensatz gebildet, welcher nach 24 Stunden gesammelt und wie der vorige getrocknet wurde. Die noch immer gelblichtrübe Flüssigkeit wurde sodann mit Schwefelsäure schwach übersättigt, worauf sich auf der Oberfläche einige rothe Oeltropfen und am Boden ein grünlicher Niederschlag ausschieden und die Flüssig- keit fast völlig klar wurde. — Die ersten beiden flockigen Niederschläge (von denen der erste 1,615 Grm., der zweite 1,205 Grm. betrug) besassen, ebenso wie das zu- letzt ausgeschiedene rothe Oel, einen intensiven Geruch nach Kirschlorbeerwasser, waren vollkommen verbrenn- lich, gaben beim Erhitzen für sich Blausäure- und Benzoe- geruch und zuletzt einen Geruch nach Zwiebeln, und beim Erhitzen mit Aetzkalk, nach vorherigem Abdampfen mit Salzsäure, eine Entwickelung von Ammoniak. Kalter 40-proc. Weingeist zog aus beiden Niederschlägen eine rothe, ölige, stark npch Aq. Laurocerasi riechende Sub- stanz aus. Koehender Weingeist löste die Niederschläge auf und gab beim Verdunsten Krystalle, welche bei dem zweiten Niederschlag besonders schon in Büscheln 282 Synthese des Benzoylchlorihrs und der Benzoesäure. angeordnet waren, und sich auch leichter in Aether, Chloroform und Benzin lösten, als die vom ersten. — Frais se schloss hieraus, dass jene beiden ausgeschie- denen Substanzen Verbindungen des Ammoniaks mit dem Kirschlorbeeröle seien und somit dem Benzamid nahe- ständen. — Der durch Schwefelsäure erzeugte grünliche Niederschlag war geruchlos und erwies sich als eine Ver- bindung des Kupfers mit Cyan. — Das durch Aether ge- sammelte rothe Kirschlorbeeröl betrug 0,457 Gramm. Es geht daraus hervor, dass jene Erscheinung nach dem Titriren der Aq. Lauroc. mit ammoniakalischer Kupfer- lösung noch als ein Zeichen von Güte des Präparats an- zusehen ist, indem dadurch auch eine reichliche Gegen- wart von Kirschlorbeeröl angezeigt wird. Zum Schluss bemerkt Fraisse noch, dass er die vonBuignet und May et gemachte Beobachtung, wonach die Aufbewahrung des Kirschlorbeerwassers in undurch- sichtigen Gefässen als unnöthig erscheint, vollkommen bestätigen könne. (Journ. de Pharm, et de Chim. Juillet 1864.) Weinhold. Synthese des Benzoylchlorürs und der Benzoesäure. Die homologen Säuren der Essigsäure und Benzoe- säure spalten sich bekanntlich, wenn sie mit einem Ueber- schuss von Kali, Kalk oder Baryt destillirt werden, in Kohlensäure, welche mit den Basen verbunden bleibt, und in Kohlenwasserstoff, welcher zwei Atom Kohlenstoff weniger enthält als die angewendete Säure: C 2n H m -f- O 4 = C 2a ~ 2 H m -f~ C 2 O 4 . Unter diesen Umständen giebt z. B. die Essigsäure Sumpfgas und Kohlensäure und die Benzoe- säure Benzol und Kohlensäure. Th. Harnitz-Harnitzky hat mit Erfolg versucht, das Umgekehrte zu erreichen, nämlich durch Verbindung der betreffenden Kohlenwasserstoffe mit Kohlensäure jene Säuren wiederherzustellen. Reines Kohlenoxychlorür wurde in einer erhitzten Retorte im Sonnenlichte mit Benzoldämpfen gemischt. Letzteres verbindet sich nur in Gasform mit dem Oxychlorür, flüssiges Benzol dagegen wirkt gar nicht ein. Bei dieser Reaction entsteht immer Salzsäure; das Product wurde durch Destillation im Wasserbade von dem unveränderten Benzol getrennt, es destillirte zwischen 195° und 200°. Durch eine zweite Destillation erhielt man eine bei 198° siedende Flüssigkeit von einem durchdringen- den, die Augen und die Lungen stark reizenden Gerüche, welche mit sehr stark russender Flamme brannte, in Ueber den Perubalsam. 283 Wasser untersank und allmälig in eine krvstallinische Masse überging. Letztere ist sehr wenig in kaltem, leich- ter in siedendem Wasser löslich, bei der Abkühlung giebt sie lange Krystalle, welche bei 121,5° schmelzen; sie sublimirt leicht und giebt schöne Krystalle ganz von dem Aussehen der Benzoesäure. Die Lösung dieser Krystalle reagirt sauer, und wenn man dieselbe mit kohlensaurem Kalke neutralisirt, erhält man die für den benzoesauren Kalk so charakteristische Krystallform. Aus allem diesen geht hervor, dass die obenerwähnte aus dem Oxychlorür und den Benzoldämpfen entstandene Flüssigkeit Benzoylchlorür war. Die daraus entstandene ►Säure ist Benzoesäure, wie sich aus dem Schmelzpunkte und der Krystallform des Salzes ergiebt. Die Reaction bei der Entstehung des Benzoylchlorürs ist folgende C12 H6 + C2 O* Cl* == H C1 + C" H* O* Cl, und der Uebergang des Benzoylchlorürs in Benzoesäure Ci4 R5 02 Cl + 2H0 = C »4 H6 O* + H Cl. Da nun Berthelot aus Schwefelkohlenstoff und Schwe- felwasserstoff, bei Gegenwart von Kupfer Aethylen, aus diesem gewöhnlichen Alkohol und aus letzterem wiederum Benzol dargestellt hat, so zeigt der in dieser Abhandlung beschriebene Versuch Harn itz- Harn itzky 's, dass man die Benzoesäure, einen an Kohlenstoff reichen organischen Körper, nunmehr direct aus den Elementen darzustellen vermag. (Compt. % rend. 1864. Chem. Centrbl. 1864. 37.) ß. lieber den Perubalsam. Ueber die Gewinnungsart des Perubalsams an Ort lind Stelle ist man durch Hanbury jetzt im Klaren. Auch die chemische Constitution desselben kennt man ziemlich genau. Dagegen weiss man nicht, wie der Bal- sam im Baume vorkommt, und welche Veränderung er etwa durch die Manipulationen erleidet, die man bei seiner Gewinnung anwendet. Attfield hat in dieser Be- ziehung einige Versuche angestellt, zu denen er theils einen kleinen Ast, theils ein Stammstück des Baumes vorwendete. Rinde, Splint und Kernholz wurden geson- dert, geraspelt und die Späne besonders einer allmälig gesteigerten Hitze ausgesetzt. Dabei wurde keine Aus- sebwitzung wahrgenommen, auch kein dem des Peru- balsams ähnlicher Geruch. Bei schliesslich vor sich gehen- der trockru-f Instillation kam saures Wasser und Theer. Die obengenannten Ilolztheile lieferten mit Aether alle 284 Nitrodracylsäure. ein hellbraunes Weichharz von gleichem, aber nicht an Perubasalm erinnernden Geruch, aus dem sich nach einigen Tagen an der Oberfläche ein wenig hellbraunes Oel aus- schied. Beim Erhitzen des Harzes mit Wasser verbreitete sich zwar ein Geruch, aber wieder nicht nach Perubalsam, auch nahm das Wasser keine saure Reaction durch Zimmt- säure an, wie es unter gleichen Umständen beim Peru- balsam der Fall ist. Auch Hess sich mit kohlensaurem Natron aus dem Harze keine Zimmtsäure ausziehen. — Der harzartige Bestandtheil des Perubalsams färbt sich mit concentrirter Schwefelsäure tief purpurroth, das aus dem Holze gewonnene Harz zeigt keine solche Reaction. Man sieht hieraus, dass ein Aufschluss über die Bil- dung des Perubalsams noch zu erwarten ist. (Pharm. Journ. and Transact. Vol. VI. No. 5. Novbr. 1864. p. 204.) Reduction der salicyligen Säure zu Saligenin. A. Reinecke und F. Beilstein Hessen Natrium- amalgam auf salicylige Säure einwirken. Das Natrium löste sich mit Leichtigkeit auf, nach einigen Tagen ent- wickelte sich Wasserstoffgas und die alkalische Flüssigkeit gab mit Schwefelsäure neutralisirt nach dem Eindampfen und Lösen der zurückbleibenden Masse in Alkohol Kry- stalle, die in allen Eigenschaften mit dem Saligenin über- einstimmten. Die Entstehung des Saligenins erklärt sich nach der Gleichung: CHH6Ö4 + H2 -. C14H304 salicylige Säure Saligenin. (Ann. der Chem. u. Pharm. CXXVIII. 179 — 180.) G. Nitrodracylsäure. Die Nitrodracylsäure = C 14 H 5 (N0 4 )0 4 , welche durch Kochen des Toluols mit rauchender Salpetersäure gebildet wird, wurde bereits im Jahre 1843 von Glenard und Boudault entdeckt und ist später von G. Fischer unter dem Namen Paranitrobenzoesäure beschrieben worden. Diese der Nitrobenzoesäure isomere Säure haben jetzt J. Wilbrand und F. Beilstein einer genaueren Untersuchung unterworfen. Ausser den schon durch Fischer bekannten Derivaten derselben haben sie noch folgende Verbindungen dargestellt: Amidodracylsäure = C 14 H5(H2N) O 4 , entsteht bei Behandlung der Nitrodracylsäure mit granulirtem Zinn Trinitrocressol und Chrysanissäure. 285 und concentrirter Salzsäure. Schmelzpunct 186° bis 1870 (197° Fischer). Nitrobenzoesäure giebt unter gleichen Umständen ein Doppelsalz von salzsaurer Amidobenzoe- säure mit Zinnchlorür. Azo-Amidodracylsäure =C 28 H 11 N 3 8 , wird ge- bildet, wenn man eine kalt gesättigte alkoholische Lösung von Amidodracylsäure mit einer Lösung von Salpetrig- äther übergiesst. Es scheidet sich sehr bald der orange- gelbe fein krystallinische Körper ab, der grosse Aehn- lichkeit mit der analogen Benzoeverbindung hat. Chlordracylsäure = C 14 H 5 C10 4 , gewinnt man beim Erwärmen von Azo-Amidodracylsäure mit concentrirter Salzsäure. Der Körper wird durch Sublimation in pracht- vollen, glänzenden, weissen, dem Naphthalin nicht unähn- lichen Schuppen erhalten. Ausser ihm entsteht bei der Zersetzung der Azo-Amidodracylsäure noch Amidodracyl- säure, wie folgende Gleichung veranschaulicht: C28RHN308 -f- HCl = 014H5C104 -f- Ci 4 H7N0 4 -f N2 Chlordracylsäure Amidodracylsäure. Dracylsäure — C 14 H 6 4 , erhält man, wenn man Azo-Amidodracylsäure mit Alkohol übergiesst und durch den zum Kochen erhitzten Alkohol einen Strom sal- petriger Säure leitet. Die Säure krystallisirt wie Ben- zoesäure und ist wahrscheinlich mit dieser identisch. Die Isomerie hätte dann hier ihre Grenze erreicht. (Ami. der Chem. u. Pharm. CXXVIIL 257 — 273.) G. Trinitrocressol und Clirysanissäurc. Diese beiden Körper sind nach den Untersuchungen von W. Kellner und F. Beiist ein weder identisch, noch isomer. Trinitrocressol löst sich in kaltem Alkohol ziem- lich leicht und scheidet sich beim Erkalten seiner heiss gesättigten Lösung in gelben Nadeln aus. Mit Salzsäure liefert es keinen Aethcr. Die Amidoverbindung, das Amidonitrocressol, krystallisirt in gelben Nadeln, die Salze desselben sind in Wasser grösstenteils nur wenig löslich. Die Clirysanissäurc, ein Product der Einwirkung von rauchender Salpetersäure auf Nitranissäure, löst sich in kaltem Alkohol viel schwerer als Trinitrocressol und krystallisirt aus seiner heiss gesättigten Lösung in goldglänzenden Blättchen. Beim Einleiten von Salzsäure- gas in die alkoholische Lösung der Chrysanissäure ent- steht leicht Chrysanissäureäther. Die Amidochrysanis- 286 Chemische Untersuchung des Muskatnussbalsams. säure stellt rc-the mikroskopische Krystalle dar. Auch ist die Zusammensetzung der Chrysanissäure, abweichend von Cahours' Formel, durch Ci*H5(N04)3 02 auszu- drücken, so dass also Chrysanissäure und Trinitrotoluol isomer sind. Es existirt noch eine andere Modifikation der Chry- sanissäure, die als ß- Chrysanissäure bezeichnet wird und sich hauptsächlich durch ihr physikalisches Verhalten unterscheidet. Sie bildet vollkommnere und grössere Kry- stalle als die gewöhnliche Säure, ihr Ammoniaksalz ist gelb gefärbt, während das Ammoniaksalz der gewöhn- lichen Chrysanissäure braun ist. Scheidet man die ß-Chry- sanissäure aus dem Kalksalz ab, so erhält man wieder gewöhnliche Chrysanissäure. [Ann. der Chem. u. Pharm. CXXVIIL 164 — 177.) G. Chemische Untersuchung des Muskatnussbalsams. Die Muskatnussbutter enthält nach K. Th. Koller's Untersuchung folgende Bestandtheile in den annähernden quantitativen Verhältnissen : Aetherisches Oel 6 Proc. Myristin 70 „ Elain 20 „ Saures Harz 3 „ Butyrin, Spuren einer oder zweier flüchti-i gen Säuren, Chlornatrium und Schwefel- > 1 „ sauren Kalk ) iöa Das ätherische Oel ist ein Hydrat des Kohlenwasser- stoffes C 20 H 16 und hat mit dem Macisöle gleiche Zusam- mensetzung. Es setzt kein Stearopten ab. Das Myristin schmilzt nicht bei 31, sondern erst bei 52°; verseift sich auch nicht schwer, sondern sehr leicht mit Alkalien. ( Wittst. Vierteljahrsschr. Bd. 13. 4.) B. 287 IV. Literatur und Kritik. Dr. Otto Berg, die Chinarinden der pharmakognosti- schen Sammlung zu Berlin. Mit 10 Tafeln Abbil- dungen. Berlin 1865. In diesem Werkchen giebt der als Pharmakognost längst rühm- lichst bekannte, fleissige Verfasser nähere Auskunft über die in seinem „anatomischen Atlas" abgebildeten und nur kurz beschrie- benen Chinarinden. Er beginnt mit einer Nachricht über die phar- makognostische Sammlung der Berliner Universität überhaupt, so wie die Chinarinden - Sammlung insbesondere, welche besonders durch den Ankauf der Sammlung von Klotsch vervollständigt worden ist und Originale von Ruiz und Pavon, Howard, Wed- dell, Pöppig, Warszo wicz, Moritz und Karsten enthält. Energisch legt Berg sodann für die mikroskopische Bestimmung eine Lanze ein als für die allein sicher zum Ziel führende, und Aussprüche wie der von Klotsch, dass man nach Herbarien-Exem- plaren ohne Weiteres die Abstammung der käuflichen Chinarinden feststellen könne, rechnet der Verf. mit Recht zu den „landläufigen Fictionen", weil ein einjähriger, ja überhaupt ein jüngerer Zweig noch nicht die spätere Entwicklung des Bastes zeige. Berg giebt ein praktisches Verfahren für die Vorbereitung der Rinden für den Schnitt und für die Präparation, wie es ähnlich zuerst von Schiei- den und nach ihm von Andern angegeben wurde. In der Ver- werfung des Mikrotoms glaubt Ref. ihm völlig beistimmen zu müs- sen. Nicht ganz stimme ich dagegen mit der Darstellung der all- gemeinen Rindenbildung überein. Ich habe während meiner gan- zen Lehrtätigkeit die Erfahrung bestätigt gefunden, dass dem Anfänger, und besonders dem praktisch vorgebildeten, die Morpho- logie und Physiologie der Pflanzen, so weit es irgend möglich ist, auf genetischem Wege vorgeführt werden muss. Mau muss ihm für das schwierige Verhältniss der Rinde zum Holz zuerst den Un- terschied zwischen den erst entstandenen oder primären und den später durch den Cambialeylinder entstandenen oder seeundären Bindentchichten klar zu machen suchen, und ihm dann zeigen, dass die primäre Kinde zwei wesentlich verschiedene Theile ent- wickeln müh. .-, Dämlich den äussern Theil mit der Oberhaut als Aussenrinde unter dem Kinfluss der äussern Luft und den inuem lh.il a! Iniieiirinde unterPortwirkung ähnlicher Bedingungen wie die, unter denen er entstand, daher er auch dem Mark so sehr ähnlich bleibt. Der Ausdruck „Mittelrinde" scheint mir schon des- halb nicht glücklich gewählt, weil er etwas Unbestimmtes enthält, und man. 80 «renig auch die Xafursich an unsere strengen logischen Eintheilungen bindet, doch dem Anfänger strenge Schemata zur Krleichterung der Auflassung an die Hand geben muss. 288 Literatur. Der Verf. bespricht zunächst die Rinden nach der Weddell- schen Anordnung der Arten : für die Ch. condaminea H. et B. hatte schon Seh leiden darauf hingewiesen, dass die Weddell'sche Zu- sammenziehung mehrer wesentlich auch im Rindenbau verschiede- ner Arten zu Varietäten unter jenem Artnamen nicht richtig sein könne, und davon überzeugt man sich leicht bei aufmerksamer Prüfung dessen, was Schieiden über die verschiedenen Loxa- Rinden mittheilt. Saftröhren (Milchsaftgänge) und Steinzellen kön- nen keinen sicheren Anhalt zur Unterscheidung nahestehender Arten darbieten, weil ihr Vorkommen zu sehr von Altersverschie- denheiten abhängt. Ihre Benutzung setzt wenigstens gleiches Alter und sehr jugendliche Rinden voraus. So lassen sich z. B. C. Cha- huarguera und C. macrocalyx nicht sicher durch das Vorkommen von Steinzellen bei dieser unterscheiden. Meine Originale von Ruiz und Pavon zeigen bei beiden Arten zahlreiche Stabzellen und keine andern Formen stark verdickter Zellen. Unterschieden sind beide nach diesen Präparaten leicht durch die Gestalt der Bastzellen, welche bei C. macrocalyx weit kürzere, meist kaum ge- streckte Lumina zeigen, durchschnittlich nur halb so dick sind und ihre Reihen weit häufiger chordal verbinden, während die dickeren Zellen der C. Chahuarguera, besonders in den innersten Lagen, stets radial gestreckte, spaltenförmige Lumina besitzen. In Bezug auf die Dicke verhalten sie sich also hier gerade umgekehrt wie bei Berg, was nicht auf Altersverschiedenheiten beruht, da gleich die äussersten Bastzellen diesen Unterschied zeigen. Wie man aber gar auf das Vorhandensein der Borke (für C. lucumae- folia) Gewicht legen kann, ist mir unbegreiflich. Meine Originale von C. lucumaefolia R. et P. zeigen sehr stark entwickelte Borke. Die Gruppirung ist bei weitem nicht so ausgeprägt in den inneren Bastschichten wie bei C. macrocalyx, die Zellen sind weit entschie- dener tangential gestreckt. Auf den Kreis von Milchsaftgängen machte ich schon früher {Archiv der Pharm. 1865. p. 285 ff.) auf- merksam. Uebrigens stimmt die Anordnung der Zellen ziemlich gut mit Berg's Abbildung (Taf. IX. Fig. 25). # Berg geht nun zur Beschreibung der einzelnen Chinarinden über, seinen Abbildungen entsprechend. Hierüber lässt sich nicht viel sagen; nur zu den vergleichenden Bemerkungen möchte ich Weniges hinzufügen. In jener Kritik im Archiv der Pharmacie machte ich auf die anatomische Aehnlichkeit der Quinquina Pitayo Del. et Bouch. nach den Präparaten von Phoebus aufmerksam. Hat nun Berg diese Notiz gesehen oder nicht: genug, es findet sich bei ihm die kahle Behauptung: „Quinq. Pitayo Del. et B. hat mit dieser Art nichts zu thun". Leider ist sie nicht begrün- det und der Verf. schweigt über die Abstammung der Pitayo von Delondre, vielleicht, weil er sie stillschweigend zur Pitayo nach Howard rechnet. Bei der Beschreibung dieser Rinde, welche ver- muthlich nach Originalen von Howard entworfen ist, fehlt leider eine Abbildung. Die ziemlich unbestimmt gehaltene Beschreibung widerspricht meiner Vermuthung durchaus nicht. Für die Quinq. gris roule Equateur und Quinq. Carabaya, welche Berg zur C. Con- daminea Hb. et Bpl. rechnet, bitte ich ebenfalls meine Bemerkun- gen zu vergleichen. Die schreienden Widersprüche, welche hier durch Vergleich verschiedener Original -Exemplare derselben Rin- densorten von denselben Sammlern hervortreten, mahnen gewiss zur äussersten Vorsicht in der Beurtheilung. Gerade für die selt- neren Rinden hat eine blosse Beschreibung eigentlich gar keinen Literatur. 289 Werth: nur die allergenauesten Zeichnungen oder besser noch Prä- parate, in grösserer Anzahl vertheilt, wie es Phoebus in so libe- raler Weise versuchte, können hier fördern. Immerhin ist aber die Zusammenstellung des vorhandenen und die Spendung neuen Materials dankend anzuerkennen und wir be- grüssen auch dieses Werk als einen willkommenen Beitrag zur Erleichterung späterer umfassender Arbeiten, für welche freilich nicht in unsern Sammlungen, sondern an Ort und Stelle das Mate- rial geholt werden muss. E- Ha liier. Taschenbuch der Deutschen und Schweizer Flora, ent- haltend die genauer bekannten Pflanzen, welche in Deutschland, der Schweiz, in Preussen und in Istrien wild wachsen und zum Gebrauch für Menschen in grösserer Menge angebaut werden. Nach dem De Can- dolle'schen System geordnet, mit vorangehender Ueber- sicht der Gattungen, nach den Classen und Ordnun- gen des Linnei sehen Systems bearbeitet von Dr. Wilh. Dan. Koch, weil. Professor der Medicin und Botanik an der Universität zu Erlangen und Direc- tor des botanischen Gartens daselbst. Sechste Auf- lage. Leipzig, im Verlage von Gebhardt und Reis- land. 1865. Das botanische Taschenbuch von Koch liegt uns hier in der 6ten Auflage vor. es ist wie die früheren Auflagen ein wörtlicher Abdruck der ursprünglichen Bearbeitung des leider für die Wissen- schaft zu früh heimgegangenen Verfassers. Ueber den wissenschaft- lichen Werth des Buches haben sich früher Männer vom Fach ausgesprochen, und was das Praktische der ganzen Zusammenstel- lung als Leitfaden zu botanischen Excursionen betrifft, so ist die- ses gewiss ein sehr günstiger Beweis, dass das Werk bereits so viele Auflagen erlebt hat. Unser genialer Koch hat nicht allein die Beschreibungen in diesem Taschenbuche, sondern auch die Diagnosen in allen seinen Werken mit solchen klaren und scharfen Zügen gezeichnet, wie wohl kaum Einer vor ihm, so dass fast die meisten späteren Schrift- steller und Floristen aus dem Keichthum seines Geistes geschöpft haben. Viele haben seine Diagnosen vollständig angenommen und Andere haben sie theilweise zu benutzen gesucht; das Erstere war wohl meistens das nichtigere: denn eine Koch'sche Diagnose kann, wie auch schon Ascherson in dem Vorworte seiner Flora von Brandenburg mit Hecht sagt, in vielen Fällen nur zu ihrem Nach- theile geändert werden. Was mir bei der Durchsicht des Buches besonders auffiel, war dass die späteren BeratlfgebeT desselben dieses keiner Revision in Bezug auf die darin speeiell angegebenen Fundorte angeordnet haben, von denen nach nein reu Forschungen manche nicht mehr als richtig angenommen werden können. Die geographische Bota- nik hat seit Herausgabe des Taschenbuches solche Fortschritte ge- macht, wodurch man zu der bestimmten Erkenntniss gelangt ist, dass manches früher angenommene Vorkommen sich auf unrich- Arch. d. Pharm. CLXXIII.Bds. 3-IIft. 19 290 Literatur, tige Voraussetzungen, auf Verwechslungen von Pflanzen, oder auch auf verwilderte oder angepflanzte Exemplare bezogen haben. — Um nun mehrere der sehr zweifelhaften oder auch unrichtigen Fundorte, welche speciell angegeben sind, zu berichtigen, ist der Zweck dieser Zeilen. In dem Werke selbst folgen nach dem Vorworte ein Verzeich- niss der gebrauchten Abkürzungen; dann die Anordnung und Cha- rakteristik der Gattungen, welche in der Flora von Deutschland und der Schweiz enthalten sind, nach dem Linneischen Sexual- system, und nun eine tabellarische Uebersicht und Beschreibung derjenigen Ordnungen des natürlichen Systems, welche in dem Buche vorkommen. Von pag. 1 bis 571 sind die Gefässpflanzen der Flora, nach dem Systeme De Candolle's geordnet, die Arten beschrieben mit Beifügung der notwendigsten Synonymen und mit allgemeinen oder speciellen Fundorten versehen, und schliesst dann mit einem vollständigen Register der Pflanzengattungen. Pag. 37. Erysimum suffruticosum Spreng. Ist nach unserer Ansicht für Limburg und Verviers sehr zweifelhaft und scheint mir auf einer Verwechselung mit Cheiranthus Cheiri zu beruhen, welche ich wenigstens von Limburg dafür erhielt. E. suffruticosum Spreng, ist eine westeuropäische Pflanze, welche wohl auf den Py- renäen wächst. Erysimum austriacum De Cand., nicht Baumg., des- sen Pflanze E. Orientale R. Br. ist. Pag. 40. Vesicaria utriculata Lamk. Ist am Godesberg bei Bonn längst wieder verschwunden und war früher nur angesäet. Pag. 41. Alyssum argenteum Vitm. Ist bei Verviers und Spaa nur durch fremde Samen eingeschleppt, nicht wild. Pag. 48. Thlaspi alliaceum Ein. Findet sich nicht bei Aachen. Pag. 61. Viola rothomagensis Desf. Scheint in Belgien nicht vorzukommen, indem das Compend. Florae Belgicae Lejeuneet Court. ihrer nicht erwähnt. Nach Hausmann soll sie in Tyrol gefunden werden, aber Hausmann hält die Tyroler Pflanze für eine Varie- tät der V. tricolor. Meine Pflanzen im Herbarium sind von St. Adrien bei Rouen. Pag. 66. Gypsophila acutifolia Fisch. Soll nach Neilr. Nachtr. zu Maly's Enumerat. p. 262, weder in Niederösterreich, noch in Un- garn vorkommen. Tunica Saxifraga Scop. Ist nach Garke's Flora von N.- u. M. -Deutschi, für Jena jetzt sehr zweifelhaft. Pag. 66. Dianthus Seguieri Vill. Der Fundort Medebach ist gewiss unrichtig und beruht nur auf einer früheren Verwechselung. Pag. 68. Dianthus neglectus Loisl. Kommt nach Moritz' Flora der Schweiz nicht in der Schweiz, wohl aber auf den Alpen von Piemont vor. Ob in Tyrol? Pag. 93. Althaea cannabina L. Ist nach Neilreich für Un- terösterreich sehr zweifelhaft geworden. Pag. 121. Melilotus coerulea Lamk. Findet sich im Bereiche des Taschenbuches nirgendwo wild; wird aber in vielen Gegenden angebaut und kommt dort zuweilen verwildert vor. Pag. 136. Astragalus vesicarius L. Ist wohl für Graubünden zu streichen, da Moritz in seiner Flora der Schweiz dieser Pflanze nicht erwähnt. Pag. 167. Rosa turbinata AU. Findet sich selbst im südlich- sten Gebiete nirgendwo wirklich wild, sondern überall nur verwil- dert. Literatur. 291 Pag. 171. Crataegus Azarolus L. Kommt im Bereiche des Taschenbuches nur angepflanzt oder verwildert vor. Pag. 172. Cydonia vulgaris Pers. Stammt aus dem Orient und ist überall nur als angepflanzt oder verwildert anzusehen. Pag. 194. Saxifraga umbrosa L. Wächst nicht wild in Mäh- ren, sondern ist nur aus Bauerngärten entsprungen und verwildert. Wirklich wild findet man sie auf den Pyrenäen. Pag. 205. Bupleurum semicompositum L. Kommt nicht in Istrien vor, die dafür gehaltene Pflanze war B. cristatum Bartl. Pag. 212. Conioselinum Fischeri Wim. et Grab. Findet sich nach Maly nicht in Untersteiermark. Pag. 235. Valeriana Phu L. Stammt nach Ledeb. Boss. II. vom Kaukasus, ist demnach im Bereiche des Taschenbuches nir- gends wild; da sie aber als Zier- und Heilpflanze in Gärten ange- pflanzt ist, so findet sie sich hin und wieder verwildert. Pag. 252. Carpeshim cernuum L. Ist nach Neil reich für Oesterreich sehr zweifelhaft. Pag. 262. Pinardia coronaria Less. Die Pflanze wächst wild weder im Wallis, noch auf der Fräla im Veltlin, denn Moritzi FL der Schweiz p. 372 erwähnt ihrer nur als Gartenpflanze. Pag. 267. Doronicum scorpioides Willd. Findet sich nicht auf dem Saleve bei Genf; dieses angebliche Vorkommen beruht nach neueren Untersuchungen auf einer Verwechselung mit D. Parda- lianches L. Pag. 299. Tragopogon crocifolius L. Wächst wild nicht in der Schweiz, wohl aber auf den Alpen von Piemont. Pag. 308. Crepis nicaeensis Balb. Ist im Bereiche des Taschen- buches wohl nirgends wirklich wild, sondern durch fremden Wie- sensamen eingeschleppt und hin und wieder verwildert. Pag. 328. Campanula Elatines L. Findet sich nicht auf der Insel Cherso, sondern nur im westlichen Alpenzuge von Piemont. Pag. 331. Arbutus Unedo L. Das Vorkommen in Krain ist zu streichen. Pag. 343. Cuscuta planifolia Tenore. Wächst nicht in Oester- reich, wohl aber C. planifolia Koch Syn. (nicht Tenor.) nach En- gel mann Cuscut. 17 nur Var. von C. Epithymum L. Pag. 348. Pulmonaria saccharata MM. Die echte Pflanze fin- det sich weder bei Stettin noch in der Rheingegend und die dafür gehaltene Pflanze ist P. officinalis L. foliis maculatis. Pag. 366. Veronica saxatilis Scopol. Carn. 7., nicht Jacq. Pag. 367. Veronica peregrina L. Stammt aus Amerika, ist demnach als eingeschleppte Pflanze nur als verwildert anzusehen. Pag. 388. Calamintha thymifolia Rchb. Findet sich nach Kchb. D. Fl. Icon. plant, p. 52 T. 1279 nur am südlichen Littorale der Adria, Istrien etc., aber nicht in Krain und Kärnthen und scheint auch nicht in der Schweiz vorzukommen, da Moritzi sie nicht in seiner Flora erwähnt. Pag. 389. Nepeta Nepetella L. Ist eine Pflanze des südwest- lichen Europas, die auf der Grenze der Schweiz und Italiens, am Fu88C des Matterhorns, aber nicht in Unterösterreich wild wächst. Pag. 401. Lytimachia punctata L. Muss für die Schweiz ge- strichen werden, nach Moritzi Fl. p. 251 findet sie sich dort nicht mehr. Pag. 417. Coritipcrrnum hyttopifolium h. Wuchst nicht in Oester- reich, denn die dafür gehaltene Pflanze ist nach Neureich C.ni- tidum Kitaib. 292 Literatur, Pag. 428- Daphne collina Sm. Ist eine Pflanze Unteritaliens, welche in neuerer Zeit im Isonzothale nicht mehr aufgefunden worden ist. Pag. 440. Quercus Hex L. Beruht für den Canton Tessin auf einer Verwechselung, indem Moritzi den Baum nicht erwähnt, aber p. 572 der Schw. Flora sagt, dass auf dem Monte Generosa in Tessin sich ein Baum von Quercus Cerris L. vorfinde. Pag. 477. Gladiolus communis L. Scheint wirklich wild nur im Süden vorzukommen und alle Fundorte diesseits der Alpen sich auf verwilderte Exemplare zu beziehen, da die Pflanze häufig in Gärten angepflanzt ist. Pag. 486. Ornithogalum arcuatum Stev. Die Erscheinung die- ser Pflanze in einem Baumgarten bei Steier ist nach Neil reich nur eine zufällige gewesen und ist später nicht mehr wiedergefun- gen worden. Pag. 494. Endymion mutans Du Mort. Der Fundort Körren- ziger Wald liegt nicht in Westphalen, sondern in der Rheinprovinz bei Aachen; bei Coesfeld wächst sie nach Prof. Kar seh nicht, soll aber später bei Bentlage am Ems-Ufer bei Rheine aufgefunden sein, ob wild? Pag. 518. Carex microstaehya Ehrh. Ist nach Garke für Stet- tin zweifelhaft. Pag. 529. Carex punctata Gaud. In Salzburg ist sie nicht mehr aufgefunden worden, Hausmann giebt sie aber dafür in Südtirol bei Meran an. Pag. 542. Arundo Donax L. Kommt im Bereiche des Taschen- buches nicht wild vor und an den südlichen Abhängen der Alpen findet sie sich nur durch Anbau verwildert. Die Pflanze gehört dem warmen Südwesten an. Pag. 543. Sesleria microeephala DC. Wächst nach Neilr. Nach- trägen p. 23 weder in Ober- noch Unterösterreich. Pag. 567. Triticum rigidum Sehr ad. Findet sich weder in Oesterreich, noch in Böhmen. Die Ausstattung des Werkes ist in jeder Beziehung zweck- entsprechend und lobenswerth; nur wäre nach unserer Ansicht im Interesse des Buches zu wünschen, dass bei der nächsten Auflage die begründeten Fortschritte der wissenschaftlichen und geogra- phischen Botanik so viel wie thunlich berücksichtigt würden. Dr. M. J. Löhr. Bibliographischer Anzeiger für Pharaiaceuten, 1865. No. 3. Bibliotheca historico-naturalis, physico-chemica et mathe- matica. Herausgeg. von Ernst A. Zuchold. 14. Jahrg. 1864. 2. Heft Juli — Decbr. gr. 8. (S. 85—211.) Göttingen, Van- denhoeck u. Ruprecht's Verl. J /3 «?• Arago, Frz., kosmische Meteore. Anh. zu der Schrift: „Die Sonne brennt". Mit 2 Abbild, in eingedr. Holzschn. gr. 8. (79 S.) Leipzig, 0. Wigand. n. J /3 «$• Artus, Prof. Dr. Wilib., Atlas aller in den neuesten Pharmako- poen Deutschlands aufgenommenen officinellen Gewächse. 13te bis 15. Lief. gr. 4. (15 color. Kupftaf. u. Text S.113 — 13G.) Leipzig, Baensch's Verl. ä ^2 *$• Bibliographischer Anzeiger. 293 Baenitz, C, Nord- und Mitteldeutschlands Gramineen (Gräser). 5. Lief. Fol. (13 Bl. mit aufgekl. Pflanzen.) Bromberg, Carow in Commiss. In Mappe n. 1 *$ 9 syr. (1— 5. n. 6 4>.) — Nord- u. Mitteldeutschlands Juncaceen u. Cyperaceen (Halbgrä- ser). 2. Lief. Fol. (30 Bl. mit aufgekl. Pflanzen.) Ebd. in Commiss. In Mappe n. 2 4- Bauer, A., über einige Reactionen des Monochloräthers. Lex.-8. (11 S.) Wien, Gerold's Sohn. n. 2 s$r. Beer, Aug., Einleitung in die Elektrostatik, die Lehre vom Magne- tismus u. die Elektrodynamik. Nach dem Tode des Verf. herausg. v. Prof. Jul. Plücker. gr. 8. (XIV u. 418 S.) Braunschweig, Vieweg u. Sohn. n. 2 4- Berg, Prof. Dr. Otto, die Chinarinden der pharmakognostischen Sammlungen zu Berlin. Mit 10 lith. Taf. Abbild, gr. 4. (IV u. 48 S.) Berlin, Gärtner, n. 2/ 3 4. Böhm, Jos., Wird das Saftsteigen in den Pflanzen durch Diffu- sion, Capillarität oder durch den Luftdruck bewirkt? Lex.-8. (39 S.) Wien, Gerold's Sohn. n. n. l/ 4 4. Boue, Dr. Ami, über den wahrscheinlichen Ursprung des mensch- lichen Geschlechts, nach den jetzigen naturhistor. Kenntnissen, so wie auch über die paläontologischen Menschen. Lex. -8. (47 S.) Wien, Gerold's Sohn. n. n. 6 sgr. Calnet-d'Huart, Prof. Dr. de, nouvelle theorie mathematique de la chaleur et de l'electricite. 2. Partie, gr. 8. (VII u. 148 S. mit 3 Steintaf.) Luxemburg, Bück, lwfösgr. (1.2. 2,$6sar.) Deutschlands Flora oder Abbild, u. Beschreib, der daselbst wild wachs. Pflanzen. 7. Aufl. 13—15. Lief, hoch 4. (15 col. Kupftaf.) Leipzig, Baensch' Verl. a n. ] /3 4- Emsmann," Prof. Dr. Aug. Hugo, physikalisches Handwörterbuch. Mit in den Text eingedr. Holzschn. 2. Lief. gr. 8. (S. 193 — 384.) Leipzig, 0. Wigand. ä 24 sqr. Flora von Deutschland. Herausg. von Dir. Prof. Dr. D. F. L. v. Schlechtendal, Prof. Dr. L. F. Langethal u. Dr. Ernst Schenk. XX. Bd. 5. u. 6. Lief. Mit 20 col. Kupftaf. 8. (40 S.) Jena, Mauke, ä n. V3 4- Fresenius, Geh. Hofr. Prof. Dr. R., Analyse der Trinkquelle, der Badequelle und der Helenenquelle zu Pyrmont, gr. 8. (63 S.) Arolsen, Speyer in Commiss. n. 6 syr. Frick hinger, Alb., Katechismus der Stöchiometrie. Für Phar- maceuten, stud. Mediciner, Chemiker u. Techniker. 4. verm. Aufl. gr. 8. (X u. 188 S.) Nördlingen, Beck. 1 4. Fritsch, Vice-Dir. Carl, Ergebnisse mehrjähriger Beobachtungen über die periodischen Erscheinungen in der Flora und Fauna Wiens. Imp. 4. Wien, Gerolds Sohn in Commiss. Vfo 4- Fuhlrott, Prof. Dr. E., der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältnis zum Alter des Menschengeschlechts, gr. 8. (78 S.) Duisburg, Folk u. Vollmer. I/o 4. Goullon, Geh. Med.-Rath Dr. H., Beschreibung der in der homöo- pathischen Pharmakopoe aufgenommenei] Pflanzen. 2 — 4. Lief, hoch 4. (15 col. Kpftf. u. Text S. 17—40.) Leipzig, Baensch' Verl. a 1/2 4- Griesbach, A., die geographische Verbreitung der Pflanzen West- indiens. gr. 4. (80 S.) Göttingen, Dietrich, d. 24 «gr. Grosse, Dr. Ernst, Taschenbuch der Flora von Nord- und Mittel- deutschland. 8. (VI u. 23G S.) Aschersleben, Corsted. n. 294 Bibliographischer Anzeiger. Grüner, Cand. Leop., Versuch einer Flora Allentackens und des im Süden angrenz. Theiles von Nord-Lievland. gr. 8. (162 S.) Dorpat 1864, Gläser, n. 1 «$ 6 s y r - Haidinger, Hofr. Dr. Wilh. Carl Ritter v., Handbuch der bestimm- ten Mineralogie. Mit 560 Holzschn. Neue (Titel-) Ausg. gr. 8. (LH u. 630 S.) Wien 1848, Braumüller, n. 3«/3 4- Hertzer, Oberlehrer Wilh., über die Temperatur der Flüsse. 4. (22 S.) Wernigerode. Nordhausen, Förstemann's Verl. n. 1/3 •$- Heubel, Emil, pharmakologische Untersuchungen über das Ver- halten verschiedener Körper-Organe zur Jodkalium-Resorption, gr. 8. (71 S.) Dorpat, Gläser, baar n. 12 s^r. Hlasiwetz, Prof. H., über das Catechu u. das Catechin. Lex.-8. (4 S.) Wien 1864, Gerold's Sohn. V/ 2 syr. — über die Einwirkung des Oxaläthers auf den Harnstoff. Zur Synthese der Parabansäure. Lex.-8. (3 S.) Ebd. 1864. 1 V2 Ä g r - — u. L. Barth, über einige Harze. Zersetzungsproducte durch schmelzendes Kali. Lex.-8. (22 S.) Ebd. n. 4 sgr. Hoppe-Seyler, Prof. Dr. Fei., Handbuch der physiologisch- und pathologisch-chemischen Analyse für Aerzte u. Studirende. 2te verm. u. gänzl. umgearb. Aufl. Mit 14 eingedr. Holzschn. u. 1 lith. Taf. in Farbendr. gr. 8. (VIII u. 404 S.) Berlin, A. Hirschwald. n. 2 2 /3 $. Kanitz, Aug., Geschichte der Botanik in Ungarn. (Skizzen.) 16. (III u. 199 S.) Hannover 1863. (Wien, Czermach.) n. 31/3 *$• Karsten, H., gesammelte Beiträge zur Anatomie u. Physiologie der Pflanzen. 1. Bd. 1843-1863. gr. 4. (VIII u. 459 S. mit 25 Steintaf.) Berlin, Dümmler's Verl. n. 4 *$. Ketteier, Dr. Ed., Beobachtungen über die Farbenzerstreuung der Gase. Abhängigkeit der Fortpflanzung des Lichtes von Schwingungsdauer und Dichtigkeit. Mit 1 lith. Taf. gr. 8. (III u. 90 S.) Bonn, Henry, n. 16 sf. K ob eil, Frz. v., Tafeln zur Bestimmung der Mineralien mittelst einfacher chemischer Versuche auf trocknem u. nassem Wege. 8. verm. Aufl. gr. 8. (XX u. 108 S.) München 1864, Lin- dauer. 18 s$r. Koch, weil. Geh. Hofr. Prof. Dr. Wilh. Dan. Jos., Handbuch der deutschen u. schweizer Flora. 6. Aufl. 8. LXXX u. 583 S.) Leipzig, Gebhardt u. Reisland. 1^2 $- Kot seh y, Dr. Theod., de plantis nilotico-aethiopicis Knoblecheria- nis. (Additae sunt 3 tab.) Lex.-8. (15 S.) Wien 1864, Ge- rold's Sohn. n. n. 18 syr. Kützing, Prof. Dr. Frdr. Traug., Tabulae phycologicae oder Ab- bildungen der Tange. 15. Bd. 1 — 5. Lief. od. 141 — 145. Lief, des ganzen Werkes, gr. 8. (50 Steintaf. u. 24 S. Text.) Nord- hausen, Förstemann's Verlag. In Mappe ä Lief, baar n. 1 4'i col. k 11. 2 4 Lieb ig, Just, v., chemische Briefe. 5. wohlf. Aufl. 1. u. 2. Lief, gr. 8. (288 S.) Leipzig, C. F. Winter, ä n. 12 s?r. Induction und Deduction. Rede. gr. 4. (19 S.) München, Franz. 1/4 4- Lorentz, Dr. P. G., bryologisches Notizbuch. Zum praktischen Gebrauch zusammengest. 8. (IV u. 90 S.) Stuttgart, Schwei- zerbart. 3 / 4 4- Verzeichniss der europäischen Laubmoose. Zum prakt. Gebr. zusammengest. 8. (29 S.) Ebd. 6 syr. Bibliographischer Anzeiger. 295 Lobschmidt, J., Kryetallbestimmungen einiger Oxalsäure-Verbin- dungen. Mit 1 lith. Taf. Lex.-8. (9 S.) Wien, Gerolds Sohn. Malv Privatdoc. Dr. Rieh. L., neue Synthese der Ameisensäure. Lex.-8. (3 S.) Wien, Gerold's Sohn. D/ 2 «F- , ™_ ' Marquart, Dr. Clamor, Lehrbuch der prakt. u. theoret. Pharma- cie 2 Aufl. Beavb. v. Prof. Dr. Herrn. Ludwig u. Ernst Hal- lier. 7. u. 8. Heft.' gr. 8. (2. Bd. S. 433-676 u. 3. Bd. S. 1—64. Mainz, Kunze.) ä 2 / 3 4- m Mineralwasser-Anstalten, die Struve'schen. 3. verand. Autl. er. 8. (30 S.) Leipzig, Vogel, n. n. 2»/- 2 «ST- /c _ a . . Moleschott, Jac, Natur und Heilkunde. Vortrag. 8. (52 S.) Giessen Roth 1/3 «$• Redte nba eher, Jos., über die .Trennung von Rubidium und Cä- sium in Form der Alaune. Lex.-8. (5 S.) Wien, Gerolds Sohn. IV2 s y r - „ — . n t«j r> • Reichenbach fil., Prof. Dr. Heinr. Gust., Xenia Orchidacea. Bei- trag zur Kenntniss der Orchideen. 2. Bd. 4. Heft. gr. 4. (S 73 — 96 mit 5 schw. u. 5 col. Kpftaf.) Leipzig, Brockhaus. n/22/3^. (I-II.4.n.37V3^;) ,."....•, , u v Reinson, Ed., Untersuchungen über die Ausscheidung des Kali u. Natrons durch den Harn. gr. 8. (29 S.) Dorpatl864, Gla- ser, baar n. 6 sgr. _ Rolle, Dr.Frdr., der Mensch, seine Abstammung u. Gesittung im Lichte der Darwinschen Lehre von der Art -Entstehung und auf Grundlage der neueren geologischen Entdeckungen dar- gestellt. Mit Holzschn. 1. Heft. gr. 8. (80 S.) Frankfurt a. M., Hermanns Verl. n. 1/3 «#• „ , , ,. ,, ., A Schiel J, die Methode der induetiven Forschung als die Methode der Naturforschung in gedrängter Darstellung, hauptsächlich nach John Stuart Mill. gr. 8. (VIII u. 184 S.) Braunschweig, Vieweg u. Sohn. n. 24 8f. Schmidlin, Ed., populäre Botanik. 2. Aufl. 2. u 3. Lief, gr. 8. (S 49-144 mit 7 col. Steintaf.) Stuttgart, G. Wiese, a V 4 4«. Schmidt, Dr. Alex., hämatologische Studien, gr. 8. (III U.128S.) Dorpat, Gläser, n. 16 nyr. Schnittspahn, Hof-Gartendir. Lehr. G. F., Flora der Gefäßpflan- zen des Grosshrzgth. Hessen u. der angrenz. Lander. 4. Auii. 12 (CX u. 444 S.) Darmstadt, Diehl. n. 1 4. Schnizlein, Prof. Dr. Adalb., Iconographia familiarum naturalium rezni veeetabilis. Abbild, aller natürlichen Familien des Ge- wächsreiches. 18. Heft. gr. 4. (48 S. mit 22 theilweis color. Steintaf.) Bonn, Cohen u. Sohn, a n. 2 4 \. Schönlein, weil. Geh.-Rath Dr. J. L., Abbi dungen von fossilen Pflanzen aus dem Keuper Frankens. Mit erlaut. Text nach seinem Tode herausg. v. Prof. Dr. Aug. Schenk Mit 13 lith. Taf. Abbild. Fol. (21 S.) Wiesbaden, Keidel. In engl. Einb. Bchrinf? Doc. Dr. Albr., Beitrag zu den Berechnungsmethoden der Ärilling«kry.talle. Mit 1 lith. Taf. Lex.-8. (8 S.) Wien, Binger, Lyc-Prof. Dr. .1-, EJora RatwbonenB«. Verzeichnis« der U11 , Regensburg wildwach«. Phanerogamen. Ib. (»1 D.) «e- rensburg, l'ustcl in (.'oinmiss. Vr> 4>- . , _, .. . Bpiller. Prof. IM.., populäre Phytikflr : Handwerker, Gew erbtrei- bende, Fabrikanten etc. 6. u. 7 v Lief, gr. 8. (S. 321— 448.) Berlin, Oehmigke'i Verl. a n. % 4- 296 Bibliographischer Anzeiger. Stefan, J., Theorie der doppelten Brechung. Lex.- 8. (19 S.) Wien 1864, Gerold's Sohn. 3 sgr. Stehr, L., der Magnetismus als Urkraft in seinen verschiedenen Wirkungen geschild. gr. 8. (VII u. 160 S.) Berlin, Th. Grie- ben, n. 2/3 4- Stieren, Dr. Ed., chemische Fabrik. Ein auf 33jährige durchaus eigene Erfahrung gestütztes prakt. Handbuch zur fabrikmässi- gen Darstellung chemischer Präparate. Mit 97 eingedr. Holz- schnitten, gr. 8. (VI. u. 621 S.) München, Grubert. n. 4 4. Tschermach, Dr. Gust., chemisch-mineralogische Studien. I. u. IL Mit 2 lith.Taf. Lex.-8. (55 S.) Wien, Gerold's Sohn. n. 14 «gr. Vivenot jun., Doc. Dr. R. v., über die Messung der Luft-Feuch- tigkeit, zur richtigen Würdigung der Klimate. gr. 8. (25 S.) Wien 1864, Seidel u. Sohn. n. 6 syr. Vogl, Privatdoc. Dr. Aug., phytosiologische Studien. II. Die Blät- ter der Saracenia purpurea L. Mit 2 lith. Taf. Lex.-8. (21 S.) Wien, Gerold's Sohn. n. 12 sgr. (1. 2. n. 16 s$r.) Waagen, Dr. W., Versuch einer allgem. Classification der Schich- ten des obern Jura. gr. 8. (31 S.) München, Manz. n. 6 syr. W alpers, Dr. Wilh. Ger., Annales botanices systematicae. Tom. VI. Synopsis plantarum phanerog. novarum omnium per 1851 — 1855 descript. Auetore Dr. Car. Müller. Fase. VII. gr. 8. (S. 961-1120.) Lipsiae, Abel. n. 1 4 6 sar. (I — VI. 7. n. 43 4 22 «gr.) ' Wretschko, Gymn. -Lehrer Dr. M., Beitrag zur Entwicklungs- geschichte getheilter und gefiederter Blattformen. Mit 2 lith. Taf. Lex.-8. (24 S.) W T ien, Gerold's Sohn. n. 8 sgr. Wüllner, Dir. Dr. Ad., Lehrbuch der Experimental- Physik, mit theilw. Benutzung von J am in 's Cours de physique de l'ecole polytechnique. 2. Bd. 2. Abth. 1. Lief. Lex.-8. (S. 489 — 888 mit eingedr. Holzschn.) Leipzig, Teubner. n. 2 4- (I — IL 1. 2. n. 9V.3 4.) Mr. Hofbuchdruckerei der Gebr. Jänecke zu Hannover. DER PHARMACIE. Eine Zeitschrift des allgemeinen deutschen Apotheker- Vereins. SthttiriliiEg JSnrtotatjlmtiL Herausgegeben von JL. Bley und HL Ludwig. XV. Jahrgang, HANNOVER. Im Verlage der Hahn'schen Hofbuehhandlung. 1865. DER PHARMACIE. Zweite Eeihe. CXXIV. Band. Der ganzen Folge CLXXIV. Band. Unter Mitwirkung der Herren Böhnke - Reich, Erlenmeyer, Gerlach, Hallier, Hosäus, Husemann, Krcmayer, Landerer, Löhr, Meurer, Monheim, Reichardt, Wittstein heraus gegeben von Ii. Bley und H. Ludwig« JE, Iflitsclicrlicli'sclies Vereins jähr. *C" BANNOVER. Im Verlage der Hahn'schen Ilofbuchliandlung. 186 5. Inhaltsanzeige. Erstes und zweites Heft. I. Physik, Chemie und praktische Pharmacie. Seite Ueber eine interessante Bildung von salpetersaurem Aetbyl- oxyd: von G. C. Wittstein 1 Ueber den Gebalt der Pflanzen an Ammoniak und Salpeter- säure während der Vegetationsperiode: von Dr. A. Ho- saus, erstem Assistenten am agriculturcbemischen Labo- ratorium zu Jena 13 Ueber das Menyanthin; von Dr. August Kromayer, Apo- theker in Geisa 37 Düngungsversuche mit Kartoffeln: von Dr. Heinrich Böhnke- R e i ch in Regenwalde 48 Zur Darstellung von Silberspiegeln; von Professor Dr. E. Rei- ch ar dt in Jena 53 Zur Darstellung des Magnesiums: von Demselben 56 Ein gegenseitiger Vergleich der allgemeinen Aräometer-Scalen. Zusammengestellt von Dr. G. Th. Ger lach in Kalk bei Deutz. (Mit einer graphischen Darstellung.) 58 II. Naturgeschichte und Pharmakognosie. Ueber die medicinische Bedeutung der Pilze mit besonderer Rücksichtnahme auf ihre toxischen und diätetischen Eigen- schaften: von Dr. Th. Ilusemann, Privatdocent in Göt- tingen 81 Naturwissenschaftliche Section der schleeischen Gesellschaft für vaterländische Cultur 08 III. Monatsbericht. ie ( »<;1 aus den Fruchten von Abies Regi- Amaliae 8. 106. — Ueber den Terpinäther 106. — Kampfer, ein sehr empfindliches Reagens auf Albumin 107. — Einwirkung der Salpetersäure auf Kampfex 108. — Menthol 109.— Untersuchung des ätherischen Muskatnuss- öls 111. - Helenin Hl'. Turpethin lia — Schwefel- Vi Inhaltsanzeige. Seite gehalt des Beinsteins 114. — Collodium ohne Aether 114. Lenk's verbesserte Schiessbaumwolle 115. — Löslichkeit des Stärkemehls und sein Verhalten zum polarisirten Lichte 118. — Bestimmung des Stärkemehls in den Pflanzen 118. — Prüfung der Tapioca 118. — Erkennung von Getreide- mehl oder Stärkemehl in der Chocolade oder Cacaomasse 120. — Einwirkung des Lichts auf den durch Schwefel- säure veränderten Rohrzucker 120. — Einfluss optisch un- wirksamer Substanzen auf das Drehungsvermögen des Zuckers 121. — Wirkung des Jods, Broms und Chlors auf Zucker 122. — Darstellung des Stärkezuckers in krystalli- sirtem Zustande 122. — Ueberführung der Stärke in Zucker durch die Schalen roher Kartoffeln 123. — Umwandlung der Schlangenbaut in Zucker 124. — Trehala oder Tri- kala 126. — Ueber die Verwendung des Glycerins zu viel- fachen Zwecken 127. — Verfälschung des Glycerins mit Zuckersyrup 128. — Glycerinpflaster 128. — Schädlichkeit einer Inhalation von Nitroglycerin 128. — Doppelsalz von glykolsaurem Kalk mit Chlorcalcium 129. — Neue Bil- dungsweise der Malonsäure und Bernsteinsäure 130. — Specielles Reagens für Brechweinstein 131. — Tartramid und Tartraminsäure 131. — Zur Werthbestimmung gerb- säurehaltiger Materialien 132. — Zur volumetrischen Be- stimmung von Gerbsäure, Gallussäure, Eisen u. s. w. 133. — Einfache Methode, Chrysophansäure darzustellen 135. — Digitalin 136. — Giftige Substanz der Coriaria myrtifolia 137. — Eigentümlicher Stoff im weissen Gänsefuss (Che- nopodium album) 137. — Chenopodin 138. — Zur quanti- tativen Bestimmung der Alkaloide 139. — Chinacultur in Indien 139. — Verfälschung der China rubra 140. — Chi- novasäure 140. — Bestimmung des Gehalts an Alkaloiden in den verschiedenen Chinarinden 141. — Prüfung des Chinins auf Chinidin, Cinchonin und Cinchonidin 142. — Prüfung des käuflichen schwefelsauren Chinins auf Chini- din und Cinchonin 143. — Unterscheidung von Chinin- und Cinchoninsalzen 143. — Prüfung des Chinins auf Chi- nidin und Cinchonidin 144. — Chinolin- und Leukoiin- reihe 145. — Englische schwarze Tropfen (black drops) 146. Reaction auf Morphin und Narkotin 147. — Jodsäurereac- tion auf Morphin 149. — Einwirkung von Schwefelsäure auf A tropin 150. — Solaningehalt junger Kartoffeln 150. — Darstellung von Aconitin 150. — Oleandrin und Pseu- docuravin 151. — Ricinin, ein Alkaloid aus dem Ricinus- samen 152. — Wrightin 153. — Ueber Pflanzenernährung Inhaltsanzeige. VII Seite 154. — Zur Ernährung der Pflanzen 155. — Zersetzung des Kohlensäuregases durch verschieden gefärbte Blätter 157. — Verfälschung des Safrans 158. IV. Literatur und Kritik 159 » itn »- Drittes Heft. I. Physik, Chemie und praktische Pharmacie. Ueber einige Eigenthümlichkeiten in dem Verhalten des Amy- lens; von Professor Dr. Erlenmeyer in Heidelberg 169 Künstliches Aachener Badesalz 187 II. Naturgeschichte und Pharmakognosie. Ueber die medicinische Bedeutung der Pilze mit besonderer Rücksichtnahme auf ihre toxischen und diätetischen Eigen- schaften; von Dr. Th. Husemann, Privatdocent in Göt- tingen (Fortsetzung und Schluss) 197 Ueber Heilung der Bisswunden von giftigen Thieren; von Dr. X. Landerer 217 III. Monatsbericht. Vegetationsversuche unter Abschluss des Lichts S. 219. — Falsche Jalape 221. — Falsche Röhrenkassie 224. — Du- longia acuminata, ein kräftiges Heilmittel gegen die Blat- tern 225. — Untersuchung über die Bestandteile der Va- nille 225. — Tabaksblätter 225. — Untersuchung des Tabakssamens 226. — Eiweissverbrauch in den Zeugdrucke- reien 226. — Zusammensetzung eines fossilen Eies 227. — Donnd'sche Milchprobe 227. — Flüssiger Leim 228.— Ab- sorption löslicher Substanzen durch die Haut 228. — Tem- peratur-Maximum der kranken Haut 229. — Geringe Be- deutung der chemischen Harnanalyse als diagnostisches und prognostisches Kennzeichen des typhoiden Fiebers 230. — Zur Kenntniss des menschlichen Harns 231. — Hippur- säure im Menschenharn 232. — Abscheidung des Cantha- ridins 233. — Chemische Untersuchung der rothen Koral- len 233. — Farbstoff der Euglcna sanguinea 234. — Blut- stillende Mischung 235. — Blutinfusorien bei Milzkrank- heit der Schafe 286. — Erkennung von Blutflecken 236. viii Inhaltsanzeige» Seite — Septische Blutvergiftung 237. — Anwendung des Mikro- skops in der Toxikologie 239. — Färbung der Butter durch chromsaures Bleioxyd 240. — Gallerte von Leber- thran 241. — Copaivabalsam und Storax als Specifica gegen Croup und Diphtheritis 241. — Anwendung des Sassafras- öles 242. — Mittel gegen Keuchhusten 243. — Antiasthma- tisches Papier 243. — Injectio et Syrupus Matico 244. — Rother eisenhaltiger Cbinasyrup 245. — Ueber zwei Ge- heimmittel: den China -Eisensyrup und eine von Schwä- bisch -Gmünd aus verschickte Gichttinctur 246. — Boone- camp of Maagbitter 246. — James' Stomachin 247. — Der Theer als Heilmittel 247. — Neues Argument gegen das Selbstdispensiren der homöopathischen Aerzte 248. — Aus dem Protokolle der pharmaceutischen Gesellschaft zu Pa- ris 249. — Tincturen 250. — Maiweinessenz 251. — Zur Filtration des Himbeersaftes 251. — Putzpulver für Gold- arbeiter 251. — Darstellung phosphorfreier Zündhölzer 252. Bibliographischer Anzeiger 253 Register über Bd. 121, 122, 123 und 124 der zwei- ten Reihe des Archivs 257 im » ARCHIV DER_PHARM1CK. CLXXIV. Bandes erstes und zweites Heft. I. Physik. Chemie und praktische Pharmacie. Ueber eine interessante Bildung von salpetersaurem Aethyloxyd; von G. C. Wittstein. (jregen Ende des Jahres 1863 erhielt ich von Herrn J. C. Sticht, Chemiker in einem Etablissement zu New- York, ein Schreiben folgenden Inhalts: „Die zufällige Entdeckung eines mir unbekannten Körpers veranlasst mich, Sie um gütigen Aufschluss über denselben zu bitten. Seit einiger Zeit wird hier in New- York, wie auch in andern Städten Amerikas, salpeter- saures Ammoniak in grossen Massen von den Zahnärzten gebraucht, welche daraus Lustgas zur Narkose bereiten. Jn unserer Fabrik werden jetzt circa 100 Pfd. täglich, theils geschmolzenes, theils krystallisirtes salpetersaures Ammoniak bereitet. Ich stellte es lange Zeit dar durch Sättigen von Salpetersäure mit kohlensaurem Ammoniak; da dies aber sehr theuer wurde, so suchte ich eine bil- lige Bereitungsmethode ausfindig zu machen. Sättigen der Salpetersäure mit wässerigem Ammoniak gab kein günstiges Resultat, da die Lauge bloss 15° B. stark wurde, das Eindampfen bis zum Krystallisationspuncte, 30 — 32° B., zu viel Zeit und Dampf kostete, und keine passenden befasse zum Eindampfen so grosser Massen dieser em- pfindlichen Lauge sich finden Hessen. Ich kam nun auf Arch.d. Pharm. CLXXI V. Bds. 1. u.2. Hft. 1 2 Wütete™ , die Idee, Ammoniakgas in die Salpetersäure zu leiten. Zu diesem Behufe gab ich 125 Pfd. nur Spuren Salzsäure enthaltende Salpetersäure von 41° B. in eine irdene Woulfe'sche Flasche, in einen eisernen Kessel flüssiges Ammoniak von 20° B. und erwärmte den Kessel sehr lang- sam durch Dampf. Das übergehende Ammoniak wurde von der Salpetersäure begierig verschluckt und die Tem- peratur in der Woulfe 'sehen Flasche stieg auf 240° F. (115,5° C). Um die anfangs entweichende Salpetersäure aufzufangen, leitete ich das Ausgangsrohr der Woul fe- schen Flasche in ein Gefäss mit Wasser. Dabei destillirte nun in letzteres Gefäss ein Ölartiger Körper über, der sogleich im Wasser untersank. Die Bildung desselben fand am reichlichsten statt in der Mitte der Operation und hörte kurz vor Sättigung der Salpetersäure ganz auf. In Zeit von 8 Stunden war die Säure gesättigt und die Lauge von 31° B. konnte sogleich nach abfiltrirtem Eisen- oxyde zum Krystallisiren hingestellt werden. Die Woulf e- sche Flasche habe ich nie abgekühlt. Ich habe seit die- ser Zeit viel salpetersaures Ammoniak auf vorstehende Weise bereitet, da es nach hiesigen Verhältnissen das billigste ist. Ich bekam von 125 Pfd. Salpetersäure jedes- mal circa 3 / 4 Pfd. des Oeles, beinahe immer schön roth gefärbt durch freies Jod, was sich durch Blaufärbung damit in Berührung gebrachter Stärke leicht zu erkennen giebt-, das Jod stammt von der aus Chilisalpeter bereite- ten Salpetersäure her." „Die von mir bis jetzt beobachteten Eigenschaften dieses ölartigen Körpers sind: Er ist nach Entfernung des Jods durch Kalilauge wasserhell, hat bei -J- 60° F. (15,5° C.) im rohen Zustande 1,117, rectificirt 1,120 spec. Gewicht, siedet constant bei 194° F. (90<> C); die Dämpfe gehen nur bei gut bedeckter Retorte leicht über; riecht und schmeckt sehr Chloroform ähnlich, erregt eingeathmet Schwindel, brennt mit blasser, grün gesäumter Flamme; ein Tropfen auf ein heisses Eisen fallen gelassen, giebt eine grosse gelbe Flamme; löst sich in Alkohol, wird Bildung von salpetersaurem Aeihyloxyd. 3 von Kalilauge nicht zersetzt. Mit concentrirter Schwefel- säure gelinde erwärmt, findet heftige Einwirkung statt, salpetrige Dämpfe entweichen; etwas länger erhitzt, färbt sich die Schwefelsäure ganz schwarz, und lässt beim Verdünnen mit Wasser reichlich schwarze Flocken fallen." „Da das vorstehende Verhalten noch keinen befrie- digenden Aufschluss über die Natur dieses Körpers gab und es doch sehr erwünscht und interessant wäre, dar- über ganz ins Klare zu kommen, mir aber zur weiteren Forschung die Zeit fehlt, so würden Sie mir eine grosse Freude machen, wenn Sie die Sache in die Hand neh- men und erledigen wollten. Das dazu erforderliche Roh- material steht Ihnen jederzeit zu Gebote." Als ich mich zur Vornahme einer genauen Unter- suchung des fraglichen Körpers bereit erklärte, schickte mir Herr Sticht im Juni 700 Grm. (23 V3 Unzen) davon; und später, im Juli, war einer der Chefs der Fabrik, worin Herr Sticht angestellt ist, welcher sich gerade damals in Deutschland befand und mich mit einem per- sönlichen Besuche beehrte, so gütig, mir noch eine gleiche Quantität des Körpers zum Geschenk zu machen, was ich hier, nochmals dankend, hervorhebe. Mit Untersuchungsmaterial war ich also überreich versehen, doch fand ich erst in den nächstfolgenden Herbst- ferien die zur Vornahme der Arbeit erforderliche Zeit. Das Resultat lege ich in den nachstehenden Zeilen nieder. Die Flüssigkeit besitzt eine schöne weinrothe Farbe, ist vollkommen klar, riecht dem Chloroform sehr ähnlich, hinterher deutlich nach Jod, schmeckt süsslich- ätherisch, wie Chloroform, reagirt sehr schwach sauer und besitzt bei 10,750 C. ein speeifisches Gewicht von 1,1072. lieim Schütteln mit Kalilauge, um das Jod und die freie Säure- zu binden, wurde die Flüssigkeit rasch ent- färbt, während die Lauge eine gelbe Farbe annahm *). *) Diese Gelbfärbung tritt übrigens bei jeder Lösung von Jod in überschüssiger Kalilauge ein. Man vergleiche Witts te in 's Werteljantstchr. XI. M 1* 4 Wittstein, Nachdem durch wiederholtes Waschen mit Wasser jede Spur Kali entfernt worden war, nahm die Flüssigkeit den- noch nach kurzer Zeit wieder eine, wenn auch nur schwach röthliche Farbe an, die zwar auf Zusatz von einigen Tropfen Kalilauge verschwand, aber, nachdem diese durch Waschen beseitigt war, nach einigem Stehen abermals, diesmal allerdings in noch minderem Grade wiederkehrte. Um nun diese anhängende Spur freien Jods endlich rasch und gründlich zu beseitigen, schüttelte ich die so weit mit Kali behandelte und gewaschene Flüssigkeit mit ein wenig metallischem Quecksilber, was auch bald den ge- wünschten Erfolg hatte, denn die von dem feinsuspen- dirten Gemenge metallischen Quecksilbers und oliven- grünen Quecksilberjodürs abfiltrirte Flüssigkeit behielt auch bei längerem Stehen ihre Farblosigkeit bei. Da eine Probe derselben beim Schütteln mit Wasser, welchem ein wenig Stärkekleister hinzugefügt war, diesem nicht den mindesten Stich ins Violette mehr ertheilte, so konnte ich jetzt von der vollständigen Abwesenheit freien Jods überzeugt sein. Es handelte sich hierauf um die Beseitigung des etwa noch anhängenden Wassers, zu welchem Zwecke die Flüs- sigkeit mit einer Anzahl Stücke geschmolzenen Chlorcal- ciums eine Woche lang unter öfterm Schütteln in Be- rührung gelassen wurde. Die Chlorcalciumstücke blieben dabei anscheinend ganz unverändert, von einem Zergehen oder Aufgelöstwerden derselben war also nichts wahr- zunehmen und die Flüssigkeit Hess sich bis auf den letzten Tropfen davon wieder abgiessen. Da aber doch mög- licher Weise etwas von dem Salze aufgelöst sein konnte, so war schon deshalb eine Rectification der Flüssigkeit erforderlich 5 als weitere Zwecke dieser Rectification mussten die Ermittelung des Siedepuncts und der Uni- formität der Flüssigkeit betrachtet werden. Die Rectification geschah bei einem Barometerstande von 721,5 M.M. in einer Retorte, deren Tubulus ein in Celsius'sche Grade getheiltes Thermometer enthielt. Die Bildung von salpetersaurem Aeihyloxyd. 5 Flüssigkeit kam zwischen 85° und 86° ins Kochen, hob sich aber bald auf 86°, 75, wo sie eine Zeit lang stehen blieb. Nachdem etwa */ 7 übergegangen war, fing das Quecksilber an, höher zu steigen ; nach 5 Minuten stand es auf 87<>,1; 20 Minuten später auf 88°; 8 Minuten spa- ter auf 90°. Jetzt betrug das Destillat 3 / 5 , die Tempera- tur des kochenden Retorteninhalts nahm aber noch fort- während zu, und als sie bei 105° angelangt war, waren 19 )20 überdestillirt. Man Hess nun erkalten. Zuletzt hatte der Retorteninhalt nicht mehr aufgewallt, sondern trieb nur noch wie ein schmelzendes Metall, war also offenbar überhitzt. Der Destillationsrückstand, also ^q des in Arbeit Genommenen, hatte eine hell weingelbe Farbe, erth eilte dem Lackmuspapier eine spurweise Röthung, roch etwas scharf, schmeckte aber ähnlich der ursprünglichen Flüs- sigkeit. In einer Schale einer gelinden Wärme ausgesetzt, hinterblieb ein goldgelber Syrup, der noch warm sehr scharf, fast zu Thränen reizend (wie Senföl, doch diesem rieht ähnlich) roch. Wasser damit geschüttelt, löste ihn nicht auf, nahm aber denselben scharfen Geruch, eine ganz schwach saure Reaction an, gab mit salpetersaurem Silber und Salpetersäure eine Spur Chlor und mit oxal- saurem Ammoniak eine Spur Kalk zu erkennen. — Ein genaueres Studium dieses Rückstandes, von welchem bis- her nur eine kleine Menge erhalten wurde, ist vorbehalten und dadurch ermöglicht, dass noch über 2 Pfd. der rohen Verbindung zur Verfügung stehen. Die vereinigten Destillate unterwarf man bei 721,5 Millirn. Barometerstand einer Rectification. Die Tempe- ratur stieg auf 91°, ohne dass die Flüssigkeit ins Kochen kam und ohne dass etwas überdcstillirte; sie trieb viel- mehr auf der Oberfläche wie schmelzendes Metall, woran wieder nur Ueberhitzung Schuld war, denn plötzlich ge- rieth sie in regelmässiges Wallen, das Quecksilber sank rasch auf 87,5°, bald darauf 87,2° herab, und blieb da während der ganzen Dauer der Destillation stehen, so G Wittstein, dass eine Fractionirung derselben gar nicht nothwendig war, sämmtliche Flüssigkeit sich mithin als Ein chemi- sches Individuum herausstellte. Eigenschaften der reinen Verbindung. Was- serhell, ziemlich dünnflüssig, im Geruch und Geschmack von der rohen Verbindung nicht verschieden, also chlo- roformähnlich, specif. Gewicht bei -f- 17° C. = 1,0948 (wiederholt mit gleichem Erfolge ermittelt), Siedepunct 87°,2 (bei 721,5 M.M. Druck). Liess sich schon bei ge- wöhnlicher Temperatur durch eine Flamme entzünden, und verbrannte mit sehr blass fleischrother, grünlich-gelb ge- säumter Flamme vollständig. Wasser löste nichts davon auf, aber Alkohol so wie Aether mischten sich damit in jedem Verhältniss. Eingetauchtes Curcumapapier erlitt keine Veränderung; blaues Lackmuspapier ebenfalls nicht und im Laufe der Zeit zeigte die Verbindung keine Nei- gung zum Sauerwerden. Auch Natrium blieb darin ganz unverändert; selbst beim Erhitzen damit zum Kochen behielt es sein metallisches Ansehen. Concentrirte Kali- lauge übte ebenfalls, weder in der Kälte noch in der Hitze, eine sichtbare Wirkung darauf aus. Alkoholische Kalilösung reagirte zwar nicht in der Kälte, wohl aber in der Hitze und zersetzte dann die Verbindung (siehe weiter unten). Concentrirte Schwefelsäure mischte sich nicht damit, sondern lagerte sich darunter ab, ohne eine sichtbare Einwirkung zu veranlassen; als man aber noch concentrirte Eisenvitriollösung hinzufügte, erwärmte sich das Ganze, nahm eine braune Farbe an und stiess braun- gelbe Dämpfe aus ; ein dicht darüber angebrachter, mit Mehlkleister bestrichener Streifen Papier färbte sich nicht violett, sondern blieb weiss, eine Jodverbindung schien mithin nicht im Spiele zu sein. Schwach angesäuerte Eisenvitriollösung allein war hingegen nicht im Stande, die Verbindung zu zerlegen. Zusammensetzung. Bis hierh er konnten über die Natur der Verbindung nur Vermuthungen Platz grei- Bildung von salpetersaurem Aethyloxyd. 7 fen; erst das Verfahren der Elementar- Analyse verbreitete Lieht darüber und brachte die Frage zur Entscheidung. I. 6 5425 Gran der Verbindung wurden mit Kupfer- oxyd und vorgelegter Schicht von Kupferdrehspänen ver- brannt, und lieferten 6,375 Gran Kohlensäure = 1,7386 Kohlenstoff, nebst 3,456 Gran Wasser = 0,3840 Wasser- stoff. II. 4,6250 Gran gaben 4,4468 Gran Kohlensäure = 1,2127 Kohlenstoff, und 2,381 Gran Wasser = 0,2645 Wasserstoff. III. Da die Oxydationsstufen des Stickstoffs durch Katronkalk sich nur unvollständig zerlegen lassen*), so musste im vorliegenden Falle der Stickstoff als Gas aus- geschieden werden. 3,336 Gran der Verbindung lieferten durch Verbren- nen mit Kupferoxyd, mit vorgelegten Kupferdrehspänen und einer hinten befindlichen Schicht von doppelt kohlen- saurem Natron (dessen Kohlensäure dazu bestimmt war, zuerst alle atmosphärische Luft und zuletzt den Rest des Stickstoffs aus dem Apparate zu treiben) 28,3 C.C. feuch- tes Stickstoffgas bei -f- 160 C. Temperatur und 730 M.M. Barometerstand, welche 25,2 C.C. trocknem Stickstoffgas bei 0« und 760 M.M. gleich sind, und diese 25,2 C.C. betragen 0,5065 Gran an Gewicht. Zur beiläufigen Controle dieses Resultates versuchte ich auch, aus dem, mittelst alkoholischer Kalilauge er- zeugten Salpeter den Stickstoffgehalt zu bestimmen, be- kam aber merklich weniger; doch will ich den Versuch mittheilen. 60 Gran Kalihydrat, welches keine weiteren Verunreinigungen (weder Sulfat noch Chlorid) als etwas kohlensaures Kali enthielt, wurden bei gewöhnlicher Tem- *) Um zu erfahren, wie weit sieh bei der Behandlung mit Na- tronkalk das Resultat von der Wahrheit entfernt, unterwarf Ich 7,0626 Gran der Verbindung einer solchen und erhielt 1,600 Gran Salmiak, worin 0,393 Gran Stickstoff = 6\ö64Proo M alM DIU etwaj über ein Drittel der Torhaudenen Menge Stick- stoff. 8 Wittstein, peratur in 500 Gran absoluten Alkohols aufgelöst, das ungelöst gebliebene kohlensaure Kali durch Decantiren da- von getrennt, die nur ganz schwach gelblich gefärbte Lösung zu 52,625 Gran der Verbindung, welche sich be- reits in einem Stöpselglase befanden, gegossen, das Glas sofort fest verschlossen und einen ganzen Tag hindurch einer Temperatur von 30 — 40° C. ausgesetzt. Das wieder vollständig erkaltete Gemisch, welches jetzt eine schwarz- braune Farbe besass, wurde auf ein Filter gebracht, der Inhalt desselben so lange mit absolutem Alkohol gewaschen, bis dieser ganz farblos und neutral ablief, und bei 100° getrocknet. Der Filterinhalt wog 41,250 Gran und stellte ein graubraunes Pulver dar, das sich in Wasser, unter Zurücklassung von 1,25 Gran einer leichten pulverigen chocoladebraunen geschmacklosen Substanz, ohne Farbe auflöste; das Lösliche betrug also 40,00 Gran. Die So- lution reagirte sehr schwach alkalisch, von ein wenig kohlensaurem Kali herrührend, und bestand im Uebrigen aus salpetersaurem Kali. Alle 40 Gran als letzteres Salz betrachtet, enthalten 5,5336 Gran Stickstoff, welche also aus 52,625 Gran der Verbindung in der Form von sal- petersaurem Kali erhalten worden waren, und würden sich hiernach auf 100 Gewth. der Verbindung 10,515 Gewth. Stickstoff berechnen, nur etwas über 2 / 3 der im vorigen Versuche gefundenen Menge. — Die von dem graubrau- nen Pulver getrennte, tief braune alkoholische Kalilösung wurde durch Erwärmen und späteren Zusatz von Wasser von dem Alkohol befreit, mit Salpetersäure übersättigt, von der dabei entstandenen Ausscheidung abfiltrirt und hierauf mit salpetersaurem Silberoxyd versetzt; es trat dadurch keine Trübung ein, die Verbindung konnte da- her als von Chlor oder Jod gänzlich frei angesehen werden. Die in den Versuchen L, II. und III. erhaltenen Zahlen geben folgende Uebersicht: i. ii. in. In 100 In 100 In 100 Kohlenstoff 1,7386 26,573 1.2127 26,220 Wasserstoff 0,3840 5,869 0,2645 5,718 Stickstoff. 0,5065 15,182. Bildung von Salpeter saurem Aethyloxyd. 9 C, H und N stehen hier in dem Aequivalenten- Ver- hältnisse von 4:5:1; da der Verlust an 100 nur in Sauer- stoff bestehen kann und dieser sich auf 6 Aequivalente berechnet; so ergiebt sich daraus auf die ungezwun- genste Weise die Zusammensetzung des salpetersauren Aethyloxyds = C^HSO + NO*: Gefunden Aequivalente Berechnet Kohlenstoff 26,396 4 26,373 Wasserstoff 5,793 5 5,495 Stickstoff 25,182 1 15,385 Sauerstoff. 52,629 6 52,747 100,00(T" 100,000. In den über die Eigenschaften des salpetersauren Aethyloxyds vorliegenden Angaben finden sich allerdings einige Differenzen mit meiner Verbindung; zwar sind dieselben, wie mir scheint, ganz untergeordneter Natur, doch will ich nicht unterlassen, sie hier zur Sprache zu bringen. Millon*), der Entdecker des salpetersauren Aethyl- oxyds, bezeichnet die Farbe der brennenden Verbindung als weiss. Das specifische Gewicht ist nach ihm bei 170 C. == 1,112, nach H. Kopp**) bei 0<> = 1,1322, bei 15°,5 = 1,1123. Der Siedepunct liegt nach Millon bei 85° (der Luftdruck nicht angegeben), nach Kopp bei 860,3 unter 728,4 M.M. Luftdruck. Gegenüber diesen Angaben kann ich doch nicht um- hin, die Tüchtigkeit der mit meiner Verbindung be- kommenen Resultate aufrecht zu halten ; und jedenfalls wird dadurch der Schluss, dass dieselbe salpetersaures Aethyl- oxyd ist, nicht erschüttert. Was das indifferente Verhalten des Natriums gegen die Verbindung betrifft, so hat schon Lea***) beobach- tet, dass dieses Metall in salpetersaurem Aethyloxyd Stun- lan# seinen Glanz behält. Annal. de Chiin. et de I'l.ys. 1848. VIII. 283. **) Annal. der Chem. und Pharm. 1866. XCYIII. 867. ***) Sillim. Americ. Jou.n. 1862. XXXIII. 86. 10 Wittstein, Nun entsteht aber noch die Frage: Wie hat sich diese Aetherverbindung beim Einleiten von Ammoniak- gas in starke Salpetersäure erzeugen können, da doch beide Ingredienzien keinen Kohlenstoff enthalten? Hier kann nur eine Verunreinigung des Einen oder Andern die Veranlassung gegeben haben, und am wahrschein- lichsten fällt der Verdacht auf das Ammoniak, welches, aus Gaswasser gewonnen, Alkohol oder Aetherdampf aus diesem aufgenommen haben müsste. Wäre diese Ver- muthung richtig, so sähen wir hier auf einmal ein neues Product der trocknen Destillation der Steinkohlen vor uns, nämlich den Aeth ylalkohol oder Aether — wenigstens ist mir nicht bekannt, dass der eine oder andere dieser Kör- per schon unter den Producten der trocknen Destillation organischer Materien beobachtet worden. Entscheiden Hesse sich die Sache sofort, wenn Gaswasser mit Schwe- felsäure gesättigt (unter der Vorsicht, dass die Säure nicht vorwalte, um den etwa vorhandenen Alkohol nicht in Aether zu verwandeln), dann destillirt und das Ueber- gegangene von Zeit zu Zeit weggenommen und geprüft würde. Man müsste aber gleich 100 — 200 Pfd. Gas- wasser in Arbeit nehmen, denn sonst mochte der Ver- such wohl immer negativ ausfallen, weil der etwaige Ge- halt des Gaswassers von Alkohol oder Aether gewiss nur ein äusserst geringer ist. Die oben aufgeworfene Frage hat unterdessen bereits ihre Beantwortung gefunden, wenn auch nicht in der eben angedeuteten, sondern auf einfachere Weise. Nach- dem ich nämlich Herrn Sticht das Resultat meiner Untersuchung mitgetheilt hatte, erhielt ich folgende Ant- wort : „Wäre mir das Resultat Ihrer Analyse des Ihnen zugesandten Körpers früher bekannt gewesen, so würde ich mich darüber sehr gewundert haben; seit 2 Monaten aber hat sich das Geheimniss der Kohlenstoffquelle im Ammoniakliquor aufgeklärt. Der Fabrikant nämlich, welcher schon seit einer Reihe von Jahren die Ammo- Bildung von Salpeter saurem Aethyloxyd. 11 niakflüssigkeit für unsere Fabrik lieferte, leitete das Gas zuerst durch ein mit Alkohol gefülltes Fass, um die thee- rigen Bestandteile zurückzuhalten; die Ammoniakflüssig- keit wurde auf diese Weise allerdings wasserhell und verlor den Theergeruch, behielt aber etwas Alkohol zu- rück, was ich jedoch niemals bei irgend einer Anwendung desselben bemerkte. Vor einigen Monaten bekamen wir von demselben Fabrikanten gelbes, nach Theer stark riechendes Ammoniak, und auf die deshalb erhobene Klage erwiederte derselbe, er hätte früher das Ammoniak durch Alkohol gereinigt, das käme aber nun zu theuer (Alkohol kostet jetzt per Gallone 3 3 / 4 Doli, gegen */ 2 Doli, früher), da ziemlich viel dabei verloren ginge. Auf das hin bekam ich Ordre, das Ammoniak selbst zu machen, und von der Zeit an ist bei der Bereitung des salpeter- sauren Ammoniaks (durch Einleiten von Ammoniakgas in Salpetersäure) der fragliche Körper nicht wieder auf- getreten." „Das Geständniss jenes Fabrikanten brachte mich auf die Vermuthung, dass der fragliche Körper Salpeter- säure -Aether sei, indem bei seiner Bildung das Ammo- niak vielleicht die Rolle des Harnstoffs gespielt haben möchte. Als nun Ihr Brief diese Vermuthung (dass der Körper Salpetersäure- Aether sei) bestätigte, machte ich mehrere Versuche, um die Verbindung direct darzustel- len, da sie, wenn die Bereitung im Grossen mit Vortheil geschehen könnte, den vielgebrauchten und so leicht zer- setzbaren Salpetrigsäure-Aether gewiss verdrängen würde. Zuerst Hess ich ein Gemisch von 3 Theilen stärksten Ammoniakliquors und 1 Theil Alkohol von 95 Proc. in eine mit Salpetersäure von 1,42 halbgefüllte Retorte trö- pfeln; es bildeten sich hier salpetersaures Ammoniak, sulp uref Anthyloxjd und braune Dämpfe, aber keine Spur der gewünschten Verbindung. Hierauf verband ich einen Glaskolben mittelst eines zweimal gebogenen Roh- iner tubulirten Retorte, in welcher sich 2 Pfd. Salpetersäure von 1,42 befanden; «las Rohr tauchte nur 12 Wiltstein, Bildung von salpetersaurem Aethyloxyd. ganz wenig in die Säure; den Retortenhals verband ich mit einer Flasche, in welcher ich Wasser vorschlug. Im Glaskolben befand sich ein Gemisch von 4 Th. Ammo- niakflüssigkeit von 280 B. (0,886 spec. Gew.) und 1 Th. Alkohol von 95 Proc. ; ich erwärmte dasselbe gelinde im Wasserbade, worauf alsbald eine lebhafte Reaction statt- fand. Zuerst färbte sich die Salpetersäure dunkelbraun, dann wurde sie sehr heiss, entfärbte sich wieder und es zeigten sich kleine Jodkrystalle im Retortenhalse ; hierauf bildeten sich dicke weisse Nebel und bald darauf trat zu meiner grossen Freude Salpetersäure- Aeth er (salpetersaures Aethyloxyd) auf, welcher das Jod löste und in schweren Öligen Tropfen in die Vorlage überdestillirte. Das mit übergehende salpetersaure Am- moniak löste sich im Wasser und der Aether sammelte sich unten an. Gegen Ende der Operation löste sich derselbe in dem Wasser auf, offenbar weil dieses allmälig reicher an unzersetztem Alkohol wurde. Aus diesem Wasser konnte durch Destillation der Aether wieder für sich gewonnen werden, indem er zuerst überging. Aus den in Arbeit genommenen 2 Pfd. Salpetersäure erhielt ich l ] / 2 Unzen des Aethers." „Ich versuchte dann ein Gemisch gleicher Theile Ammoniakliquor und Alkohol in die Salpetersäure zu de- stilliren ; dabei traten braune Dämpfe und salpetrigsaures Aethyloxyd, aber kein salpetersaures Aethyloxyd auf. Wei- tere zahlreiche Versuche haben mich überzeugt, dass sich letzteres im Grossen nicht vortheilhaft darstellen lässt, weil man das oben angegebene Verhältniss von Ammo- niak und Alkohol nicht überschreiten darf." Herr Sticht geht von der Ansicht aus, dass die Bildung des salpetersauren Aethyloxyds bei Einleitung von alkoholhaltigem Ammoniakgas in Salpetersäure durch die gleichzeitige Anwesenheit des Ammoniaks bedingt werde, indem hier das letztere die Rolle des Harnstoffs spiele. Allein wir wissen bereits durch Persoz*), dass *) Wittstein's Vierteljahrsschr. XIII. 603. Hosiius, Ammoniak und Salpetersäure in Pflanzen. 13 zur Darstellung des salpetersauren Aethyloxyds der Harn- stoff nicht nothwendig ist, wenn man nur die Reaction des Alkohols auf Salpetersäure bei möglichst niedriger Temperatur vor sich gehen lässt — vorausgesetzt, dass Alkohol und Säure von möglichster Stärke sind. Mitteilungen der agriculturchemischen Versuchs- station an der Universität zu Jena. lieber den Gehalt der Pflanzen an Ammoniak und Salpetersäure während der Vegetationsperiode; von Dr. A. Hosäns. erstem Assistenten am agriculturchemischen Laboratorium zu Jena*). Anschliessend an meine Untersuchung über das Vor- kommen und die Bestimmung des Ammoniaks und der Sal- petersäure in den Pflanzen (Ztschr.f. deutsche Landio. 1864, Heft XI. u. dies. Archiv, 1865, Juniheft, S. 198) habe ich,, die- selbe dort ausführlich angegebene Methode benutzend, im Laufe des vergangenen Sommers versucht, den Gehalt meh- rer Gewächse an den genannten Substanzen während der Vegetation festzustellen. Vorzüglich sind es die Getreide- arten, welche den Versuchen unterworfen wurden, eine Wahl, zu der theils die in der schon genannten Arbeit gemach- ten Keimungsversuche, theils die leichte Beschaffung des zu bearbeitenden Materials, so wie auch die grosse Wich- tigkeit derselben als Culturpflanzen veranlassten. Die zu den Versuchen verwendeten Pflanzen wurden immer von einem und demselben Felde entnommen und der Gehalt an Ammoniak und Salpetersäure darin von 4 Wochen zu 4 Wochen bestimmt. Während der ersten Zeit der Entwickelung oder so lange, als die einzelnen Theile der Pflanze nicht völlig ausgebildet waren, um zur Untersuchung dienen zu kön- *) Vom Herrn Verfasser im Abdruck aus der Ztschr. für die Landw. XVI. Jahrg. 1866, Heft 4. mitgetheilt. Die Red. 14 HosmiSy nen, wurden dieselben ungetheilt, als ganze Pflanzen ver- braucht, später die einzelnen Theile, als: Blätter, Sten- gel, Aehren, von einander geschieden. Zu gleicher Zeit sind auch Bestimmungen des Wassergehalts aller unter- suchten Pflanzen und Pflanzentheile durch Trocknen bei 100° C. ausgeführt worden, um dann auf wasserfreie Sub- stanz berechnen zu können. Bei allen Versuchen wur- den immer möglichst gesunde und kräftig entwickelte Exemplare der Pflanzen ausgesucht und entweder direct nach dem Einsammeln verarbeitet, oder wenn dieses nicht thunlich, bis dahin unter Alkohol aufbewahrt, welcher zugleich bei der Destillation zu verwenden war. 1. Versuche mit Koggen. Die Pflanzen entstammten einem in guter Oultur stehenden Felde am Lichtenhainer Wege (thoniger Sand- boden). Am 28. April enthielten die jungen kräftigen Pflan- zen, welche, da sie noch keine Trennung ihrer Theile erlaubten, im ungetheilten Zustande angewandt wurden, in Ammoniak Salpeters. 4 Grm. = 2,5 C.C. IPN u. 1,0 C.C. NO* == 0,132 u. 0,168 o/ Nach Verlauf von 4 Wochen, am 28. Mai, waren bereits Aehren und Stengel gebildet und wurden getrennten Be- stimmungen unterworfen; es enthielten: 4 Grm. Blätter =±> 3,0 C.C. H3N und 1,0 C.C. NO* = 0,159 Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure 4 Grm. Stengel = 2,0 C.C. H3N und 1,0 C.C. NO* = 0,106 Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure 4 Grm. Aehren = 3,5 C.C. rPN und 1,5 C.C. NO* = 0,185 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure. Im Vergleich zu dem vorigen .Versuche findet hier eine unbedeutende Erhöhung des Ammoniaks in den Blät- tern und Aehren statt, während der Stengel etwas weni- ger davon enthält, als die ganze Pflanze. Am 28. Juni. Die Pflanzen standen in voller Blüthe. 4 Grm. Blätter == 2,0 C.C. JEPN und 1,0 C.C. NO* = 0,106 Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 15 4 Grm. Stengel = 1,0 C.C. H3N und C.C. NO* = 0,053 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure 4 Grm. Aebren = 2,5 C.C. H3N und C.Cr NO* = 0,132 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure. Bei diesem Versuche macht sich eine ziemlich bedeu- tende Verminderung der betreffenden Bestandtheile be- merkbar. Von Beiden ist weniger vorhanden, als bei dem Vorhergehenden, vorzüglich aber hat sich die Sal- petersäure verringert, welche in den Aehren und dem Stengel nicht mehr gefunden wurde. Am 28. Juli. Die Körner waren der Reife sehr nahe; Blätter nicht mehr vorhanden, schon abgestorben. 4 Grm. Körner == 3,5 C.C. H3N und 1,5 C.C. NO* = 0,185 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure 4 Grm. Aehren = 1,5 C.C. H3N und 2,5 C.C. NO* = 0,079 Proc. Ammoniak u. 0,421 Proc. Salpetersäure 4 Grm. Spelzen = 1,0 C.C. H3N und 1,5 C.C. NO* == 0,053 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure 4 Grm. Stengel = 2,0 C.C. fPN und 2,0 C.C. NO* = 0,100 Proc. Ammoniak u. 0,337 Proc. Salpetersäure. * Verglichen mit dem Resultate der Analyse der zu den Keimungsversuchen angewendeten Roggenkörnern (siehe die frühere Arbeit, welche einen Gehalt von 0,318 Procent Ammoniak und 1,012 Proc. Salpetersäure ergab), enthalten die oben untersuchten, noch nicht ganz reifen und mehr wasserhaltigen Samen bedeutend weniger von den betreffenden Substanzen, während der Stengel, dem im Juni untersuchten gegenüber, eine nicht unbedeutende Zunahme aufzuweisen hat. Vorzüglich ist der Mangel der Salpetersäure darin, ebenso wie in den Aehren, ganz verschwunden; es scheint, als wenn der Verbrauch der Salpetersäure geringer würde, je näher die Zeit der voll- ständigen Fruchtreife kommt. Wa88erbesti m mung. Bei 100°C. getrocknet be- trug der Verlust am 28. April bei der ganzen Pflanze = 75,0 Proc. „ 28. Mai „ Blättern = G9,0 „ 16 Hosäus, am 28. Mai bei Stengel = 78,5 Proc. r Aehren = 73,5 „ 28. Juni ., Blättern.. = 52,0 Stengel = 54.5 r Aehren = 57,5 „ „ 28. Juli r Körnern = 35,0 _ Aehren — 35,0 „ „ Stengel =: 35,0 „ n Spelzen = 35,0 „ Hieraus berechnet sich für die trockne Substanz fol- gender Gehalt. an Ammoniak und Salpetersäure: Ammo- Salpeter- niak säure vom 28. April, ganze Pflanze == 0,528 u. 0,672 Proc. „ 28. Mai, Blätter = 0,512 „ 0,514 „ Stengel = 0,493 „ 0,781 „ Aehren = 0,698 „ 0,950 „ „ 28. Juni, Blätter = 0,220 „ 0,350 „ Stengel = 0,116 „ Aehren == 0,310 r „ 28. Juli, Körner = 0,284 „ 0,398 „ Aehren = 0,121 „ 0,694 „ Spelzen = 0,081 „ 0,398 „ Stengel = 0,126 „ 0,518 „ Da bei der hier benutzten Titriranalyse die Cubik- Centimeter (=C.C. vergl. die frühere Arbeit) genau die äquivalenten Mengen des Ammoniaks und der Salpeter- säure angeben, so können sie einen neuen Gesichtspunct der Auffassung bieten. Nimmt man nämlich, sowohl der leichten Uebersicht halber, als auch um einen Vergleich zu ermöglichen, und abgesehen davon, dass die Pflanzen aus sehr verschiedenen Gewichtsmengen der untersuch- ten Theile bestehen, die durch die angegebenen Cubik- centimeter ausgedrückten äquivalenten Mengen des Am- moniaks und der Salpetersäure zusammen, also beide ver- einigt, und berechnet den Durchschnittsgehalt der jedes- mal untersuchten Theile, so ergeben sich folgende Zah- Gehalt der Pflanzen an Aoimonia 1 * u. Salpetersäure etc. 17 len, welche also die in der Pflanze enthaltenen vereinig- ten Mengen des Ammoniaks und der Salpetersäure aus- drücken und die Schwankungen derselben deutlicher an- schaulich machen. Es ergiebt sich für die darin verhalten sich .m frische Pflauze auf trockne Sub- stanz berechnete Ammoniak zu Sal petersäure H*H : NO* April = 3,5 14,0 1 : : 0,4 Mai = 4,0 14,0 1 : 0,4 Juni = 2,2 4,8 1 : 0,2 Juli = 4,0 5,8 1 : : 0,9 Bei der Berechnung auf trockne Substanz, als der schliesslich richtigste Ausgangspunct, zeigt die Roggen- pflanze im April und Mai den grössten Reichthum an Ammoniak und Salpetersäure, im Juni dagegen, in der vollen Blüthezeit, den geringsten Gehalt an derselben. In dieser Zeit fehlt die Salpetersäure in dem Stengel und den Aehren gänzlich, während nach vier Wochen die letzte, einige Tage vor der Ernte gemachte Bestimmung wiederum eine höhere Summe der vereinigten Substan- zen erweist und namentlich auch Salpetersäure ergiebt. 2. Versuch mit Weizen. Die zu den Analysen gebrauchten Pflanzen wurden demselben thonigen Sandboden entnommen, wie die vor- hergehenden. Am 29. April, zu welcher Zeit die erste Unter- suchung unternommen wurde, befanden sich die Pflanzen auf derselben Stufe der Entwicklung, wie diejenigen des :gens. Sie versprachen ein kräftiges, gesundes Ge- deihen und enthielten in 4 Grm. = 2,0 C.C. ll'N und 1,0 C.C. NO» =fc 0,106 Proc. At&moniak und 0,108 Proc. Salpetersäure. Am 29. Mai, also 4 Wochen nach dem ersten Ver- suche, waren die Pflanzen in ihrer Ausbildung noch nicht so weit, wie der Roggen, und mussten, da noch keine Trennung der einzelnen Tlieil«- möglieh war, nochmals ' Aroh.d. Pharm. CLXXIY. Iids. l.u.2. Hfl. 2 18 Ho saus, ungetheilt, als ganze Pflanzen angewendet werden. Es enthielten 4 Grm. == 1,5 C.C. IPN und 1,5 C.C. NO* = 0,079 Proc. Ammoniak und 0,252 Proc. Salpetersäure. Dieser Versuch ergiebt demnach äquivalente Men- gen von Ammoniak und Salpetersäure. Dem Vorigen gegenüber zeigt er eine Abnahme des ersteren und Zu- nahme des zweiten und hat sich äquivalent Salpetersäure mehr gebildet, als Ammoniak weniger vorhanden ist. Am 29. Juni. Die Pflanzen standen in voller Blüthe und erlaubten eine getrennte Untersuchung ihrer Theile. 4 Grm. Aehren = 1,5 C.C. H3N und 1,0 C.C. NO* == 0,079 Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Stengel = C.C. H3N und 1,0 C.C. NO* == Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Blätter = 2,0 C.C. PPN und 1,5 C.C. NO* = 0,106 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure. Am auffallendsten ist hier die Abwesenheit des Am- moniaks in den Stengeln, eine Erscheinung, die in ähn- licher Weise schon bei dem in Blüthe stehenden Roggen bemerkbar war, mit dem Unterschiede, dass die Stengel des blühenden Roggens keine Salpetersäure enthielten, während diejenigen des blühenden Weizens wohl Sal- petersäure, aber kein Ammoniak enthalten. Am 29. Juli. Die Körner waren ihrer völligen Aus- bildung nicht mehr fern und die Blätter theils abgestor- ben, theils dem Absterben nahe. 4 Grm. Aehren = 1,0 C.C. H3N und 3,0 C.C. NO* = 0,053 Proc. Ammoniak u. 0,506 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Stengel = C.C. IPN und 1,0 C.C. N05 = Proc. Ammoniak u, 0,168 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Blätter = 2,0 C.C. H3N und 1,0 C.C. NO* == 0,106 Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure. Die bei dem vorigen Versuche bemerkte Abwesen- heit des Ammoniaks in den Stengeln tritt auch hierbei wieder auf, und eine Zunahme an Salpetersäure, vorzüg- lich in den Aehren, ist deutlich zu bemerken. Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 19 Am 10. August. Die Körner waren völlig reif, Blätter nicht mehr vorhanden, oder doch so vertrocknet, dass sie nicht mehr zur Untersuchung dienen konnten. 4 Grm. Körner = 4,0 C.C. 1PN und 2,5 C.C. NO* = 0,212 Proc. Ammoniak u. 0,421 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Aehren = 2,5 C.C. rPN und 3,5 CC. NO* = 0,132 Proc. Ammoniak u. 0,589 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Spelzen = 1,5 C.C. rPN und 1,5 C.C. NO* = 0,079 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Stengel = 1,0 C.C. IPN und 1,5 C.C. NO» = 0,053 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure. Wie die Roggenkörner, zeigen auch diejenigen des Weizens einen geringeren Gehalt an Ammoniak und Sal- petersäure, denen gegenüber, die bei den Keimungsver- suchen (siehe die frühere Arbeit) verwendet wurden. Ebenso ähnlich ist das Verhalten der Stengel beider Pflanzen. Wie schon erwähnt, enthält der Stengel der Roggenpflanze zur Zeit der Blüthe und beginnenden Aus- bildung der Frucht keine Salpetersäure, derjenige des Weizens zu denselben Zeiten kein Ammoniak. Bei Been- digung der Fruchtreife findet sich aber in beiden die vorher fehlende Substanz und es scheint, als wenn der Verbrauch der Salpetersäure bei dem Roggen und der- jenige des Ammoniaks bei dem Weizen um so geringer würde, je näher die Zeit der völligen Fruchtreife kommt. Wasserbestimmung. Bei 100° C. getrocknet, be- trägt der Verlust am 29. April, bei der ganzen Pflanze = 78,0 Proc. „ 29. Mai, B „ ', n = 75,0 „ „ 29. Juni, bei den Blättern = G4,0 n „ „ Stengeln == 05,0 „ „ „ Aehren = G8,0 „ „ 29. Juli, „ „ Blättern = G5,0 „ „ Stengeln — 45,0 „ „ Aehren = 45,0 „ 12. Aug., „ „ Körnern = .'5H ; „ „ Aehren = .'58,0 2* n 20 HosäiiSj am 12. Aug., bei den Stengeln = 38,0 Proc. „ „ Spelzen = 38,0 „ Für die trockne Substanz berechnet sich hieraus fol- gender Gehalt an Ammoniak und Salpetersäure: Ammo- Salpeter- niak säure 29. April, ganze Pflanze = 0,481 und 0,763 Proc. 29. Mai, „ „ = 0,316 „ 1,008 29. Juni, Blätter = 0,294 „ 0,700 Stengel = „ 0,480 Aehren =0,246 „ 0,525 „ 29. Juli, Blätter =0,192 „ 0,305 Stengel = „ 0,305 Aehren = 0,096 „ 0,915 12. Aug., Körner = 0,341 , 0,679 Aehren = 0,212 „ 0,950 Stengel = 0,085 „ 0,406 Spelzen =0,127 „ 0,406 Aus den bei dem Roggen angegebenen Gründen fol- gen auch hier, ebenso wie bei den nachfolgenden Ver- suchen, die vereinigten Aequivalente des Ammoniaks und der Salpetersäure im Durchschnitt der untersuchten Pflan- zentheile genommen. Sie betragen Im im frischen Zustande April = 3,0 auftrockne Sub- stanz berechnet 14,0 darin ve Ammoni pete H3N : 1 rhalten sich ak zu Sal- rsäure NO* : 0,5 « Mai = 3,0 12,0 1 1,0 V Juni = 2,3 8,0 1 : 1,0 V Juli =2,7 6,0 1 1,7 n Aug. = 4,5 7,2 1 : 1 Analog dem Verhalten der Roggenpflanzen, zeigt sich auch bei den obigen Versuchen der Gehalt an Ammo- niak und Salpetersäure im April und Mai, und zwar vorzüglich bei Berechnung auf trockne Substanz in Folge des grossen Wassergehalts der Pflanzen höher, als in den folgenden Monaten. Ebenso wie bei dem Roggen ergiebt Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 22 sich ferner im Juni und Juli zur Zeit der Blüthe und beginnenden Fruchtreife der geringste Gehalt an den obengenannten Verbindungen. Abweichend aber ist das Verhalten des Weizens dem Roggen gegenüber im Be- treff der Salpetersäure. Während nämlich der Roggen im Juni zur Zeit der Blüthe keine Salpetersäure in Sten- gel und Aehren enthält, zeigt der Weizen zu derselben Zeit in denselben Pflanzentheilen eine nicht unbedeu- tende Menge derselben, und tritt in dieser Zeit bei dem Weizen eine ebenso völlige Abwesenheit des Ammoniaks in den Stengeln auf, wie bei dem Roggen eine solche der Salpetersäure bemerkt wurde. Die im August zur Erntezeit ausgeführten Versuche zeigten dann ferner wie- der einen grösseren Gehalt an den betreffenden Substan- zen, ebenso wie dieses bei dem Roggen erwiesen wurde, und scheint es, als ob zu verschiedenen Vegetationszeiten, vorzüglich aber zur Zeit der Blüthe und Fruchtreife, die Pflanze mehr von dem genannten Stoffe verbrauche und dieser Mehrverbrauch auf Kosten der übrigen Organe und zwar vorzüglich des Stengels gedeckt würde. 3. Versuche mit Gerste. Derselbe thonige Sandboden, welcher das Material zu den vorhergehenden Versuchen geliefert hatte, gab auch die hierbei nÖthigen Pflanzen. Die erste Untersuchung der Gerstenpflanzen wurde am 26. Mai unternommen, zu welcher Zeit sich diesel- ben auf derselben Stufe der Entwickelung befanden, wie Roggen und Weizen, welche vier Wochen früher zum ter Mal untersucht worden waren. Sie enthielten am genannten Tage in 1 (Irm. = 2,5 C.C. II *N und 2,5 C.C. NO* = 0,132 Proc. Ammoniak und 0,421 Proc. Salpetersäure. 28. Juni; die Pflanzen standen in voller Blüthe: 4 Grm. Blätter = 2,0 C.C. 1R\ und C.C. N05 = 0,106 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure. 22 Hosäus, 4 Grm. Stengel = C.C. H3N und C.C. NO* =. Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Aehren = 0,5 C.C. IPN und 0,5 C.C. NO* = 0,02.6 Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure. Wie bei dem Roggen und Weizen zur Zeit der Blüthe nur eine geringere Quantität von Ammoniak und Salpetersäure gefunden wurde, so ist dieses auch bei der Gerste der Fall, und noch deutlicher, wie bei den vor- hergehenden, tritt hier der Verbrauch der Substanzen auf Kosten des Stengels auf, da dieser bei dem obigen Ver- suche weder Ammoniak noch Salpetersäure enthielt, wäh- rend in den Stengeln des Roggens und Weizens wenig- stens das Eine oder die Andere vorhanden war. 28. Juli. Die Körner waren fast ganz ausgebildet, aber noch unreif. Einzelne Blätter fingen bereits an ab- zuwelken. 4 Grm. Blätter = 4,0 C.C. rPN und C.C. NO* = 0,212 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Stengel = 1,5 C.C. H3N und 0,5 C.C. N05 == 0,079 Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Aehren = C.C. H3N und 0,5 C.C. NO* = Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure. Die Resultate dieser letzten Versuche reihen sich vollständig den früher erhaltenen an. Sie ergeben einen geringen Gehalt an den oft genannten Substanzen und lassen auf einen Verbrauch derselben während der Frucht- reife schliessen. 16. August. Die Körner waren völlig reif, Blät- ter nicht mehr vorhanden. 4 Grm. Stengel == 1,0 C.C. H3N und C.C. NO* = 0,053 Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Körner == 3,0 C.C. H3N und 1,0 C.C. NO* = 0,159 Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure. Mehr als bei den entsprechenden Versuchen mit Rog- gen und Weizen stimmt der Gehalt der Körner mit dem- jenigen überein, welcher sich bei der Prüfung der zu den Keimungsversuchen verwendeten Gerste herausstellte, Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 23 während im Allgemeinen die obigen Zahlen dasselbe Ver- hältniss ergeben, welches bei dem Roggen und Weizen zur Zeit der beendigten Fruchtreife bemerkt wurde. Wasser bestimmun g. Bei 100° C. getrocknet be- trug der Verlust: am 26. Mai, bei der ganzen Pflanze = 81,0 Proc. „ 28. Juni, in den Blättern = 70,0 „ „ „ Stengeln == 72,0 "„ „ „ Aehren = 74,0 „ „ 26. Juli „ „ Blättern = 45,0 „ , Stengeln = 45,0 „ „ Aehren = 45,0 „ „ 16. Aug., „ „ Stengeln =40,0 „ „ Aehren = 40,0 „ Der Salpetersäure- und Ammoniakgehalt der trock- nen Pflanze beträgt demnach: Ammo- Salpeter- niak säure Am 26. Mai, ganze Pflanze = 0,694 und 2,215 Proc. „ 28. Juni, Blätter = 0,353 „ „ Stengel = „ „ Aehren =0,192 „ 0,323 „ „ 28. Juli, Blätter =0,385 „ Stengel =0,143 „ 0,152 „ Aehren == „ 0,152 „ „ 16. Aug., Stengel =0,088 „ Aehren =0,265 „ 0,280 , Der Durchschnittsgehalt der untersuchten Pflanzen- theile an den vereinigten Aequivalenten von Ammoniak und Salpetersäure beträgt: darin verhalten sich im frischen auf trockne Sub- Ammoniak zu Sal- Xustaude stanz berechnet petersäure I13N : N05 Im Mai = 5,0 26,3 1 : 1 „ Juni = 1,0 3,6 1 : 0,2 „ Juli = 2,16 3,9 1 : 0,18 „ Aug. =2 4,17 1 : 0,25 24 HosäuSj Wie bei dem Roggen und Weizen zeigt sich auch bei der Gerste im Mai die grösste Menge von Ammoniak und Salpetersäure, ebenso wie im Juli zur Zeit der Blüthe die geringsten Quantitäten derselben darin enthalten sind. Auffallender indess, als bei den vorigen Versuchen, tritt bei der in Blüthe stehenden Gerste vom 28. Juni eine Verminderung der betreffenden Nährsubstanzen in den einzelnen Organen der Pflanze auf, und zwar ist es aber- mals der Stengel, dem die genannten Stoffe vollständig entzogen sind, in der Art, dass weder vom Ammoniak, noch von der Salpetersäure eine Spur darin gefunden werden konnte, während die Stengel des in der Blüthe stehenden Roggens und Weizens wenigstens das Eine oder Andere enthielten. Im Juli zeigt sich wieder eine Zunahme der vereinigten Aequivalente, die bei dem im August mit völlig reifer Gerste gemachten Versuche noch deutlicher hervortritt. Die Blätter wurden bei dem letz- ten Versuche weggelassen, weil sie schon zu welk und abgestorben waren. 4. Versuche mit Hafer. Die Pflanzen entstammten einem in guter Cultur -ste- henden Felde (schwerer Thonboden) am Löbstedter Wege. Am 30. Mai, zu welcher Zeit die Pflanzen so weit ent- wickelt waren, dass die Untersuchungen begonnen wer- den konnten, enthielten die kräftig und gesund aussehen- den Pflanzen : in 4 Grm. = 2,5 CG. IPN und 2,5 C.C. NO* = 0,132 Proc. Ammoniak u. 0,421 Proc. Salpetersäure. Genau also dieselben Mengen, welche bei den Gersten- pflanzen zu derselben Zeit gefunden wurden. 30. Juni. Die Pflanzen waren zu dieser Zeit noch nicht so weit entwickelt, dass sie eine Trennung ihrer Theile erlaubt hätten, und mussten nochmals ungetheilt der Analyse unterworfen werden. 4 Grm. = 1,0 C.C. H^N und C.C. NO* = 0,053 Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure. Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 25 30. Juli. Es hatten sich bereits Körner gebildet, doch konnten diese nicht von den Hüllen befreit werden und wurden mit ihnen untersucht. 4 Grin. Blätter = 1,0 C.C. H3N und C.C. N05 = 0,053 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Stengel = 1,0 C.C. IPN und C.C. NO* = 0,053 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Körner = 0,5 C.C. H3N und 0,5 C.C. NO = 0,026 Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure. Eben so auffallend, wie bei der Gerste, zeigt dieser, so wie der im Juni gemachte Versuch, die beträchtliche Verminderung des Gehalts an Ammoniak und Salpeter- säure zur Zeit der Fruchtbildung, und zwar ist es hier vorzugsweise die Salpetersäure, welche dazu in Anspruch genommen zu werden scheint. 17. August. Die Körner waren der völligen Reife sehr nahe und konnten von den Spelzen getrennt unter- sucht werden. Blätter waren nicht mehr vorhanden. 4 Grm. Stengel = 1,5 C.C. IPN und C.C. N05 = 0,079 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Körner = 2,5 C.C. IPN und 1,5 C.C. NO* =- 0,132 Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure. Von allen im Vorhergehenden besprochenen mehr oder weniger reifen Körnern sind die des Hafers die einzigen, welche, wenigstens in Betreff der Salpetersäure, mit den Resultaten übereinstimmen, welche bei den schon oft genannten Keimungsversuchen gewonnen wurden und die im Allgemeinen höhere Zahlen ergeben, als hier bei den frischen Samen auftraten. Der Wasserverlust betrug nach dem Trocknen bei 100« C. : •'•'». Mai, bei der ganzen Pflanze = 83,2 Proc. ;u - Jini, » ,' , n = 72,0 „ '. Juli, bei den Blättern = 60,0 „ „ „ Stengeln = 70,0 „ „ „ Körnern = 59,0 „ 26 Hosäus, 16. Aug., bei den Stengeln — 46,5 Proc. „ „ Körnern = 43,0 „ Auf trockne Substanz berechnet beträgt hiernach der Gehalt an Ammoniak und Salpetersäure: Ammo- Salpeter- niak säure im Mai, bei den ganzen Pflanzen = 0,786 u. 2,500 Proc. „ Juni, „ n n „ == 0,189 „ „ Juli, in den Blättern = 0,132 „ „ „ „ Stengeln = 0,176 „ „ „ Körnern == 0,083 „ 0,270 „ „ August, in den Stengeln . . . . = 0,147 „ „ „ , Körnern == 0,232 „ 0,147 „ Der Durchschnittsgehalt der untersuchten Pflanzen- theile an den vereinigten Aequivalenten von Ammoniak und Salpetersäure beträgt: im frischen Zustande auf trockne Si stanz berechn üb- et darin verl 1 Ammon] Salpet( H3N alten sich ak und jrsäure N05 Im Mai = 5,0 29,7 1 ' 1 n Juni = 1,0 3,5 1 : 0,0 „ Juli = .1,0 3,4 1 0,2 , Aug. = 1,5 2,7 1 : 0,12 Aus dem Vorstehenden ergiebt sich, dass auch die Haferpflanze im Allgemeinen dasselbe Verhalten zeigt, wie diejenigen des Roggens, Weizens und der Gerste, dass nämlich im Mai die grösste Menge von Ammoniak und Salpetersäure darin enthalten ist, während bei der weiteren Entwicklung meist eine Abnahme und am Ende der Vegetationsperiode wiederum eine Zunahme derselben bemerkt wird. Salpetersäure enthält die Haferpflanze in- dess weniger, als die vorhergehenden, eine Thatsache, auf die schon Sie wert in seiner Arbeit über die Bestim- mung der Salpetersäure, Annalen der Chemie 125, 293, aufmerksam macht. Bei dem im Juli gemachten Versuche wurden die Körner mit den Spelzen angewandt, während im August, Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 27 bei fast völliger Reife, die Körner davon getrennt wurden. Da die Versuche mit den Getreidearten hiermit be- endet sind, so folgt zur raschen Uebersicht eine Zusam- menstellung des Gehalts der frischen Pflanzen an Ammo- niak und Salpetersäure, im Durchschnitt der untersuch- ten Pflanzentheile genommen und in Procenten ausge- drückt. Roggen Weizen Gerste Hafer H3\ u. N05 H3N u. NO* H3N u. NO^ H3N u. NO* Im April =0,132 „ 0,168 0,106 „ 0,168 — — — — „ Mai =0,150 „ 0,196 0,079 „ 0,252 0,132 „ 0,421 0,132 „ 0,421 „ Juni = 0,079 „ 0,056 0,061 „ 0,196 0,043 „ 0,026 0,053 „ „ Juli = 0,106 „ 0,315 0,053 „ 0,280 0,097 „ 0,059 0,044 „ 0,026 „ Aug. = — — 0,119 „ 0,278 0,101 „ 0,084 0,105 „ 0,026 Bei allen der Untersuchung unterworfenen Getreide- arten zeigt sich demnach eine gewisse Uebereinstim- mung. Sie zeigen sämmtlich im Frühjahre, am Anfang der eigentlichen Vegetationsperiode, einen grösseren Gehalt an Ammoniak und Salpetersäure, als bei ihrer weiteren Entwickelung, und nur am Ende der Vegetation tritt eine grössere Quantität der genannten Substanzen vor- züglich in den reifen Früchten auf. Im Juni, zur Zeit der Blüthe, zeigen sie sämmtlich den geringsten Gehalt an den betreffenden Stoffen und von der Blüthe bis zur Fruchtreife ein ganz allmäliges Zunehmen derselben. Aus- ser den oben besprochenen Getreidearten wurden auch noch mit Chelidonium maj., Schöllkraut, und Colchicum autumnale, Herbstzeitlose, Versuche während ihrer gan- zen Vegetationszeit gemacht. Die Pflanzen wurden auf freiem Felde gesammelt und zwar möglichst von ein und demselben Platze, so weit sich dieses im Laufe von ver- schiedenen Monaten durchführet) Hess. So lange die ein- zelnen Tbeile der Pflanzen nicht vollständig ausgebildet waren, um zur Untersuchung verwendet werden zu kön- nen, wurden dieselben als ganze Pflanzen untersucht, 28 Hosäus, während bei ihrer weiteren Entwicklung die Theile ge- trennt und einzeln der Analyse unterworfen wurden. Chelidonium majus, Schöllkraut. 19. April. Die Pflanzen fingen bereits an, Stengel zu bilden. Sie waren einem Orte entnommen, der einem zufälligen Empfangen ammoniakalischer Stoffe möglichst wenig ausgesetzt war, versprachen ein frisches, kräftiges Gedeihen und enthielten in 4 Grm. = 3,0 C.C. H3N und 2,0 C.C. NO* --= 0,158 Proc. Ammoniak und 0,337 Proc. Salpetersäure. 23. Mai. Einzelne Blüthen waren vorhanden und die Entwickelung der zu untersuchenden Exemplare war so weit fortgeschritten, dass Blätter und Stengel getrennt werden konnten. 4 Grm. Blätter = 3,0 C.C. H3N und 6,0 C.C. NO* = 0,158 Proc. Ammoniak u. 1,012 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Stengel = 2,0 C.C. tPN und 11,5 C.C. NO = 0,106 Proc. Ammoniak u. 1,940 Proc. Salpetersäure. Während dem vorigen Versuche gegenüber der Am- moniakgehalt hier ziemlich derselbe bleibt, steigt die Menge der Salpetersäure bei den Blättern sowohl, als bei dem Stengel so bedeutend, wie es bisher noch nicht be- obachtet wurde. 22. Juni. Neben den Blüthen zeigten sich bereits junge Schötchen, und zwar so viele, dass sie der Unter- suchung unterworfen werden konnten. 4 Grm. Blätter = 3,0 C.C. IPN und 4,0 C.C. NO^ = 0,156 Proc. Ammoniak u. 0,675 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Stengel = C.C. H3N und 3,0 C.C. NO* = Proc. Ammoniak u. 0,506 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Schoten = 2,5 C.C. IPN und 2,0 C.C. NO* = 0,132 Proc. Ammoniak u. 0,337 Proc. Salpetersäure. Auffallender und entschiedener, als bei den Getreide- arten, tritt hier am Anfang der Fruchtbildung eine Ver- minderung des Ammoniaks und der Salpetersäure auf, und vorzugsweise ist es abermals der Stengel, welcher Gehalt der Pflanzen an Ammoniak v. Salpetersäure etc. 29 diese Verminderung am deutlichsten zeigt, da in ihm das Ammoniak gänzlich und die Salpetersäure bis auf den vierten Theil des durch den vorigen Versuch ermittelten Gehalts verschwunden ist. 24. Juli. Die Früchte waren mehr oder weniger ausgebildet und einzelne Blüthen noch vorhanden. 4 Grm. Blätter = 1,5 C.C. H3N und 2,5 C.C. NO* = 0,079 Proc. Ammoniak u. 0,421 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Stengel = 0,5 C.C. IPN und 2,0 C.C. NO* == 0,026 Proc. Ammoniak u. 0,337 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Schoten = 1,0 C.C. IPN und 2,5 C.C. NO* = 0,053 Proc. Ammoniak u. 0,421 Proc. Salpetersäure. Im Allgemeinen zeigen diese Versuche, dem Vori- gen gegenüber, eine noch geringere Menge der betreffen- den Substanzen, der Stengel enthält indess wieder eine Spur Ammoniak und die Schoten eine grössere Quantität Salpetersäure. Im August und September konnten leider keine Ver- suche angestellt werden, und wurde die letzte Analyse dieser Pflanze im October unternommen. 28. October. Die vorgeschrittene Jahreszeit hatte die Vegetation so sehr beeinträchtigt, dass eine Trennung der noch übrigen Blätter und Stengel nicht mehr räthlich erschien und diese zusammen der Untersuchung unter- worfen wurden. 4 Grm. = 3,5 C.C. H3N und 1,5 C.C. NO* = 0,185 Proc. Ammoniak und 0,252 Proc. Salpetersäure. Das hier erhaltene Resultat stimmt fast ganz mit dem überein, welches im April bei Beginn der Vegeta- tion erhalten wurde, und zeigt den letzten Versuchen gegenüber eine Zunahme des Ammoniaks und der Sal- rsäure. WasBcrbcstimmung. Bei 100<>C. getrocknet, be- trug der Verlort am 19. April, bei der ganzen Pflanze = 84,0 Proc. 23. Mai, „ den Blättern == 75,0 „ „ „ Stengeln = 85,0 * 30 Hosäus, 22. Juni, bei den Blättern = 79,0 Proc. „ „ Stengeln = 80,5 „ „ Schoten = 82,0 „ 24. Juli, „ „ Blättern — 83,0 „ „ Stengeln = 82,0 „ „ Schoten = 75,0 „ 280ct -{ BiaSei e :::::::::; = ^o » Auf trockne Substanz berechnet ergiebt sich hieraus folgender Gehalt an Ammoniak uud Salpetersäure: Ammoniak. Salpeters. im April, in der ganzen Pflanze = 0,987 u. 2,106 Proc. „ Mai, „ den Blättern =0,632 „ 4,048 „ „ „ Stengeln =0,706 „ 5,173 „ „ Juni, , „ Blättern =0,752 „ 3,209 „ „ „ Stengeln = „ 2,594 n „ „ Schoten = 0,694 „ 1,800 „ „ Juli, „ „ Blättern = 0,464 „ 2,476 „ „ „ Stengeln = 0,144 „ 1,872 B „ „ Schoten = 0,212 „ 1,684 „ ■ 0ct -{ : : BuSn::: = o."°. y»? . Die vereinigten Aequivalente von Ammoniak und Salpetersäure betragen hiernach, im Durchschnitt der untersuchten Pflanzentheile genommen: darin verhalten sich im frischen auf trockne Sub- Ammoniak zu Zustande stanz berechnet Salpetersäure H3N : NO Im April = 5,0 31,0 1 : 0,66 „ Mai =11,2 56,0 1 : 3,5 „ Juni = 4,8 24,0 1 : 1,6 B Juli = 3,3 16,5 1 : 2,3 „ Oct. = 5,0 20,8 1 : 0,43 Die schon mehrfach beobachtete Erscheinung, dass die als Unkraut vorkommenden Pflanzen häufig sehr viel Salpetersäure enthalten, dürfte auch durch vorstehende Versuche abermals Bestätigung gefunden haben, denn die Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 31 Salpetersäure tritt während der ganzen Entwickelung der Pflanze in so grossen Mengen auf, dass sie das Ammo- niak bei weitem überwiegt und würde das Schöllkraut als eine sehr viel Salpetersäure enthaltende Pflanze zu bezeichnen sein. Bei dem Versuch im April begann die Pflanze Stengel zu treiben. Im Mai waren bereits ein- zelne Blüthen vorhanden, im Juni zeigten sich neben den Blüthen einzelne. Schötchen, im Juli waren die Früchte mehr oder weniger ausgebildet und der Reife nahe, und im October war die Pflanze von dem gänzlichen Eingehen nicht sehr weit entfernt. Auffallend erscheint der hohe Salpetersäuregehalt im Mai, am Anfang der ersten Frucht- bildung, und die bedeutende Verminderung desselben bei der weiteren Ausbildung der Früchte im Juni. Vorzüg- lich ist es abermals wie bei den Cerealien der Stengel, in welchem die Verminderung am deutlichsten sichtbar wird, und zwar nicht nur eine Verminderung der Sal- petersäure von circa 2 Proc. auf 0,5 Proc, also um das Vierfache, sondern auch des Ammoniaks, welches gar nicht mehr im Stengel gefunden wurde. Um dieses gänz- liche Fehlen des Ammoniaks in dem Stengel zur Zeit der Fruchtbildung zu controliren, wurde ein zweiter Ver- such mit den Stengeln einer andern Pflanze gemacht und darin 0,026 Proc. Ammoniak gefunden, also so wenig, dass die Richtigkeit des ersten Versuches wohl nicht be- zweifelt werden kann, da, wie schon gesagt, eine andere Pflanze genommen werden musste. Im Juli schreitet die Verminderung der betreffenden Substanzen noch weiter vor, im October enthält die Pflanze schon wieder etwas mehr und zeigt dieselben Mengen der vereinigten Aequivalente wie im April, am Anfang der Vegetation. ( alchicum autumnale, Herbstzeitlose. 26. April. Die sich kräftig entwickelnden Pflan- zen hatten eine Hohe von circa 2 Zoll erreicht. 4 Gim as 1,5 CO. 1I : 'N und 1,5 C.C. NO* = 0,079 Proc, Ammoniak und 0,252 Proc. Salpetersäure. 32 Hosäus, 28. Mai. Die Grösse der. Pflanzen hatte sich mehr als verdoppelt. Samen hatten sich noch nicht angesetzt. 4 Grra. = 1,5 C.C. H^N und 2,5 C.C. NO* = 7 079 Proc. Ammoniak und 0,421 Proc. Salpetersäure. Die Salpetersäure hat sich also nicht unbedeutend ver- mehrt. 28. Juni. Es waren vollständig ausgebildete, aber noch ganz unreife Samen vorhanden. • 4 Grm. Blätter = C.C. rPN und 0,5 C.C. NO» = Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Samen = 1,0 C.C. H3N und 2,0 C.C. NO* == 0,052 Proc. Ammoniak u. 0,337 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Samenkapseln = C.C. rPN u. 0,5 C.C. NO = Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure. Wie bei allen früher gemachten Versuchen, wird auch hier zur Zeit der Fruchtreife eine Verminderung des Ammoniaks und der Salpetersäure bemerkt. 15. Juli. Die Früchte waren völlig reif. Stengel und Blätter wurden zusammen untersucht, da die letzte- ren theilweise dem gänzlichen Eingehen nicht mehr fern waren. 4 Grm. Stengel u. Kraut — 1,5 C.C. rPN und NO 5 = 0,079 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Samen =-- 2,0 C.C. H3N und 2,0 C.C. NO* =, 0,106 Proc. Ammoniak u. 0,337 Proc. Salpetersäure. 4 Grm. Sammenkapseln = 1,0 C.C. tPN und 0,5 C.C. NO 5 = 0,053 Proc. Ammoniak und 0,084 Proc. Salpetersäure. Das Ammoniak tritt hier also nach beendigter Frucht- reife im Vergleich mit dem letzten Versuch wieder in grösserer Menge auf, eine Erscheinung, die ebenfalls schon oft bemerkt wurde, während die Salpetersäure in dem Stengel und den Blättern ganz verschwunden ist. 28. October. Den Schluss dieser Untersuchungen bildete die Bestimmung des Gehalts an den betreffenden Substanzen bei den Blüthen. - n Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 33 4 Grm. Blüthen = 2,5 C.C. H3N und NO» = 0,132 Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure. Was serbestimmung. Bei 100<> C. getrocknet be- trug der Verlust am: 26. April, in der ganzen Pflanze... = 80,5 Proc. 28. Mai, „ „ , • . . . = 80,5 28. Juni, in den Blättern = 75,0 Samen = 60,0 77 77 „ „ Samenkapseln = 66,0 „ 15. Juli, , „ Stengeln u. Kraut = 70,0 „ r Samen = 37,5 „ „ Samenkapseln .... — 40,0 „ 28. Oct., „ „ Blumen = 81,5 „ Auf trockne Substanz berechnet, ergiebt sich hier- aus folgender Gehalt an Ammoniak und Salpetersäure: Ammoniak Salpeters. Im April, in der ganzen Pflanze . . = 0,405 u. 1,292 Prc. . Mai, ,*.-.-. . = 0,405 „ 2,158 . Juni, in den Blättern — „ 0,336 „ „ „ Samen = 0,132 „ 0,841 „ „ n Samenkapseln.. = „ 0,217 „ „ Juli, in Stengeln u. Kraut . . = 0,262 „ „ „ „ Samen = 0,169 „ 0,539 „ , Samenkapseln = 0,088 B 0,140 „ Oct., in den Blumen = 0,713 „ Der Durchschnittsgehalt der untersuchten Pflanzen- theile an den vereinigten Aequivalenten von Ammoniak und Salpetersäure beträgt: darin verhalten sich im frischen auf trockne Sub- Ammoniak zu Zustande stanz berechnet Salpetersäure H3N : NO* Im April = 3,0 15,5 1:1 „ Mai = 4,0 20,5 1 : 1,6 , Juni = 1,3 3,9 1 : 3,0 „ Juli == 2,3 4,5 1 : 0,5 „ Oct. sa 2,5 12,8 1:0 Die zu den Versuchen verwendeten Pflanzen wurden Arch.d. Pharm. CLXXIV.Bdf. l.u.2. Hft. 3 34 Hosäus, von einer Wiese in der Nähe der Stadt genommen, sie waren im April und Mai in einer kräftigen Entwicklung begriffen, hatten aber in dieser Zeit noch keine Samen angesetzt. Im Juni dagegen waren vollständig ausgebil- dete, aber unreife Samen vorhanden, welche im Juli ihre völlige Reife erreicht hatten. Die Prüfung der Blüthen hätte wohl richtiger im Herbst des vergangenen Jahres geschehen müssen, da diese bekanntlich in ihrer Ent- wicklung den Blättern vorausgehen. Die Versuche selbst ergeben dieselben Resultate, wie sämmtliche vorhergehende. Im Mai, vor Beginn der Fruchtbildung, ist der Gehalt an Ammoniak und Salpetersäure am grössten. Im Juni, bei der Bildung der Samen, nimmt er bedeutend ab, um bei der völligen Reife wiederum etwas höher zu steigen. Versuche mit Liliaceen und Irideen, zwiebelartige Gewächse. In der schon genannten ersten Abtheilung dieser Arbeit sprach ich die durch Versuche begründete Ansicht aus, dass die oben genannten Gewächse keine Salpeter- säure enthielten. Weitere Untersuchungen der genannten Pflanzen im Lauf dieses Sommers berichtigen diese An- gabe dahin, dass sie nur im Herbst, also am Ende der Vegetationszeit, völlig frei von Salpetersäure sind, nicht aber im Sommer, während ihrer Entwickelung. Im Herbst 1863 ergaben die Untersuchungen von Iris germanica, deutsche Schwertlilie, Allium Porrum, Porree, Allium sati- vum, Knoblauch, und Allium Cepa, Hauszwiebel, keine Spur von Salpetersäure, und zwar nicht nur die Knollen, sondern auch die Blätter. Im Sommer 1864 wurden die- selben nochmals der Untersuchung unterworfen und von demselben Orte im botanischen Garten entnommen, wie diejenigen im vorhergehenden Herbst. Da diese Ver- suche, wie schon erwähnt, einen nicht unbedeutenden Ge- halt an Salpetersäure ergaben, so wurden sie im Herbst, zu derselben Zeit, wie im vorhergehenden Jahre, unter denselben Bedingungen, d. h. von demselben Standorte Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. 35 und in demselben Zustande, nochmals untersucht, bei welchen letzten Versuchen gleiche Resultate wie im vori- gen Herbst, also Abwesenheit der Salpetersäure, erhalten wurden. Die im Juni gemachten Versuche ergaben bei Allium Cepa, Hauszwiebel in 4 Grm. Blätter = 1,5 C.C. H3N und 2,0 C.C. N05 = 0,079 Proc. Ammoniak u. 0,337 Proc. Salpetersäure. „ 4 Grm. Zwiebel = 2,0 C.C. H3N u. 1,0 C.C. NO* = 0,106 Proc. Ammoniak u. 0,168 Proc. Salpetersäure. Allium Porrum, Porree „ 4 Grm. Blätter = 2,0 C.C. H3N u. 1,5 C.C. MOS = 0,106 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure. „ 4 Grm. Zwiebel = 2,5 C.C. H3N u. 1,5 C.C. NO* = 0,159 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure. Iris germanica „ 4 Grm. Blätter = 1,5 C.C. H3N u. 1,5 C.C. NO = 0,079 Proc. Ammoniak u. 0,252 Proc. Salpetersäure. „ 4 Grm. Knollen = 2,0 C.C. H3N u. 0,5 C.C. NO* = 0,106 Proc. Ammoniak u. 0,084 Proc. Salpetersäure. Dagegen zeigten die im October unternommenen Ana- lysen bei Allium Cepa in 4 Grm. Blätter = 2,0 C.C. H3N und C.C. NO = 0,106 Proc. Ammoniak u. Proc. Salpetersäure. „ 4 Grm. Zwiebel = 1,0 C.C. H3N und C.C. NO* = 0,053 Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure. Allium Porrum „ 4 Grm. Blätter = 3,0 C.C. PPN und C.C. NO* == 0,159 Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure. „ 4 Grm. Zwiebel = 3,5 C.C. H3N und C.C. NO* = o ; 185 Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure- Iris germanica „ \ Grm. Blätter = 1,5 C.C. H»N und C.C. NO* = o ; 079 Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure. , 4 Grm. Knollen = 1,5 C.C. IPN und C.C. NO* = 0,079 Proc. Ammoniak und Proc. Salpetersäure. 3* 36 Gehalt der Pflanzen an Ammoniak u. Salpetersäure etc. Die Versuche vom vorigen Jahre sind demnach durch die diesjährigen vollständig bestätigt worden und muss nur noch dabei bemerkt werden, dass die Salpetersäure den betreffenden Pflanzen während ihrer Entwickelung nicht fehlt, sondern nur im Herbst, nachdem sie mehr oder weniger abgestorben sind, nicht mehr in ihnen ent- halten ist. Die Erklärung dieser Erscheinung, so nahe sie bei der Bildung der Eiweisskörper, vielleicht auch der Allylverbindungen liegen mag, muss für jetzt noch anderweitigen Versuchen überlassen werden. Alle übrigen Versuche, mit den Cerealien sowohl, als auch mit Chelidonium und Colchicum, ergeben einen verschiedenen Gehalt der betreffenden Pflanzen an Am- moniak und Salpetersäure während der verschiedenen Stadien ihrer Entwickelung. Fast sämmtliche zeigen im April, bezüglich Mai, den grössten Reichthum an den betreffenden Substanzen. Bei ihrer weiteren Entwicke- lung tritt eine bedeutende Erniedrigung desselben ein und erst gegen Ende der Fruchtreife wird eine Erhöhung wieder bemerkbar. Während dieser Zeit scheint ein förmliches Wandern dieser Bestandtheile aus einem Theil der Pflanze in den andern statt zu finden, je nachdem der eine Theil zu seiner Ausbildung mehr oder weniger davon braucht. Vorzugsweise ist es der Stengel, bei dem eine völlige Ausziehung wiederholt zu bemerken, und zwar am deutlichsten zur Zeit der Blüthe und der beginnen- den Fruchtreife. Während dieser Zeit enthalten sämmt- liche untersuchten Pflanzen die geringsten Mengen von Ammoniak und Salpetersäure, und scheint es, als wür- den bedeutende Quantitäten derselben während der Blüthe und Fruchtbildung verbraucht. Ein sehr auffallendes Bei- spiel für diesen Verbrauch giebt Colchicum autumnale. Während im Mai in den ganzen Pflanzen noch 0,079 Proc. H 3 N und 0,421 Proc. NO 5 enthalten waren, enthielten dieselben nach 4 Wochen, während welcher sich Samen gebildet hatten, gar kein Ammoniak und nur noch 0,084 Procent Salpetersäure, also noch den fünften Theil der Kromayer, über das Menyanthin. 37 durch den früheren Versuch bestimmten Menge. Später, am Ende der Fruchtreife, tritt dann, wie schon erwähnt, wieder ein grösserer Gehalt an den genannten Stoffen auf. Worauf aber diese gewiss auffalligen Erscheinun- gen beruhen, ob sie sich vielleicht mit der Bildung der Eiweisskörper oder den sonstigen sticksoffhaltigen Bestand- teilen des Samens in Uebereinstimmung bringen lassen, sind Fragen, die weiteren Untersuchungen überlassen wer- den müssen. Ueber das Menyanthin; von Dr. August Kromayer, Apotheker in Geisa. In meiner ersten Untersuchung über den Bitter- stoff des Fieberklees, Menyanthes trifoliata L., (Arch. der Pharm. Dec. 1861, Bd. CVlll. p. 263) gelang es mir, denselben zu isoliren und dessen Glykosidnatur darzu- thun. Weitere Untersuchungen über denselben Gegen- stand veranlassen mich zu dieser Mittheilung. Was zunächst die Darstellungsmethode des Menyan- thins anbelangt, so hatte ich schon in meiner früheren Untersuchung die Fällbarkeit desselben durch Gerb- säure benutzt, indem aus dem wässerigen Auszuge des Bitterklees der Bitterstoff direct mittelst Galläpfelauf- guss gefällt wurde. Durch dieses Verfahren konnte aber immer nur eine geringe Ausbeute erzielt werden, indem der grössere Theil des gerbsauren Menyanthins in u»<; blieb. Um nun diesen Verlust an Menyanthin fliehst zu vermeiden, habe ich folgende Abscheidungs- methode befolgt: Ich benutzte die Eigenschaft des Menyanthins, von der Kohle aufgenommen zu werden. Hierbei kommt es aber darauf an, einen möglichst concen- trirten, v rigen Bitterklee-Auszug darzu- stellen, ohne dabei viel abdampfen zu müssen. 38 Kromayer, Der trockne Bitterklee wurde mit so viel Wasser übergössen, dass letzteres eben darüber stand, hierauf erhitzt und scharf ausgepresst. Die Pressflüssigkeit auf eine neue, eben so grosse Menge Bitterklee gegeben, nach dem Erhitzen ausgepresst und mit der erhaltenen Pressflüssigkeit noch eine dritte Portion frischen Bitterklees behandelt. Sämmtliche Pressrückstände wurden mit einer neuen, hinreichenden Menge heissen Wassers nochmals ausgezogen. Die vereinigten wässerigen Bitterklee- Auszüge wur- den bei 60° — 70° C. auf 2 ' 3 ihres Volumens eingedunstet, sodann bei derselben Temperatur mit gekörnter Kno- chenkohle behandelt. Auf 12 Pfund trocknen Bitter- klee wurden 8 Pfund Knochenkohle verwendet und nach zweistündiger Einwirkung der letzteren eine völlige Entbitterung der Flüssigkeit erzielt. Nach längerem Stehen giesst man die entbitterte Flüssigkeit von der Kohle ab und wäscht letztere wieder- holt mit kaltem Wasser aus, bis letzteres farblos ab- läuft. Die allen Bitterstoff enthaltende Kohle kocht man nun zweimal hintereinander mit Weingeist aus*). Man hat darauf zu achten, dass die weingeistige Lösung noch heiss von der Kohle getrennt werde, weil beim Erkalten letztere mehr oder weniger Bitterstoff wie- der aufnimmt. Aus diesem Grunde ist es nöthig, ge- körnte Knochenkohle anzuwenden, obgleich die ge- pulverte Knochenkohle (sog. Ebur ustum) sehr gut ent- bittert, sich aber immer nur langsam und unvollständig absetzt und daher durch Wiederaufnahme von Bitterstoff Verlust an letzterem veranlasst. Der heisse weingeistige Auszug der bitterstoffhalti- gen Kohle erscheint hellbraun und besitzt den inten- siv bittern Geschmack des Fieberklees. Man *) Dies geschieht am besten bei grösseren Quantitäten in einer Destillir blase: den überdestillirenden Weingeist giesst man immer wieder zurück. über das Menyanthin. 39 filtrirt die vereinigten weingeistigen Auszüge, destillirt den Weingeist ab, bringt den Retortenrückstand in eine Porcellanschale, erwärmt auf dem Wasserbade, bis aller Weingeist verdampft ist und behandelt den extractarti- gen Rückstand wiederholt mit Aether, bis letzterer nichts mehr davon aufnimmt. Der Aether lost eine kratzend schmeckende Substanz auf. Die mit Aether behandelte Masse löst man hierauf in Wasser und fällt aus der braunen Lösung das Menyan- thin mittelst Galläpfelaufguss oder besser gleich mit reiner Gerbsäure (mit Tannin). In beiden Fällen erhält man einen dicken, breiartigen Niederschlag von geibgrauer Farbe, welche letztere je nach An- wendung von Galläpfelaufguss oder reiner Gerbsäure dunkler oder heller erscheint. Beim Umrühren geht der breiartige Niederschlag von gerbsau- rem Menyanthin zu einer zähen, pflasterartigen Masse zusammen. Die überstehende Flüssigkeit erscheint noch trübe, klärt sich aber nach längerem Stehen, indem sich die letzten Reste von gerbsaurem Menyanthin noch absetzen. Die Menyanthinlösung darf beim Fällen mit Gerb- säure nicht zu concentrirt sein, in welchem Falle kein Niederschlag entsteht; erst bei einem ge- wissen Wasserzusatz scheidet sich die gerbsaure Ver- bindung ab. Das pflasterartige gerbsaure Menyanthin knetet man wiederholt mit reinem Wasser, löst es dann in der sechs- fachen Menge Alkohol auf, entfernt durch Filtration einen geringen flockigen Rückstand, mischt das klare Filtrat in einer Porcellanschale mit einer hinreichenden Menge reinen zerriebenen Bleiweisses*) und setzt *) Früher weudele ich zur Zersetzung des gerbsauren Menyan- thiriH, überhaupt gerbsaurer BitterstofFveibindungen , ge- blämmtei Bleioxyd an. Durch letzteres gebt aber die ZertetsUDg bei weitem nicht so leicht, wie bei Anwendung von Biet weist von statten. Im ersteren Falle inuss die Mi- 40 Kromayer, das gleiche Volumen der alkoholischen Lösung Wasser hinzu. Das Gemisch erhitzt man auf dem Wasserbade unter beständigem Umrühren, bis sich keine Kohlensäurebläschen mehr entwickeln. Dies ist der Punct, wo die Zersetzung beendet ist. Man kann jetzt zur Trennung des Menyan- thins vom gerbsauren Bleioxyd das Gemisch sogleich auf ein Filter bringen, besser ist es aber, wenn man letzteres erst auf dem Wasserbade zur Trockne eindunstet und aus dem Rückstande das Menyanthin mit heissem Alkohol auszieht; die alkoholische Menyanthinlösung lässt sich in diesem Falle leicht von dem gerbsauren Bleioxyd abgiessen. Die ^alkoholische Menyanthinlösung erscheint gelb- braun. Zur Entfernung des Farbstoffs behandelt man dieselbe mit etwas gemahlener Knochenkohle *). Die Entfärbung der Lösung geht rasch und unter Anwen- dung von wenig Kohle vor sich; man trennt noch heiss die alkoholische Menyanthinlösung von der Kohle, destil- lirt von ersterer den Alkohol ab, dunstet den Retorten- rückstand auf dem Wasserbade ein, bis aller Alkohol entfernt ist, nimmt den Rückstand wieder mit etwas Was- ser auf und fällt zur völligen Reinigung das Menyanthin nochmals mit reiner Gerbsäure. Das gerbsaurc Menyanthin erscheint jetzt fast weiss; man wäscht dasselbe sorgfältig mit Wasser und scheidet das Menyan- thin wie früher daraus ab. Erscheint die nach der Tren- schung immer erst zur Trockne gebracht werden, ehe völlige Zersetzung erfolgt, und oft muss das Verfahren wiederholt werden. Aber ausserdem kann auch das Bleioxyd wegen sei- ner alkalischen Reaction verändernd auf manche Bitterstoffe einwirken, was bei Anwendung von Blei- weiss in keiner Weise zu fürchten ist. Die Zersetzung gerb- saurer Bitterstoffe mittelst Bleiweiss erfolgt beim blossen Er- wärmen vollständig, und der Process ist beendet, sobald sich keine Kohlensäurebläschen mehr entwickeln. *) Zu diesem Zwecke muss die Kohle vorher hintereinander mit Wasser und Alkohol ausgekocht und gut ausgewaschen werden, um alles Lösliche daraus zu entfernen. über das Menyanthin. 41 nung von gerbsaurem Bleioxyd erhaltene, alkoholische Menyanthinlösung noch gefärbt, so behandelt man die- selbe nochmals mit Kohle, dunstet hierauf die farb- lose Menyanthinlösung bei gelinder Wärme ein und trocknet den nur schwach gelblich gefärbten Rück- stand über concentrirter Schwefelsäure. Das vollkommen über Schwefelsäure getrocknete Me- nyanthin liefert zerrieben ein rein weisses Pulver. Aus 25 Pfund (12 l / 2 Kilogrm.) trocknen Bitterklees wurden das eine Mal 22 Grm v ein zweites Mal 26 Grm. reines Menyanthin erhalten. Die Eigenschaften des nach dieser Methode abge- schiedenen Menyanthins sind dieselben, wie die in mei- ner früheren Arbeit angegebenen. Vollkommen über Schwefelsäure getrocknetes Menyan- thin verliert bei 115° C. getrocknet nicht sehr merklich an Gewicht. ♦ 0,776 Grm. über Schwefelsäure getrocknetes Menyan- thin verloren bei 115° C. längere Zeit erhitzt, 0,008 Gramm HO = 1,03 Proc. Wasser. Die Elementaranalyse ergab Resultate, die von dem früher analysirten Menyanthin etwas abweichen. Der Kohlenstoffgehalt wurde gegen früher etwas höher und der Wasserstoffgehalt etwas niedriger gefunden. I. 0,271 Grm. bei 115° C. getrocknetes Menyanthin gaben : 0,172 Grm. HO = 0,0191 Grm. H = 7,047 Proc. II und 0,563 „ C02 =z 0,1535 „ C = 56,642 „ C. Die Formel C60H46O28 _f- HO = OOH47 029 ver- langt berechnet gefunden C = 66,338 '»42 Proc. H == 7,365 7,047 „ — 36,307 36,311 „ TÖÖfiOO 100,000. II. 0,270 Grm« über Schwefelsäure getrocknetes Me- nyanthin gaben : 42 Kromayer, 0,178 Grra. HO == 0,0197 Grm. H = 7,296 Proc. H und 0,563 „ C02 = 0,1535 „ G = 56,855 „ C. Die Formel O>H46 028 verlangt: berechnet gefunden O ö 360 57,143 56,855 H 4 6 = 46 7,301 7,296 028 — 224 35,556 35,849 630 ~~ 100,000 100,000. Bei meiner ersten Analyse des Menyanthins {siehe Archiv der Pharm. 1861. Bd. 108. S. 273) erhielt ich aus 0,266 Grm. über concentrirter Schwefelsäure getrockne- tem Menyanthin beim Verbrennen mit Kupferoxyd 0,543 Gramm CO 2 und 0,184 Gramm Wasser. Ich berechne jetzt daraus die Formel C6<>H48O30 = O60H46()28_|_ 2 HO, welche verlangt: berechnet gefunden C60 = 360 , 55,56 55,676 R48 == 48 7,41 7,669 O30 = 240 37,03 36,655 648 100,00 100,000. Das Menyanthin ist sonach = C 60 H 46 O 28 und ent- hält in verschiedenen Trocknungsgraden bald HO, bald 2 HO. Spaltung. Wird Menyanthin mit verdünnter Schwefelsäure oder Salzsäure zum Sieden erhitzt, so spaltet es sich in Zucker und ein ätherisches Oel (Meny an thol). Eine voll- ständige Spaltung ist jedoch nur schwierig zu erzielen, wenn es darauf ankommt, die Spaltungsproducte nicht zu verändern. Weder Hefe noch Emulsin vermögen das Menyanthin zu spalten. Sobald man zu der wässerigen Menyanthinlösung verdünnte Schwefel- oder Salzsäure hinzufügt, trübt sich die Flüssigkeit stark milchig und beim Erhitzen wird die- selbe wieder klar; sobald aber die Temperatur bis zum Siedepunct gestiegen ist, scheiden sich bräunliche ter- penthinartige Massen ab, die der Einwirkung der Säuren nur sehr allmälig unterliegen. über das Menyanihin. 43 I. 0,701 Grm. über Schwefelsäure getrocknetes Me- nyanthin wurden in Wasser gelöst, die Lösung wurde mit verdünnter Schwefelsäure vermischt und längere Zeit der Siedehitze ausgesetzt, hierauf die Flüssigkeit von der harzartig ausgeschiedenen Masse abgegossen, letztere mit Wasser gut abgewaschen, die vereinigten zuckerhaltigen Flüssigkeiten mit kohlensaurem Baryt gesättigt und der schwefelsaure Baryt durch ein Filter von der Lösung getrennt. Das bräunlich gefärbte Filtrat wurde auf dem Wasserbade zum Syrup verdampft und letzterer mit rei- ner Hefe in dem Kohlensäure -Apparate der Gährung unterworfen. Es wurden erhalten: 0,093 Grm. CO 2 . Daraus berechnen sich nach 180 X 0,093 = 0,190 Grm. Zucker, und 88 0,190 X 100 0,701 = 27,1 Proc. Zucker. Die harzige Masse, welche sich während der Spal- tung abgeschieden hatte, wurde in Weingeist gelöst und die Lösung mit verdünnter Schwefelsäure längere Zeit gekocht, dabei trat abermals Geruch nach Menyanthoi auf und die Flüssigkeit reducirte nach dem Verdunsten des Weingeistes noch deutlich die alkalische Kupferoxyd- lösung zu Kupferoxydul, also ein Beweis, dass die harz- artige Masse noch nicht völlig gespalten war. II. 0,584 Grm. über Schwefelsäure getrocknetes Me- nyanthin wurden in Weingeist gelöst, der Lösung 3 Grm. Salzsäure hinzugefügt und das Gemisch an einem mas- sig warmen Orte über Nacht stehen gelassen. Nach die- ser Zeit hatte die Flüssigkeit eine gelbbraune Farbe an- genommen und zeigte schon deutlich den Geruch nach Menyanthoi. El war also schon Spaltung unterhalb des Siedepunctea eingetreten. Die Flüssigkeit wurde nun lungere Zeit zum Sieden erhitzt, unter Krsetzumg des verdampfenden Weingeiste«. Als die Flüssigkeit nicht merklich mehr nach Menyanthoi roch, wurde die Erhitzung 44 Kromayer, unterbrochen. Die Flüssigkeit war stark dunkelbraun und nach dem Verdunsten des Weingeistes schied sich nur eine geringe Menge einer schwarzbraunen Sub- stanz ab. Die von letzterer getrennte, braune Flüssigkeit wurde mit kohlensaurem Bleioxyd neutralisirt, auf dem Wasserbade zur Trockne gebracht und die trockne Masse wiederholt mit wässerigem Weingeist aus- gekocht. Die vereinigten weingeistigen Auszüge wurden eingedunstet und der zurückbleibende braune Syrup mit wenig Wasser aufgenommen, wobei sich eine reichliche Menge brauner Flocken abschieden, diese wurden von der Flüssigkeit getrennt und letztere mit reiner Hefe der Gährung unterworfen. Es wurden erhalten: 0,088 Grm. CO 2 . Daraus berechnen sich nach 180 X 0,088 — = 0,180 Grm. Zucker und 88 0,180 X 100 = 30,822 Proc. Zucker. 0,584 III. 10 Grm. Menyanthin wurden in Wasser gelöst, die Lösung in eine Retorte mit Vorlage gegeben, 30 Grm. verdünnte Schwefelsäure hinzugefügt und zum Sie- den erhitzt, unter zeitweiliger Ersetzung des überdestil- lirenden Wassers. Das Destillat war milchig und auf der Oberfläche schwammen bräunlich-gelbe Oeltropf- chen von Menyanthol. Die Destillation wurde so lange fortgesetzt, als noch Menyanthol überging, was circa 3 Stunden in Anspruch nahm. Der saure Retortenrück- stand wurde von der ausgeschiedenen braunen Masse getrennt, die Lösung mit kohlensaurem Bleioxyd neutralisirt, filtrirt und das gelbbraune Filtrat auf dem Wasserbade zum Syrup gebracht. Letzterer wurde in Weingeist gelöst und die Lösung mit dem gleichen Volumen Aether vermischt. Es schied sich ein roth- braun&r Syrup von süssem Geschmack aus; nach län- gerem Stehen erstarrte derselbe zu einer harten war- zig krystallinischen Masse. Durch Pressen zwischen Fliesspapier wurde noch anhängende Mutterlauge entfernt, über das Menyanthin. 45 hierauf die Krystallmasse in Wasser gelöst, mit T hier- kohle entfärbt, filtrirt, das wasserhelle Filtrat zum Syrup verdunstet und letzterer krystallisiren lassen. Die«jetzt erhaltenen Krystalle waren fast farblos (schwach gelblich) und bestanden aus warzigen Anhäufungen. Die Krystalle lösten sich leicht in Wasser, die wäs- serige Lösung schmeckte süss und reducirte mit Leich- tigkeit die alkalische Kupferoxydlösung zu gelbrothem Kupferoxydul. 0,807 Grm. der lufttrocknen Krystalle wurden bei 100° C. getrocknet. Dabei schmolzen dieselben zu einem gelblich sn Syrup und verloren 0,072 Grm. HO = 8,92 Proc. HO. Die zum Syrup geschmolzenen und entwässerten Kry- stalle erstarrten, im offenen Gefässe längere Zeit stehen gelassen, zu einer krystallinischen Masse. I. 0,306 Grm. der lufttrocknen Krystalle wurden mit Kupferoxyd verbrannt. Es wurden erhalten 0,203 Grm. HO = 0,022 Grm. H = 7,353 Proc. H. IL 0,291 Grm. lufttrockne Krystalle gaben: 0,183 Grm. HO = 0,0203 Grm. H = 6,976 Proc. H 0,374 „ C02 = 0,102 „ C := 35,051 „ C. Die Formel C 12 H 12 12 + 2 HO verlangt in 100 Theilen: I. II. berechnet gefunden C'2 = 36,363 "^"" 35,051 H" = 7,071 7,353 6,976 Ol* = 56,566 — 57,973 100,000 100,000. C12H12()12_J_ 2 HO enthalten der Rechnung nach in 100 Theilen 9,09 Proc. HO, gefunden wurden in 100 Theilen 8,92 „ „ 0,314 Grm. der lufttrocknen Krystalle wurden mit reiner Hefe in dem Kohlensäure- Apparate der Gährung unterworfen, die Gährung trat rasch ein und verlief regel- mässig. Ks wurden erhalten: 0,136 Grm. CO 2 . Diese entsprechen nach der Gleichung: 46 Kromayer, 4 CO 2 : C12HHCM4 = 0,136 : x 198.0,136 - . -, „ . x = = 0,306 Grm. Zucker. 88 Also wurden 97,452 Proc. Zucker wiedergefunden. Aus dem Mitgetheilten geht sonach klar hervor, dass neben dem Menyanthol bei der Spaltung des Menyan- thins mittelst Säuren Krümelzucker von der Formel C12H12012 4- 2 HO resultirt. Das bei der Spaltung III. gewonnene Destillat wurde mit reinem Aether geschüttelt, letzterer hierauf ab- gehoben und verdunsten gelassen. Es blieb ein hell- bräunliches Oel zurück von angenehmem, bit- termandelölartigen Geruch. Das Oel wurde aus einem Retörtchen über Chlore alcium aus dem Sand- bade rectificirt. Das rectificirte Oel war farblos und von noch intensiverem und angenehmerem Geruch als vorher. Es reagirte sauer und reducirte aus einer Silberlösung metallisches Silber. 0,169 Grm. Oel gaben mit Kupferoxyd verbrannt: 0,117 Grm. HO == 0,013 Grm. H = 7,692 Proc. H, 0,489 „' CO 2 == 0,1333 „ C = 78,875 „ C. Hieraus liesse sich die Formel C 16 H 9 2 ableiten. berechnet gefunden C16 = 96 79,34 78,875 H9 = 9 7,43 7,692 O 2 = 16 13,23 13,433 121 100,00 100,000. Da diese Formel aber theoretisch nicht annehmbar ist, so steht die Formel C 16 H 8 2 als die nächst passende zur Auswahl. Dieselbe verlangt: berechnet C16 = 96 80,00 H8 = 8 6,67 02 = 16 13,33 120 100,00. Die Spaltung des Menyanthins lässt sich sonach durch folgende Gleichung ausdrücken: C60H48Q30 = C12R12012 _|- 3 C16H802 + 12 HO. über das Menyanthin, 47 Diese Gleichung verlangt 27,778 Proc. Krümelzucker C 12 H 12 12 . Es wurden gefunden früher {Archiv der Pharm. .1861, Bd. 108. S. 272) 22 Proc. und ein zweites Mai 26 Proc. Krüinelzucker C 12 H 12 12 ; jetzt fand ich bei einer Bestimmung 27,1 Proc. und bei einer zweiten Bestimmung 30,82 Proc. Krümelzucker C l2 H 12 12 . Lässt man die erste offenbar zu niedrige Bestimmung ausser Betrachtung, so ist das Mittel der gefundenen Krümel- zuckermenge = 26,0 + 27,1 + 30,82 83,92 ' ^ '-^- — = -— = 27,973 Prc.Ci 2 Hi 2 0i 2 , 3 3 ' ' welche Zahl gut mit der verlangten Zahl (= 27,778 Proc. Zucker) stimmt. Das Menyanthol hat, ausser seinem bittermandel- ölartigen Geruch, auch sonst noch Aehnlichkeiten mit dem Bittermandelöl. Der Geschmack des Menyanthols ist sehr bren- nend. Schon nach wenigen Tagen erstarrt das recti- ticirte Menyanthol zu einer weissen Krystallmasse. Diese Krystalle schmelzen leicht und geben, stärker er- hitzt, einen die Schleimhäute reizenden Dampf. Im Glas- röhrchen erhitzt, sublimiren die Krystalle leicht und ge- schmolzen erstarren dieselben beim Abkühlen zu einer krystallinischen Masse. In heissem Wasser löst sich das krystallinisch erstarrte Menyanthol vollständig auf; die Lösung reagirt sauer, Bleisalze fällen diese Lösung nicht, wohl aber entsteht auf vorsichtigen Zusatz von Eisen- chlorid ein bräunlicher Niederschlag. Mit Baryt- wasser gesättigt, giebt die wässerige Lösung der Säure ein in Wasser leicht lösliches, in warzigen Anhäufungen krystallisirendes Barytsalz. So wie das Bittermandelöl in schmelzendes Kali- hydrat eingetragen, unter Wasserstoffgas- Entwickeiung rasch in Benzoesäure übergeführt wird, so erleidet eine analoge Veränderung durch diesen Process auch das Me- nyanthol. Man erhält dadurch dieselbe Säure, wie solche durch Oxydation vermittelst des atmosphärischen Sauer- stoffs aus dein Menyanthol hervorgeht. 4 8 BöJinke - Re ich, Leider reichte die Menge des Menyanthols nicht hin, um weitere Untersuchungen damit anstellen zu können. Es geht aber doch aus dem Mitgetheilten so viel hervor, dass das Menyanthol, wie das Bittermandelöl, ein Alde- hyd sein müsse, welcher durch Aufnahme von Sauerstoff in eine Säure (Menyanthsäure) übergeht. Die nähere Untersuchung der Menyanthsäure wird jedenfalls zu der richtigen Erkennung des Atomgewichts des Menyanthins führen. Geisa 7 Februar 1865. Dr. A. Kromayer. Die Formel C 16 H 8 2 , welche für das Menyanthol die meiste Wahrscheinlichkeit hat, lässt sich schreiben CHR5 (C 2 H3) O 2 , d. i. ein methylirtes Bitterman- delöl. Da das Methyl mit Wasserstoff verbunden Sumpf- gas darstellt und Menyanthes trifoliata eine Sumpfpflanze ist, so hätten wir am Menyanthin das Glykosid eines versumpften Bittermandelöls. Im Amygdalin ist statt des Methyls Cyanwasserstoff mit Bittermandelöl und Krümel- zucker gepaart vorhanden. H. Ludwig. Düngungs versuche mit Kartoffeln; von Dr. Heinrich Böhnke-Reich in Regenwalde. Mulde r, in seinem Werke: „De Voeding in Neder- land in Verband tot den volksgeest" (Die Ernährung im Zusammenhange mit dem Volksgeiste) spricht sich über die Kartoffel unter anderm so aus: „Jetzt, wo der Kar- toffelbau ein Paar Jahre misslungen und es möglich ist, dass er noch öfters misslingen wird, ist es nicht ganz unnütz, an einigen Stellen mit Erfolg gegen den Miss- brauch dieser Nahrung zu warnen. Ich für meinen Theil denke denn auch nicht so ungünstig über das allmälige Verschwinden der Kartoffeln, sondern ich möchte es eher für ein Glück als für ein Unglück halten, wenn diese Düngungsversuche mit Kartoffeln. 49 Frucht allmälig von unserem Planeten vertilgt würde. Das Menschengeschlecht muss den alten Schlendrian nicht fortschleppen, sondern kräftig vorwärts streben. Der Thee, der Branntwein, die Kartoffeln, der Reis lähmen, wenn sie übermässig genossen werden. Dadurch muss das Menschengeschlecht in seiner Entwickelung gehemmt werden." — Der Verbrauch der Kartoffeln ist höchst verschieden auf die verschiedenen Länder und die ver- schiedenen Stände vertheilt; es lässt sich im Allgemeinen als gültig hinstellen, dass in Ländern mit geringem Na- tionalwohlstande oder mit extremer Vertheilung des Be- sitzes der Verbrauch an Kartoffeln grösser ist, als an andern Orten. Der arme Theil der Bevölkerung grosser Städte, namentlich das Proletariat der Fabriken, nährt sich fast allein von Kartoffeln, was nach Wren in Ir- land bei vier Fünftheilen der Bevölkerung ausschliesslich der Fall ist. Die Folge davon sind Krankheiten, ist der Tod, bewirkt durch Inanition ; alle Krankheiten der aus- schliesslich Kartoffeln essenden Menschen lassen sich auf dieselben Ursachen, auf Ernährungsanomalien, zurück- führen. Wenn nun auch einerseits das Angeführte sich lei- der nicht bestreiten lässt, so ist doch andererseits die gegenwärtige hohe Bedeutung der Kartoffel als Nänrungs- mittel nicht zu leugnen, so dass man gerade diese Frucht zum Gegenstände sorgfältiger und umfassender Beobach- tungen machen muss. Die hier mitgetheilten Versuche hatten den Zweck, den Einfluss verschiedener künstlicher Düngemittel auf die Erträge an Kartoffeln festzustellen. Zur Anwendung kamen Knochenmehl, aufgeschlossenes Knochenmehl, Baker- Guano, Baker-Guano-Superphosphat und Chilisalpeter, de- ren Zusammensetzung weiter unten angeführt wird. Der un- gedüngte Versuchsacker zeigte folgende Zusammensetzung: 100 Theile lufttrockne Erde enthielten: Hygroskopische! Wasser 0,74 Proc. Cnem. gebund. Wasser u. organ. Substanz 2,06 „ Darin Stickstoff... 0,056 Proc. Arch. d. Phunn. CLXXIV. Uda. 1. u.2. Hft. 4 50 Böhnke - Reich, Der Ausizug der Erde mit kalter Salzsälire von 1,15 8pec. Gew. enthielt: Eisenoxyd 0,3529 Proc. Thonerde 0,2989 „ Kalk 0,1659 „ Magnesia 0,0111 „ Schwefelsäure 0,0082 „ Phosphorsäure 0,0520 „ Kali 0,0253 „ Natron 0,0671 „ Kieselsäure 0,0052 „ Organische Substanzen 0,0674 „ In Salzsäure löslich 1,0540 Proc. In Salzsäure unlöslich 98,9460 „ 100,0000. Die Schlamm-Analyse, mittelst des von Nobel con- struirten Apparates ausgeführt, ergab: darin organ. Substanz Steinchen 53,823 Proc. 0,167 Proc. (Quarz- u. Feldspathfragmente mit sehr wenig Glimmer) Groben Sand 32,557 „ 0,380 „ Feinen Sand 3,313 „ 0,060 „ Thonigen Sand 3,100 „ 0,310 „ Feinste thonige Substanz 7,207 „ 1,143 „ 100,000 2,060 Proc. Die wasserhaltende Kraft der lufttrocknen Erde be- trug 24,021 Proc, der wasserfreien Erde 24,201 Proc; die zu dieser Ermittelung benutzte, dann ausgetrocknete Erde absorbirte 22,559 Proc Wasser. Die Düngemittel hatten folgende Zusammensetzung: Knochenmehl. Hygroskopisches Wasser 4,800 Proc. Chem. gebund. Wasser u. org. Substanz 37,540 „ Darin Stickstoff. . . 4,2 Proc. Phosphorsaure Erdsalze 46,800 „ Phosphorsaures Eisenoxyd 0,280 „ Phosphorsäure. . . 21,1604 Proc. Kohlensauren Kalk und Alkalien 6,240 „ Sand 4,340 „ . 100,000. 53,320 Proc. Düngung sver suche mit Kartoffeln. 51 Aufgeschlossenes Knochenmehl. Lösliche Phosphorsäure 8,400 Proc.l Unlösliche „ 8,14t „ Jl6,541 Proc Schwefelsäure 15,066 „ Kalk 23,179 „ Magnesia 0,300 „ Eisenoxyd 0,159 „ Stickstoff 2,530 „ Wasser, Sand u. 8. w 42,225 „ 100,000. Auf Salze berechnet: Saurer phosphorsaurer Kalk 11,712 Proc. Basisch „ „ 17,772 „ Schwefelsaurer Kalk 24,857 „ Freie Schwefelsäure 0,445 Baker-Guano. Wasser und organische Substanz 19,82 Proc. Kalk 36,63 „ Magnesia 4,64 „ Eisenoxyd 1,15 „ Phosphorsäure 36,10 „ Sand 1,66 100,00. Baker-Guano-Superphosphat. Lösliche Phosphorsäure 20,24 Proc.l Unlösliche „ 2,12 „ / 22 ' 36 Proc * Eisenoxyd 0,08 „ . Magnesia 3,35 „ Kalk 9,80 „ Wasser, org. Subst., Sand, Gyps 64,41 „ 100,00. Chilisalpeter. Wa88er J' 000 Prc ' \ Cl = 0,638 Proc. Chlornatrium 1,052 „ j Schwefels. Kalk 0,372 „ S03 = 0,219 „ Salpeters. Kalk 0,100 , „ Magnesia.. . 0,740 , „ Natron 00,684 , Unlösl. Rückstand.... 0,052 , 100,00. > NO&=: 61,996 t | N = 16,073 Proc. 52 Böhnke-Reich, Düngungsversuche mit Kartoffeln. Die Art der Düngung und die Erträge giebt die nachstehende Tabelle kurz an. Ich enthalte mich einer eingehenden Darstellung, ebenso auch aller Raisonne- raents, weil die Tendenz des Archivs der Pharmacie trotz ihrer anerkannten Vielseitigkeit, doch naturgemäss dem Gebiete der Agriculturchemie nicht allzu viel Raum ge- statten darf, und ich weiss es der geehrten Redaction schon Dank, wenn sie diesem kurzen Auszuge aus einer ausgedehnten Arbeit einige wenige Seiten ihres Journals opfern will. "Erträge an Kartoffeln. Art der Düngung. Spec. Gew. Trocken- Stärke. Substanz. Proc. Proc. 1. Ungedüngt 1,11028 29,088 21,384 2. , 1,10788 28,072 20,656 3. „ 1,10769 28.028 20,586 Mittelwerthe. 1,10862 28,396 20,875 4. Knochenmehl 1,11834 30,568 22,913 5. „ mit Jauche 8 Tage in Berührung gebracht 1,10869 28,118 20,713 6. Aufgeschlossenes Knochenmehl 1,10830 28,108 20,701 7. Baker-Guano 1,11563 30,026 22,326 8. Baker- Guano -Superphosphat 1,11594 30,088 22,388 9. „ „ mit Chilisalpeter 4:1 1,11061 29,231 21,483 10. Chilisalpeter 1,10907 28,564 21,021. Die besten Erträge lieferte demnach die Düngung mit gedämpftem Knochenmehl, die schlechtesten die Dün- gung mit durch Schwefelsäure aufgeschlossenem Knochen- mehl, die noch hinter der Mittelzahl der Erträge des ungedüngten Bodens zurückblieben. Reichardt) zur Darstellung von Silberspiegeln. 53 Zur Darstellung von Silberspiegeln; von Professor Dr. E. Reichardt in Jena*). Die mannigfachen Verfahren, Silber auf Glas u. s. w. metallisch niederzuschlagen und besonders zur Spiegel- fabrikation zu verwenden, sind bekannt und bei der un- schweren Abscheidung des Silbers aus seinen Lösungen gewiss noch zu vervielfältigen. Ein Nachtheil bei die- ser Fabrikation scheint mir besonders darin zu liegen, dass so äusserst leicht fleckige Producte, wie ungleiche Ablagerungen erzielt werden, hervorgerufen durch mei- stentheils höchst unbedeutende Umstände. Die geringste Verunreinigung des Glases macht sich bei dem fertigen Fabrikate sichtbar, weshalb die meisten Methoden be- sonders darauf Rücksicht nehmen, das Glas zu reinigen, mit Ammoniak oder Kali, Salpetersäure u. s. w., kurz die ebenso vielfachen Weisen der Reinigungsarten in Vor- schlag bringen. Das ist ein grosser Uebelstand und macht das Gelingen selbst bei genauester Ausführung oft von reinen Zufälligkeiten abhängig. Hierbei nahm man als unumgänglich nothwendig an, wie bisher bei den meisten derartigen Reductionsproces- sen, wenn das Metall sich glänzend anlegen sollte, dass die grösste Ruhe dem sich absetzenden Metalle gegeben werden müsse, indem hierdurch der Metallüberzug um so gleichmässiger, dichter und cohärenter werde. Meine Versuche damit führen gerade zum Gegen theil und dürf- ten die praktische Ausführung derartiger Arbeiten auf eine andere Gestaltung hinführen. Als Methode der Versilberung gebrauche ich die von Martin vorgeschlagene. Man bereitet sich : *) Als Separatabdruck vom Hrn. Verfasser erbalten. Die Ked. 54 Reichardtj 1) eine Lösung von 10 Grm. salpetersaurem Silber- oxyd in 100 Grm. Wasser; 2) Ammoniak von 13° Cartier oder 0,984 spec. Ge- wicht ; 3) eine Lösung von 20 Grm. Aetznatron (ganz rein) in 500 Grm. Wasser; 4) eine Lösung von 25 Grm. reinen Zuckers in 200 Grm. Wasser wird mit 1 Cubikcentimet. Salpeter- säure von 36° Baume 20 Minuten lang im Sieden erhal- ten, um Invertzucker zu erzeugen. Nach dem Erkalten fügt man 50 Cubikcentimet. Alkohol von 36° Cartier oder 89,6 Volumprocenten zu und so viel Wasser, dass die ganze Flüssigkeit 500 Cubikcentimet. beträgt. Von diesen Flüssigkeiten mischt man 12 Cubikcen- timeter Silberlösung mit 8 Cubikcentimet. Ammoniak und 20 Cubikcentimet. Natronlösung, und verdünnt bis auf 100 Cubikcentimet. mit Wasser. Diese Mischung bleibt vor dem Gebrauche noch 24 Stunden stehen, kann je- doch dann gut verschlossen beliebig lang aufbewahrt werden. Zur Ausführung der Versilberung werden der letzt- genannten Mischung noch ! / 10 — !/ 12 der Invertzucker- lösung zugefügt und nach Martin wird das sehr bald sich trübende Gemisch auf die Glasfläche so angebracht, dass die zu versilbernde Fläche auf den Flüssigkeiten aufliegt. Nach meinen Erfahrungen gelingt die Versilbe- rung bei Hohlgläsern weit leichter und ohne allen Tadel durch starkes Schütteln. Man gebraucht hierbei gleichzeitig weit weniger Flüs- sigkeit; 50 — 100 Cubikcentimet. der Silbermischung ge- nügen vollständig, um ein Glas mit Silber zu überziehen, welches % — 1 Pfd. Inhalt an Wasser fassen könnte. Bei kleineren Gläsern genügen 20 — 30 Cubikcentimet. u. s. w. Die eigentliche Versilberung beginnt, wenn das sich gleich anfangs trübende Gemisch fast dunkelschwarz er- zur Darstellung von Silberspiegeln. 55 scheint; bis zu diesem Puncte ist das Schütteln noch un- nöthig und ergiebt auch leicht ersichtlich, dass von dem Silber noch nichts an den Glaswandungen haften bleibt. Ist diese dunkelste Färbung eingetreten, so färbt sich das Glas bei der nunmehr lebhaftesten Bewegung sogleich dunkelschwarz, schwarz glänzend — jedoch immer noch durchsichtig oder durchscheinend, endlich sehr rasch den Silberglanz bietend. In drei, höchstens fünf Minuten ist das Experiment vollendet und das Glas mit einem ganz dich- ten, völlig reinen Silberspiegel innen umzogen, so rein, dass auch die innerste Fläche denselben reinsten Glanz gewährt. Nicht allein für die Technik, zur Darstellung von versilberten Hohlgefässen, sondern namentlich auch als Collegien versuch dürfte sich dieses beschleunigte Verfah- ren sehr gut eignen. Der Erfolg ist für Laien und Nicht- laien überraschend. Versuche, bei geraden Flächen die gleiche Weise anzuwenden, ergaben zwar keineswegs gegenteilige Re- sultate, die so erlangten Spiegel zeichneten sich gleich- falls durch grosse Reinheit und hellen Glanz aus; jedoch ist hier, namentlich bei kleinen Proben, die Bewegung nicht so leicht auszuführen. Ich Hess die zu versilbernde Fläche auf gerader Unterlage mit einer dünnen Schicht der Silbermischung übergiessen und durch gleichmässiges Hin- und Herschieben die Bewegung erzeugen. Im Gros- sen würden vielleicht Fässer dienen können, an deren Seiten geeignet die Spiegelflächen anzubringen wären u. s. w. Merkwürdig und interessant erscheint es, dass die Haftung des doch nur an der Glasfläche adhärirenden Silbers gerade durch Bewegung, möglichst starke Bewe- gung, befördert wird und dürfte diese Beobachtung An- lass geben, andere ähnliche Processe gleichartig zu ver- suchen. 56 Reichardt, Zur Darstellung des Magnesiums; von Demselben*). Die gewöhnliche Methode, Magnesium abzuscheiden, ist jetzt diejenige von Deville und Caron, mit den Verbesserungen von Wöhler**). 600 Grm. Chlormag- nesium werden mit 100 Grm. vorher geschmolzenen Chlor- natriums (oder besser einer Mischung von 7 Th. Chlor- natrium und 9 Th. Chlorkalium) und 100 Grm. reinen Fluorcalciums nach vorherigem Pulvern der Zusätze ge- mengt, dem Gemenge 100 Grm. Natrium in Stücken zu- gesetzt und diese darin vertheilt. Diese Masse wird mittelst eines Eisenbleches in einen stark glühenden Tie- gel eingetragen und letzterer geschlossen, bis die Ein- wirkung beendigt ist, worauf man umrührt und vor dem völligen Erstarren nochmals rührt, um die zerstreuten Magnesiumkügelchen zu vereinen. Nach Wöhler lässt man dann den Tiegel ruhig erkalten und nimmt nach dem Zerschlagen die Magnesiumkugel heraus. Durch Behandeln mit Wasser kann noch das weitere, in kleinen Kugeln vorhandene Metall von der Schlacke gesondert werden. Wöhler wendete an Stelle des Chlormagne- siums auch ein Gemisch von Chlormagnesium und Chlor- natrium an, durch Eindampfen der Lösungen und Schmel- zen des Rückstandes erhalten. Die Bereitung des Chlormagnesiums geschieht hierzu nach der von Liebig angegebenen Vorschrift, dass man Chlorammonium mit Chlormagnesium in Lösung mischt, verdunstet und den Rückstand schmilzt, bis sämmtliches Ammoniaksalz verflüchtigt ist. Diese Operation hat sehr viel Lästiges, die Menge der Dämpfe und vor Allem die Masse, welche in dem grossen Tiegel zusammenschwin- *) Als Separatabdruck vom Hrn. Verfasser erhalten. Die Red. **) Annal. der Chemie und Pharmacie, Bd. CI. S. 359 und 632; Jahresbericht von Lieb ig und Kopp 1857, S. 148. zur Darstellung des Magnesiums. 57 det und endlich das wasserfreie geschmolzene Chlormag- nesium ergiebt. Sollte vor dem Glühen das Gemisch von Salmiak und Chlormagnesium nicht ganz scharf ausgetrock- net worden sein, so erhält man sehr leicht überhaupt kein reines MgCl, sondern nicht brauchbare Gemische desselben mit MgO. Weit leichter lässt sich für diesen Zweck das jetzt in Stassfurt in so grosser Menge, auch ganz rein vor- kommende Doppelsalz von KCl und MgCl anwenden — der Carnallit. H. Rose und Oesten bewiesen die- ses wichtigste Kalisalz Stassfurts als KCl -f- 2 MgCl -|- 12 HO und gaben ihm den Namen Carnallit. Dieses Mineral findet sich entweder ganz rein und ungefärbt oder gewöhnlich röthlich, bis lebhaft fleischfarben. Die Färbung ist dann durch äusserst wenig Eisenglimmer hervorgerufen, welcher bei dem Lösen in Wasser sich abscheidet und unter dem Mikroskop als sehr schöne regelmässige sechsseitige Tafeln sichtbar ist. Ohne alle Schwierigkeiten kann man den Carnallit scharf eintrock- nen und bei allmäliger Steigerung der Wärme schmel- zen. Gewöhnlich hat diese geringe Beimischung von Eisenglimmer auf das zu erzielende Magnesium gar kei- nen Einfluss, jedoch kann durch einmaliges Lösen und Filtriren der Lösung auch diese fremde Substanz entfernt werden. Den geschmolzenen Carnallit giesst man sogleich auf blankes Eisen oder Stein aus und kann ununter- brochen weiter entwässern und schmelzen, so lange der Tiegel es gestattet, welcher auch hier bei dem Erkalten fast regelmässig zerspringt. Obigen 600 Grm. MgCl ent- sprechen genau 10G8 Grm. KCl -f- 2 MgCl, worin natür- lich über 400 Grm. KCl enthalten sind, welche in dieser Verbindung die leichte Schmelzbarkeit bedingen. Mit geringen Abänderungen gestaltet sich die Methode von Deville und.Caron bei Anwendung von Carnallit fol- ud: lOoo Grm. geschmolzener Carnallit werden fein zer- rieben, schnell mit 100 Grm. reinen Flussspathes ge- 58 Gerlach, mischt und mit 100 Grm. Natrium in Stückchen ge- eignet gemengt wie oben behandelt. Die Ausbeute ent- spricht der gewöhnlichen bei Anwendung von Mg Cl. Grössere Variationen hinsichtlich des Carnallites oder des Flussspathes ergaben mir keine günstigen Re- sultate. Die Einwirkung des Natriums auf das Gemisch geht äusserst ruhig vor sich, jedoch muss darauf geachtet werden, dass der Carnallit nicht mit Kieserit — schwe- felsaurer Talkerde — gemischt sei. Ein solches Gemisch zeigt sich schon durch das ungleiche Aussehen des Mi- nerals — Kieserit ist weiss, opak bis undurchsichtig — durch die Abscheidung bei dem Schmelzen u. s. w. Sollte Kieserit mit in die Natriumreaction gelangen, so ent- stehen Detonationen oder Explosion. Von den zahlreichen Fabrikanten in Stassfurt dürfte der Carnallit leicht völlig rein zu erhalten sein. Ein gegenseitiger Vergleich der allgemeinen Aräometer -Scalen. Zusammengestellt von Dr. G. Th. Ger lach in Kalk bei Deutz. (Hierbei eine graphische Darstellung.) Die Aräometrie hat zum Zweck, die Dichtigkeit der Flüssigkeiten zu messen. Die Instrumente, welche man hierzu benutzt (Aräometer), sind aber auf den Vorschlag verschiedener Physiker mit sehr verschiedenen Scalen versehen worden, welche entweder auf wissenschaftliche Principien gestützt, als rationelle Scalen zu bezeichnen sind, oder denen nur willkürliche Annahmen, ohne wis- senschaftliche Basis, zu Grunde liegen und die somit als empirische Scalen zu betrachten sind. Man hat durch vergleichende Zahlentabellen die ver- schiedenen Aräometer- Scalen mit einander verglichen und Vergleich der allgemeinen Aräometer- Scalen. 59 hat sie bei gleichen Temperaturverhältnissen auf die ent- sprechenden specifischen Gewichte zurückgeführt. Es bieten aber derartige Zahlentabellen, wie ich glaube, nicht diejenige allgemeine Uebersicht über die obwaltenden Verschiedenheiten, als dies durch eine vergleichende gra- phische Darstellung der Scalen in umfangreicherem Maasse ermöglicht werden kann. Ich habe daher diesen letzteren Weg zum Vergleiche eingeschlagen, und habe ihn um so lieber gewählt, als bei dem Beaume'schen Aräometer, welches in der Praxis die ausgedehnteste Anwendung findet, erhebliche Abweichungen beim Vergleich der Re- ductionsangaben auf das specifische Gewicht gefunden wurden. Da die Construction der verschiedenen Aräo- meter-Scalen in den Lehrbüchern der Physik ausführlich beschrieben ist, beschränke ich mich hier auf eine ganz kurze Wiederholung der Principien, welche den einzel- nen Scalen zu Grunde liegen. Nur bei der Besprechung der Beaume'schen Scalen habe ich eine eingehende Be- handlung dieses Gegenstandes für nöthig erachtet, weil in der That mehrfach durch irrige Annahmen und feh- lerhafte Bestimmungen im Laufe der Zeit Unsicherheiten beim Vergleiche mit andern Scalen herbeigeführt worden sind. Eine strenge kritische Sichtung des Brauchbaren von dem Unbrauchbaren war aber nur durch eine genaue experimentelle Wiederholung der Fundamentalversuche zu ermöglichen. Die Volumeter- Scalen nach G ay-Lussac. Unter allen Scalen, welche man auf Aräometern an- gebracht hat, sind unstreitig die von G ay-Lussac die einfachsten und zweckmässigsten. Die Volumeter-Scalen nach Gay-Lussac geben die Raumtheile der Flüssig- keiten in Zahlen an, welche ein schwimmendes Aräo- meter verdrängt, ein gleich grosses Gewicht Wasser von derselben Temperatur = 100 Raumtheile angenommen. So wird beispielsweise ein schwimmendes Aräometer, wel- ches vom Wasser 100 Raumtheile verdrängt, von einer 60 Gerlach, doppelt so schweren Flüssigkeit 50 Raumtheile verdrän- gen. Der Punct an der Scala, bis zu welchem das schwimmende Aräometer im Wasser einsinkt, ist also mit 100, und derjenige, bis zu welchem dasselbe Aräometer in einer Flüssigkeit vom specinschen Gewicht 2 einsinkt, ist mit 50 zu bezeichnen. Der erhaltene Zwischenraum ist in 50 gleich grosse Unterabtheilungen oder Grade zu theilen und diese Theilung wird in gleichen Abständen auch oberhalb des Punctes 100 für Flüssigkeiten, leich- ter als Wasser, fortgeführt. Es entspricht demnach jeder Grad dem hundertsten Theil von demjenigen Volumen des Instrumentes, welches sich beim Schwimmen im Was- ser unter dem Wasserspiegel befindet. Die hundertgradiye Aräometer -Scala. In Frankreich ist hier und da das hundertgradige Aräometer gebräuchlich. Merkwürdiger Weise hat die- ses vorzügliche Instrument sich in Deutschland keinen Eingang verschaffen können und ist hierorts nur wenig bekannt, obgleich dasselbe auf streng wissenschaftlichen Principien beruht und alle Vortheile für praktische und wissenschaftliche Zwecke im hohen Grade vereinigt, welche nur irgend eine andere allgemeine Aräometer- Scala bie- ten kann. Da selbst die deutschen Lehrbücher der Physik die- ses Aräometer kaum erwähnen, so sei über seine Con- struction in der Kürze Folgendes bemerkt: Der Punct an der Scala, bis zu welchem das Aräo- meter beim Schwimmen im Wasser von 4° C. (dem Maxi- mum der Wasserdichte) einsinkt, ist der Nullpunct der Scala; das ganze im Wasser schwimmende Volumen des Aräometers wird von diesem Nullpunct aus, so weit es die Scala erlaubt, für Flüssigkeiten, schwerer als Wasser, in 100 gleiche Raumtheile oder Grade getheilt, und diese Theilung in gleichen Abständen wird auch aufwärts vom Nullpunct für Flüssigkeiten, leichter als Wasser, auf- getragen. Vergleich der allgemeinen Aräometer -Scalen. 61 Da nun beispielsweise in einer Flüssigkeit vom spec. Gewichte 2 nach bekannten physikalischen Gesetzen das Instrument in der Weise schwimmen muss, dass von jenem Nullpunct aus gerechnet 50 Raumtheile des vor- hin erwähnten Volumens ausserhalb der Flüssigkeit sich befinden und 50 Raumtheile in der Flüssigkeit einge- taucht bleiben, so wird der Theilstrich 50 dem spec. Gew. 2,0 entsprechen. Das Volumen des Instrumentes, wel- ches beim Schwimmen im Wasser von 4°,1 C. bis zum Nullpunct eintaucht, wird der Model (module) genannt, und da jeder Grad dem hundertsten Theil dieses Models entspricht, so ist die Beziehung der einzelnen Grade des Instruments zum specifischen Gewichte der Flüssigkeiten immer eine sehr einfache. Bei den Graden für Flüssigkeiten schwerer als Was- ser findet man das specifische Gewicht nach der Formel: 100 bei den Graden für Flüssigkeiten leichter als Wasser fin- det man das specifische Gewicht nach der Formel: 100 100 -f n = 8 ' In diesen Formeln entspricht n der Anzahl der Grade, 8 dem zu suchenden specifischen Gewichte. Anleitungen zur Construction des hundertgradigen Aräometers gab u. A. Francoeur. (Vergl. Dingl. polyt. Jount. Bd. 85. S. 349.) Das Instrument kann natürlich auch für jede belie- bige andere Temperatur angefertigt werden, jedoch schlug Francoeur die Temperatur von 4°,1 C. vor. Die Scala für specifische Gewichte. Die specifischen Gewichte zweier Flüssigkeiten ver- halten sich bei gleich grossem absoluten Gewichte um- gekehrt wie deren Volumina. Man findet daher leicht daa specifische Gewicht durch Division des Volumens in 62 Gerlach, das absolute Gewicht, und umgekehrt lässt sich leicht durch Division des speciflschen Gewichtes in das abso- lute Gewicht das Volumen ermitteln, welches die Flüs- sigkeit einnimmt. Da jeder Körper beim Schwimmen diejenige Menge der Flüssigkeit verdrängt, deren abso- lutes Gewicht dem absoluten Gewicht des Körpers gleich- kommt, so bleiben die Gewichtsmengen, welche ein schwim- mendes Aräometer verdrängt, immer dieselben, nur die Raumtheile werden gemessen. Setzt man das absolute Gewicht der verdrängten Flüssigkeit = 100, so entspre- chen folgende specifische Gewichte den untenstehenden Raumtheilen. Diese Zahlen dienen dem Vergleiche der Volumeter-Scala nach Gay-Lussac mit der Scala für die specifischen Gewichte als Grundlage. Man verfertigt bekanntlich die Scalen für specifische Gewichte auch auf geometrischem Wege nach der all- gemein eingeführten Methode von G. G. Schmidt. Specifische Entsprech. Specifische Entsprech. Gewichte Raumtheile Gewichte. Raumtheile. 0,68 147,060 0,90 111,111 0,69 144,928 0,91 109,890 0,70 142,857 0,92 108,696 0,71 140,845 0,93 107,527 0,72 138,889 0,94 106,383 0,73 137,000 0,95 105,263 0,74 135,135 0,96 104,166 0,75 133,133 0,97 103,093 0,76 131,580 0,98 102,040 0,77 129,870 0,99 101,010 0,78 128,205 1,00 100,000 0,79 126,582 1,05 95,238 0,80 125,000 1,10 90,909 0,81 123,457 1,15 86,956 0,82 121,951 1,20 83,333 0,83 120,482 1,25 80,000 0,84 119,047 1,30 76,923 0,85. 117,647 1,35.. .....; 74,074 0,86 116,280 1,40 71,428 0,87 114,942 1,45 68,965 0,88 113,636 1,50 66,666 0,89 112,359 1,55 64,516 Vergleich der allgemeinen Aräometer- Scalen. 63 Specifische Entsprech. Specifische Entsprech. Gewichte. Raumtheile. Gewichte. Raumtheile. 1,60 62,500 1,85 54,054 1,65 60,606 1,90 52,632 1,70 58,824 1,95 51,282 1,75 57,143 2,00 50,C0O 1.80, 55,555 Diese beschriebenen drei Instrumente: das Volumeter, das hundertgradige Aräometer und das Aräometer für specifische Gewichte, sind von dem genialen Gay-Lussac in Vorschlag ge- bracht worden. In ihrer Einfachheit umfassen sie das ganze Gebiet der Aräometrie und sie allein haben die rationellen Scalen. Die Aräometer - Scala nach Tioaddle. Twaddle's Aräometer, auch Hydrometer genannt, ist hauptsächlich in England gebräuchlich. Der Null- punct liegt bei Twaddle's Scala beim specifischen Ge- wichte des Wassers, und jeder Theilstrich seiner Scala entspricht einer constanten specifischen Gewichtszunahme von 0,005, der Theilstrich 10 liegt also beim specifischen Gewichte 1,05, der Theilstrich 20 beim spec. Gew. 1,10 u. s. w. Die ganze Länge vom specifischen Gewichte 1 bis zum specifischen Gewichte 2 ist somit in 200 Grade getheilt. Twaddle hat seine Scala nur für specifisch schwerere Flüssigkeiten als Wasser (Salzlaugen, Säuren u. 8. w.) construirt, sie ist nicht für specifisch leichtere Flüssigkeiten fortgesetzt und in Gebrauch genommen. Um eine grössere Theilung zu erzielen und die ein- zelnen Grade grösser und mithin genauer zu machen, besteht das Hydrometer von Twaddle aus 6 Aräometern mit aufeinander folgenden Scalen. Die specifischen Ge- wichte ß, welche den einzelnen Graden n dieses Instru- mentes entsprechen, ergeben sich aus der Formel 100 "~ 8 ' 64 Gerlach, Bei den vier bis jetzt beschriebenen Scalen ist ab- sichtlich auf der beigefügten lithographischen Tafel keine Temperatur angegeben, da das Verhältniss der einzelnen Grade dieser vier Scalen zu einander bei allen gleichen Temperaturen dasselbe bleibt. Beim Vergleiche mit den übrigen Scalen gelten natürlich auch für diese vier Sca- len die nämlichen Temperaturen, welche der jedesmaligen Scala beigefügt sind. Die Aräometer-Scalen nach Beck. Ebenfalls auf eine specifische Gewichtsannahme ge- gründet ist das Aräometer nach Beck. Beck in Bern fertigte nach Benteley's Vorschlag Aräometer und bezeichnet den Punct, bis wohin ein Aräo- meter in Wasser von 10° R. einsinkt, mit 0, und den Punct, bis wohin dasselbe Aräometer in einer Flüssigkeit von 0,85 bei derselben Temperatur einsinkt, mit 30. Den Zwischenraum theilt er in 30 gleich grosse Theile und trägt diese Eintheilung sowohl weiter aufwärts (für spe- cifisch leichtere Flüssigkeiten), als abwärts vom Wasser (für specifisch schwerere Flüssigkeiten) fort. Seine Scala ist also eine empirische. Zur Zurückführung der Grade auf die specifischen Gewichte kann man sich folgender Formel bedienen: a) für specifisch leichtere Flüssigkeiten als Wasser: 100 ,„o + [( -. -_ r) . .] = s. oder 100 = a. 100 -f (0,5882353 . n) b) für specifisch schwerere Flüssigkeiten als Wasser: 100 r/KV! " — -T^ 8 ' ° der 100 — m^>-\ Vergleich der allgemeinen Aräometer - Scalen. 65 100 s. 100 — (0,5882353 . n) n sind die Anzahl der Grade, s das specifische Gewicht. Es entspricht also beispielsweise der Grad 70 nach Beck für specifisch leichtere Flüssigkeiten als Wasser 100 dem specifischen Gewichte „ . . ._„ . = 0,708334: und r 141,1764 der Grad 70 nach Beck für spec. schwerere Flüssigkei- 100 ten als Wasser dem specifischen Gewichte — = r 58,8236 1,700000. Da ich für die Reduction der einzelnen Grade auf das specifische Gewicht bei den übrigen Aräometerscalen ähnliche Formeln in Vorschlag gebracht habe, so will ich mir erlauben, ganz in der Kürze noch einige Worte zur Entwickelung dieser Formeln beizufügen. In den erwähnten Formeln entspricht der Zähler 100 dem absoluten Gewicht der Flüssigkeit, der Nenner hin- gegen dem Volumen, welches diese Flüssigkeit einnimmt. Das absolute Gewicht dividirt durch das Volumen, ist aber gleich dem specifischen Gewichte. Beck theilte den Raum in der Scala zwischen dem specifischen Gewichte 0,85 und 1,00 in 30 gleiche Theile. Das Volumen einer Flüssigkeit von 0,85 spec. Gew. be- 100 trägt aber = 117,64706 Raumtheile, während das 0,85 Volumen des Wassers (spec. Gew. 1) 100 Raumtheilen entspricht. Der Raum von (117,64706 — 100) 17,64706 Volumtheilen wurde also in 30 Theile getheilt, so dass jeder einzelne Grad dem Volumen von - = ' 30 0,5882353 Raumtheilen entspricht. Diese letztgenannte Zahl ist mit der Anzahl n der Grade zu multipliciren, um zu finden, wie viel Raumtheile n Grade entsprechen, und diese gefundenen Raumtheile sind zu dem Volumen Arch.d.Pluum CLXXIV.IMB.l.u.2.FIft. 5 66 Gerlach, des Wassers =100 bei specifisch leichteren Flüssigkei- ten als Wasser zu addiren, oder bei specifisch schwere- ren Flüssigkeiten als Wasser von 100 zu subtrahireu, um die Raumtheile zu finden, welche 100 Gewth. der fraglichen Flüssigkeit (von n Grad Beck) verdrängen; dieses letztere Volumen bildet den Nenner der obigen Formel. Die Aräometer-Scalen nach Beaume. Beaume construirte zwei Instrumente, das eine für specifisch leichtere Flüssigkeiten als Wasser, das andere für specifisch schwerere Flüssigkeiten. Beiden Instru- menten lagen ursprünglich verschiedene Ausgangs- puncte zu Grunde. a) Die Scala für specifisch leichtere Flüssig- keiten als Wasser. Zur Construction dieser Scala stellte sich Beaume eine Lösung von 10 Gewth. Kochsalz und 90 Gewth. Wasser dar, senkte ein Aräometer hinein und bezeich- nete den Punct, bis zu welchem dasselbe einsank, an der Scala mit Null; denjenigen Punct aber, bis zu welchem dasselbe Aräometer in Wasser einsank, bezeichnete er mit 10. Der Zwischenraum wurde in 10 gleiche Theile getheilt und diese Eintheilung aufwärts in gleichen Ab- ständen fortgeführt. Eine lOprocentige Kochsalzlösung, wie sie Beaume zur Herstellung seines Instrumentes benutzte, hat bei 15° C, das specifische Gewicht 1,07335, Wasser von der- selben Temperatur = 1. (Dieses specifische Gewicht be- zieht sich auf das Vacuum. Durch den praktischen Ver- such mit chemisch reinen Substanzen wurde es bei zwei Lösungen und einem Barometerstand von 28" 1'" und 140 C. Zimmertemperatur zu 1,073464 und 1,0734305 ge- funden, also im Mittel zu 1,0734487, welches reducirt auf das Vacuum dem spec. Gew. 1,07335 entspricht.) Um das spec. Gewicht dieser Losung auch für an- dere Temperaturen zu berechnen, ist es nöthig, die Volum- Vergleich der allgemeinen Aräometer -Scalen. 67 Veränderungen der lOprocentigen Kochsalzlösung einer- seits und die Ausdehnung des Wassers andererseits zu kennen, welche diese Flüssigkeiten bei Aenderung der Temperatur erleiden. Ich habe diese Volumveränderun- gen wie folgt bestimmt: Volumen der lOprocentigen Kochsalzlösung bei 00 C. = 00 R. — 1,000000 , 120,5 C. = 100 R. _ 1,001900 „ 150 C. = 120 R. _ 1,002450 „ 170,5 C. = 140 R. — 1,003075. Volumen des Wassers bei 00 C. = 00 R. — 1,000000 „ 120,5 C. = 100 R. _ 1,000380 „ 150 C. == 120 R. _ 1,000700 „ 170,5 C. = 140 R. _ 1,001105. Um beispielsweise das specifische Gewicht der zehn- procentigen Kochsalzlösung bei 10° R. zu berechnen, hat man also nur nöthig, das spec. Gewicht der lOprocenti- gen Kochsalzlösung bei 15° C. = 1,07335 durch das Vo- ! • ^AT> / 1,00190 \ .„ ... lumen dieser Losung bei 10 ü K. ( — T^rrr- 1 ZLl dividi- \ 1,00245 / ren und mit dem Volumen des Wassers bei 10° R. ( — - ) zu multipliciren. Den obengenannten Brü- \ 1,00070 / * ö chen Hegt das Volumen der Flüssigkeiten bei 15° C. (120 R.) als Einheit zu Grunde. Das specifische Gewicht der lOprocentigen Kochsalz- lösung ist also bei 100 R. 1,07335 X 1,00038 X 1,00245 ^ — — 1.07359G, Wasser von 1,00070 X 1,00190 ' ' 10*R, = 1 l l" 1 R 1,07335, Wasser von 120R. = 1 bei i l°K. 1,07335 - 1,001 105 V 1,002450 — ' = 1,0731105, "Wasser 1,00070 / 1,003* ' ' von 14°R. = 1. 68 Gerlach, Je nachdem also ein Beaume'sches Instrument für Flüssigkeiten leichter als Wasser für die Temperatur 10° R., 120 R. oder 14° R. angefertigt ist, muss der Null- punct dem spec. Gewichte 1,073596 oder 1,07335 oder 1,0731105 bei der betreffenden Temperatur gleich sein. Das specifische Gewicht einer lOprocentigen Koch- salzlösung bei 120 R. i s t also 1,07335 und das Volumen einer solchen Lösung ist demnach = 93,166 1,U i ööö des Volumens eines gleichen Gewichts Wasser bei 12° R. == 100 gesetzt. 10° Beaume entsprechen demnach (100 — 93,166) = 6,834 Volumeneinheiten. Der Grad Volumeneinheiten der Beaume'schen Scala entspricht 93,166 10 100,00 20 106,834 30 113,668 40 120,502 50 127,336 60 134,170 Durch Division dieser Zahlen für die Volumeneinheiten in das absolute Gewicht 100 findet man die specifischen Gewichte, welche den Graden nach Beaume entsprechen. 0° Beaume entsprechen 1,07335 spec. Gew. 100 1,00000 200 0,93603 300 0,87975 400 0,82986 500 0,78532 „ 600 0,74532 Diese berechneten specifischen Gewichte, welche sich auf die Temperatur von 12° R. beziehen, stimmen mit denen überein, welche Francoeur durch den prakti- schen Versuch (10°R.) fand. Francoeur verglich zwei fertige Instrumente durch Eintauchen in dieselben Flüs- sigkeiten, und zwar ein Beaume'sches Instrument und ein Aräometer, auf dessen Scala die specifischen Gewichte Vergleich der allgemeinen Aräometer - Scalen. 69 verzeichnet waren. Ausser Francoeur hat u. A. auch Delezennes solche Versuche angestellt (vergl. Liebig's Handwörterbuch, Bd. I. S. 473) ; aber seine Angaben sind unrichtig 5 auch S ch b e r und P e ch e r (Dinglers polyt. Journ. Bd. XXVII. S. 63) verglichen beide Scalen u. v. A. Die specifischen Gewichte lassen sich, wie aus Obi- gem erhellt, für jeden Grad Beaume bei der Temperatur 12° R. leicht nach folgender Formel berechnen: 100 (lOO ™—\ . n 100 1,07335 7 + = s, oder 1,07335 ■ 10 100 93,166 -f- (0,6834 . n) 100 oder auch = s, = s. 100 + [0,6834 . (n — 10)] Formel für ein Beaume'sches Instrument für speci- fisch leichtere Flüssigkeiten, welches für die Temperatur 10° R. gültig ist: 100 100 4- [0,6855 . (n— 10)] ' ' S ' Formel für ein Beaume'sches Instrument für speci- fisch leichtere Flüssigkeiten, welches für die Temperatur 140 R. gültig ist: 100 100 -f [0,6813 . (n — 10)] = " S * Wie immer in folgenden Formeln ist n der betref- fende Aräometergrad, s das zu berechnende specifische Gewicht. Es ist noch ausdrücklich hervorzuheben, dass bei einem Instrumente, welches den Namen Beaume's trägt und welches für specitisch leichtere Flüssigkeiten als Was- ser benutzt wird, allemal der Grad 10 beim specifischen viclite des Wassers liegen muss. Abweichungen hier- von, wenn sie nicht ganz besonders auf der Scala be- merkt sind, sind als fehlerhaft und als Verwechslungen 70 Gerlach, mit andern Scalen (dem holländischen Aräometer) zu be- zeichnen. b) Die Scala für specifisch schwerere Flüssig- keiten als Wasser. Zur Herstellung dieser Scala benutzte Be au me nicht dieselbe lOprocentige Lösung, sondern stellte sich eine Lösung von 15 Gewth. Kochsalz in 85 Gewth. Wasser her, also eine 15procentige Kochsalzlösung. Den Punct, bis zu welchem ein Aräometer in dieser 15procentigen Kochsalzlösung einsank, bezeichnete Beaume an der Scala mit 15; denjenigen Punct aber, bis zu welchem dasselbe Aräometer in Wasser einsank, mit Null; der Zwischenraum wurde in 15 gleiche Theile getheilt und diese Theilung in gleichen Abständen abwärts weiter fortgeführt. Eine genaue Bestimmung ergab mir, dass das spe- cifische Gewicht der löprocentigen Kochsalzlösung im Vacuum bei 150 C. = 1,11146 ist, Wasser von 15<> C. = 1. (Durch Versuche wurde es bei zwei Lösungen gefunden zu 1,111603 und 1,111588, im Mittel also zu 1,1115955 bei 28" V" Barometerstand und 140(1 Zim- mertemperatur.) Es lassen sich die specifischen Gewichte, welche den Beaume'schen Graden für Flüssigkeiten schwe- rer als Wasser bei 15° C. (12° R.) entsprechen, leicht nach der Formel berechnen : 100 ( 100 \ ' - -14Ü46-) • n 100 - — 15 100 = s, oder 100 — (0,66855 . n) Nach dieser Formel findet man für 660 B. das spec. Gewicht *??-- = 1,789687; für 700 B. das spec. Gewicht — * p = 1,879646. 53,2015 Vergleich der allgemeinen Aräometer - Scalen. 71 Dieses Instrument, welches Beaume für specifisch schwerere Flüssigkeiten als Wasser construirte, hat heut- zutage nur noch ein geschichtliches Interesse. Ich habe es nur der Vollständigkeit halber mit erwähnt, da in allen Hand- und Lehrbüchern sich die Angabe befindet, dass dem Beaume'schen Instrumente für specifisch schwe- rere Flüssigkeiten als Wasser die löprocentige Kochsalz- lösung zur Bestimmung des Grades 15 zu Grunde liege. Auch für die Flüssigkeiten, welche specifisch schwe- rer als Wasser sind, wird jetzt der Zwischenraum an der Scala zwischen dem specifischen Volumen des Wassers und dem specifischen Volumen der lOprocentigen Koch- salzlösung in 10 gleiche Theile getheilt und diese Thei- lung wird auf die übrige Scala fortgesetzt. Es ist dies ein stillschweigendes Uebereinkommen, welches sich seit langer Zeit eingebürgert hat. Durch die Aenderung die- ses Princips in der Construction ist auch eine Aenderung der relativen Grösse der einzelnen Grade veranlasst wor den, denn es verhalten sich keineswegs die Raumtheile zwischen dem specifischen Volumen des Wassers und dem specifischen Volumen der zehnprocentigen Kochsalz- lösung einerseits, und die Raumtheile zwischen dem spe- cifischen Volumen des Wassers und der funfzehnpro- centigen Kochsalzlösung andererseits, genau wie 10 zu 15. Bei der Lösung eines jeden Salzes findet eine Verdichtung statt, die relativ um so grösser ist, je verdünnter die Lösung ist. Ich hebe ausdrück- lich hervor, dass nur unter der Voraussetzung, dass die loprocentige Kochsalzlösung als Ausgangspunct gewählt wird, der Grad 66 Beaume dem specifischen Gewichte der käuflichen Schwefelsäure entspricht, und die Mecha- niker benutzen ja bekanntlich jetzt allemal die Schwefel- säure von bestimmtem speeif. Gewichte (1,815, richtiger 1.817 bei 11° II.) zur Feststellung des Grades 66 an Beaura6'fl Scala und theilen die übrige Scala hiernach ein. Ea ist diese allgemein übliche Art der Feststellung jedenfalls weit zweckmässiger, als die von Beaume vor- 72 Gerlachy geschlagene, da sich eine weit grössere Genauigkeit erzie- len lässt, wenn eine ganze Scalenlänge in Unterabthei- lungen getheilt wird, als wenn von einem kleinen Theil der Scala ausgegangen und diese Theilung auf die übrige Scalenlänge übertragen wird. Die Grade der Beaume'schen Scala sind vielfach mit den specifischen Gewichten verglichen worden, ich führe zum Vergleiche einige Angaben an: Nach Dele- zennes (b.lOOR.) Nach Fran- coeur (b.lO°R.) Nach Bohnen- berger (bei 11,5° R.) Nach Gilpin (bei 10° R.) Nach Schober und Pecher 14° R. Grahams Lehrb. Bd. I. S.158 Nach Maro- seau 10° R. 10°B.= 15°B.= 20°B.= 30°B.= 40°B.= 50°B.= 60°B.= 66°B.= 70°B.= 1,0769 1,0704 1,069 1,075 1,0740 1,073 1,1200 1,1095 1,107 1,116 1,1152 1,113 1,1666 1,1515 1,148 1,161 1,1598 1,157 1,2727 1,2459 1,239 1,261 1,2605 1,256 1,3999 1,3571 1,347 1,384 1,3804 1,375 1,5555 1,4902 1,532 1,5255 1,515 1,7501 1,6522 1,714 1,7047 1,690 1,8922 1,7674 1,848 1,8340 1,815 2,0003 1,8537 1,946 1,9316 1,909 1,075 1,116 1,161 1,263 1,384 1,530 1,711 1,842 1,942 Man erstaunt über die Abweichungen, welche die verschiedenen Physiker erhielten. Diese Abweichungen haben zum Theil darin ihren Grund, dass z. B. Fran- coeur sein Instrument nach der ursprünglichen Angabe Beaüme's construirte, während die übrigen Physiker sich der lOprocentigen Kochsalzlösung bedienten. So stellten beispielsweise Schober und Pech er (Dingl. polyt. Journ. Bd. XXV IL S. 63) sich 3 Lösun- gen dar, jede mit 10 Proc. Kochsalzgehalten und bestimm- ten das specifische Gewicht einer Lösung bei 14° R., aus reinem Steinsalz zu 1,07305, aus käuflichem Kochsalz zu 1,07372 und aus einem Salze, welches sie durch Sättigen von reinem kohlensauren Natron mit reiner Salzsäure dar- gestellt hatten, zu 1,07518. Hiernach nehmen sie als Mittel das specifische Gewicht der 10 procentigen Koch- Vergleich der allgemeinen Aräometer -Scalen. 73 Salzlösung zu 1,074 an; offenbar war aber die letztere der drei Bestimmungen unrichtig ausgefallen. Die genauen specifischen Gewichte einer 10 procen- tigen Kochsalzlösung bei den verschiedenen Temperatu- ren habe ich schon weiter oben angegeben, je nachdem also ein Beaume'sches Instrument für die Temperatur 10° R., 120 R. oder 14° R. angefertigt ist, muss der Theil- strich 10 der Scala dem specifischen Gewichte 1,073596 oder 1,07335 oder 1,0731105 bei der betreffenden Tem- peratur gleich sein und es lassen sich leicht nach folgen- den 'Formeln die specifischen Gewichte berechnen, welche bei den betreffenden Instrumenten den einzelnen Graden nach Baume entsprechen. Formel für ein Beaume'sches Aräometer, welches für die Temperatur 10° R. gültig ist: 100 100 [(— #4i oder 100 100 — (0,6855 . n) Hiernach berechnet sich beispielsweise das specifische Gewicht für den Grad 66 Beaume zu — — — — == 1,82625, r „ , 70 Beaume* zu ., 0/MK = 1,92252. 52,015 Formel für ein Beaume'sches Aräometer, welches für die Temperatur 12°R. gültig ist: 100 100 — (0,6834. n) ' = 8 * Hiernach berechnet sich beispielsweise das specifische Gewicht für den Grad 66 Beaume zu — — — - — 1,82164, .»1 ; H96 , <0 Beaume zu - , . , = 1,917105. 52,162 74 Ge?'lach } Formel für ein Beaume'sches Aräometer, welches für die Temperatur 14° R. gültig ist : 100 100 — (0,6813. n) == S ' Hiernach berechnet sich beispielsweise das specifische Gewicht für den Grad 66 Beaume zu — — = 1,81706, 55,034 70 Beaume zu = 1,91172. o z,ouy Da die meisten Aräometer nach Beaume für die Temperatur 14° R. angefertigt werden, so hat das spe- cifische Gewicht des Grades 6,6 Beaume bei dieser Tem- peratur ein besonderes Interesse. Ich bemerke, dass man meistens (wiewohl mit Unrecht) das specifische Ge- wicht der 10 procentigen Kochsalzlösung willkürlich auf 3 Decimalstellen abkürzt und zu 1,073 annimmt, bei die- ser Abkürzung berechnet sich alsdann das specifische Ge- wicht für den Grad 66 Beaume zu 1,815; und dieses letztgenannte specifische Gewicht, 1,815 ist es, welches man dem Grade 66 Beaume bei 14° R. nach den ge- bräuchlichen Tabellen bei der Anfertigung der Instru- mente zu Grunde legt. Der Umstand, dass der Grad 66 Beaume dem spe- cifischen Gewichte der käuflichen Schwefelsäure entspricht, ist Veranlassung gewesen, dass man bei den vermehrten Ansprüchen an die Concentration der englischen Schwe- felsäure auch den Grad 66 Beaume tiefer an der Scala verlegt wissen wollte, so dass er einem höheren speci- fischen Gewichte entspräche. Man stellte die Behaup- tung auf, dass die englische Schwefelsäure eigentlich das reine Schwefelsäurehydrat sein sollte, zusammengesetzt nach der Formel HO, SO 3 und weil nach Bineau's Tabellen, welche Otto für die Temperatur 15° G. nach Bineau's eignen Angaben berechnete, das specifische Gewicht des Schwefelsäurehydrates bei 15° C. — 1,8426 ist, so wollte man wahrscheinlich aus diesem Grunde den Vergleich der allgemeinen Aräometer- Scalen. 75 Grad 66 Beaume auch bei diesem specifischen Gewichte (1,842) angebracht wissen. Eine solche Tabelle hat u. a. Gmelin in seinem Lehrbuch der Chemie aufgenommen; auch Fehling in seiner Uebersetzung von Payen's Gewerbschemie (1,84 a.a.O. 1,847); Fehling spricht sich auch dahin aus, dass man bei der Prüfung der Beaume'schen Aräometer die käufliche Schwefelsäure vor- her kochen und in einem verschlossenen Gefässe erkal- ten lassen soll, ehe man das Aräometer einsenkt, jetzt soll es bis 66 Beaume einsinken. Dieses Stellen der Scala nach Beaume auf das reine Schwefelsäurehydrat ist aber in den Angaben Beau- me 's nicht begründet, und ist meiner Ansicht nach auch deshalb nicht zu billigen, w r eil die gewöhnliche englische Schwefelsäure aus technischen Gründen (Angreifen des Platinkessels) niemals als reines Hydrat in den Handel kommt. Eine englische Schwefelsäure genügt in der Re- gel den Anforderungen, hinsichtlich ihrer Concentration, wenn sie zusammengesetzt ist nach der Formel HO, SO 3 — */ 2 HO, sie enthält alsdann 91,6 Proc. Schwefelsäurehv- drat, hat nach Bineau's Tabellen bei 15° C. das speci- tisehe Gewicht 1,83 und nach der Tabelle von Ure bei 1572° C. das specifische Gewicht 1,82. Diese speciiischen Gewichte der käuflichen Schwefelsäure stimmen hinrei- chend mit dem specifischen Gewichte 1,82164, welches dem Grad 66 Beaume bei lo» C. (12<>R.) entspricht. Will man sich eines Aräometers bedienen, dessen Grad 66 dem specifischen Gewichte des reinen Schwefel- säurehydrates gleich kommt, so kann man das hollän- dische Aräometer wählen, welches ich sogleich besprechen werde. Bei Zugrundelegung von Bineau's Bestimmungen und Beinen Correctionsangaben, findet man das speci- fische Gewicht des Schwefelsäurehydrates 110, SO 3 bei 100 B. (120,5 C.) = 1,345, und der Grad 66 am hollän- dischen Aräometer, welches bei 10° R. gültig ist, ent- 76 Gerlach, spricht dem specifischen Gewichte 1,846 (in manchen Tabellen irrthümlich 1,847 und 1,848). Die holländischen Aräometer - Scalen. Das holländische Aräometer, wie es die Pharmaco- poea batava eingeführt hat, reiht sich eng an das Beau- me'sche Instrument an. Auch bei dem holländischen Aräometer soll der Theilstrich 10 durch eine lOprocen- tige Kochsalzlösung (10 Gewth. Kochsalz und 90 Gewth. Wasser) bestimmt werden, der Nullpunct aber durch Schwimmen im Wasser; der Zwischenraum wird auch hier in 10 gleiche Theile getheilt und diese Theilung gleichmässig nach abwärts für specifisch schwerere Flüs- sigkeiten, und aufwärts für specifisch leichtere Flüssig- keiten fortgeführt. Zwei Hauptunterschiede sind es, welche die holländischen Aräometer-Scalen von den Scalen nach Beaume unterscheiden. Der erste Unterschied besteht darin, dass das speci- fische Gewicht der lOprocentigen Kochsalzlösung bei 10° R. zu 1,074626 angenommen wird, Wasser von 10° R. = 1. Diese Annahme, so falsch und irrig sie ist, ist sehr we- sentlich für das Instrument, da hierdurch die relative Grösse der einzelnen Grade bedingt wird. Die Commis- sion, welche die Pharmacopoea batava ausarbeitete, scheint die Versuche von Gilpin ihrer Annahme zu Grunde ge- legt zu haben; trotz dieser Autorschaft muss jene An- nahme als unrichtig bezeichnet werden; sie ist aber durch den Machtspruch einer Commission in Geltung getreten, wenn ihr auch die wissenschaftliche Basis ermangelt. Der zweite Unterschied besteht darin, dass bei dem Instrumente für specifisch leichtere Flüssigkeiten als Was- ser der Nullpunct nicht bei dem specifischen Gewicht der lOprocentigen Kochsalzlösung liegt (wie dies bei dem Beaume'schen Aräometer der Fall ist), sondern viel- mehr durch Einsenken in Wasser von 10° R. bestimmt wird, er liegt also beim specifischen Gewicht 1. Die specifischen Gewichte, welche den einzelnen Gra- Vergleich der allgemeinen Aräometer -Scalen. 77 den nach diesem holländischen Aräometer entsprechen, lassen sich nach folgenden Formeln berechnen : a) bei dem Instrumente für specifisch leichtere Flüs- sigkeiten als Wasser 100 IY 10Q - ümkx | ■ n l = s, oder 100 -f- = s. 100 -f (0,69444 . n) Es entsprechen demnach beispielsweise 70° dieses Aräometers dem specifischen Gewichte 10 ° n = 0,672889: 148,613 ' ' b) bei dem Instrumente für specifisch schwerere Flüs- sigkeiten als Wasser 100 100 — (0,69444 . n) Es entsprechen demnach beispielsweise 66° dieses Aräometers dem specifischen Gewichte „ 10 ° = 1,84614; 54,167 ' ' 70° dieses Aräometers dem specifischen Gewichte '<* = 1,94602. 51,387 ' Es ist auffallend, dass das holländische Aräometer überaus häufig mit dem Beaume'schen Aräometer ver- wechselt wird, obgleich die Unterschiede beider Scalen wichtig genug sind, um die Verschiedenheiten der In- strumente ins Auge zu fassen. Die Aräometer - Scala nach Cartier. Cartier, welchem Beauine die Anfertigung sei- ner Instrumente übertragen hatte, beschloss in seiner Weisheit, die Beaume'schen Instrumente für leichtere Flüssigkeiten als Wasser dahin abzuändern, dass 16° Beaume nur 15 Unterabtheilungen erhielten; ausserdem 78 Gerlach, verlegte er den Punct für das specifische Gewicht 1 bei 11° Cartier, während er am Beaume'schen Instrumente bei 10° Beaume liegt. Die specifischen Gewichte, welche der Scala nach Cartier bei 12° R. entsprechen, lassen sich demnach berechnen nach der Formel: 100 = s, oder ™ . U 0,6834 . 16 \ . - x 1 100 = s, 100 -f [0,72896 . (n — 11)] oder für die Temperatur 10° R. nach der Formel: 100 = s, oder 0,6855 . 16 \ , „v/l 100 = s. 100 + [0,7312 . (n — 11)] Diese Angaben über die Construction des Aräome- ters von Cartier wurden von mir aus Lieb ig 's Hand- wörterbuch, Gerstenhöfer's Hülfsbuch für Techniker und Hoffmann's chemischen Tabellen entnommen; nach anderen Angaben (z.B. Prechtel's technologischer En- eyklopädie) ist der Grad 22 Beaume dem Grade 22 Car- tier gleich, und sowohl aufwärts als abwärts von diesem Grade 22 entsprechen dann 16 Grad Beaume 15 Grad Cartier. In Wasser sinkt alsdann das Aräometer von Cartier nicht bis zum Grad 11 ein, sondern bis zum Grad 10 3 / 4 . Ich habe nicht entscheiden können, welche Angaben die richtigen sind. Da 22 Grad Beaume bei 10° R. das Volumen ein- nehmen von 100 -f- [0,6855.(22—10)] = 108,226 (spe- cifisches Gewicht 0,924), so berechneten sich die speci- fischen Gewichte für die Grade über 22 Grad Cartier nach der Formel Vergleich der allgemeinen Aräometer • Scalen. 79 100 108,226 -f- [0,7312. (n — 22)] und für die Grade unter 22 Grad Cartier bei 10° R. nach der Formel: 100 108,226 — [0,7312.(22 — n)] Auch die Grade nach Cartier wurden durch ver- gleichende Versuche mit fertigen Instrumenten von De- lezennes undFrancoeur auf die specifischen Gewichte reducirt. Beider Angaben weichen erheblich von ein- ander ab und verdienen nur die Versuche von Fran- coeur Berücksichtigung, sie stimmen vollkommen mit den Resultaten überein, welche nach den zuletzt ent- wickelten Formeln erhalten werden, wo 22° Beaume gleich 22° Cartier sind (specifisches Gewicht 0,924). Endlich giebt es noch eine dritte Angabe, nach wel- cher der Grad 10 Cartier, gerade so wie der Grad 10 Beaume dem specifischen Gewicht des Wassers bei 10° R. (12°, 5 C.) entspricht, (vergl.: Maroseau's Abhandlung Journ. de Pharm. 16. 482, entnommen Gmelin's Hand- buch, Bd. I. S. XX). Nach dieser Tabelle entsprechen die einzelnen Grade den specifischen Gewichten, welche man nach der Formel findet 100 = s: 100 -f [0,761234. (n — 10)] es liegt also dieser Tabelle eine falsche Annahme für das specifische Gewicht der 10 procentigen Kochsalzlösung zu Grunde, und statt der Zahl 0,761234 wäre die Zahl 0,7312 einzusetzen. Man sieht aus dieser Zusammenstellung, welche Un- sicherheiten die Anwendung der Cartier'schen Instru- mente bietet, da nicht einmal über die Construction des Instrumentes eine bestimmte, allgemein gültige Regel vorliegt. 80 Gerlach, Vergleich der allgemeinen Aräometer -Scalen. Die übrigen Aräometer -Scalen, welche zum Theil nur in Vorschlag gebracht, zum Theil nur kurze Zeit in Gebrauch waren, übergehe ich; es gilt dies z.B. von der Scala nach Richter, welche jetzt der Vergessenheit übergeben ist. Zu wünschen wäre, dass alle empirischen Scalen diesen Weg der Vergessenheit theilten, und dass in der Aräometrie nur ein Führer sei, das ist der unsterbliche Name Gay-Lussac. 81 II. Naturgeschichte und Pharma- kognosie. Ueber die medicirische Bedeutung der Pilze mit besonderer Rücksichtnahme anf ihre toxischen und diätetischen Eigenschaften; von Dr. Th. Husemann, Privatdocent in Göttingen *). Wie dem französischen Worte „Champignon" ist es auch dem deutschen Ausdrucke „Pilz" ergangen. Ur- sprünglich gleich ersterem als Bezeichnung eines bestimm- ten Cryptogams oder doch wenigstens einer sehr geringen Anzahl von Arten gebraucht, angeblich corrumpirt aus dem lateinischen Boletus, worunter die Römer den Kaiser- pilz, Agaricus caesareus L. verstanden, während die An- gehörigen unserer heutigen Pilzgattung Boletus, nament- lich Boletus edulis L. bei Plinius u. A. Suilli benannt werden, ist Pilz jetzt bei den Botanikern Name einer Classe geworden, in welcher eine grosse Reihe in ihren Eigenschaften unter einander sehr abweichender Zellpflan- zen vereinigt werden. So mannigfach die jetzt als Pilze bezeichneten Cryptogamen in Giösse, Form, Farbe u. a. Qualitäten sind, so ausgedehnt^ ist auch das Interesse, welches sie dem Arzte darbieten, so vielfach sind ihre 1J( Ziehungen zum menschlichen Organismus im gesunden oder kranken Zustande. Da haben wir zunächst eine bunte Reihe winziger, nur mit Hülfe des Mikroskops nachweisbarer Gebilde, die in und an dem menschlichen Körper vegetiren und ins- *) loa Separatabdnwk aus Schuchardt's Zeitschrift für prakt. Heilkunde, 1865, eingesandt. D. R. Arch.d. Pharm. CLXXIV. Bds. 1. u. 2. Hft. G 82 Huseraann, gemein als pflanzliche Parasiten des Menschen zu- sammengefasst werden. Diese Cryptogamen, um deren Kenntniss sich namentlich Robin Verdienste erworben, gehören zum grössten Theile der Classe der Pilze an; ein kleiner Theil steht auf der Grenze zwischen ihnen und den naheverwandten Algen; nur wenige sind nach völliger Uebereinstimmung der Autoren unbedingt den Algen beizuzählen. Gerade diejenigen aber, welche, wie der Pilz bei Soor und Favus bestimmte pathologische Veränderungen in oder am Körper bedingen, sind mei- stens Pilze, während die gar nicht pathognomonischen, z. B. Cryptococcus, Leptomitus, dem Gebiete der Algen vorwiegend anheimfallen. Die experimentell nachgewiesene Uebertragbarkeit diverser Krankheiten, vorzugsweise Hautkrankheiten, durch Uebertragung der sie bedingenden Pilze von Menschen auf Menschen und sogar von Thieren auf Menschen, das stete Auffinden neuer, zum Theil gewiss nur accidentel- ler Parasiten bei verschiedenen pathologischen Processen, die Leichtigkeit der Verbreitung der vom Winde mühe- los getragenen Fortpflanzungskörper der Pilze, der sog. Sporen, haben zu der Hypothese des Miasma und Con- tagium vegetabile geführt, die zwar heute kaum noch in toto Anerkennung findet, nichts desto weniger aber für manche Verhältnisse der ansteckenden Krankheiten eine bessere Erklärung abgiebt, als andere an ihre Stelle ge- setzten es vermögen. Hiermit ist übrigens die Bedeutung der Pilze für die Pathogenese keineswegs erschöpft. Ziemlich irrele- vant ist das durch neuere Erfahrungen Eichmann's be- stätigte Siech thum, welches zuerst Jahn durch die Aus- dünstungen des bekannten, im Bauholz sich entwickeln- den sog. Hausschwamms (Merulius lacrymans) bewirkt fand, und noch weniger Bedeutung haben die Beschwer- den, welche von dem widrigen, cadaverösen Gerüche einiger Angehörigen der Gruppe der Phalloideen, nament- lich des Gichtpilzes, Phallus impudicus L., bei em- medicinische Bedeutung der Pilze etc. 83 pfindlichen Personen hervorgerufen werden. Viel wich- tiger sind die pathologischen Processe, welche durch den Genuss von schädlichen Pilzarten bedingt erscheinen. Mögen die Angaben älterer Autoren über Epizootieen in Folge von Getreide, das durch Brandpilze, Angehörige der Gattung Ustilago, zum Theil zerstört war, nach den von Parmentier angestellten Experimenten als irrig erscheinen: so ist doch durch neuere Erfahrungen dar- gethan, dass der Genuss von Nahrungsmitteln, auf wel- chen sich Schimmelpilze (Mucor Mucedo L. y Penicil- lium glaucum L. u. a.) entwickelt haben, nicht immer unschädlich ist und dass der Genuss von Pflanzen, auf welchen sich Arten von Erysiphe oder Alphitomorpha, die den sog. Mehlthau (Albigo) bilden, angesiedelt ha- ben, bei Thieren und Menschen zu verschiedenen krank- haften Erscheinungen Veranlassung geben kann. Dr. P er- roch etz theilte im Jahre 1851 einen Fall von Gastritis, bewirkt durch Johannistrauben, auf welchen sich Erysi- phe divaricata befunden haben soll, mit, und von ganz jungem Datum sind eine Reihe von Berichten italieni- scher Aerzte über ganz ähnliche Erkrankungen, hervor- gerufen durch den Genuss von Weintrauben, die an der T rauben k rank he it litten, einer Krankheit, welche be- kanntlich von einem Pilze herrührt, der unter dem Na- men O'idium Tuckert Berkeley meist aufgeführt, übri- gens von Berkeley selbst nicht als besondere Species, sondern als Entwickclungszustand einer Erysiphe betrach- tet wird. Eine Sphaema, welche auf Schilf vorkommt, soll nach Rosenbaum bei Thieren Lähmungserschei- nungen, Tympanites und Dyspnoea hervorrufen. Noch weit bekannter und wichtiger für die Pathogenese ist das sog. Mutterkorn, jenes vorzugsweise am Roggen vorkommende (iebilde, dessen botanische Verhältnisse erst vor einigen Jahren durch die Gebrüder Tulasne einigermafiS6D aufgeklärt sind, nach welchen man es als das Mycelium eines höher entwickelten, der auf Raupen und Puppen von Abend- und Nachtfaltern schmarotzen- G* 84 Husemann, den Sphaeria s. Cordiceps entomorrhiza sehr ähnlichen, als Claviceps s. Cordiceps purpurea bezeichneten Pilzeö anzusehen hat. Lange schon weiss man, dass das Mutter- korn und nichts Anderes die Ursache eigentümlicher Epidemieen abgiebt, welche in verschiedenen Ländern Europas vom Mittelalter ab bis in die neueste Zeit hinein von Zeit zu Zeit geherrscht haben; lange schon hat man sich überzeugt, dass die in Deutschland vorwaltend auf- getretene Kr iebelk rankheit sowohl, als die nament- lich in Frankreich zur Beobachtung gekommene Gan- grene des Solognais, welcher die Epidemieen des Ignis sacer im Mittelalter entsprechen, nur Formen einer und derselben Affection, der chronischen Mutterkornvergif- tung, des Ergotismus chronicus, sind. Auf einer ana- logen chronischen Pilzvergiftung beruhen vielleicht auch einige Krankheitsformen, die man ausserhalb Europa oder in bestimmten europäischen Gegenden beobachtet hat: das Maispellagra in Columbien, nach Roulin vom Mais- mutterkorn abzuleiten, der Cak in Sennaar, vielleicht von einem dem Mutterkorn ähnlichen Pilze der Durra herrührend, Burning of thefeet der ostindischen Soldaten, nach Campbell vielleicht Folge von Pilzbildung am Reis, das Pellagra, in Italien, Spanien und Frankreich endemisch und, jedoch nicht mit grosser Wahrscheinlich- keit, von Baiardini pilzkrankem Mais zugeschrieben, endlich die 1828 — 29 in und um Paris epidemisirende Akrodynie. Bei diesen aber ist das ätiologische Mo- ment nicht strict erwiesen, während bei der Kriebel- krankheit und der Gangrene des Solognais der Nachweis, dass das Mutterkorn sie hervorrufe, in einer keinen Zwei- fel übrig lassenden Weise geführt ist. Wir kennen jetzt nicht allein die Erkrankungen durch den länger fortge- setzten Gebrauch von mutterkornhaltigem Brode, es sind auch acute Vergiftungen durch einmaligen Genuss gros- ser Quantitäten Mutterkorn vorgekommen, und endlich ist selbst, obschon allerdings nicht mit absolutester Ge- nauigkeit, die Wirkung der toxischen Substanz bekannt, medicinische Bedeutung der Pilze etc. 85 welcher Seeale comutum seine Giftigkeit dankt, des Er- gotins, zu dessen Entdeckung eine Preisfrage der Uni- versität Göttingen die erste Veranlassung gab. Gegenüber der ungemein grossen Bedeutung des Mutterkorns für die Pathogenese treten die insgemein als „giftige Pilze" xax £;o/r ( v bezeichneten Arten der Hy- meno- und Gastromyceten entschieden in den Hintergrund, wenn auch Erkrankungen in Folge des Genusses giftiger Pilze an Stelle wirklich essbarer in Frankreich, Belgien, Oestereich und Russland keineswegs selten sind, wie denn z. B. in Russland 1845 nicht weniger als 40 lethal ver- laufene Pilzvergiftungen zur Beobachtung gelangten. Noch mehr verlieren diese Pilze an Bedeutung, wenn man die Excentricitäten beseitigt, welche eine Menge von Schrift- stellern in Bezug auf dieselben begeht. Sehr wenige Toxikologen haben Lust gehabt, die sich ihnen in den Weg stellenden botanischen Schwierigkeiten zu überwin- den. Hauptsächlich schrecken die vielen Synonyme ab, die bei einer der artenreichsten Pilzgattungen, der Gattung Agaricus L., Blätterpilz, eine geradezu babylonische Sprach- verwirrung veranlasst haben ; es ist äusserst schwierig, sich durch diese durchzuarbeiten und selbst für einen Toxikologen von Fach ist es lockend, sich mit dem Nach- schlagen eines grösseren Pilzwerks mit Abbildungen zu begnügen, sobald ihm ein Fall von Vergiftung durch be- stimmte Species vor Augen kommt. Es kann ihm dann freilich passiren, wie es einem Berichterstatter im Cann- statt'schen Jahrsberichte ging, der bei Gelegenheit eines Referats über eine Vergiftung mit IJypophyllum albo-ci- trinum (Synonym von Agaricus phalloides L. y einem der gewöhnlichsten Giftpilze) naiv bemerkt, Ref. könne den Pilz bei Krombholz nicht finden. Das Gebiet der Mykologie ist anscheinend ein so unnahbares, dass selbst die grösseren Abtheilungen von manchen Pharmakologen nicht gekannt werden, wie denn z. B. im ebengenannten Jahrsberichte alle Pilze als Gastromyceten bezeichnet werden, was nun zufällig der Name einer Unterabthci- 86 Husemann, lung ist, die für die Pharmakologie weit weniger in Be- tracht kommt, als die der Hymenomyceten. Man kann sich deshalb nicht wundern, wenn in den Handbüchern Unsummen giftiger Pilze figuriren und wenn sich offen- bare Uebertreibungen und Unrichtigkeiten durch alle möglichen Werke fortschleppen. Taylor führt, um die Unübersehbarkeit des Gebietes der giftigen Pilze zu de- monstriren, den Ausspruch Badham's an: es gebe 5000 wohl charakterisirte Species von Pilzen und nur wenige seien geniessbar. Sehen wir davon ab, ob diese Zahl zu hoch oder zu niedrig ist, in keinem Falle giebt sie einen Maassstab für die Zahl der giftigen Pilze. Bei weitem die Mehrzahl der Pilze ist indifferent und kann in Folge ihrer gar zu zähen oder zu weichen Consistenz dem Ge- nüsse gar nicht unterliegen. Von der Minderheit der fleischigen ist aber eine ganze Reihe in Folge vorgefass- ter Meinung einzelner Autoren oder in Folge von Ver- wechselung mit synonymen, aber verschiedenen Species in den Büchern für „verdächtig" erklärt, ohne dass ein Beweis oder sogar irgend ein Grund zur Verdächtigung vorliegt. Manche dieser sind schon auf dem Wege des Experimentes als unschuldig erwiesen, bei manchen hat es bisher noch an Gelegenheit zu experimenteller Prü- fung gemangelt, so dass es noch nicht angeht, den in- exacten Ausdruck „verdächtig" überall durch „schädlich" oder „unschädlich" zu ersetzen. Auf der Grundlage eines umfassenden Studiums der in der medicinischen Literatur aufgespeicherten Intoxicationen durch giftige Pilze und der veranstalteten experimentellen Prüfungen wird Jedermann zu dem Resultate gelangen, dass es bis jetzt nur eine sehr beschränkte Anzahl Pilze giebt, deren Giftigkeit nicht in Zweifel gezogen werden kann. Von deutschen Pilzen kommen hauptsächlich vier in Betracht, von welchen drei der Gattung Agaricus, einer der Gattung Boletus angehören; ihnen reihen sich viel- leicht noch vier oder fünf andere, der Gattung Agaricus zufallende Species an, denen mit hoher Wahrscheinlich- keit das Prädicat „giftig" zukommt. medicinische Bedeutung der Pilze etc. 87 Die Gattung Agaricus umfasst diejenigen Hutpilze, welche an der Unterfläche des Hutes vom Rande nach dem Stiele zu stehende senkrechte, überall mit der sog. Sporenhaut, Hymenium, überzogene Lamellen tragen. Man unterscheidet Agarici mit weissen und mit gefärbten Sporen. Eine Unterabtheilung ersterer, welche auch von manchen Botanikern als eigne Gattung, Amanita, betrach- tet wird, zeichnet sich dadurch aus, dass die ihr ange- hörigen Pilze im Jugendzustande mit einer allgemeinen Hülle {Volvo) umschlossen sind, die beim entwickelten Pilze zum Theil am Grunde, zum Theil auf der Hut- fläche warzen- oder flockenartig zurückbleibt. Zu die- ser Tribus gehören zwei der unbedingt giftigen Pilze, der Fliegenpilz, Ag. muscarius L., und der gicht- sch warn mahn liehe Knollenblätterpilz, Agaricus phalloides L. und einige der mit hoher Wahrscheinlich- keit als giftig zu bezeichnenden, z. B. Ag. vernus, der Frühlingshüllenpilz, wahrscheinlich nur Varietät von Ag: phalloides, Ag. pantherinus, der pantherfleckige Hüllen- schwamm, auch Krotenschwamm genannt. Der dritte ent- schieden giftige Agaricus gehört einer Abtheilung der Weissporigen an, welche ebenfalls als besondere Gattung unter dem Namen Russida figurirt, und deren botanischer Charakter darin besteht, dass die Lamellen steif, saftlos, mit scharfer Schneide versehen, gebrechlich, und dass weder Hülle, noch Schleier, noch King vorhanden sind. Hierher gehört der bekannte Speiteufel oder Bläu- ling, Agaricus integer L. {Ag. Russula Scop.), der in mannigfacher Färbung in den Wäldern vorkommt und eine Menge von Varietäten bietet, die von verschiedenen Schriftstellern als eigene Arten aufgeführt werden, ohne dass es jedoch deutliche und bestimmte Kennzeichen giebt, durch welche sich dieselben unterscheiden lassen. Zu der nämlichen Abtheilung gehört der Schmierung, Aga- iHcus foetene Fers., welcher mit hoher Wahrscheinlichkeit als Giftpilz anzusehen ist, da die Verdächtigungen von Cord i er und Roques durch eine Beobachtung auf der 88 Husemann, Schönl ein'schen Klinik im Jahre 1849 Bestätigung er- fahren haben. Unter den farbigsamigen Blätterpilzen sind noch zwei zu erwähnen, welche höchst wahrscheinlich Giftpilze sind, und zwar beide mit rostbraunen Sporen, der Untergattung Derminus angehörig, beide ohne Ring und Hülle. Es sind Agaricvs rimosus Bull, und der Ekelschwamm, Ag. fastibilis Fers., dem auch wohl Ag. crustuliniformis bei- zuzählen ist. Von diesen Pilzen ist die Giftigkeit schon von verschiedenen früheren Schriftstellern (Balbi, P ollin i) behauptet und nach neueren Erfahrungen eines bedeuten- den Pilzkenners, des Sanitätsraths Staude in Coburg, der wirkliche Vergiftungen ganzer Familien nach dem Genüsse der genannten Schwämme beobachtet haben will, müssen wir ihre Angaben als begründet ansehen. Was sonst noch von giftigen Blätterpilzen in den Büchern figurirt, bedarf entweder neuer Untersuchungen oder ist völlig irrig. Fast überall finden sich wider- sprechende Angaben. Am meisten in Betracht gezogen ist die Unterabtheilung der Milchblätter pilze, Lac- tarii, Tribus Galorrheus nach Fries, deren Hauptcharak- ter, die milchenden Lamellen, zu der Benennung Anlass gegeben hat. Diese Abtheilung ist verdächtig und eine Reihe der ihr angehörigen Pilze führt Namen, die nur eine schreckhafte Phantasie erfunden haben kann. Da haben wir z. B. einen Mordpilz, Agaricus necator Pers. (mit weissem, an der Luft grau werdenden Milchsafte), der keinem Menschen etwas Böses thut, einen Giftreiz- ker, Ag. torminosus Schäfer, von Bulliard Agaricvs necator genannt, mit unveränderlich weissem Milchsafte, der zwar etwas widrig bitter und scharf schmeckt und ein wenig Kratzen im Halse erregt, aber nach den Ver- suchen von Paulet, Letellier, Ascherson und Krombholz gekocht recht gut gegessen werden kann. Scharf ist der Milchsaft noch bei mehreren anderen und diese Eigenschaft hat sogar einer Reihe der Lactarii die Benennung Pepperlinge, einer Species, die von Aga- medicinische Bedeutung der Pilze etc. 89 ricus piperatus zugezogen; aber das Kochen entfernt die Schärfe vollständig und macht die Pilze geniessbar, wo- bei freilich zu bemerken ist, dass sie ziemlich schwer verdaulich erscheinen und selbst im zubereiteten Zustande zu Indigestion, Erbrechen, Durchfall fuhren können. Die Gattung Boletus Opatoxcsky, Röhrenpilz, charak- terisirt sich dadurch, dass das Fruchtlager an der unte- ren Fläche des Hutes Röhren bildet, die an der inneren Oberfläche mit dem Hymenium ausgekleidet und mit der Substanz des Hutes nicht verwachsen, daher trenn- bar sind. Hier haben wir eine Art als giftig hervor- zuheben, Boletus luridus Fries, von welcher die Mykolo- gen verschiedene Species abgetrennt haben, die zum gröss- ten Theile gewiss als Varietäten anzusehen sind. Dahin rechnen wir auch Boletus Satanas Lenz, welchem beson- dere Giftigkeit zugeschrieben wird; ferner B. pachypus, calopus, eythropus, torosus, lupinus, über deren toxische Eigenschaften besondere Beobachtungen nicht bestehen. Boletus luridus Fries, deutsch Saupilz, Donnerpilz, Feuer- pilz, hat einen polsterformigen, von '/j 'bis 5 Zoll dicken, filzigen, l r 2 bis 5 Zoll breiten, olivengrün, braun oder um- brafarbenen Hut, einen bis 5 Zoll hohen und 3 Zoll dicken, festen, selten knolligen, fast mennigrothen, bisweilen reti- culirten Stiel und freie, runde, gelbe, später grünliche, an ihren Mündungen orangerothe Röhren. Das Fleisch des Hutes ist weiss oder gelblich und geht beim Bruche ins Dunkelblaue über. Sonstige Boleten, welche als giftig bezeichnet sind, entbehren der toxischen Eigen- schaften gänzlich, namentlich Boletus luteus L., dessen zartes, weisses Fleich in frischem Zustande keineswegs dem Genüsse entzogen zu werden braucht. Die Frage, ob es unter den übrigen Gattungen der lly m e nomy ceten noch bestimmte giftige Arten giebt, inuss unseres Erachtens verneint werden. Vielleicht könnte man 10 noch I'olyporus ojficinalis Fries (/boletus laruis Jacq.), den Lärche nsch w am m, bezeichnen, dessen in- nere Substanz all Agaricum, Agaricus albus, Fvi^gus La- 90 Husemann, ricis in der Medicin gebraucht wird und welcher dra- stische Wirkungen zu 1 — 2 Drachmen im getrockneten Zustande entfaltet. Sonst aber sind die Gattungen Po- lyporus, Hydnum, Ciavaria, so wie Helvella und Morchella (wenn man diese Genera, auf welche wir später zurück- kommen, den Hymenomyceten zuzählen will), ohne be- sondere giftige Species. Von den Gastromyceten ist Elaphomyces granula- tus Fries (Lycoperdon cervinum L.\ Hirschpilz, Hirsch- brunst, jetzt noch hier und da in veterinärärztlicher Pra- xis als sog. Boletus cervinus benutzt, früher grundlos ver- dächtigt. Nahe verwandt ist demselben Scleroderma citri- num Pers. {Lycoperdon aurantiacum Bull.), dessen Genuss von Lenz als schädlich bezeichnet wird; dieser Pome- ranzenbovist, der zur Verfälschung der Trüffel dienen soll, ist scharf; eigentliche Vergiftungen durch denselben sind aber nicht bekannt. Andere giftige Gastromyceten existiren nicht. So haben wir denn das Gebiet der giftigen Pilze auf einen sehr kleinen Raum eingeschränkt und es be- darf, um dasselbe übersehen zu können, gewiss keiner besonderen optischen Hülfsmittel. Noch mehr es einzu- engen oder gar, wie Einige thun, zu behaupten, es gebe gar keine absolut giftigen Pilze und nur unter bestimm- ten Bedingungen, namentlich unter dem Einflüsse be- stimmter Klimate und Localitäten, entwickle sich in ein- zelnen eine toxische Substanz, halten wir für unzulässig. Eher konnte noch die Rede sein von Ungiftigwerden sonst giftiger Pilze unter Verhältnissen, welche bis jetzt noch nicht völlig enträthselt sind; aber auch die Mehrzahl der Angaben in dieser Richtung stützt sich auf unrichtige oder doch unvollkommene Beobachtung, die hier um so leichter Platz greifen kann, als ja die Kennt- niss der Mykologie nicht Jedermanns Sache ist. Wenn sich hier und da angegeben findet, in Russland gäbe es keine giftigen Pilze, so ist das irrig, denn es giebt nir- gends massenhaftere Pilzvergiftung, als gerade in Russ- medicinische Bedeutung der Pilze etc. 91 land. Wenn ein französischer Arzt (Leclerc) behaup- tet, er habe während des Krimkrieges alle Pilze, selbst die giftigsten, roh, ohne Schaden verzehrt, so rauss er ent- weder einen besonders guten Magen, oder eine Immunität gegen Pilzvergiftung oder grosses Glück im irrigen Bestim- men der, übrigens von ihm nicht speciell angeführten Pilze, oder endlich einen tüchtigen Beruf zu Gasconaden gehabt haben. Wenige Angaben über das Ungiftigwer- den sehr giftiger Pilze erscheinen völlig constatirt und lassen keine andere Erklärungsweise zu. Ein italienischer Mykologe, Vittadini, erzählt, dass Agaricus phalloides in einigen Gegenden gekocht ohne Nachtheil gegessen werde. Agaricus integer wird ebenfalls in Böhmen, Oester- reich, Russland bisweilen ohne Schaden genossen. Bole- tus luridus wird nach Raben hörst in Prag und Wien als essbare Sorte auf den Märkten verkauft. Es mag bei den letzten Pilzen einige Varietäten geben, welche min- der oder gar nicht schädlich sind ; die uns bekannten Vergiftungen durch Boletus luridus und dessen Varietät Boletus Satanas sind sämmtlich bedingt durch rohe oder gebratene Pilze ; es ist nicht unmöglich, dass durch das Abkochen derselben das Gift zersetzt wird. Möglich ist es aber auch, dass, wie bestimmte Phanerogamen in ge- wissen Monaten stärker giftig sind, als in anderen, so auch die Pilze in ihren toxischen Eigenschaften nach der Jahrszeit differiren. Man hat hierüber übrigens bis jetzt nur sehr widersprechende Angaben, die sich allein auf den Fliegenpilz beziehen. Krombholz und Langs- dorff legen den kleineren, hochrothen und mit vielen Warzen besäeten Exemplaren höhere Wirkung bei, wäh- rend Hayne die jüngeren geradezu für weniger giftig erklärt. Leider sind wir bis dato ausser Stande, durch chemische Untersuchungen die grössere oder geringere Giftigkeit der Pilze zu bestimmen, da derjenige Stoff oder wohl richtiger, da es wahrscheinlich mehrere sind, diejenigen Stoffe, denen sie ihre toxischen Eigenschaften verdanken, noch in geheimnissvolles Dunkel gehüllt sind. 92 Husemann, Berkeley u. A. reden von einem giftigen Alkaloide, wahrscheinlich im Hinblicke auf den mit dem Namen Amanitin belegten Körper, den Letellier im J. 1826 aus Agaricus muscarius, phalloides und integer dargestellt haben wollte. Leider haben neuere Untersucher den- selben nicht wiederfinden können und es scheint nach den neuesten Arbeiten von Kussmaul und Bornträ- ger, dass nicht sowohl ein Alkaloid, als vielmehr eine Säure als Principium venenosum des Fliegenschwamms anzusehen sei. Dass sich der nämliche giftige Stoff auch bei den übrigen Pilzen findet, ist kaum anzunehmen, da die Wirkung derselben eine ganz verschiedene ist, wie eine genaue Analyse der vorhandenen Krankengeschichten leicht lehrt. Viele der Intoxicationen sind zwar durch Gemenge verschiedener Giftpilze hervorgerufen; aber es giebt auch eine Reihe von Fällen, wo eine einzige Spe- cies unserer vier hauptsächlichsten Giftpilze die Intoxica- tion bedingte. Sehr nahe scheinen sich die Vergiftungen mit dem Speiteufel und dem Satanspilze zu stehen. Hier finden wir rasch eintretende Gastroenteritis von grosser Heftigkeit, mit intensiven Unterleibsschmerzen, violenten Ausleerungen nach oben und unten, selbst blutigem Er- brechen und blutiger Diarrhöe, endlich von Collapsus gefolgt. Neurotische Symptome fehlen primär gänzlich. Möglich, dass hier ein harziger Stoff, wie in dem oben erwähnten Fungus laricis, die Wirksamkeit bedingt; er- wiesen ist diese Vermuthung Roque's übrigens durch chemische Untersuchungen nicht. Ganz anders sind die Erscheinungen, welche Agaricus phalloides hervorbringt. Wir kennen sie namentlich aus Vergiftungsgeschichten neueren Datums, welche Goudin und Maschka mitge- theilt haben. Sie pflegen erst 24 Stunden und noch län- ger nach dem Genüsse der Pilze einzutreten und sind gemengte irritirende und neurotische. Aus Magenschmer- zen, Kolik, Erbrechen, unlöschbarem Durst, allgemeiner Hitze einerseits, Abgeschlagenheit und Angstgefühl, Kopf- schmerz, Schwindel, Delirien, Sopor, Coma, Trismus, medicinische Bedeutung der Pilze etc. 93 tetanischen Convulsionen andererseits ist das Krankheits- bild zusammengesetzt. Interessant ist der Leichenbefund nach Mas ch k a's Angaben : von Todtenstarre keine Spur, Augen tiefliegend, Pupillen bedeutend erweitert, Blut flüssig, kirschroth, Ecchymosen in grosser Anzahl an al- len Parthien des serösen Ueberzuges der Lungen, in der Substanz der Lungen, im Herzbeutel und der Muskel- substanz des Herzens, in der Leber, im Fundus ventri- culi und serösen Ueberzug und der Corticalsubstanz der Nieren, Abwesenheit von Entzündung im Tractus ; enorme Ausdehnung der mit blassem Urin gefüllten Harnblase. Wiederum ganz anders sind die Vergiftungserscheinun- gen nach dem Genüsse des Fliegenpilzes, die in der Re- gel kaum 1 — 2 Stunden auf sich warten lassen. Fast immer sind auch hier irritirende und neurotische gemengt, doch walten letztere vor. Man erinnere sich an den eigenthümlichen Gebrauch, den die Kamtschadalen von dem Fliegenpilze machen, wenn wir den übereinstimmen- den Zeugnissen von Steller, Georgi, v. Langsdorff und Er man trauen dürfen. Sie benutzen ihn als nar- kotisches Genussmittel und versetzen sich dadurch in einen Zustand, der durch die Steigerung des Bewegungs- triebes und die Pupillenerweiterung an Belladonnawir- kung erinnert. Man hat die Angaben bezweifelt, weil man bei uns als Erscheinungen von Fliegenpilzvergiftung niemals Rausch oder überhaupt Zustände der Exaltation, sondern Depressionszustände, Betäubung und Bewusstlosig- keit wahrnimmt. Letztere bleiben übrigens bei den Kamtschadalen auch nicht aus, und erstere fehlen bei uns nicht, wenn man mit kleinen Quantitäten Fliegen- schwamm experimentirt. Es ist ein bedeutender Unter- schied zwischen dem Genüsse eines ganzen Gerichtes giftiger Pilze und eines einzigen Exemplares (das ist die Mitteldosis der Kamtschadalen) und es lässt sich einzig aus der Differenz der Quantitäten die Wirkungsdifferenz ableiten, die nichts Auffallendes hat, wenn wir z. B. die Verschi'-dciilioit der Wirkung grosser und kleiner Dosen 94 Husemanrij Alkohol, Opium u. s. w. dagegen halten. Möglich auch, dass eine Gewöhnung an das Gift von Agaricus muscarius in ähnlicher Weise, wie bei den eben genannten Narco- ticis, statt findet. Wir beschränken uns auf diese oberflächlichen An- deutungen über Symptomatologie der durch die genann- ten vier Giftpilze hervorgebrachten Intoxicationen und bemerken nur noch, dass die in den Handbüchern früher meist figurirenden drei Formen der Pilzvergiftung, die narkotische, irritirende und gemengte, einigermaassen den Vergiftungen durch die einzelnen Species, die narkotische der durch den Fliegenpilz, die irritirende der durch Spei- teufel und Satanspilz und die gemengte der durch den gichtschwammähnlichen Knollenblätterpilz entsprechen. Wenden wir uns nun zu der Bedeutung der Pilze für die Arzneimittellehre, so finden wir diese, welche bei der Verschiedenheit und der Grösse der Wirkung einzelner a priori als nicht unbeträchtlich vermuthet wer- den könnte, in Wirklichkeit nicht besonders erheblich. Fast scheint es, als sollten auch hier die kleineren Spe- cies die entwickelteren an Ansehen übertreffen. Am mei- sten Verwendung in der Therapie findet das obengenannte Mutterkorn und die aus ihm dargestellten Präparate, Bonjeans Extrait hemostatique u. a., bald zur Förderung der Wehen, bald zur Stillung von Blutungen, bald ge- gen Nervenkrankheiten aller Art, Spasmen sowohl als Paralysen, Incontinentia urinae sowohl, als Tnssis convul- siva. Mag Oesterlen in mancher Beziehung Recht ha- ben, wenn er im Hinblicke auf die manchmal inepten Empfehlungen des Mutterkorns, z. B. gegen Lungenphthise, Struma, kalte Abscesse, Exophthalmus, dasselbe „ein ecla- tantes Beispiel jener Verirrungen und Absurditäten, an welche sich die medicinische Praxis durch Arzneiglau- ben, schlechte Beobachtung und Fachinteresse, wo nicht Quacksalberei, von jeher hat verlocken lassen", bezeich- net, mag sogar die Opposition, die sich von Seiten ver- schiedener Geburtshelfer gegen Miss- und Gebrauch des medicinische Bedeutung der Pilze etc. 95 Seeale cornutum erhoben, nicht unbegründet sein : immerhin bleibt das Mutterkorn der interessanteste aller derjenigen Stoffe, welche die Heilmittellehre der Classe der Pilze ent- nommen hat. Die Zahl derselben ist übrigens nicht gross, selbst wenn man diejenigen hinzurechnet, welche nur als Volksmittel eine Rolle spielen oder bei minder eultivirten Nationen in medicinischem Ansehen stehen. Ausserhalb Europas haben mehrere Pilze grossen Ruf als Heilmittel; vor Allem ein kleinerer Pilz, Sphaeria s. Cordiceps sinen- sis Berit. , den man auf einer grossen Raupe im Reiche der Mitte schmarotzend antrifft und welchen die Chinesen als Farce in einer gebratenen Ente genossen, für ein grosses Medicam ent halten — wobei, wie Berkeley nicht unwitzig bemerkt, die Heilkräfte wohl mehr auf Rechnung der Ente fallen — ; ausserdem mehrere unseren Bovisten, Trüffeln und Gichtmorcheln nahe verwandte Species, theils äusserlich als Krebsmittel, Maturantia oder Styptica, theils innerlich als Tonica *). Keiner dieser Pilze hat für uns Bedeutung ; so sehr man auch eine Zeit lang bemüht gewesen ist, Europa mit exotischen Medi- camenten zu überschwemmen: die Pilze sind davon un- berührt geblieben. Auch unsere europäischen, dem Pilz- reiche entnommenen Volksmittel haben die Aerzte meist unberücksichtigt gelassen. Nur eine Anwendung der Bo- viste (Lycoperdon), welche in England seit langen Jah- ren von den Bienenzüchtern gemacht wurde, hat man eben- *) Als Krebsmittel Podaxon Carcinoma ? e Fries (Lycoperdon Car- cinoma^ L.), am Cap auf Termitengebäuden vorkommend (die Sporen auf Geschwüre gestreut) und Lysurus Mocusin Fr. {Phallus Mocusin L.) in China (die Asche): zur Zeitigung ver- härteter Geschwülste in Ostindien Ilymenophalh/s Daemonum Nees v. Esenb. (PhaUut Daemonum Bumph.); als Stypticum in Westindien die Sporen von Geaster fornicatus Fries. Bei Durchfall, Fieber, Entzündungen u. s. w. rühmen die Einge- borenen von Java und Amboina Paehyma Tuber regit/m Fr. und Agairicui Tuber regiwm Fr. .- in der chinesischen Provinz Bonchong gilt als kriiftiges Koborans bei Zehrkrankheiten Paehyma HoeZen und Paehyma Cocos. 96 Husemann, daselbst für die medicinische Praxis verwerthet. Man hat den Rauch, der sich beim Verbrennen der Lycoperdon- arten entwickelt, als anästhesirendes Mittel benutzt und gepriesen; Richardson hat dies vermeintlich neue, in Wirklichkeit aber ziemlich alte Anästheticum, dessen Wirksamkeit auf dem Gehalte an Kohlenoxydgas und flüchtigen Kohlenwasserstoffen beruht, sogar dem Aether und Chloroform vorgezogen. Sonst haben die den Pilzen angehorigen Volksmittel *) die Aerzte nicht zu therapeu- tischen Versuchen reizen können ; im Gegentheil, es ist manches der Volksmedicin überlassen, was man von Pil- zen in den Officinen früher als theures Kleinod barg. So das Judasohr oder der Hollunderschwamm, (Fungus Sambuci, Auricula Judae), von Laien noch hie und da als kühlendes Mittel bei Augenentzündungen benutzt, Tre- mella mesenterica, woraus früher ein destillirtes Wasser bereitet wurde, dem man Heilkräfte bei Augenleiden und Lähmungszuständen zuschrieb; Phallus impudicus L., der Gichtpilz, der heutzutage nicht mehr gegen die Gicht hilft und, wenn ihm auch die Natur nach dem Glauben der Alten den Stempel eines Aphrodisiacums aufgedrückt hat, doch mit der Zerstörung des Glaubens an die Sig- natur auch seine zauberische Kraft verloren hat; Polypo- rus suaveolens, früher als Weidenschwamm gegen Phthi- sis pulmonalis viel verwandt und gelobt, jetzt vergessen ; der Bovist, dessen vom Volke als den Augen schäd- lich angesehene Sporen der Chirurg nicht mehr zur Blut- stillung gebraucht, obschon er damit vielleicht nicht *) Dahin gehört Polyporus annosus Fries, den man in Schweden zum Ausbrennen von Vipernbissen benutzt, Agaricus otramen- tarius Bull., welcher ebendaselbst zur Heilung von Brandge- schwüren dient u. a. m. Einige rechnen zu den Pilzen auch das wahrscheinlich besser bei den Algen stehende Veilchen- moos, Amphiconium Linnaei Spr. (Byssus Jolithus L.), ein auf Steinen vorkommendes, violenartigen Geruch verbreitendes Cryptogam, das mit der Unterlage vom Volke hie und da ge- gen Hautausschläge benutzt werden soll. medicinische Bedeutung der Pilze etc. 97 weniger erreicht, als mit dem neuerdings aus Java impor- tirten Penghaicer Djambi u. a. m. Von den sechs Pilzen, welche Murray im ' Apparatus medicaminvm aufführt, stehen heute nur noch zwei in den Pharmakopoen, und auch diese beiden sind in der Achtung der Aerzte nicht wenig gesunken. Es gab eine Zeit, wo dem einen der- selben, Polyporus fomentarius Fries, Zunderschwamm, in der neuesten Pharmakopoe nicht ganz passend als Bole- tus igniarius aufgeführt, ein derartiges hämostatisches Vermögen beigelegt wurde, dass man ihn der Arterien- ligatur vorzog, dass man Araputationsstümpfe pure ac sim- pliciter mit demselben verband: ein Verfahren, gegen welches schon im Jahre 1755 Parker zu Felde zu zie- hen sich genöthigt sah. Auch der zweite der officinell ver- bliebenen Pilze, Polyporus Laricis, der Lärchenschwamm, welchen wir schon oben erwähnten, der älteste aller the- rapeutisch benutzten Pilze, dessen schon Dioskorides gedenkt, stand früher in höherem Ansehen, sei es als Drasticum für sich gebraucht oder als Bestandtheil ver- schiedener Mischungen, wie des Extractum panchymagogum Crollii, der Pilulae hierae cum Agarico; jetzt ist er vor- zugsweise Palliativ bei den colliquativen Schweissen Tu- berculöser, gegen welche ihn de Haen zuerst empfahl. Ganz in neuester Zeit ist auch eine Tinctura Boleti lari- cis canadensis als Mittel gegen Rheumatismus gepriesen, ohne jedoch, wie aus Versuchen von Watson hervor- geht, irgend etwas zu leisten. So ist denn unsere Be- hauptung gerechtfertigt, dass die Anwendung der Pilze als Medicament als nicht sehr erheblich sich herausstellt, wenn sie auch als einigermaassen mannigfach bezeichnet werden kann. (Fortsetzung folgt.) Arch. d. Pharm. CLXXIV. Bds. 1. u. 2. Ilft. 98 Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. Naturwissenschaftliche Section der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. In der Sitzung vom 15. März 1865 hielt Herr Geb. Rath Prof. Dr. Göppert einen Vortrag über Urwälder Deutschlands, insbesondere des Böhmerwaldes. Wenn man von Urwäldern spricht, pflegt man ge- wöhnlich eher an die primitiven Wälder der Tropen zu denken, als dergleichen noch in Europa oder gar mitten in Deutschland zu vermuthen. Schweigen doch alle Be- schreiber deutscher Wälder und Waldbäume von der- gleichen und begnügen sich nur mit Abbildungen schwäch- licher Epigonen, statt die Natur in ihrem Urzustände aufzusuchen. Bereits im Jahre 1855 schilderte F. von Hochstetter die Urwälder des Böhmerwaldes denn von ihnen soll hier vorzugsweise die Rede sein, nach allen ihren Verhältnissen eben so anziehend als treu („Allgemeine Zeitung« 1855, Nr. 167, 175, 182, 197, 219, 220, 252), und unter den Mannern von Fach war unser Herr Ober -Forstmeister v. Pannewitz der erste und so viel ich weiss bis jetzt auch der einzige, der sie wie- derholt besuchte und uns auf sehr interessante Weise mit ihren ausserordentlichen Wachsthumsverhältnissen be- kannt machte. (Verhand. des schles. Forstvereins vom Jahre 1856, S. 280 — 296, 1864, Beil. S. 24 u. f.). Hierdurch vielfach angeregt, gelang es im Jahre 1858, eine, wenn auch nur kleine, aber doch fast alle Eigenthümlichkeiten zeigende Urwaldstrecke in der Herr- schaft Seitenberg der Grafschaft Glaz nachzuweisen, wo- durch ich mich aber nur noch mehr veranlasst sah, jene klassischen Gegenden selbst aufzusuchen, was ich im August des vorigen Jahres in Begleitung eines meiner Schüler, Herrn Apotheker Müncke, ausführte. Nach- stehend versuche ich in möglichst gedrängten Sätzen den Hauptinhalt meines Vortrages wiederzugeben, der, von Abbildungen begleitet, als selbstständige Arbeit in Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultar. 99 den Acten der kaiserl. Leopoldinisch-Carolinischen deut- schen Akademie der Naturforscher veröffentlicht wer- den soll. 1) Die Urwälder befinden sich im Böhmerwalde, welcher sich in fast 30 Meilen Länge von den Grenzen des Voigtlandes bis nach Ober-Oesterreich hinzieht und die natürliche Grenze zwischen Böhmen und Bayern bil- det, und zwar vorzugsweise im Ursprungsgebiet der Mol- dau auf den Herrschaftsgütern des regierenden Herrn Fürsten Adolph v. Schwarze nberg, Herzog von Kr um mau, auf den Herrschaften Krummau, Winter- berg, Stubenbach, so wie auch auf der gräflich Thun'schen Herrschaft Gross-Zdikau *). Nach Hochstetter wird das Gesammtareal dieser Urwälder etwa auf 33,000 Joch (1 Joch = 2 J / 4 preuss. Morgen) geschätzt, während der gesammte Waldbestand jener eben genannten vier Herr- schaften mit dem regenerirten oder cultivirten Walde zusammen ungefähr 100,000 Joch beträgt. In völlig pri- mitivem Zustande ist vorzugsweise ein auf dem sich bis zu 4298 Fuss erhebenden Kubany befindlicher Urwald von 7200 Mrg. preuss. erhalten, von welchem auch ein höchst wesentlicher Theil nach einer Verordnung des Herrn Fürsten möglichst conservirt werden soll, wo- durch sich Se. Durchlaucht ein in seiner Art einzi- ges Denkmal gründen, welches die Wissen- schaft stets in hohen Ehren halten wird. 2) Der Charakter europäischer Urwälder kann bei der geringen Mannigfaltigkeit unserer Baumvegeta- tion im Vergleich zu denen der Tropen nur ein ein- förmiger sein, und steigert sich diese Einförmigkeit noch auf grösserer Höhe, beschränkt sich zuletzt auf Nadelhölzer, weil eben nur dort sich bei dem Zustande unserer socialen Verhältnisse dergleichen zu erhalten ver- *) Qb in dem angrenzenden bayerischen Walde noch Urwälder in unterem Sinne vorhanden sind, ist mir unbekannt. Ein- zelne kolossale Stämme sah ich auf diesem Gebiete in der Umgegend des Dreisesselberges. 7* 100 Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. mochten. So besteht denn auch in der That die etwa 700 Morgen grosse, im Gläzergebirge in 3500 Fuss Höhe gelegene Urwaldstrecke nur aus Rothtannen (Pinus Äbies L.), im Böhmerwalde die untere Region auf unserem Hauptbeobachtungspuncte, dem Kubany, von 2000 — 3500 Fuss aus Weiss- und Rothtannen mit beigemischten Bu- chen und einzelnen Bergahorn, die obere Region von 3400 — 4000 Fuss nur aus Rothtannen oder Fichten (Pinvs Abies L.). 3) Als Hauptcharakter tritt uns nun in der Buchen- und Weisstannen -Region die erst in der bedeutenden Höhe von durchschnittlich 60 — 100 Fuss vorhandene Kronenbelaubung entgegen, daher die Helligkeit und auch die Möglichkeit der Entwicklung des jungen Auf- schlages, welche freilich erst bei Bildung irgend einer Lücke erhebliche Fortschritte macht, dann aber rasch, selbst nach hundertjähriger Unterdrückung, das unfrei- willig Versäumte nachholt, wie das Studium der Quer- schnitte solcher Stämme zeigt. Die Regeneration oder Verjüngung dieser Wälder erfolgt also fortwährend, und man hat daher nicht nöthig, wie von Einigen angenom- men wird, an einen in grossen, etwa 4 — 500jährigen Zeiträumen eintretenden, sogenannten säcularen Wechsel der gesammten Baumvegetation zu denken. Die gröss- ten Dimensionen erreicht die Weisstanne. Stämme von 120 — 150 Fuss Höhe bei 4 — 6 Fuss Umfang sind ge- wöhnlich, von 200 Fuss Höhe, im Durchm. von 6 — 8 Fuss nicht selten, mehrere maass ich zu 8 Fuss, daher denn auch pro Joch 142 — 200 Kl. im Urwalde häufig vorhanden erscheint. Die stärkste bis jetzt beobachtete, noch in ihren Ruinen von Hochstetter gesehene Weiss- tanne maass 30 Fuss Umfang und 200 Fuss Länge. Auf 30 Kl. 30 zölligen Brennholzes schätzte man die Holz- menge des jetzt leider nicht mehr vorhandenen Riesen. Buchen, Rothbuchen (Fagus sylvatica), obschon von ge- ringerer Stärke, doch in einzelnen Exemplaren von 14 Fuss Umfang, wetteifern im Höhenwachsthum und errei- Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. 101 chen nicht selten die bedeutende Höhe von 100 — 130 Fuss bei 80 — 90 Fuss Kronenbelaubung. Fichten, auch in dieser Region häufig, erreichen zwar nicht die Hohe und Stärke der Weisstanne, aber doch eine so imposante Grösse in Tausenden von Stämmen, wie sie nur als Selten- heiten in unseren Wäldern angetroffen werden. Ihre Ent- wickelungs- und Wachthums weise auf abgebro- chenen stehenden und liegenden Stämmen und dazu noch die Verwachsung der Wurzeln neuer und alter Stöcke untereinander liefein die charakte- ristischen Merkmale des deutschen Urwaldes, welche nach vielfach eingezogenen Erkundigungen von Reisenden der Tropen keine dortige Baumart zeigt. Ent- wickelung auf abgebrochenen stehenden Stöcken oder Stämmen bedingt zuletzt bei allmäliger Zersetzung und Schwinden des Mutterstammes das zuerst von Ratze bürg (1831) beschriebene stelzenartige oder pandanenartige Wachsthum, wo die Bäume wie von Säulen getragen er- scheinen, und Entwickelung aufliegenden Stämmen, die reihenweise Stellung der Bäume im Urwalde, die hier auf die ausgezeichnetste Weise hervortritt. Oft ste- hen 5 — G an 150 Fuss hohe und 3 — 4 Fuss dicke Fich- ten in geraden, oft sich kreuzenden Linien und tausend und abermals tausend jüngeren Anfluges verschiedener Grösse wuchern auf den überall wild durcheinander lie- genden, in allen Stadien der Zersetzung befindlichen Zeu- gen vergangener Jahrhunderte. Nur die kräftigeren er- halten sich und bleiben zuletzt in fast gleichen Entfer- nungen und in geraden Linien zurück, welche der Rich- tung des Stammes entspricht, auf dem sie einst entspros- sen. Nach den genauen von Herrn Forstmeister John, dem verdienten Pfleger des Kubany, angestellten, mir gütigst mitgetheilten Messungen befinden sich in etwa 2 — 3200 Fuss Seehöhe hier auf 1 preuss. Morgen an 100 Klaftern Holzmasse, wovon etwa 5 / 8 auf lebenden und die übrigen 3 / 8 auf todten stehenden und lagernden Stämmen, hier Ronen genannt, kommen. Von 3400 Fuss 102 Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. ab mindert sich das gewaltige Hohenwachsthum, ver- mehrt sich aber die Festigkeit, und in dieser Region von 3500 — 4000 Fuss finden sich Stämme von 6— 700jähri- gem Alter bei nur 2 — 3 Fuss Dicke, deren Holz unter anderem zu Resonanzböden verwendet wird, welches be- sonders im Stubenbacher Revier in unübertrefflicher Güte gefunden und durch die hier befindliche Fabrik des Herrn Bienert, als des Gründers dieser Industrie, in allen Ge- genden der Erde verbreitet wird. 4) Von den anderweitigen Bäumen finden sich hier noch Ulmen, Bergahorn, doch im Ganzen von keinem bemerkenswerthen Umfange, so wie die in allen nordi- schen Wäldern als Baum und Strauch einheimische Eber- esche; dann als Unterholz fast nur Salix caprea, Loni- cera, Sambucus racemosa, u. s. w., von krautartigen Ge- wächsen in besonderen, auf feuchten, von fliessendem Wasser berieselten, nicht eigentlich sumpfigen Lagen, auf welchen auch die Bäume vorzugsweise zur massenhafte- sten Entwickelung gelangen, die gewöhnlichen Pflanzen unserer höheren Vorgebirge. Im Ganzen aber ist die von uns auch möglichst berücksichtigte Phanerogamen- Flora des ganzen Böhmerwaldes, der trotz der Höhe von 4 — 4600 Fuss seiner Berg- Gipfel, durchaus keinen alpinen Charakter, wie etwa das Riesengebirge besitzt, arm zu nennen, aber dennoch eben wegen ihrer Dürftig- keit mit Hinsicht auf Verbreitung der Gewächse von grösstem Interesse. Auf dem höchsten Punct, dem Ar- ber, in 4600 Fuss Seehöhe, meint man die Flora eines Wiesen- oder Waldrandes der Ebene vor sich zu sehen, wenn nicht zwischen den die Rasenflächen begrenzenden Felsengruppen Juncus trifidus und Agrostis rupestris her- vorsprossten und mit den Gyrophoren und Andreaeen auf dem Gestein die hohe Lage verriethen. 5) Wenn wir nach den Ursachen der Erhaltung die- ser wunderbaren Wälder forschen, so haben wir wohl als ein Hauptmoment ihre geographisch schwer zugängliche Lage, die erst sehr spät und nur durch Anlegung von ßchlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. 103 kostbaren Kanälen ihre allgemeinere technische Benutzung gestattete, und die beschränkte Zahl von Holz consunii- renden Fabriken zu nennen. Denn nur Glashütten sind vorhanden, Eisenwerke fehlen wegen Mangels an Eisen- erzen. Zu ihrer ausserordentlichen Entwickelung trägt die durch Beobachtung nachgewiesene, überaus feuchte Atmosphäre wesentlich bei, welche durch die mit Krumm- holzkiefern bewachsenen, das Moldau- und alle ihre Sei- tenthäler bis hoch herauf erfüllenden Moore *) veranlasst wird, wie denn endlich auch die Entfernung jeder Ein- wirkung des Menschen nicht hoch genug anzuschlagen ist. Man überliess die Lichtung der Natur, vielleicht die Hauptursache der so merkwürdig hohen Kronenbelau- bung; alle Ab fälle der Vegetation, sowohl der baum- als krautartigen, kamen ihr hier wieder zu Gute, daher auch die im Allgemeinen sehr gesunde Beschaffenheit dieser Wälder und ihre so massenhafte Holzproduc- tion, wie sie in vielen unserer meist vielfach regenerirten, durch Entfernung der Abfälle und Untervegetation in ihrem natürlichen Wechselverhältnisse von Nahrung und Consumtion gestörten, also wie man wohl mit Wahrheit sagen kann, durch Raubbau geschwächten Wäldern so leicht niemals wieder zum Vorschein kommen kann, und auch dort sich vermindern wird, wenn mit der Zeit die Verhältnisse zur Benutzung der sämmtlichen Erzeugnisse des Waldes drängen sollten. Ich verwahre mich hier im Voraus gegen alle Einwürfe und Vorwürfe, die man *) Diese Bedeutung dieser viele tausend Morgen grossen und oft 20 — 30 Fuss mächtigen Moore ist für die Erhaltung des Wasserreichthums der Moldau, somit für das ganze Land gewiss nicht hoch genug anzuschlagen, worin mir Jeder beistimmen wird, der auf Gebirgen Gelegenheit hatte, den Kinfluss von Mooren und Sumpf- oder Knieholz -Kiefern auf Bildung und Unterhaltung von Quellen zu beobachten. Sphagna scheinen die Entstehung jener Moore vorzugsweise vermit- telt zu haben, die an vielen Orten eben durch den Einfluss jener winzigen, im Haushalt der Natur aber so bedeutungs- vollen Moose uoch in weiterer Bildung begriffen sind. 104 Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. mir wegen dieser Ansicht machen dürfte, lasse alle Noth- wendigkeits- und Nützlichkeitsrücksichten bei Verwal- tungen gelten, mir liegt nur daran, auf eines der gross- artigsten naturhistorischen, bis jetzt nichtsdestoweniger ausser Böhmen nur wenig berücksichtigten wahren Phä- nomens die allgemeine Aufmerksamkeit zu lenken. Denn die Wälder interessiren uns nicht mehr alleinwegen ihrer Holzproduction, sondern auch wegen ihrer hohen klimatischen Bedeutung, wegen ihrer Wichtigkeit für die Regelung der Gewässer zur Verhütung der Gefahren von Ueber- schwemmungen, womit so viele Länder eben in Folge der Vernachlässigung ihrer Pflege auf das Empfindlichste heimgesucht werden. Nur auf solchem primitiven Bo- den kann die bis jetzt freilich kaum noch gegründete Forstchemie, die alleinige Basis einer rationel- len Forstbewirthschaftung, wer wollte dies leugnen, entscheidende Erfahrungen über Nahrung und Production sammeln und so vielen kostspieligen phy- siologischen Einsichten widersprechenden Versuchen ent- gegentreten, welche oft so schwere Opfer ohne Erfolg und Nutzen kosten. Dem bei allen solchen Untersuchun- oren eben so betheiligten Botaniker bietet sich dort ein unerschöpfliches Material für morphologische und physio- logische Studien dar, und der Oekonom kann sich wie so leicht nirgends überzeugen, was ein Boden, den man nicht seiner natürlichen Hülfsmittel beraubt, zu leisten vermag. Dem Paläontologen zeigt die trotz viel tau- sendjähriger ungestörter Vegetation in so geringer Menge vorhandene Dammerde, dass die Steinkohlenlager nicht direct aus Urwäldern und ihrem Abfalle einst ent- standen sein können. Mögen recht Viele jene klassischen Gegenden be- suchen, an welche sich auch zugleich bei mir dankbare Erinnerungen, insbesondere an den hohen Besitzer, knüpfen, durch dessen Anordnungen meinen Bestrebun- gen die wesentlichste Förderung zu Theil ward. 105 III. Monatsbericht. Heber das ätherische Oel aus den Früchten von Abies Reginae Anialiae. Buchner erhielt durch Li ndermay er in Athen eine Sendung von Samen oder vielmehr Früchten jener Tanne, welche man vor einigen Jahren in den Wäldern Arkadiens aufTand, und weil man sie für eine neue Art hielt, der Königin von Griechenland zu Ehren Abies Re- tinae Amaliae benannte. Buchner wagt nicht zu entscheiden, ob diese Tanne wirklich eine besondere neue Species, oder ob sie, wie Einige glauben, nur eine Varietät einer der schon be- kannten Abies -Arten sei; ihre Früchte erregten sein In- teresse, besonders wegen des sehr angenehm riechenden ätherischen Üeles, welches in der Fruchtwand in so reich- licher Menge enthalten ist, dass es beim Zerdrücken der- selben ausfliesst. Dieses Oel lässt sich daher sehr leicht durch Destillation der zerquetschten Früchte mit Wasser gewinnen; aus 150 Grm. Früchte wurden auf diese Weise etwas über 26,25 Grm. Oel erhalten, welches auf dem überdestillirten Wasser schwamm, ein kleiner Theil des Oeles bleibt im Wasser gelöst. Dieses Oel ist von E. Thiel aus Cassel in ßu eb- ner 's Laboratorium einer Untersuchung unterworfen wor- den, aus welcher sich ergiebt, dass es wie die übrigen bekannten flüchtigen Oele der Coniferen zur Gruppe der Camphene mit der Formel C 20 H 16 gehöre. Das Oel ist frisch destillirt ganz farblos und sehr dünnflüssig. Sein Geruch ist von demjenigen des Terpen- thinöles ganz verschieden ; es riecht nämlich sehr ange- nehm balsamisch, eitronenartig und noch feiner als das ätherische Oel aus den Zweigen von Pinna Pumilio IL, welches vor einigen Jahren in Buchner's Laboratorium von Mikolasch aus Lemberg untersucht worden ist. Das speeif. Gewicht des entwässerten Oeles wurde bei mittlerer Temperatur = 0,80« gefunden. Es zeigte bei einer Temperatur von -j- 20,2 U C. und einer Länge der Flüssigkeitssäule von 25 Centim. eine Ablenkung 106 Terpinäther. der Ebene des polarisirten Lichts von bloss 5° nach Links. Unter dem gewöhnlichen Luftdrucke begann es bei 156° zu sieden; der Kochpunct stieg aber bald auf 170° und erhöhte sich eine Zeit darauf bis auf 192°. Die Elementaranalyse ergab in drei Versuchen auf 100 Theile: 1. 2. 3. Mittel. Kohlenstoff 85,91 86,00 85,96 85,96 Wasserstoff 12 ; 77 12,67 12,73 12,72. Die Eigenschaft, den Sauerstoff aus der Luft anzu- ziehen und zunächst zu ozonisiren, besitzt dieses Oel in viel stärkerem Grade, als das Terpenthinöl, und verharzt sich dabei sehr rasch. Gegen Jod verhält sich dieses Oel ganz anders, als das Terpenthinöl, es löst das Jod vollkommen ruhig, ohne Dampfentwickelung und Erhitzung auf. Die Auflösung ist braunroth gefärbt und besitzt den unveränderten Ge- ruch des Oeles und des Jods zugleich. Nach seinen weiteren Versuchen schliesst Thiel, dass dieses ätherische Oel aus den Früchten der arkadi- schen Tanne homogen und nicht wie das Terpenthinöl ein Gemisch von zweierlei Camphenen sei. Als Heilmittel kann das neue Oel, wie die von Seitz in der Münchener Polyklinik angestellten Versuche be- weisen, in allen den Fällen benutzt werden, in welchen man das Terpenthinöl anzuwenden pflegt; wegen seines angenehmen Geruches verdient es jedoch diesem vorge- zogen zu werden. (A. d. Gel. Anz. der k. bayer. Akad. der Wissensch. 1864. — Journ. für prakt. Chem. Bd. 92. Hft. 2.) B. Heber den Terpinäther: von Oppenheim. Das Terpin löst sich beim Erhitzen mit verdünnter Essig- säure, ohne sich in Terpinol zu verwandeln und krystallisirt beim Erkalten in schönen Nadeln aus; concentrirte Säure bildet aus diesen aber sogleich wieder den Kohlenwas- serstoff; die ßuttersäure, die erst bei 200° einwirkt, führt zu demselben Erfolge. Ein anderes Resultat erhält man jedoch, wenn man wasserfreie Essigsäure mit dem Terpin in Berührung bringt; erhitzt man das Gemenge über 160° oder lange Zeit weniger hoch, so erhält man zwar anfangs Terpinol und bei längerem Erhitzen Koh- lenwasserstoffe, aber unter gewissen Vorsichtsmaassregeln Kampfer, empfindliches Reagens auf Albumin. 107 liefert dieses Verfahren mehr oder minder beträchtliche Mengen einfach essigsaures Terpin. Man erhitzt den zuge- schmolzenen Kolben, welcher beide Substanzen in äqui- valenten Mengen enthält, auf 1400 C.; von Zeit zu Zeit öff- net man den Ballon und nimmt einige Tropfen heraus, die man mit Wasser mischt; so lange das Wasser noch «ine beträchtliche Menge Terpinkrystalle abscheidet, er- hitzt man weiter, ist aber ihre Menge gering, so unter- bricht man das Erhitzen. Man kühlt die Flüssigkeit zur Abcheidung des gelösten Terpins ab, wäscht sie mit Was- ser, dann mit verdünnter Sodalösung und trocknet sie über Chloralcium ; die so erhaltene Substanz ist entweder ziem- lich reines essigsaures Salz, oder es muss durch eine im Vacuum vorgenommene fractionirte Destillation gereinigt werden, wobei das Acetat bald Anfangs, bald am Ende übergeht, je nach der Art und Condensation der beige- mengten Substanzen. Folgende Zahlen sind bei der Analyse von vier, zu verschiedener Zeit dargestellten Proben von Oppenheim erhalten worden: Berechnet 1. 2. 3. 4. C 67,28 fi7,63 66,91 65,94 66,13 H 10,28 11,49 10,76 11,14 — Das Terpinmonoacetat zersetzt sich beim Kochen; es siedet bei etwa 140° — 150° C, riecht ähnlich wie Pome- ranzenöl und Terpinol, zugleich erinnert aber der Geruch auch an den der Essigsäure. Verbindungen des Terpins mit andern Sauerstoffsäuren konnten nicht dargestellt wer- den. Wasserfreie Blausäure löst bei 10° mehr als ihr doppeltes Gewicht Terpin, scheidet es aber beim Erkalten wieder in schönen Krystallen ab. (Compt. rend. T. 57. — Chem. Centrbl. 1864. 18.) B. Kampfer, ein sehr empfindliches Reagens auf Albumin. Nach Lightfoot ist wässerige Kampferlösung ein sehr empfindliche! Reagens auf Albumin. Giebt man ein Stück Kampfer in ein Glas Wasser und lässt man nach i inigen Minuten einen Tropfen Eiweiss hineinfallen, so wird dies sofort coagulirt und bildet, von unten her ge- sehen, eine opalisirende Schicht. Wenn das Eiweiss zähe ist, fällt der Tropfen zu Boden und bildet dann eine 108 Einwirkung der Salpetersäure auf Kampfer, biegsame Säule, die bald opalisirend wird. Man entdeckt und bestimmt auf diese Weise äusserst geringe Mengen Albumins. (Photog. Archiv. 1864.) B. Einwirkung der Salpetersäure auf Kampfer. Beim Kochen des Kampfers mit concentrirter Sal- petersäure entsteht ausser "Wasser, Kohlensäure und der schon länger bekannten Kampfersäure eine dicke, nicht krystallisirbare, bis auf den Geruch dem venetianischen Terpenthin völlig gleichende Masse. Diese terpenthinähn- liche Masse hat H. Schwanert untersucht und gefunden, dass sie im Wesentlichen aus einer dreibasischen Säure besteht, deren Zusammensetzung sich durch die Formel C 20 H 14 O 14 ausdrücken lässt und die er Campf- resinsäure nennt. Im reinen Zustande ist die Säure durchsichtig, blassgelb, schwerfliessend, klebrig anzufühlen, speeifisch schwerer als Wasser, geruchlos, schmeckt sauer, scharf und bitterlich und löst sich leicht in jeder Menge Wasser, Weingeist und Aether; ihre Lösungen reagiren stark sauer. Diese terpenthinähnliche Beschaffenheit be- sitzt und behält die Campfresinsäure unverändert jedoch nur dann, wenn ihre wässerige Lösung gleich von vorn- herein dick eingedampft wird. Concentrin, man sie da- gegen nur zu einem dünnen Syrup und lässt diesen an der Luft oder neben Schwefelsäure langsam verdunsten, so scheidet sich die Campfresinsäure darin allmälig als feste, weisse, körnige Masse aus; nach sehr langem Ste- hen neben Schwefelsäure wird sie sogar ganz fest zu einer weissen krümeligen Substanz, die aber wegen ihrer zähen Beschaffenheit sich doch nicht zerreiben lässt und klebrig bleibt. Beim Erhitzen auf 220<> bis 270<> in einer Retorte zerlegt sich die Campfresinsäure in Pyro- und Meta- campfresinsäure, Kampfersäureanhydrid, Ace- ton, Wasser, Essigsäure, Kohlensäure und Kohle. Die Pyrocam pfresinsäure von der Formel C 20 H 14 O 8 zeigt eine ölartige Beschaffenheit und siedet bei 206° — 210°, die Metacam pfresinsäure, nach der Formel C 20 H 10 O 10 zusammengesetzt, krystallisirt in durchsichtigen rhom- bischen Tafeln, die bei 89° schmelzen und bei 66° wieder erstarren. Beide Säuren sind drei basisch. Von allen dargestellten Salzen der Campfresinsäure war keines krystallisirt zu erhalten. Die Mehrzahl der neutralen Salze ist fest, amorph, die sauren Salze Ueber das Menthol. 109 sind meistens ebenso wie die sauren und neutralen Aether dicke, zähe, terpenthinähnliche Oele. Von den Aethern. wurden der Campfresinsäure - Aethyläther, die Diäthylcampfresinsäure, die Aethylcampfresin- säure und der Campfresinsäuremethyläther un- tersucht. Was die Mengenverhältnisse betrifft, die bei der Zer- setzung des Kampfers durch siedende Salpetersäure auf- treten, so hat sich herausgestellt, dass der Kampfer nur i/ 4 Kampfersäure, dagegen ^ Campfresinsäure liefert. Von letzterer, die meist direct aus Kampfer, in geringer Menge aber auch aus der gleichzeitig entstehenden Kam- pfersäure gebildet wird, wird um so mehr gewonnen, je grösser die Menge der einwirkenden Salpetersäure ist und je länger die Einwirkung derselben dauert. Die Campfresinsäure ist nicht bloss ein Zersetzungs- product des Kampfers, sondern sie kann auch aus vielen ätherischen Oelen und Harzen erhalten werden, wenn diese mit concentrirter Salpetersäure lange genug (etwa 20 Stunden lang) gekocht werden. Man darf annehmen, dass sie aus allen Stoffen gebildet wird, die entweder nach der Formel C 20 H 16 zusammengesetzt sind, oder die eine in diesem Verhältniss zusammengesetzte Verbindung gleich- zeitig mit O und dann auch wohl noch mit grösserem Ge- halt von II enthalten; und somit wird sie aus den mei- sten Kampferarten, flüchtigen Oelen, vielen Harzen und Balsamen durch Salpetersäure dargestellt werden können. Und in der That hat H. Schwanert bei der Einwir- kung von Salpetersäure auf Kampferöl, WermuthÖl, Bor- neo -Kampfer, Cajeputöl, Pfeffermünzöl, Pfeffermünzkam- pfer, Terpenthinöl", üzokerit, Bernstein, Ammoniakgummi, Galbanum, Kautschuk, Elemi, Olibanum, Mastix und Guttapercha Kampfresinsäure unter den Zersetzungspro- ducten nachgewiesen. (Ann. der Chem. u. Pharm. CXXVIIL 77—125.) G. Heber das Menthol. Oppenheim fügt den schon beschriebenen Aethern des Menthyls jetzt das Chlorid und Bromid, so wie einige Abkömmlinge dieser Substanzen zu. Das Mcnthyljodür, C 20 II I9 J, erhält man rein, wenn man 3 Aeq. Menthol mit 2 Aeq. Jodphosphor und 2 Aeq. Jod verreibt, wobei die Masse flüssig wird. Man wäscht sie mit verdünnter Sodalösung und schüttelt mit Queck- 110 Ueber das Menthol. silber, um das überschüssige Jod zu entfernen. Das Men- thyljodür ist eine schwere, hellgelbliche Flüssigkeit. Bei der Einwirkung einer alkoholischen Lösung von Schwe- felkalium auf das Jodür entsteht nicht der dem Knob- lauchöle homologe Körper, sondern Menthen C 20 H 18 und Schwefelwasserstoff. Das Menthylbromür, C 20 H ,9 Br, erhält man bei der Einwirkung von 2 Aeq. Bromphosphor auf 3 Aeq. Men- thol. Es ist eine fast farblose Flüssigkeit, die sich beim Kochen zersetzt, wie das Jodür, dem das Bromür übri- gens in den meisten Reactionen ähnlich ist. Das Brom giebt mit ihm mehrere Substitutionsproducte, deren er- stere flüssig sind; aber wie beim Mischen verschiedener Salze immer das weniger lösliche entsteht, so entstehen immer feste Bromüre, die sich als ein weisses Pulver ab- setzen. Dieses in Alkohol unlösliche und in Aether nur wenig lösliche Pulver löst sich leicht in Schwefelkohlenstoff und besteht aus mindestens zwei verschiedenen Körpern. Setzt man nur eine zur vollständigen Lösung ungenügende Menge Schwefelkohlenstoff zu, so erhält man durch Ver- dunsten des Filtrats kleine, harte, glänzende Prismen von der Formel C 20 H 14 Br6. Behandelt man Menthyl- chlorür mit Brom, so entsteht fünffach gebromtes Menthylchlorür, C 20 H ,4 Br 5 Cl, welches aus Schwefel- kohlenstoff in weissen, warzenförmig gruppirten Kryställ- chen sich abscheidet und einen charakteristischen Moschus- geruch besitzt; die Krystalle zeigen rhombische, stark glänzende Flächen. Das Menthylchlorür ist sehr beständig. Natrium greift das Menthylchlorür langsam an und bedeckt sich dabei mit einer violetten Schicht. Werden beide Kör- per 48 Stunden lang bei 150° gehalten, so erhält man eine Flüssigkeit, deren Analyse gut mit der Formel des Menthyls stimmt, aber deren Dampfdichte nur halb so gross ist, als die berechnete, und die nur einige Grad oberhalb des Siedepuncts des Menthens kocht. Da die von Cannizzaro nnd Rossi erhaltenen Radicale der aromatischen Alkohole feste und krystallisirte Körper sind, deren Dichte dem allgemeinen Gesetze entspricht, so muss man die eben beschriebene Reaction in folgender Weise ausdrücken: 2C 2 <>Hi9Cl + 2 Na == 2NaCl -f C20H18 _j- C 2 °H 20 . Diese zwei Kohlenwasserstoffe, das Menthen und der Menthylwasserstoff, besitzen so nahe an einander liegende Siedepuncte, dass sie durch De- stillation nicht getrennt werden können, und da man Untersuchung des ätherischen Muskatnussöls. 111 keine directe Verbindung des Menthens mit dem Brom kennt, so kann man nur die Dampfdichte und den Siede- punct benutzen, um sich von der Bildung- dieser Kohlen- wasserstoffe zu überzeugen. Bei der Behandlung des Menthols mit Oxydations- mitteln, wie Manganhyperoxyd, Kaliumbichromat und Schwefelsäure, Brom und Wasser oder Salpetersäure, erhält man harzige, gebromte und nitrirte, schlecht bestimmbare Substanzen. Wenn man alle diese Keactionen in Betracht nimmt, die Schwierigkeit, wenn nicht die Unmöglichkeit, den dem Menthol entsprechenden Aldehyd und die zu- gehörigen Säuren zu erhalten, und besonders das Frei- werden von Menthen in so vielen verschiedenen Reac- tionen, so fällt die Analogie auf, welche dieser Körper mit den von Wurtz entdeckten Pseudo- Alkoholen der ge- wöhnlichen Reihe darbietet. Man ist indessen nicht be- rechtigt, das Menthol für ein Hydrat zu halten, so lange ein ähnlicher Parallelismus in der Reihe des Allylalkohols nicht nachgewiesen ist. Die Wirkung auf das polaristirte Licht, welche das Menthol und in noch höherem Grade der Essig- und Buttersäureäther ausüben, kann am Menthyljodür und -chlorür und dem gebromten Chlormenthyi nicht nach- gewiesen werden. Diese Ausnahmen sind um so merk- würdiger, als das aus dem Menthyljodür durch Ammoniak oder Schwefelkalium erhaltene Menthen das polarisirte Licht sehr beträchtlich nach Rechts dreht und sich hier- durch vom inactiven Menthen unterscheidet, welches durch Einwirkung von Zinkchlorür auf das Menthol entsteht, welch' letzteres wieder die Polarisationsebene links dreht. (Compt. rend. T. 57. — Chem. Centrbl 1864. 16.) B. Untersuchung des ätherischen Muskatnussöls. Das ätherische Muskatnussöl kann man zwar durch Destillation der zerstossenen Nüsse mit Wasser darstellen; doch erhält man so nur einen Theil desselben, daher ist es nach J. C loez' Angabe vorteilhafter, sie zuerst mit Schwe- felkohlenstoff oder Aether auszuziehen, das Lösungsmittel abzudestilliren und aus dem butterartigen Rückstande entweder durch Destillation im Oelbade bei 200° oder besser durch Einleiten eines Dampfstromes das ätherische ( >cl zu gewinnen. Dasselbe ist keine chemische Verbin- dung. Es beginnt bei 1(>0° zu sieden, die Temperatur steigt rasch auf 108° und steigt zuletzt bis 210°. 95 Proc. 112 Ueher das Helenin. der ganzen Menge gehen unter 175° über. Das Destil- lat hat alle Eigenschaften eines Kohlenwasserstoffs, den man durch Behandlung mit Aetzkali in Stücken und Destillation über Natrium rein erhält. Das so gereinigte Oel ist farblos, sehr dünnflüssig, von 0,8533 spec. Gew. bei 15°, erstarrt nicht bei — 18°, siedet bei 165° und destillirt vollständig ohne Zersetzung über, schmeckt scharf und brennend und riecht nach Muskatnüssen, es dreht die Ebene des polarisirten Lichtstrahls nach Links; sein moleculares Drehungsvermögen ist — 13,5°. Seine Zusammensetzung ist die des Terpenthinöls ; es gab 87,664 Procent Kohlenstoff und 11,814 Proc. Wasserstoff, während letzteres aus 88,2 C und 11,8 H besteht. Die Dampfdichte, bei 244° zu 4,866 gefunden, stimmt ebenso mit der For- mel C 20 H 16 , welche 4,7144 erfordert, überein. Unter einer Glocke über Quecksilber der Luft aus- gesetzt, absorbirt das Muskatnussöl langsam Sauerstoff und verliert seine Dünnflüssigkeit; von Chlor und Brom wird es unter Erzeugung einer zähen, nicht krystallini- schen Verbindung heftig angegriffen. In Wasser ist es in geringer Menge, in absolutem Alkohol vollständig löslich. Salpetersäure greift es unter Entwickelung röthlicher Dämpfe und Bildung von oxalsaurem Ammoniak und an- deren Verbindungen heftig an. Chlorwasserstoff, langsam in das kalte Oel eingeleitet, wird in grosser Menge zu einer Verbindung absorbirt, die aber nicht, wie die des Terpenthinöls, fest ist. Sie bildet eine dünnflüssige, farb- lose, unangenehm aromatisch, dem festen TerpenthinÖl- kampfer ähnlich riechende Flüssigkeit von 0,9827 spec. Gew. Sie gab bei der Analyse 69,99 Proc. C, 10,25 Proc. H und 19,57 Proc. Cl; die Formel C20H16 ? HC1 würde 69,66 C, 9,86 H und 20,58 Cl fordern. Das Muskatnussöl ist also eine bestimmte, dem Ter- penthinöle isomere Verbindung, die sich durch mehrere wichtige Eigenschaften von demselben unterscheidet, in- dem es sich mehr dem Thymen nähert, aber auch von diesem dadurch verschieden ist, dass letzteres ohne Wir- kung auf die Polarisationsebene des Lichts zu sein scheint. (Compt. rend. T. 58. — Chem. Centrbl. 1864. 20.) B. lieber das Helenin. Das Helenin oder der Alantkampfer, eine in der Wur- zel von lmda Helenium vorkommende, flüchtige, krystal- linische Materie, lässt sich nach Delffs leicht gewinnen, Turpethin. 113 wenn man die frische, in Scheiben geschnittene Wurzel mit Weingeist von 80° auskocht und die heiss filtrirte Flüs- sigkeit mit ihrem 3 — 4 fachen Volumen kalten Wassers ver- mischt, worauf sich das Helenin binnen 24 Stunden in langen weissen Nadeln vollständig abscheidet. Dasselbe ist jetzt von C. Hoyer von Neuem untersucht worden. Es ist weiss, krystallinisch, von schwachem Geruch und Geschmack, leicht löslich in Alkohol und Aether, schmilzt bei 720 C un d siedet zwischen 2750 — 2800 unter theil- weiser Zersetzung. Mit wasserfreier Phosphorsäure er- hitzt, liefert es ein öliges Product, von Gerhardt „Hele- nen" genannt und nach ihm aus C 38 H 26 bestehend. Zwei Verbrennungen des Helenins bei der Elementaranalyse gaben ein gleichlautendes Resultat. In 100 Theilen Helenin sind danach enthalten: 64,0056 Kohlenstoff 9,2708 Wasserstoff 26,7236 Sauerstoff 100,0000. Hoyer leitet deshalb für das Helenin als einfache Formel C16H>405 ab. (Wittst. Viertel) ahrsschr. Bd. 13. 4.) B. Turpethin. Die Wurzel der Ipomoea Turpeihum liefert 4 Proc. Harz, wovon ^o in Aether löslich ist. Der in Aether unlösliche Theil des Harzes ist von Spirgatis unter- sucht und Turpethin genannt worden. Seine Zusam- mensetzung stimmt mit der des Jalapins überein und führt zu der Formel C 68 H 56 32 . Durch Behandlung mit starken Basen geht das Turpethin ähnlich wie das Jalapin in eine Säure, die Turpethsäure über, die sich von den Säuren jenes nur durch den Mehrgehalt von 1 110 unterscheidet und aus dem Turpethin durch Aufnahme von 4 H O entsteht. Diese Turpethsäure sowohl, als wie das Turpethin wer- den durch Mineralsäuren in eine fettartige Säure, die Turp ethol säur e, und in Zucker gespalten, es gehört somit das Turpethin, wie das Convolvulin, Jalapin und Seammonium zu den gepaarten Zuckerverbindungon, ist aber mit diesen Harzen nicht identisch, sondern den- Arch.d. Pharm. CLXXlv.lMs. l.u.2.Ilit. 8 114 Schwefelgehalt des Bernsteins. — Collodium ohne Aether. selben nur isomer, da es sich von ihnen, sowohl durch seine Unlöslichkeit in Aether, wie auch durch die ab- weichende Zusammensetzung seiner Derivate unterscheidet. Der Spaltungsprocess des Turpethins in Turpetholsäure und in Zucker lässt sich durch folgende Gleichung aus- drücken : C66H56032 -f 12 HO = C32H3208 -f (C™R™0™). (Sitzungsber. der K. Bayer. Akad. der Wissensch. 1864. — N. Jahrb. für die Pharm. Bd. 21. 6.) B. Schwefelgehalt des Bernsteins. Erhitzt man einige Stücken Bernstein in einem Probe- röhrchen bis zur Destillation, so färben die weissen Dämpfe Bleizuckerpapier schwarz. Alle Bernsteinsorten, die E. Baudrimont untersucht hat, geben diese Reaction. In gelbem durchscheinenden Bernsteine fand er 0,2403 Procent, in weissem undurchsichtigen, welcher für bern- steinsäurehaltiger gilt, eben so viel Schwefel. Der in Aether lösliche Theil des Bernsteins entwickelt ebenfalls Schwefelwasserstoff bei der Destillation. Da sich der Schwefel bei der trockenen Destillation als Schwefelwas- serstoff entwickelt — die bei beginnender Zersetzung des Bernsteins entwickelten Gase fand Baudrimont aus Schwefelwasserstoff, Kohlensäure, Kohlenoxyd und Koh- lenwasserstoff bestehend — so ist höchst wahrscheinlich, dass der Schwefel mit der organischen Substanz verbun- den ist und nicht etwa von den Lagerstätten des Bern- steins herrührt. Copal und Dammar, dem Bernsteine im Aeussern ähnliche Harze, gaben bei der Destillation kei- nen Schwefelwasserstoff. (Compt. rend. 1864. — Chem. Centrbl. 1864. 42.) B. Collodium ohne Aether; von Sntton. Das dazu nöthige, in Alkohol lösliche Pyroxylin wird erhalten, indem man in eine Porcellanschale von etwa 700 Grm. Capacität 100 Grm. Schwefelsäure von 1,83 bringt und 80 Grm. Salpetersäure von 1,4 hinzufügt. Die Schale steht in einem Gefasse mit siedendem Wasser, und wenn die Säure etwa 77° C hat, bringt man völlig weisse, durchaus gereinigte Watte bester Qualität hinein in einer Menge, dass man mit einem Glasstabe bequem durchrühren kann. Man lässt 5 Minuten in Contact, in- Lenk's verbesserte Schiessbaumwolle. 115 dem man Sorge trägt, dass alle Wattenflocken in die Säure getaucht sind. Die Flüssigkeit wird schnell de- cantirt, die Schiessbaumwolle in ein Gefäss mit Wasser geworfen, mehrmals gewaschen, eine Nacht hindurch in Wasser liegen gelassen, von Neuem mehrmals ausgewaschen und dann zum Trocknen ausgebreitet. Eine Hauptsache ist die angegebene Concentration der Säure, das erhaltene Pyroxylin ist sehr kurz, fast ein grobes Pulver, weshalb man, um Verluste zu vermeiden, mit grosser Vorsicht auswaschen muss. Die trockene Baum- wolle wird in ein Gefäss mit Alkohol gebracht, so dass sie davon völlig bedeckt ist, und geschüttelt, bis eine dickflüssige Lösung erhalten ist. (Journ. de Pharm, et de Chirn. Nov. 1863.) Die erforderliche Stärke des Alkohols ist nicht an- gegeben. Ob dieses Collodium das mit Aether dargestellte ersetzen kann, ist doch fraglich, schon wegen der gerin- gen Flüchtigkeit des Alkohols. Dr. Reich. Leiik's verbesserte Schiessbaumwolle. Dieselbe weicht in chemischer Beziehung von der gewöhnlichen käuflichen Schiessbaumwolle dadurch ab, dass sie aus einer bestimmten, sich stets gleichbleiben- den chemischen Verbindung C ,2 H 7 7 , 3 NO 5 besteht, während die andere des Handels eine wechselnde Zu- sammensetzung hat. Bei der Darstellung der von Lenk- schen Schiessbaumwolle, welche sich jedoch nicht zur Bereitung von Collodium eignet, ist erforderlich : die Baum- wolle zuerst gut zu reinigen und vollständig auszutrock- nen, die stärksten Säuren des Handels zu verwenden, der ersten Behandlung mit Säure eine zweite mit einer neuen Quantität gleich starker Säure folgen und die Mischung 48 Stunden lang stehen zu lassen; ferner die Schiessbaumwolle nach dem Auspressen der Säure von allen noch anhängenden Theilen der letzteren durch Wa- schen mit Wasser vollständig zu befreien, was mehre Wochen in Anspruch nimmt. Erfüllt man die genannten Bedingungen, so erhält man ein Product, welches von den fehlerhaften Eigenschaften der bisher dargestellten Präparate völlig frei ist. Eine Probe so dargestellter Schiessbaumwolle bat sich 15 Jahre hindurch unverän- dert erhalten. Sie entzündet sich erst bei einer Tempe- ratur von 136°, nimmt aus der Luft nur wenig Feuch- 116 Lentis verbesserte Schiessbaumwolle. tigkeit auf, hinterlässt nach dem Verbrennen wenig Asche und bildet keinen Rauch. Auch greifen die beim Ver- brennen im verschlossenen Räume sich bildenden Gase die Schiesswaffe nicht an und üben auch keinen schäd- lichen Einfluss auf die dieselben bedienende Mannschaft aus. Um beim Gebrauche eine langsame Verbrennung zu erzielen, empfiehlt von Lenk dieselbe nach dem Aus- waschen in Säure noch mit einer Losung von Wasserglas zu behandeln, wobei sie nach dem Trocknen um etwa 3 Proc. an Gewicht zunehmen würde. Was den mechanischen Effect anbelangt, so scheinen die aus dieser Schiessbaum wolle erzeugten Gase eine grössere Wirkung hervorzubringen, als die Gase des Schiesspulvers. Die Schnelligkeit der Explosion kann durch die Art der Behandlung vergrössert oder vermin- dert werden, was je nach dem Zwecke der Verwendung von Bedeutung ist. Nach den Erfahrungen von Lenk 's bringen im All- gemeinen 11 Pfd. Schiessbaumwolle, in einem Räume von 1 Cubikfuss eingeschlossen, eine den Bedingungen gewöhnlicher Schiessgewehre entsprechend stärkere Wir- kung hervor, als eine denselben Raum einnehmende Menge von 50 bis 60 Pfd. Schiesspulver. Schiessgewehre sowohl als Geschosse erfordern aber je nach ihrer Verschieden- heit verschiedene Stärken der Patronen. Schiessbaum- wolle zeigt sich praktisch am wirksamsten, wenn man sie im Gewichte von J / 4 bis 2 / 3 der sonst verwendeten Pul- vermenge verwendet. Nicht weniger von Bedeutung für die Wirksamkeit der Schiessbaumwolle ist die Art und Weise, wie die Fäden zu einem Ganzen vereinigt wer- den. Zum Gebrauch für Schiessgew ehre wird sie zu Fä- den versponnen und diese in cylindrische Stücke von verschiedener Grösse verwebt, aus welchen man dann die Patronen für gewöhnliche gezogene Büchsen fertigt, indem man sie in erforderlicher Form entsprechend zu- schneidet und in steife Pappdeckelcylinder einschliesst. Bei dieser Form ist die Schnelligkeit der Verbrennung an der Luft 10 Fuss per Secunde. Auch zum Füllen von Bomben dient dieselbe Cylinderform. Zum Sprengen von Fel- sen und c ? jr Minenzwecke wird die Schiessbaumwolle in Taue uis zu 2 Zoll im Durchmesser geflochten, die im Innern hohl gelassen werden. Die Patronen für Kanonen werden direct aus den Schiessbaumwollengarne durch Auf- wickeln auf Spulen, welche aus hohlen Röhren von Papier oder Holz bestehen, gefertigt und daraus Spindeln, ahn- Lentis verbesserte Schiessbaumivolle. 117 lieh den in den Spinnereien gebrauchten, gebildet. Zum Zwecke von Zündschnüren wird das oben beschriebene cylindrische Gewebe in Röhren von Kautschukleinwand eingeschlossen. Da die Schiessbaumwolle beim Verbrennen keinen Russ bildet, setzt sich in den Geschützen nur wenig Un- reinigkeit ab, es braucht daher bei deren Construction weniger Spielraum für die Geschosse gelassen zu werden, als bei Anwendung von Pulver der Fall ist. Praktische Versuche zeigten, dass, wenn die Ladung aus Schiess- baumwolle bestand, ohne Unterbrechung 100 Schüsse, wenn sie aus Schiesspulver bestand, dagegen nur 30 ab- gefeuert werden konnten; dabei ist die Erhitzung im er- steren Falle so gering, dass mittelst eines Sechspfünders binnen 34 Minuten 100 Schüsse abgefeuert werden konn- ten, ohne dass die Temperatur des Geschützes höher als 50° stieg, während bei Anwendung von Schiesspulver bei 100 Schüssen, welche 100 Minuten erforderten, die Tem- peratur schon so gesteigert war, dass Wasser rasch auf den Geschützen verdunstete. Auch ist der Rückschlag der Geschütze bei einem Schusse mit Schiessbaumwolle nur 2 /3 so stark, als bei einem Schusse mit Schiesspulver. Auch hinsichtlich der der Kugel mitgetheilten Schnelligkeit zeichnet sich die Schiessbaumwolle vor dem Schiesspul- ver aus: bei einer Ladung mit lS 1 ^ Unzen Schiessbaum- wolle (Krupp'sche Gussstahlkanonen) ergab sich nämlich eine Schnelligkeit von 1563 Fuss per Secunde, mit der gewöhnlichen Ladung von 30 Unzen Schiesspulver jedoch nur 1338 Fuss. Eben so lehrte die Erfahrung, dass für Schiessbaumwolle leichtere und kürzere Geschosse ohne Nachtheil verwendet werden können und dass selbst nach Abfeuern von 1000 Schüssen noch keine Spur von Ab- nutzung sich merklich macht. Endlich zeigte sich auch die zerstörende Wirkung der Bomben bei einer Ladung mit Schiessbaumwolle viel grösser, als bei einer Ladung mit Schiesspulver. In gleicher Weise leistet beim Spren- gen von Felsen 1 Gewth. Schiessbaumwolle eben so viel als 6,274 Gewth. Schiesspulver, wobei sich herausstellte, dass die Stärke der Explosion mit dem Widerstände, den Gestein bietet, zunimmt. (Nach ein. Ber. der BriL Assoc. durch Polyt. Centrbl. 1863. S. 1645.) B. 118 Bestimmung des Stärkemehls in den Pflanzen. Heber die Löslichkeit des Stärkemehls und sein Verhalten zum polarisirteu Lichte. Nach W. Kabisch werden die Polarisationserschei- nungen der Stärkekörner durch den Einfluss der Wärme verändert. Die optischen Eigenschaften der Stärke sind überhaupt in verschiedenen Fällen verschieden, bald rechts- drehend, bald linksdrehend, bald optisch negativ, bald positiv, eben so wenig kann man auch von gesetzmässig verlaufenden optischen Achsen sprechen. Durch Glycerin wird die Stärke vollständig aufgelöst und kann aus dieser Lösung durch Weingeist in einer löslichen Modifikation niedergeschlagen werden. (Ztschr für analyt. Chem. IL S. 216. Hft. 2.) ß Bestimmung des Stärkemehls in den Pflanzen. Nach Dragendorff werden 2 bis 3 Grm. der zu untersuchenden Substanz mit 25 Grm. einer 5 6pro- centigen weingeistigen Kalilösung 18 — 30 Stunden lang im verschlossenen Gefässe digerirt, wodurch alle Stoffe, mit Ausnahme des Zellstoffes, der Rinde, des Pflanzen- schleims und der Stärke, löslich gemacht werden, so dass sie mit Wasser ausgewaschen werden können. Fette Kör- per werden zuerst mit kochendem absoluten Alkohol, dann mit kaltem und zuletzt mit Wasser gewaschen ; schleimige Körper wäscht man mit 8 — 10 Proc. Weingeist haltigem Wasser. Der getrocknete und gewogene Rückstand wird mit kochender Salzsäure oder mit concentrirtem Malzaus- zuge behandelt^ bis er sich nicht mehr mit Jodlösung bläut, dann filtrirt, gewaschen, getrocknet und gewogen. Der Gewichtsunterschied gegen die vorige Wägung giebt den Stärkegehalt an. Die bei Anwendung von Salzsäure gelösten Mineralsubstanzen können durch Abdampfen der Lösung und Verbrennen des Rückstandes bestimmt und in Abrechnung gebracht werden. (Journ. des brasseurs. No. 45. — Dingl. polyt. Journ. Bd. 121.) ß. Heber die Prüfung der Tapioca; von E. Marchand. Die Tapioca (das Satzmehl aus der Wurzel von Ja- tropha s. Janipha Manihot) bildet ein namentlich in Frank- reich viel gebrauchtes Nahrungsmittel für Kinder und Kranke, ähnlich wie das Arrow-root. Sehr häufig findet Prüfung der Tapioca. 119 sich diese Stärkemehlart im Handel mit Kartoffel- oder Weizenstärke verfälscht vor und es ist daher wichtig, ein Mittel zu kennen, wodurch man diese Beimischun- gen unzweifelhaft erkennen kann. Znnachst ist es das Mikroskop, welches einen Aufschluss über die Reinheit der Tapioca geben kann und überhaupt einen Weg dar- bietet, um die verschiedenen Stärkesorten zu unterschei- den. Es erscheinen die Tapiocakörnchen bei etwa 400- facher Vergrosserung als kleine, undeutlich vierkantige, fast durchsichtige Körperchen, welche häufig zu 3 bis 4 zusammengeballt sind. Es lässt sich deshalb die Kar- toffelstärke mit ihren verhältnissmässig sehr grossen, meist ovalen Körnern leicht auf diesem Wege entdecken. Da jedoch das Arbeiten mit dem Mikroskope Uebung und vor Allem ein kostspieliges Instrument erfordert, so ist für den allgemeinen Gebrauch eine chemische Prüfung vorzuziehen. In Anbetracht dessen wurde daher vonPayen vorgeschla- gen, eine kleine Menge der fraglichen Tapioca mit einer genügenden Quantität Wasser zu kochen und zu dieser klaren Lösung dann 3 — 4 Tropfen Schwefelsäure hinzu- zufügen, worauf man, nachdem die Mischung vom Feuer genommen ist, die Gegenwart von Kartoffelstärke an einem Gerüche nach saurem Kleister erkennt, der um so stärker hervortritt, je grösser das Quantum der beige- mischten Stärke ist. So leicht diese Prüfung von Jeder- mann ausgeführt werden kann, giebt sie doch immer die Möglichkeit einer verschiedenen Beurtheilung der Waare, da sie sich nur auf einen momentan bemerklichen Geruch stützt. Marchand, welcher eben mit der Prüfung meh- rerer Tapiocasorten des Handels beschäftigt war und völlig reine Tapioca, aus sicherer Quelle bezogen, in den Händen hatte, versuchte daher auf eine Prüfungsmethode zu kommen, welche mit den Augen allein verfolgt zu werden brauche. Er beobachtete die Einwirkung des Jods auf die völlig reine und auf verfälschte Tapioca und gelangte dabei zu folgendem Resultate. Werden 4 Grm. echte Tapioca mit 45 Grm. Wasser angerührt, so nimmt man ein rasches Aufschwellen des Pulvers wahr, welches schon an sich ein Zeichen der Güte der Waare ist. Lässt man jene Mischung dann 20 Stunden stehen, theilt sie nach gutem Um8chüttcln in mehrere Portionen von je rm. und fügt zu jeder derselben noch 55 Grm. Wasser, so erhält man nach einem viertelstündigen Kochen und Er- setzen dei verdampften Wassers, fast klare; Flüssigkeiten, welche man in gleichmässig graduirte Röhren liltrirt. Hat 120 Getreidemehl oder Stärkemehl in Chocolade etc. man in jeder der Röhren etwa 40 Grm. Filtrat erhalten, so trägt man in jede ein gleichmässiges Volumen Jodwas- ser ein und schüttelt um. Alsdann nimmt man wahr, dass die echte Tapioca nur eine schnell vorübergehende, bläuliche Färbung zeigt, während bei Gegenwart von Kartoffelstärke eine mehr oder weniger intensiv blau- violette, länger ausdauernde Färbung eintritt. Wieder- holt man, nachdem die erste Färbung verschwunden ist, den Zusatz von Jodwasser, so erhält man, selbst nach 5 Tagen noch, die nämliche Erscheinung wieder. Das gleiche Verfahren mit Glyeerin ausgeführt, gab ein ähnliches Resultat, doch ist dabei das Verhältniss der Tapioca geringer zu nehmen, da dieselbe viel weni- ger darin aufschwillt und der Zusatz von Jodwasser muss ein sehr reichlicher sein. Der einzige Vortheil ist dabei, dass man hier nicht erst so lange Zeit zu maceriren nöthig hat. {Journ. de Pharm, et de Chim. Avril 1864.) Weinhold. Erkennung von Getreideinehl oder Stärkemehl in der Chocolade und Cacaomasse. Payen hat beobachtet, dass die Stärkemehlarten, die aus sehr feinen und schwach zusammenhängenden Körnern bestehen, von Jod nur violett gefärbt werden. Zu diesen gehört auch das Stärkemehl der Cacaobohne, daher es auch, obschon 10 Proc. und mehr betragend, mehrfach darin übersehen worden ist. Durch Jod kann man daher mit Stärke oder Getreidemehl verfälschte prä- parirte Cacaomasse leicht an der entstehenden tiefblauen Färbung erkennen. {Journ. de Pharm, et de Chim. T. 41. — Ztschr. für analyt. Chem.) B. lieber die Einwirkung des Lichts auf den durch Schwefelsäure veränderten Rohrzucker hat C. Scheibler im Polytechn. Notizbl. 1863, p. 294 Beobachtungen bekannt gemacht, denen zufolge aus einer syrupsdicken Lösung solchen intervertirten Rohrzuckers, welche, wie der Bienenhonig, aus rechts drehendem leicht krystallisirendem Traubenzucker und links drehendem flüs- sig bleibenden Fruchtzucker besteht, der erstere sich nur unter Einwirkung des Lichts ausscheide und dass bei sorgsamer Abhaltung desselben diese Lösung voll- kommen flüssig bleibe. Derselbe hebt hierbei hervor, Drehungsvermögen des Zuckers. 121 dass in dieser Erscheinung auch der Grund liegen möge, weshalb die Bienen den Eintritt des Lichts in ihr Ge- häuse zu verhindern suchen und jede von den Bienen- züchtern in dasselbe eingebrachte Glaswand mit Wachs überkleiden, damit der Honig in den Waben nicht kry- stallisire und so den Bewegungen der jungen Thiere nicht hinderlich werde. Praktische Pharmaceuten werden, eingedenk des oft störenden Verzuckerns des gereinigten Honigs und ge- wisser Fruchtsyrupe, vorstehende Beobachtung vielleicht auch nach dieser Richtung hin auszunutzen und durch Schützung der resp. Standgefässe vor dem Einfluss des Lichts diesem Krystallinischwerden zuvorzukommen ver- suchen. Hir seither g. lieber den Einfluss optisch unwirksamer Substanzen auf das Drehungsvermögen des Zuckers. Jodin hat gefunden, dass der Alkohol das Dre- hungsvermögen des durch Säuren oder Fermente umge- wandelten Rohrzuckers erheblich vermindert. Eine 0,4 Gramm umgewandelten Zucker (C 12 H 12 12 ) enthaltende Lösung besass, je nachdem man sie mit einem gleichen Volumen W r asser oder Alkohol verdünnte, ein Drehungs- vermögen von — 28,8° und — 19°. Wie das Drehungs- vermögen der wässerigen Lösungen dieses Zuckers durch Erwärmen vermindert wird, so findet das Gleiche auch bei den alkoholischen Lösungen statt; eine in der Kälte linksdrehende alkoholische Lösung kann in höherer Tem- peratur, die jedoch den Siedepunct nicht erreicht, rechts- drehend werden. Das Drehungsvermögen des Rohrzuckers und des rechtsdrehenden Traubenzuckers wird durch Al- kohol nicht erheblich verändert. Hieraus geht hervor, dass es das linksdrehende Element des umgewandelten Zuckers, die Levulose, ist, welche eine Drehungsverände- rung erleidet. Bei der Vergleichung von mit Alkohol und mit Wasser verdünnten Lösungen von Levulose, die 0,128 Grm. derselben in Cubikcentimetern enthielten, er- gab sich 7 ° nur + 33,30. Bei einer Lösung von Levulose mit 0,050 Grm. C 12 H 12 12 und 0,0064 Gramm Kalk im Cubikcentimeter wurde das Drehungs- vermögen durch den Kalk von — 106° auf — 63° ver- mindert. (Compt. rend. 1864. — Chem. Central. 1864. 30.) B. Wirkung des Jods, Broms und Chlors auf Zucker; von Fougera. Durch Erwärmen von Jod mit Zuckersyrup in einem verstopften Glase bis 60° C. und öfteres Umschütteln er- hält man zuerst eine rothbraune Lösung, die aber bei fortgesetztem Erwärmen wieder farblos wird. Es gelingt auf diese Weise, 30 Gran Jod in 1 Unze Zuckersyrup aufzulösen. Hört man auch nach der Entfärbung der Flüssigkeit nicht auf zu erhitzen, so tritt wieder Färbung ein, der Zucker geht dabei in Caramei über und schliess- lich scheidet sich unter Entwicklung von Kohlensäure eine schwärzliche, leichte, schwammige Substanz ab, die in Wasser und Alkohol theilweise löslich ist und sich dem Ulmin ähnlich verhält. Die farblose Jodiösung hat mitunter einen Obstgeruch, sie reagirt sauer, verändert sich nicht an der Luft und enthält viel Glykose. Brom wirkt auf Zucker in ähnlicher Weise, aber rascher. Kalt gesättigtes Chlorwasser mit Zucker ver- setzt und erwärmt, enthält schon nach einer halben Stunde kein Chlor mehr und hat eine 3aure Reaction angenom- men. (Pharmaceut. Journ. and Transact. Vol. VI. No. IL Aug. 1864. p. 90.) Wp. Darstellung des Stärkezuckers in krystallisirtem Zustande. Nach Fr. Anthon wird der auf bekannte Weise aus Stärke mittelst Schwefelsäure erhaltene und neutra- lisirte Saft, je nach der mehr oder minder bewirkten vollständigen Umwandlung der Stärke in Zucker, auf 38° — 42° B. (siedend gewogen) abgedampft und in hol- lieber fuhrung der Stärke in Zucker. 123 zernen Gefässen zum Erstarren der Ruhe überlassen. Nachdem dieses geschehen, so wird die rohe Zuckermasse aus den Gefässen herausgenommen, in Presstücher ein- geschlagen und stark ausgepresst. Der abfliessende Sy- rup wird immer wieder aufs Neue mit versotten. Mit dem in den Presstüchern befindlichen Zucker wird Fol- gendes vorgenommen. Der gepresste Zucker wird, bei möglichst niedriger Temperatur, im Wasserbade geschmol- zen und bei 60° — 80° R. so lange im offenen Gefässe erhalten, bis die Concentration 43° — 45° B. erlangt hat. Ist dieser Zeitpunct eingetreten, so lässt man den ge- schmolzenen Zucker erkalten, wobei man umrührt und zwar um so öfter und um so länger, von je dichterem und kleinerem Korne man den Zucker erhalten will. Ist die Zuckermasse bis auf 25° — 30° R. abgekühlt, so wird sie in Formen gefüllt, darin bis zum völligen Festwerden gelassen, dann herausgenommen und in einer Trocken- stube gelinde ausgetrocknet. {Die neuesten Erfindungen. 1863.) B. ^ Ueberführung der Stärke in Zucker durch die Schalen roher Kartoffeln. Schönbein zeigte in einem sehr interessanten Ar- tikel (Journ.für i^akt. Chem. 89. 323.), dass die kataly- tische Wirksamkeit organischer Materien nicht nur der Diastase, dem Emulsin, Myrosin, der Hefe, dem Kleber u. s. w. zukommen, sondern dass dieselbe in der Pflan- zen- und Thierwelt allgemein verbreitet ist. Unter an- deren besitzen namentlich die Schalen roher Kartoffeln, die Wurzeln von Leontodon Taraxacum, der Lactuca sa- tiva u. m. a. grosse kataly tische Kraft. Da viele der schon länger bekannten katalytischen Substanzen auch die Fähigkeit zeigen, die Stärke in Zucker zu verwandeln, so lag die Wahrscheinlichkeit nahe, dass der eine oder andere der neu aufgefundenen Stoffe auch diese Art der Katalyse bewirke. In der That hat sich auch Schön bein's Voraus- setzung bei Hcinen mit den Schalen roher Kartoffeln an- gestellten Versuchen bestätigt gefunden. Dünner Stärkekleister, zu welchem eine ziemlich grosse Menge der Schalen roher Kartoffeln gegeben war, wurde 10 — 12 Stunden einer Temperatur von 45° — 50° letzt Die Stärke war nach dieser Zeit fast voll- ständig in Traubenzucker umgewandelt. 124 Umwandlung der Schlang enhaut in Zucker. Auf trocknes Stärkemehl üben die Schalen der Kar toffeln keinen Einfluss aus. (Journ.für prakt. Chem. Bd. 92.) B. lieber die Umwandlung der Schlangenhaut in Zucker. Die 1861 veröffentlichen Untersuchungen über Um- wandlung der Seidenraupen in Zucker dehnte de Luca auch auf die Haut der Schlange aus. Das Material wurde ihm aus der Menagerie des Museums von Dumeril, Professor am Jardin des plantes, geliefert. Die Haut der Schlangen enthält, wenngleich in sehr geringer Menge, eine der vegetabilischen Cellulose ana- loge Substanz, löslich in Kupferoxydammoniak, umbildbar in Glykose, die Kupferkalitartrat reducirt und durch Bierhefe unter Bildung von Alkohol und Kohlensäure in Gährung übergeht. Bei diesen Untersuchungen liegt die grösste Schwie- rigkeit in der Elimination der Stickstoffsubstanzen, welche die Schlangenhaut enthält: man muss sehr behutsam ar- beiten, bei niedriger Temperatur und mit Vermeidung jeder stürmischen Einwirkung der Reagentien. Aether und Alkohol, in der Kälte 48 Stunden auf Schlangenhaut einwirkend, färben sich kaum und lösen nur Spuren organischer Stoffe ; — mit dem gleichen Vo- lumen Wasser verdünnte Schwefelsäure contrahirt die Haut; concentrirte Schwefelsäure löst viel organische Sub- stanz, die Haut wird dünn, behält jedoch ihre ursprüng- liche Gestalt; — verdünnte Salzsäure wirkt kaum sicht- bar; rauchende Salzsäure bringt die den Protei'nsubstan- zen eigentümliche prächtig violette Färbung hervor; — concentrirte Salpetersäure färbt die Häute gelb, sie zie- hen sich zusammen und nehmen Seidenglanz an, der auch dem Abwaschen widersteht; — Kali äussert selbst bei gewöhnlicher Temperatur eine energische Wirkung, es bildet sich eine Gallerte, die mit viel Wasser behan- delt, eine weisse flockige Substanz fallen lässt. Concentrirte Schwefelsäure und Kali sind die besten Reagentien, die bei längerer Einwirkung auf Schlangen- haut und bei gewöhnlicher Temperatur eine grosse Menge stickstoffhaltiger Substanz aufnehmen, im Rückstande bleibt eine Materie, die chemischen Einflüssen grossen Wider- stand entgegensetzt, jedoch bei gehöriger Sorgfalt in gährungsfähige Glucose übergeführt werden kann. 1) Schlangenhaut direct mit Kupferoxydammoniak Umwandlung der Schlangenhaut in Zucker. 125 behandelt gab an dasselbe nach' längerer durch Schütteln unterstützter Einwirkung einen Stoff ab, der durch Neutra- lisation vermittelst Säure in Freiheit gesetzt, durch Fer- mente und schwache Säuren in Zucker umgewandelt wird, der Kupferkalktartrat reduciren kann. 2) 50 Grm. vorher mit concentrirter Schwefelsäure behandelte Schlangenhaut wurden mit einem Liter Was- ser, das 39,750 Grm. Aetzkali enthielt, gekocht. Nach dem Erkalten wurde mit viel Wasser vermischt und der unlösliche Theil mehrmals durch Decantiren gewaschen. Durch Behandeln desselben mit Kupferoxydammoniak wurde eine alkalische Flüssigkeit erhalten, die nach der Neutralisation mittelst Salzsäure eine weisse leichte Sub- stanz fallen lies, welche nach dem Kochen mit schwach angesäuertem Wasser weinsaures Kupferoxydkali redu- cirte. 3) 50 Grm. Schlangenhaut wurden 2 Monate lang unter bisweiligem Schütteln mit Kupferoxydammoniak be- handelt, dann durch Glasstücke und Asbest filtrirt, was wegen der gelatinösen Beschaffenheit der Flüssigkeit mehre Tage dauerte, das Filtrat mit Wasser verdünnt und durch Salzsäure neutralisirt. Es fiel eine flockige Masse zu Boden, die mehrmals gewaschen und mit einigen Tropfen verdünnter Schwefelsäure gekocht wurde. Es entstand eine klare Flüssigkeit, die alkalisch gemacht Kupferkali- tartrat reducirte. 4) 50 Grm. Schlangenhaut wurden bei gewöhnlicher Temperatur längere Zeit mit concentrirter Schwefelsäure und Aetzkalilösung behandelt, das Unlösliche wurde mehr- mals gewaschen, vorsichtig unter Vermeidung des atmo- sphärischen Einflusses getrocknet, mit sehr starker Schwe- felsäure in einem Porzellanmörser zerrieben, wodurch eine gelatinöse Masse entstand ähnlich dem Pflanzenschleim, die 24 Stunden sich selbst überlassen wurde. De Luca brachte sie dann in kleinen Mengen in siedendes Wasser und kochte unter beständigem Rühren und Ersatz ^ des verdampfenden Wassers 6 Stunden lang. Nach 24 Stun- den wurde mit Kreidepulver neutralisirt, die Flüssigkeit nach abermals 21 Stunden decantirt, der schwefelsaure Kalk nochmals mit siedendem Wasser behandelt und beide erhaltenen Flüssigkeiten im Wasserbade eingedampft. Aus dem Rückstände wurden durch kleine Mengen Was- ser noch schwefelsaurer Kalk und andere unbestimmte Materien abgeschieden, die wässerige Lösung von Neuem eingedampft und so eine schleimige etwas gelbliche Sub- 126 Trehala oder Trikala. stanz erhalten, die sehr stark weinsaures Kupferoxydkali reducirte und mit Bierhefe unter Entwicklung von Koh- lensäure und Bildung von Alkohol gährte. Aetzkali absorbirte die Kohlensäure völlig, der durch fractiomrte Destillation und durch krystallisirtes kohlen- saures Kali isohrte Alkohol verbrannte mit heller Flamme onne Ruckstand; beim Reiben zwischen den Händen ent- wickelte er einen angenehmen jedoch schwach an ani- malische Stoffe erinnernden Geruch; endlich wurden mit- telst Schwefelsäure aus ihm einige Cubikcentimeter Aethy- lengas erhalten. J Es enthält demnach die Schlangenhaut einen der ve- getabilischen Cellulose isomeren Stoff, ein Beweis, dass im Organismus der Pflanzen und der Thiere die Natur nach denselben Grundprincipien die verschiedenen Phä- nomene des Lebens erzeugt. (Journ. de Pharm, et de Chim. Oct. 1863). Dr , Eeich Trehala oder Trikala. Seit der Pariser Ausstellung im Jahre 1855 ist un- ter dem Namen Trehala oder Trikala eine aus Syrien stammende Drogue bekannt geworden. Im Oriente fin- det dieselbe eine eben so grosse Verwendung, wie bei uns Sago und Salep. Sie besteht aus einem hohlen Cocon von der Grösse einer Olive und wird durch ein der Fa- milie der Rynchophoren angehörendes Insekt erzeugt welches beträchtliche Mengen stärkemehlhaltiger Stoffe zum Bau seiner Wohnung zusammenträgt. Die Trehala enthalt einen krystallinischen, eigenthümlichen Zucker, (die Irehalosevon Berthelot), welchen die Perser Nester- zucker nennen. Die Trehala ist folgendermaassen zu- sammengesetzt und besteht in 100 Theilen aus Stärkemehl 66 54 Zucker und Bitterstoff . 28*80 Verschiedenen Salzen und wenig Gummi 4,60. Das Stärkemehl der Trehala ist dem der Gersten- starke dem Sago und besonders dem Traganthgummi ähn- lich und lasst sich durch Kochen im Wasser nicht vollstän- dig zertheilen und noch weniger auflösen. Die Trehala im Wasser erweicht, schwillt auf und verwandelt sich in einen dicken schleimigen Brei. (Hagen Arzneistoffe, ' B. Verwendung des Glycerins. • 127 lieber die Verwendung des Glycerins zu vielfachen Zwecken. Das Glycerin oder Oelsüss, ein Bestandtheil fast aller Fette, das jetzt bei der Verseifung als Nebenpro- duct gewonnen wird, eignet sich seiner Eigenschaften wegen zu vielerlei Verwendungen, von denen sich noch gar kein Ende absehen lässt. Es stellt einen farblosen, dickflüssigen, süssen Syrup dar, der nicht gefriert, wes- halb er zum Sperren von Gasuhren gebraucht wird. Es zieht mit grosser Begierde Wasser an, entzieht dieses also andern Körpern, mit denen es in Berührung gebracht wird, und dient darum in vielen Fällen, Stoffe zu con- serviren. Namentlich halten sich Früchte darin sehr gut, die nachher nur in Wasser abgespült zu werden brau- chen, um geniessbar zu sein. Ferner hat es die Eigen- thümlichkeit, die Fällbarkeit der schweren Metalle durch Alkalien aufzuheben, wodurch in der Medicin und Fär- berei eine Anwendbarkeit erzielt wird, die sich noch gar nicht absehen lässt. Es hat die Eigenschaft, Gerüche an sich zu ziehen, und wird sich in vielen Fällen viel bes- ser als das leicht ranzig werdende Oel eignen, Stoffe, die sich nicht destilliren lassen, zu extrahiren und das Par- füm zu bewahren und zur Anwendung zu bringen. Wei- ter eignet es sich, nach neueren Untersuchungen, in Ver- bindung mit Bernsteinsäure zu Verbesserungen in der Weinbereitung. Es dient in der Liqueurfabrikation ein- mal in Stelle des Zuckers, fürs andere nimmt es manche Farbstoffe auf, die in anderer Weise schwer den Liqueu- ren mitzutheilen sind. Auch lassen sich sämmtliche Nutz- stoffe des Hopfens durch Glycerin extrahiren, und das- selbe vergährt, nach Versuchen im Kleinen, sehr gut. Das Glycerin löst und erweicht alle verhärteten Fett- massen mit grosser Leichtigkeit, es dient daher zum Lö- sen des verhärteten Ohrenschmalzes; auch dient es vie- len Mitteln zur Lösung, die sich gut damit äusserlich als Arzneimittel anwenden lassen. Es nimmt ausgezeichnet die Kleienflechte auf und dient darum als llaarmittel. Es giebt mit Thon einen ausgezeichneten, nicht trock- nenden Modcllthon. Ein geringer Zusatz zur Tinte macht sie zur Copirtinte. In der Färberei steht ihm noch eine grosse Zukunft bevor, da es mit Krapp ausgezeichnete Farben zum Türkisch-Rotfa giebt. Endlich noch erhält thierische Blase weich und bewahrt sie vor dem Aus- trocknen, und dient auch zum Trünken und Gcschmei- 128 Verfälschung des Glycerins. — Glycerinpflaster. dighalten von Riemen und Lederwerk. (Bl. für Hand. u. Gewbe. 1864.) B. Verfälschung des Glycerins mit Zuckersyrup; von Palm. Der süsse Geschmack des Glycerins und sein liqui- der Zustand verleiten zu Verfälschungen mit Zucker- syrup, die man durch sehr wesentliche Charaktere er- kennt. Man fügt 2 Tropfen concentrirter Schwefelsäure zu dem Glycerin und erwärmt im Wasserbade, um das Was- ser auszutreiben ; eine eintretende schwarze Färbung zeigt Rohrzucker an. Weder Glycerin noch Trauben- zucker schwärzen sich unter diesen Bedingungen. Um letzteren zu erkennen, giebt man zu dem Glycerin */ 3 seines Volumens Kalilauge und erhitzt zum Sieden: eine braune Färbung zeigt Traubenzucker an. Weder Gly- cerin noch Rohrzucker färben sich mit Kalilauge braun. (Journ. de Pharm, et de Chim. Nov. 1863.) Dr. Reich. Glycerinpflaster. 100 — 150 Gran Stärkemehl mit 1 Unze Glycerin ge- kocht, geben nach Tili; eine geruchlose Mischung, die nicht ranzig wird, und obgleich sie sehr fest an der Haut anklebt, doch weggenommen und wieder angelegt werden kann. Tilt benutzt diesen Glycerinkleister als Corpus zu andern Pflastern. So nimmt er statt Bella- donnapflaster 1 Unze Glycerinkleister und vermischt da- mit 3 Gran schwefelsaures Atropin. Zum Aufstreichen dient Guttapercha-Leinwand oder undurchdringliches Zeug. Morphium und andere Alkaloide werden in derselben Weise verwendet. (Chem. Journ. and Transact. — Polyt. Centrbl. 1864.) B. lieber die Schädlichkeit einer Inhalation von Nitro- glycerin. Hierüber theilt John Merrick (SM. Amer. Journ. (2.) Vol. 36. No.107.) Folgendes mit: Bei der Verdun- stung einer ätherischen Lösung von Nitroglycerin auf einem Wasserbade kippte die Schale, in der sich die Lösung befand, durch ein Versehen um, wodurch ein grosser Theil ihres Inhaltes das heisse Kupfergefäss, wel- Doppelsalz von glykolsaurem Kalk mit Chlor calcium. 129 ches als Wasserbad diente, bespülte und augenblicklich einen dichten Dampf von Aether und Nitroglycerin er- zeugte. Obgleich Merrick unmittelbar am Wasserbade stand und ein grosses Volumen des gemischten Dampfes eingeathmet haben musste, so fühlte er augenblicklich keine Beschwerden ; in weniger als 15 Minuten aberstellte sich ein Kopfschmerz ein, der anfangs zwar nur schwach, nach etwa l J / 2 Stunden jedoch fast unerträglich wurde. Dazu gesellte sich eine bedeutende Schwäche und Er- schöpfung, äusserste Empfindlichkeit gegen das Licht und ein starkes Gefühl allgemeiner Angst und Unruhe. Mer- rick verschaffte sich schliesslich Erleichterung durch In- halation einer grossen Quantität Aether; der daraus re- sultirenden Unempfindlichkeit folgte ein unterbrochener und unruhiger Schlaf, der bis zum folgenden Tage dau- erte und Schwäche, Erschöpfung und einen kleinen Kopf- schmerz zurückliess. Diese unbehaglichen Symptome ver- schwanden erst nach 3 oder 4 Tagen. Das Bewusstsein verlor Merrick keinen Augenblick. In Mr. Field's Fall, der in Viole Braithicaites Re- trospekt of Practical Mediane beschrieben ist, erzeugten 2 Tropfen einer Lösung, die nur 1 Tropfen Nitroglyce- rin auf 90 Tropfen Weingeist enthielt, Bewusstlosigkeit und andere sehr bedeutende Symptome von narkotischer Vergiftung. Die Wirkung des Nitroglycerins auf verschiedene Individuen sind sehr verschieden und geradezu wider- sprechend. Während 2 Tropfen der angegebenen Lösung in dem eben erwähnten Falle Bewusstlosigkeit erzeugten, genoss eine andere Person 200 Tropfen einer ähnlichen Lösung, ohne andere Nachtheile, als ein schwach dum- pfes Gefühl im Kopfe zu spüren. Die Wirkung des rei- nen Nitroglycerins erscheint dem Verf. nicht so schäd- lich auf den Organismus, wie die der alkoholischen Lö- sung. (Journ. für prakt. Chem. Bd. 92. S.252.) B. (ober ein Doppelsalz von glykolsaurem Kalk mit Chlorealcium. Zerlegt man Benzoglykolsäure durch Kochen mit Salz- säure und dampft die von der ausgeschiedenen Benzoö- re abiiltrirte Lösung nach dem Neutralisiren mit Kalk bis zu einem gewissen Grade ab, so krystallisiren beim Erkalten seideglänzende Nadeln von glykolsaurem Kalk. Die Krystalle lösen sich durch Erwärmen wieder und Arch.d. Pharm. CLXXIV. Bds. l.u.2. lift. <.) 130 Neue Bildungsweise der Malonsäure u. Bernstein säure. dampft man dann die Lösung weiter bis zur Consistenz eines dünnen Syrups ein, so entstehen beim Erkalten prachtvolle Krystalle eines Doppelsalzes von glykolsaurem Kalk mit Chlorcalcium. Dasselbe Doppelsalz kann erhalten werden durch Zusammenbringen von glykolsaurem Kalk (nach Debus' Verfahren dargestellt) mit einem grossen Ueberschuss von Chlorcalcium und Stehenlassen der stark eingedampften Lösung. Das Doppelsalz bildet grosse, durchsichtige, octae- drische Krystalle, verändert sich nicht an der Luft, ver- liert aber schon bei 70° Krystallwasser. Durch Wasser oder Alkohol wird es in seine Bestandtheile zerlegt. Das lufttrockne Salz entspricht der Formel : CaO, C4H3 05 + CaCl -f 6 HO. (Sok. u. Engelh. Chem. Journ. 1. Bd. — Ztschr. für Chem. u. Pharm. 1864. 3. Hfl.) B. lieber eine neue Bildungsweise der Malonsäure und Bernsteinsäure. Hugo Müller hat Versuche angestellt, ob das Chlor der Chloressigsäure durch Cyan ersetzt werden könne, weil dadurch ein Körper resultiren würde, der als Cyan- essigsäure einerseits dem Typus der Essigsäure angehö- rend, andererseits möglicher Weise sich den Nitrilen ähn- lich verhaltend, durch Einwirkung von 4 HO die Säure C 6 H 4 8 liefern könnte, welche der Oxalsäurereihe an- gehört. Die Chloressigsäure wurde zuerst in Chloressigäther verwandelt, derselbe in Alkohol gelöst und zur Lösung etwas mehr als die äquivalente Menge Cyankalium ge- bracht. Nach längerem Kochen filtrirt man die rothe alkoholische Lösung vom Chlorkalium ab und trennt den Alkohol durch Destilliren vom gebildeten Cyanessigäther. Den Cyanessigäther erhält man durch Destilliren für sich oder besser in WasserstofTgas als ein dickflüssiges, schwe- res, farbloses, in der Kälte fast geruchloses Oel. Die alkoholische Lösung dieses Aethers mit Kali gekocht, entwickelt Ammoniak und die abgedampfte Salzlösung giebt nach vorhergehender Neutralisation und Ausfällung mit essigsaurem Kupferoxyd einen grünen Niederschlags der mit Schwefelwasserstoff zersetzt, eine schön krystal- lisirte Säure liefert, die die Eigenschaften der von Des- saignes entdeckten Malonsäure 2 HO, C 6 H 2 6 hat. Tartramid und Tartraminsäure. 131 Aus der Chlorpropionsäure wurde ebenso eine Säure erhal- ten, die wahrscheinlich Bernsteinsäure ist. (Ztschr. für Chem. u. Pharm. 1864. 5.) B. Specielles Reagens für Breckweinstein. Als solches empfiehlt C. Claus das Eisenchlorid. Es wirkt auf eine schwach saure Brechweinsteinlösung so eigenthüinlich ein, dass man mit Hülfe desselben dies Antimonpräparat von allen andern officinellen Präparaten unterscheiden und es zugleich in den kleinsten Mengen entdecken kann. In concentrirten Brechweinsteinlösungen bringt Eisenchlorid eine Gelbfärbung hervor; verdünnt man aber die Lösung mit vielem Wasser, so entsteht sogleich ein gelber Niederschlag von der Farbe des chromsauren Blei- oxyds. In sehr verdünnten Lösungen erfolgt die Fällung schon durch einen Tropfen Eisenchlorid ; in einem Ueber- schusse des letzteren ist er löslich, daher solcher zu ver- meiden. Der chromgelbe Niederschlag enthält Antimon- oxyd, Chlor, Eisenoxyd und geringe Antheile von Weinsäure und Kali. Er ist im Wesentlichen Antimonoxychlorid (Algarothpulver), dem Eisenoxychlorid die gelbe Farbe giebt und welchem etwas — durch Auswaschen nicht zu entfernender — Brech Weinstein anhaftet. {Fresen. Ztschr. für analyt. Chem. 1863.) B. leber Tartramid und Tartraminsäure. Wenn nach K. Grote (Annal. der Chem. u. Pharm.) wässeriges Ammoniak und Weinsäureäther in zugeschmol- zenen Röhren bei 100° auf einander wirken, so entstehen weinsaures und tartraminsaures Ammoniak. Tartramid bildet sich am leichtesten, wenn trocknes Ammoniak in alkoholische Lösung von Weyisäureäther eingeleitet wird. Es wird durch Umkrystallisiren in schönen, vonPasteur beschriebenen Krystallen erhalten und hat die von De- mondeeir angegebene Zusammensetzung C 8 H 8 8 N 2 = C8HK)8,H«N2. Das Tartramid verbindet sich mit Queck- silberoxyd und bildet kristallinische Krusten, die in Wasser unlöslich, in Salzsäure leicht löslich sind und auf 2 At. des Amids :; At. Quecksilberoxyd enthalten. Behandelt man di< se Verbindung mit Jodäthyl, so bildet sich Qaecksilberäthyljodfir und Tartramid. Mit anischen Sänren and mit Silberoxyd verbindet sich das Tartramid nicht. 132 Wertlibestimmung gerhsäurehaltiger Materialien. Der tartraminsaure Kalk bildet grosse tetraedrische Krystalle, CaO, C9H4 09, H2N + 6 HO ; die bei 1000 ihr Krystallwasser verlieren, sich leicht in Wasser, nicht in Alkohol lösen. Das Barytsalz erhält man beim Verdunsten in kry- stallinischen Krusten, BaO, C3H*09, H2N -f 8 HO, die bei 100° die Hälfte, bei 150° den Rest ihres Wassers verlieren. Das Bleisalz zerfällt in neutraler Lösung, selbst im Vacuum, in ein basisches Salz mit 61,8 Proc. Blei und ein saures unkrystallisirbares Salz. Durch Fällen mit Ammoniak kann man auch ein Bleisalz mit 68,4 Proc. Blei gewinnen, welches der For- mel 3PbO, C8H207,H2N entspricht. Die freie Tartraminsaure, aus dem Kalksalz durch Oxalsäure, Digestion mit Bleioxyd und Fällen mit Schwe- felwasserstoff bereitet, bildet, bei niedriger Temperatur verdunstet, einen unkrystallisirbaren Syrup, und es be- darf noch der Bestätigung, ob die von Pasteur beschrie- benen Krystalle wirklich Tartraminsaure gewesen sind. (Joum.fürprakt.Chem. Bd. 93. 2.) B. Zur Werthbestimiiiiing gerbscäurehaltiger Materialien. R. Wilden stein bedient sich, um auf eine rasche Weise den ungefähren Werth gerbsäurehaltiger Materia- lien zu bestimmen, der Reaction der Gerbsäure auf Eisen- oxyd. Man imprägnirt schwedisches Filtrirpapier gleich- massig mit einer Lösung eines Eisenoxydsalzes und zer- schneidet es in Streifen, die unten in eine Spitze zulau- fen, oben ein Loch haben und alle von einerlei Grösse sind. Die Spitze bezweckt das bessere Abtropfen der überschüssigen Flüssigkeit, durch das Loch am oberen Ende soll ein Häkchen geateckt werden, um den Strei- fen in der Flüssigkeit führen und nachher besser zum Trocknen aufhängen zu können. Zur Bereitung der Eisenoxydlösung bedient sich Wildenstein des citro- nensauren Eisenoxyds, von dem er 12,5 Grm. in einem halben Liter destillirten Wassers auflöst. Die Lösung kommt in einen Cylinder, der bis zu einer Marke mit einer bestimmten Anzahl Cubikcentimeter gefüllt wird, und man taucht nun mittelst eines Glashäkchens die auf genannte Weise präparirten Papierstreifen unter. Nach genau 2 Minuten zieht man sie wieder heraus und hängt sie zum Trocknen an einem massig warmen Orte auf. Zur volumetrischen Bestimmung von Gerbsäure etc. 133 Es kommt nun darauf an, aus der mehr oder weniger dunkeln Färbung der Papierstreifen den Gehalt der zu prüfenden Flüssigkeit an Gerbsäure festzustellen. Zu diesem Zwecke hat man sich vorher eine Reihe Papier- streifen dargestellt, welche in fortlaufend dunkler wer- dender Färbung eine Scala bildet, und zwar in folgender Weise. Man bereitet sich 25 Auflösungen von Gerbsäure in Wasser, von welchen die erste in 250 C.C. 0,025 Grm., die zweite in 250 C.C. 0,050 Grm. und sofort alle fol- genden stets um 0,025 Grm. mehr Gerbsäure enthalten, als die vorherhende Lösung, bis endlich No. 25. in 250 C.C. gerade 1,0 Grm. enthält. In diese taucht man eben so viele Papierstreifen unter den obigen Vorsichtsmaass- regeln und bekommt auf diese Weise eine Reihe, bei welcher die immer dunkler werdende Farbe mit der hierzu in Mitwirkung gewesenen Quantität Gerbsäure in einem bestimmten Verhältnisse steht. Die weitere Ausführung des Versuches ist nun fol- gende : Man löst die zu untersuchende Substanz in Was- ser auf, bringt sie auf 250 C.C, füllt sie in den oben er- wähnten Cylinder und taucht das Probepapier unter. Durch Vergleichung der Farbe desselben nach dem Versuche mit der Scala ermittelt man diejenigen Streifen der letzteren, welcher die ähnlichste Farbe zeigt, und kann auf diese Weise mit immerhin ziemlicher Genauigkeit den Gehalt der untersuchten Substanz an Gerbsäure finden. Auf diese Weise kann man der Wahrheit bis auf 1 — 1,5 Proc. nahe kommen. Schliesslich offerirt Wildenstein jedem Techniker eine im Vorstehenden beschriebene dienliche Scala gegen Erstattung seiner Selbstkosten anzufertigen. (Ztschr. für analyt. Chemie. II. 137. Hft. 2. — Chem. Cen- tralhlatt. 1864. 10.) B. Zur volumetrischen Bestimmung von Gerbsäure, Gallussäure, Eisen u. s. w. Die Grundlage des von M. Mittenzwey vorgeschla- genen Verfahrens bildet die Absorption von Sauerstoff durch die betreffenden Körper, namentlich durch Gerb- säure in alkalischer Lösung. Fine etwa l 1 ^ Liter fas- sende Flasche ist mit einem Kork oder besser Kautschuk- itÖpeel \ erschlossen, welcher ein nach innen hinein ragen- gebo£r< flasrobr enthftlt, das nach aussen durch ein mit Quetschhahn versehenes Kautscliukröhrchen mit einem zweiten gebogenen Glasröhre verbunden ist, wel- 134 Zur volumetrischen Bestimmung von Gerbsäure etc. dies am äussern Ende auf 1 — 1,5 Millimeter verengt ist. Bei der Ausführung der Analyse sorgt man zu- nächst für völlige Erneuerung der Luft in der Flasche, so wie dafür, dass dieselbe, wie alle zur Anwendung kommenden Flüssigkeiten, genau die Temperatur des Arbeitsraumes hat. Ist dann die absorbirende Lauge in der Flasche selbst hergestellt, verschliesst man, öffnet einen Augenblick den Quetschhahn, befördert durch Schüt- teln die Absorption, wobei man durch Umlegung eines Tuches die Flasche gegen Erwärmung schützen muss, und lässt nach jedesmaligem Schütteln aus dem Becher- glase, dessen Flüssigkeit in gleichem Niveau mit der Flasche steht, Wasser in letztere eintreten. Durch Wä- gung des Becherglases vor und nach der Absorption er- mittelt man das Maass des verschwundenen Sauerstoffs, das man in gewöhnlicher Weise nach Temperatur und Druck reducirt. Gerbsäure und Gallussäure. Man bringt 200 C. C. Kali- oder Natronlauge von 3 — 5 Proc. in die Flasche, lässt dann die Gerb- oder Gallussäure, lose in Papier gewickelt, hineinfallen und verfährt darauf wie oben. 1 Grm. Gerbsäure verschluckt 175 C.C. Sauerstoff bei 20°, 0,700 Grm. Gallussäure eben so viel. Die Lauge darf nicht zu concentrirt sein; mit einer Lauge von 35 Procent Kali sollen von 1 Grm. nicht mehr als 22 C.C. Sauerstoff aufgenommen werden. Die Gallussäure absor- birt den Sauerstoff rascher als die Gerbsäure. Während 1 Grm. der letzteren in 1 Minute nur 23,4 C.C. absor- birt, verschlucken 0,700 Grm. Gallussäure in der glei- chen Zeit 71 C.C. Mittenzwey glaubt demnach aus der Menge des in einer gewissen Zeit von einem Gemisch beider Säuren, welches man so abwägt, dass es im Gan- zen gerade 175 C.C. verschluckt, absorbirten Sauerstoffs annähernd das Verhältniss von Gerbsäure und Gallus- säure berechnen zu können. Genauer geschieht die Be- stimmung dadurch, dass man in bekannter Weise durch Thierhaut oder Blase die Gerbsäure aus der Lösung ent- fernt, dann die rückständige Gallussäure und in einer andern Probe der Flüssigkeit die Gesammtmenge beider Säuren, zur Controle auch noch die von der Thierhaut aufgenommene Gerbsäure, bestimmt. Der Gerbstoffgehalt in Leder, Galläpfeln, Sumach, Rinden u. s. w. wird in ähnlicher Weise ermittelt. Man bringt die möglichst zer- kleinerte Substanz in solcher, durch einen Vorversuch zu ermittelnder Menge mit Wasser in die Flasche, dass Einfache Methode, CJirysophansäure darzustellen. 135 sie etwa 175 C.C. Sauerstoff verbraucht, setzt dann 7 — 10 Grm. Kalistängelchen, in Papier gewickelt, hinzu und schüttelt. So gab Sumach im Auszuge 16,36, in Substanz 19,2 Proc. Gerbstoff. Eisenverbindungen. Das Eisen wird durch Zink zu Oxydul reducirt, die Losung durch ätzendes Natron oder Kali nahe neutralisirt, in die Flasche gebracht, dann werden einige umwickelte Kalistängelchen hineingelegt und ge- schüttelt. Die Absorption ist rasch beendet. Es wurden auf diese Weise in einer Eisenlösung mit 1,395 Eisen im Mittel von drei Versuchen 1,399 Grm. Eisen gefunden. Mangan Verbindungen werden, da sie sehr leicht als Oxydulverbindungen zu erhalten sind, ebenso behan- delt. Die Menge des absorbirten Sauerstoffs ist jedoch noch nicht genau bestimmt. Es findet nach Mitten- zwey keine vollständige Umwandlung in Hyperoxyd statt. Nach einem Versuche entspricht 1 Gewth. absorbirter Sauerstoff 4,34 Th. Mangan, was fast genau auf die For- mel Mn 5 9 führen würde. Eisen neben Mangan, so wie Eisenoxyd neben Eisenoxydul, kann in bekannter Weise leicht auch nach dieser Methode bestimmt werden. Ebenso lässt sich leicht der active Sauerstoff in Braunstein, Chlor- kalk u. s. w. ermitteln. Indigo lässt sich auf die Weise untersuchen, dass man ihn unter Zusatz einer gewissen Menge Mineralöls in einer gut verschlossenen, hohen Flasche reducirt, von der klaren Indigweisslösung eine bestimmte Menge mit einer Pipette in der Weise herausnimmt, dass die Ober- fläche immer durch eine Oelschicht gegen die Einwir- kung der Luft geschützt ist, sie in die Flasche, ebenfalls unter eine Oelschicht, entleert und dann schüttelt. Der Theorie nach würde 1 Gewth. Sauerstoff 131 Gewth. In- digblau, oder 1 Gewth. des letzteren 45,7 C.C. absorbir- ten Sauerstoffs von 20° entsprechen. (Journ. für jwakt. Ckem. Bd. 01. S.81.) H. Einfache Methode, Chrysophausaurc darzustellen. J. 13. ßatka bestätigt die in den Sennesblättern von CMartius entdeckte Chrysophansäure und theilt gleich- zeitig eine einfache Methode mit, um diese Säure (ohne Verkohlung durch Schwefelsäure) unmittelbar durch Be- handlung mit Aetzkali zu gewinnen. Auf diese Weise hat Batka die Chrysophansäure nicht nur aus der Rha- barber, sondern auch aus den Sennesblättern und beson- 136 Digitalin. ders den Sennablüthen dargestellt, indem derselbe solche mit Aetzkali behandelte, das Filtrat mit Chlorwasserstoff- säure ausfällte, auf dem Filter den Niederschlag aus- wusch, gut trocknete und mit Chloroform auszog und verdampfte. Auf der Schale verbleibt die Säure mit schö- ner gelber Farbe in körnigen Krystallen zurück, welche mit Aetzkali, Natron und Ammoniak die schöne carmin- rothe Farbe giebt. (Chem. Centrbl. 1864. 39.) B. Digital]». Zur Unterscheidung des Digitalins von andern vege- tabilischen Giften kennt man bis jetzt keine andere Reac- tion, als die Grünfärbung mit concentrirter Salzsäure. Da nun andere organische Substanzen sich ähnlich ver- halten, so ist diese Reaction nicht entscheidend. L. Grandeau empfiehlt demnach eine Prüfungs- methode mittelst Schwefelsäure und Bromdämpfen. Rei- nes Digitalin färbt sich in Berührung mit concentrirter Schwefelsäure braun wie Terra Siena, welche Farbe nach einiger Zeit in Weinroth übergeht; auf Zusatz von Was- ser wird sie schmutzig-braun. Dampft man einige Tro- pfen einer verdünnten Lösung von Digitalin zur Trockne, so ist die Färbung mit Schwefelsäure mehr oder weniger dunkelrothbraun, je nach der Menge der angewandten Substanz. Bei Spuren (z. B. 0,0005 Grm.) tritt Rosafär- bung, ähnlich den Blüthen des Fingerhutes, auf. Setzt man mit Schwefelsäure befeuchtetes Digitalin Bromdäm- pfen aus, so färbt es sich sofort violett mit mehr oder weniger blauer Nuance. Am deutlichsten tritt diese Reaction ein, wenn man den Rückstand von 1 C.C. Was- ser, welches 0,005 Grm. Digitalin enthält, auf die ange- gebene Weise behandelt; sie ist noch sehr deutlich bei 0,0005 Grm. Andere Stoffe, so die Alkaloide, Morphin, Narkotin, Kodein, Narcein, Strychnin, Brucin, Atropin, Solanin, Veratrin und Caffe'in zeigten diese Reaction nicht. Eben so wenig die stickstofffreien Körper Santonin und Cantharidin. (Compt. rend. T. 58. 1050. 1864.) J. Lefort theilt mit, dass man in Frankreich zwei verschiedene Sorten von Digitalin habe : das deutsche oder leichtlösliche (a) und das französische oder schwerlösliche (b). Chlorwasserstoffgas färbt a dunkelbraun, b dunkelgrün und giebt mit b den charakteristischen Geruch der Digitalis- blätter, weniger auffallend mit a. Unter dem Mikroskop zeigt a Bruchstücke von Krystallen, während b als ein Eigentümlicher Stoff im weissen Gänsefuss. 137 trübes Magma erscheint, welches ein Gemenge von zwei Substanzen ist. Der Stoff, welcher sich durch Salzsaure erün färbt, scheint nicht zum Digitalin selbst zu gehören, er ist ohne Zweifel flüchtig. Beide Arten von Digitalin gehen durch Pergamentpapier und können durch Dialyse von andern Substanzen geschieden werden. (Dies ist der vervollständigte Inhalt einer bereits am 29. Mai, also vor dem Bekanntwerden obiger Mittheilungen von bran- de au der Akademie übergebenen Schrift, {tompt renal. T.58. 1120. 1864.) Gaultier de Claubry hält die blosse Farbenreac- tion, noch mehr aber den Geruch für ungenügend, um über die Anwesenheit des Digitalins in thienschen Organen mit Sicherheit zu entscheiden. (Compt. renal. T. 58. 118b. 1864. — Chem. Central. 1864. 54.) B. \ eher die giftige Substanz der Coriaria myrtifolia. Nach J.Riban sind die giftigen Eigenschaften dieser Pflanze einem Glykosid, dem Coriarimyrtin, zuzuschreiben. Einem grossen Hunde verursachten 0,2 Grm., wovon ein Theil sofort wieder ausgebrochen war, in 20 Minuten die schrecklichsten Convulsionen und tödteten ihn in l*/ 4 Stunde. Auf Kaninchen üben 0,08 Grm. eine heftige Wirkung aus: die subcutane Injection von 0,02 Grm. Substanz tödtet ein Kaninchen in 25 Minuten Erschei- nungen sind: heftige Stösse am Kopfe, die sich dem Kor- per mittheilen, klonische und tetanische, anfallsweise aut- tretende Convulsionen, Pupillenverengung und Trismus. {Compt. rend. 1863. — Chem. CentrU. 1864. 23.) B. leber einen eigentümlichen Stoff im weissen Gänse- fuss (Chenonodium album); von Reinseh. Die zu Brei gestossene Pflanze wurde schnell aus- gepresst und der bräunliche Saft der Dialyse unterworfen. Es diffundii ten viele Salze und auf der Papierwand setzte Bicfa das Chlorophyll in zähen Schichten ab; dieses wurde mit Alkohol ausgezogen und dann mit Wasser behandelt. Es schieden sich beim Verdampfen des wässerigen Aus- zuges eine Menge von Körnern ab, die sich unter dem Mikroskope nicht als Krystnlle, sondern als Kügelchen von ' ,o bis »/ no Linie im Durchmetser erwiesen. Diese Kügelchen zeigten im Polarisationsapparate sehr deutlich 138 Chenopodin. ein schwarzes Kreuz, ganz übereinstimmend mit dem Kreuze, welches der Kalkspath zeigt. Behandelt man die wässerige Lösung, aus welcher diese Körner sich ab- scheiden, mit Weingeist, so erhält man keine runden, sondern lauter eckige Körner, welche die Polarisations- erscheinung undeutlicher zeigen. Durch Pressen mit Fliesspapier getrocknet, geben die Körner ein gelbliches Pulver von widerlich salzig bitterem Geschmacke, und schmelzen beim Erhitzen unter Entwickelung von nach verbranntem Hörn riechenden Dämpfen, es entsteht ein weisses Sublimat, wahrscheinlich aus kohlensaurem Ammoniak bestehend und es bleibt eine voluminöse Kohle zurück. Diese Substanz scheint demnach sehr stick- stoffhaltig zu sein. H. Rein seh nennt diesen Stoff vor- läufig Chenopodin, indem er es unentschieden lässt, ob man es hier mit einer wirklich chemischen Verbindung oder mit einem Gemenge verschiedener Stoffe zu thun hat. (JV. Jahrb. für Pharm, Bd. 20. 1863.) B. lieber das Chenopodiu. Die einfachste Methode zur Gewinnung des von Rein seh im Chenopodium album entdeckten Stoffes, des Chenopodins, bleibt nach demselben die Behandlung des w r eingeistigen Extracts aus dem vom Chlorophyll befreiten Safte der Pflanze mit absolutem Alkohol; da- bei bleiben die Salze zurück und das Chenopodin lost sich auf; bei freiwilliger Verdampfung scheidet es sich aus dieser Lösung in weissen Körnern ab; diese wäscht man hierauf mehrmals mit kaltem absoluten Alkohol aus und digerirt sie zuletzt wiederholt mit gewöhnlichem Aether, in welchem das Chenopodin so gut wie unlöslich ist. Es bleibt dann in Gestalt eines gelblichweissen körnigen Pulvers zurück, welches fast geruchlos ist, und einem faden Geschmack besitzt. Der salzige und bit- tere Geschmack, welchen Rein seh früher für das Che- nopodin angab, rührte nur von anhängenden Salzen und einem eigenthümlichen Bitterstoff her, welcher basischer Natur zu sein scheint. Das reine Chenopodin ist durch- aus nicht hygroskopisch und löst sich nicht sehr leicht in kaltem Wasser auf, am leichtesten ist es in schwa- chem Weingeist löslich, schwerer in absolutem Alkohol und Methylalkohol; letzterer besitzt aber unter allen Flüs- sigkeiten, welche Rein seh auf das Chenopodin einwir- ken Hess, die Eigenschaft der Hervorrufung der Polari- Zur quantitativen Bestimmung der Alkaloide. 139 sationserscheinungen im höchsten Grade. Bringt man z. B. nur ein Körnchen Chenopodin auf ein Glasplättchen, befeuchtet es mit einem Tropfen Wasser und lässt diesen theilweise verdampfen, so bilden sich an seiner Grenze eine Zone von sehr kleinen Kügelchen, welche beim Befeuchten mit Methylalkohol sogleich die Polarisations- erscheinungen zeigen. Es rührt dieses davon her, dass der Methylalkohol die Kügelchen nur durchdringt, ohne sie aufzulösen, während sie beim Befeuchten mit absolu- tem Alkohol theilweise aufgelöst werden und erst nach einiger Ruhe wieder polarisiren ; nach vollständiger Ver- dampfung erscheinen sie perlenartig glänzend, öfters in Farben spielend. Die wässerige Lösung des Chenopo- dins verhält sich vollkommen indifferent gegen verdünnte Säuren und Alkalien; Pflanzenfarben verändert sie nicht; von Jodtinctur wird sie nur schwach gelblich getrübt. Aus mehreren nun noch von Rein seh angestellten Ver- suchen und Verhalten geht hervor, dass das Chenopodin ein indifferenter, höchst wahrscheinlich stickstoffhal- tiger Körper sei, welcher vielleicht in der Pflanzen- welt ziemlich verbreitet ist. (A T . Jahrb. für Pharm. Bd. 21. Hft. 3.) B. Zur quantitativen Bestimmung der Alkaloide. F. Mayer benutzt dazu eine Lösung von Jodqueck- silber in Jodkalium, dargestellt durch Auflösen von 13,546 Gramm Sublimat und 49,8 Grm. Jodkalium in 1 Liter Wasser. Die Niederschläge entstehen in saurer, neutra- ler und schwach alkalischer Lösung und die Reaction ist so empfindlich, dass man noch in einer Lösung von Vi 25000 Ghinin und Vi 50000 Strychnin diese Basen erken- nen kann. Ist die zu untersuchende Flüssigkeit trübe oder gefärbt, so muss man zur Erkennung der beendeten Fällung einige Tropfen auf ein Uhrglas filtriren oder ser noch die Flüssigkeit der Dialyse unterwerfen. Das überschüssig zugesetzte Jodquecksilber kann man nach vorherigem Zusätze von neutralem chromsauren Kali mit salpct< rsaurem Silberoxyd zurücktitriren. (Zeitschr. fVr analyt. Chem. II. 2. Hft.) B. Chinacultur in Indien. Der von der holländischen Regierung auf Java an- bellte Chemiker de Vrij berichtet über einen Besuch, 140 Verfälschung der China rubra. — Chinovasäure. den er den englischen Cinchona-Anpflanzungen auf Cey- lon und in den Neilgherrygebirgen abgestattet. Während Dr. Junghuhn in Java die Pflänzlinge im Schatten an- derer Bäume zieht, lässt man in den englischen Planta- gen das volle Sonnenlicht darauf einwirken und erzielt so ein viel günstigeres Resultat. Die Fortpflanzung ge- schieht weniger durch Samen, als durch Ableger oder Stecklinge. De Vrij bemerkt, dass die Wurzelrinde so- wohl der holländischen als englischen Chinabäume ver- hältnissmässig mehr Alkaloide enthalte, als die Stamm- rinde. (Pharm. Journ. and Transact. Vol. V. No. 12. June. 1864. p. 593 ff.) Wp. lieber Verfälschung der China rubra, Apotheker Jolly fand unter Cortex Chinae ruber Stücke von Cortex Chinae de Carthagena s. Maraca'ibo y welche in Salmiakgeist gelegt und dann an der Luft ge- trocknet worden waren. Das Chinaroth, welches sich bei Gegenwart des Alkalis an der Luft gebildet hatte, gab diesen Rindenstücken ein dem der China rubra ganz ähnliches Ansehen. — Das beste Mittel, um hinter sol- chen Betrug zu kommen, bleibt, die Rinden gehörig durchzumustern und von einigen derselben den Alkaloid- gehalt zu bestimmen. Jolly empfiehlt hierzu folgendes Verfahren: 50 Grm. Chinarinde werden mit 500 Grm. Was- ser und 4 Grm. Schwefelsäure wiederholt ausgekocht; aus den vereinigten Flüssigkeiten wird dann der durch Soda erzeugte Niederschlag mit Aetzkalk vermischt, ge- trocknet und mit Aether ausgezogen. Der Abdampfrück- stand dieses ätherischen Auszuges ergiebt das Gesammt- gewicht der vorhandenen Alkaloide (bei der China de Carthagena nur */ 2 Proc. betragend). Durch Chloroform lasst sich aus diesem Gemisch das Chinin dann be- sonders ausziehen, so dass man leicht auch das Ver- hältniss bestimmen kann, in welchem Chinin und Cincho- nin in der betreffenden Rinde enthalten sind. (Journ. de Pharm, et de Chim. Oct. 1864.) Weinhold. Chinovasäure, # welche in allen Chinarinden, so wie in dem Wurzelholze von Cinchona Calisaya bis zu 2,57 Proc. vorkommt, wird von de Vrij als ein wirksames Mittel gegen Wechsel- fieber empfohlen. Darauf beruht auch wohl die Wir- Alkaloid geholt in den verschiedenen Cliinarinden. 141 kung des früher häufiger verordneten Infusum corticis Peruviani cum magnesia usta. Die von Moens in einer Art Nauclea entdeckte sogenannte Naucleasäure ist nach de Vrij ein Bestandtheil aller auf Java so häufig vor- kommender Naucleaspecies und mit der Chinovasäure identisch. (Pharm. Journ. and Tr ansäet. Vol. VI. No. 1. Juli/ 1864. p. 19.) Wp. Bestimmung des Gehalts au Alkaloiden iu den ver- schiedenen Chinarinden. De Vrij sagt von seiner Methode, dass sie vergleich- bare Resultate gebe und die Alkaloide liefere, unverän- dert durch die zur Extraction derselben gebrauchten Agen- tien. Sie besteht in Folgendem : Das Pulver der Rinde wird bei 100° C. getrocknet und gewogen. Ein bei allen Proben möglichst gleiches Quantum des Pulvers wird nun mit dem vierten Theile gelöschten Kalks gemischt und das Gemisch mit dem zehnfachen Gewicht Alkohol von 0,85 spec. Gew. 5 Minuten lang gekocht. Man bringt auf ein Filter und giesst so lange kochenden Alkohol nach, bis das Filtrat 20 mal so viel wiegt, als die ange- wendete Rinde. Die alkoholische Flüssigkeit wird mit verdünnter Essigsäure schwach übersättigt und im Was- serbade der Alkohol abdestillirt. Den Rückstand behan- delt man wiederholt mit Wasser, bis die dadurch erhal- tene Solution sich auf Zusatz von Alkali nicht mehr trübt. Die Alkaloide kommen so alle zur Lösung, Chinovasäure, Fett, Harz etc. bleiben auf dem Filter. Die Solution wird im Wasserbade eingeengt und dann mit einem Ueber- schuss von Kalkhydrat versetzt, wodurch die Alkaloide fefällt werden. Das Ganze wird auf einem möglichst leinen Filter mit ein wenig kaltem Wasser gewaschen, um Farbstoff zu entfernen, wobei ein nicht zu beachten- der Verlust an Alkaloiden statt findet. Das Gewicht des getrockneten Filterinhalts giebt die Gesammtmenge an Alkaloiden. Zur Ermittelung der Qualität behandelt man die Masse mit möglichst wenig verdünnter Essigsäure. Bleibt dabeij was selten der Fall ist, ein wägbarer Rück- stand von Harz, so filtrirt man denselben ab, trocknet und wiegt. Der Betrag wird von dem Gesammtgewicht abgezogen. Die essigsaure Losung giesst man in einen mit Hahn versehenen versehliessbaren Trichter und schüt- telt darin mit einem kleinen Ueberschuss von Actznatron und dem 15 fachen Volumen Aether. Nach mindestens G 142 Prüfung des Cliinins auf Chinidin etc. Stunden wird die ätherische Solution abgesondert und im Wasserbade eingetrocknet. Der Rückstand ist Chinin mit Spuren von Cinchonidin, Chinidin und Cinchonin, zu- weilen auch einer grösseren Menge von einem noch nicht näher bestimmten schmelzbaren Alkaloid. Die in Aether nicht gelösten Alkaloide löst man wieder in sehr ver- dünnter Essigsäure und vermischt die Lösung mit eini- gen Tropfen einer concentrirten Jodkaliumlösung, Ist Chinidin vorhanden, so bildet sich beim Umrühren mit einem Glasstabe ein sandiger krystallinischer Niederschlag, den man abfiltrirt und wägt. Es sind darin 71,68 Proc. Chinidin enthalten. Das Filtrat wird mit Aetznatron gefällt, der Niederschlag als Cinchonin oder als eine Mischung von Cinchonin und Cinchonidin notirt, was von specieller Unter- suchung abhängt. Die Gegenwart von Chinidin und Cin- chonidin ergiebt sich leicht bei der Behandlung des Al- kaloidgemisches mit Aether, indem sich diese Basen daraus bald im krystallinischen Zustande abscheiden. Chinidin wird durch das Verhalten zu Jodkalium erkannt, das Cin- chonidin aber mit Gewissheit nur durch den Polarisa- tionsapparat. {Pharm. Journ. and Transact. IL Ser. Vol. VI. No. 2. Aug. 1864. p. 50.) Wp. Prüfung des Chinins auf Chinidin, Cinchonin und Cinchonidin. Die Kerner'sche Prüfung des Chinins auf genannte Stoffe wird nach Mohr in folgender Art ausgeführt: Man mache sich eine bei 15° C. gesättigte Lösung des zu prüfenden Chininsulfats in destillirtem Wasser, indem man einen Ueberschuss des Salzes mit destillir- tem Wasser in einem Gläschen schüttelt und */ 2 Stunde bis ganze Stunde stehen lässt. Man filtrirt dann in ein anderes Glas ab. Von dieser Flüssigkeit saugt man eine 5 Cubikcentimeter- Pipette voll und lässt einen kleinen Theil wieder ablaufen, den Inhalt der Pipette giesst man in ein anderes Glas und giebt nun von der Ammoniak- flüssigkeit von 0,96 spec. Gew. 7 Cubikcentim. hinzu, verschiiesst das Glas und schwenkt die Flüssigkeiten leicht um. Im Falle der Reinheit des Chininsulfats muss die Flüssigkeit vollkommen klar werden. Für eine Handelsprobe ist dieses Verfahren vollkommen hinreichend. Nach diesem Verfahren angestellte Gegenversuche geben die vollständigste Befriedigung. (Ausz. a. d. Commen- tar zur 7. Aufl. der preuss. Pharmakopoe.) B. Unterscheidung von Chinin- und Cinchonimalzen. 143 Prüfung des käuflichen schwefelsauren Chinins auf Chinidin und Ciuchonin: von Stoddart. Stoddart befolgt zwei Methoden, wovon die er- stere mir eine Modification der Liebig'schen Aether- probe ist. Man löst 10 Gran des zu prüfenden Salzes in 10 Gran verdünnter Schwefelsäure und 60 Gran de- stillirtem Wasser, fügt 150 Gran reinen Aet her, 3 Gran Alkohol und 40 Gran Natronlauge (lTh.NaO,HO auf 12 Th. HO) hinzu, schüttelt gut durch und lässt 12 Stunden stehen. Die kleinsten Mengen von Chinidin, Cinchonin und Cinchonidin zeigen sich auf der Trennungsschicht zwischen dem Aether und der Lösung von schwefelsau- rem Natron. Ein geringer Gehalt von Chinidin erscheint als eine ölige Schicht, in welcher man mit der Loupe einen feinen Staub erkennt. Cinchonin erscheint entschieden krystallinisch. Die Verbesserung dieser Methode soll in der Anwendung des Natrons statt des Ammoniaks bestehen, indem schwefelsaures Ammoniak die Alkaloide auflöst *), Die zweite Methode. Man mischt 10 Tropfen verdünnte Schwefelsäure (^35) mit 1 Unze Wasser und fügt 14 Gran der zu untersuchenden Salze oder so viel als zur Sättigung der Säure erforderlich ist, hinzu und filtrirt. Von der Lösung bringt man 1 Tropfen auf eine Glasplatte, daneben 1 Tropfen Seh wefeleyank aliu rn- lösung, über beide eine zweite Glasplatte, die die Mi- schung der Tropfen und somit einen Niederschlag bewirkt. Letzteren betrachtet man durch eine Loupe. Chinin bil- det dünne lange Nadeln, Chinidin runde krystallinisehe Gruppen, Cinchonin grosse gut geformte Prismen. Mit einiger Uebung sind diese verschiedenen Formen sofort zu unterscheiden. {Pharm. Journ. and Transact. Vol. VI. No. 5. Novbr. 1864. p. 241.) Wp. I nterscheiduns von Chinin- und Cinchoninsalzen. •e Nach R. Palm in Dorpat giebt das verschiedene Verhalten des Fünffach -Schwefelkaliums gegen Cincho- nin- und Chininsalze j>pc ist eine Wasserform derselben Art mit weniger ausgerandeten oberen Blättern : C. angustifolia Hoppe wird als Wusserform derselben mit nur linealischen Blättern angesehen; als neu wird beschrieben: „C. truncata Gussone. Frucht ungekielt, mit abgerundeten, stumpfen Kanten. Bisher nur in Hannover auf dem Cananoher Moor. März, April. Ausser Blüthezeit und Fruchtform von C. autumnalis L. durch die sehr zarten Stengel und meist stär- ker gestreckten [nternodien verschieden." tonvmie und Nomenclatar haben am meisten Verbesserun- gen und ZiisiLtzi: gefunden. Wir erwähnen beispielsweise: Amma- denia peploide» Ruprecht für Arenaria peploiaes I*. (Halianthue, Honkenya \ Arenaria marginata DC. für apergularia media Grisb.; Anemone sulphurea L. für Puleatüla i/i\. Herr Prof. Dandolt sprach über die verschiedenen Darftellungsmethoden den Propylalkohole, besonders über die aus dem Propyljodttr etc. . . , . ,.. xr * Pag. 61. Ben Prof. Schulze hielt einen längeren Vortrag 168 Literatur. über den Bau der Leuchtorgane des Männchens von Lampyris splendidula. Pag. 94 sprach noch am 4. August der leider für die Wissen- schaft zu früh hingegangene Prof. Schacht über die Befruchtung bei den Gymnospermen (Nadelhölzer und Cycadeen), die sich von dem Vorgange bei Pflanzen, welche einen Fruchtknoten besitzen, wesentlich unterscheiden, indem 1) die Pollenkörner hier direct auf den Knospenmund der Samenknospen gelangen : 2) der Pollen- schlauch nicht unmittelbar aus dem Pollenkern hervorgeht, viel- mehr sich aus einer Tochterzelle des letzteren bildet: und 3) die Befruchtung nicht, wie bei allen andern phanerogamischen Pflan- zen, im Innern des Embryosackes selbst statt findet, sondern in einer Tochterzelle desselben, dem Corpusculum oder secundären Embryosack vor sich geht u. s. w. Derselbe geht nun zu einem Berichte seiner neueren Untersuchungen, zunächst an Abies pec- tinata und Tfntja orientalis über. Pag. 99. Herr Prof. Schulze zeigte einen von ihm construir- ten Objecttisch vor, mittelst dessen mikroskopische Untersuchungen bei beliebigen constant zu erhaltenden Temperaturgraden angestellt werden können; bespricht die Vortheile, welche der Apparat ge- währt, ausführlich, besonders bezüglich der Untersuchung des mensch- lichen Blutes, welches bisher nie bei der Körperwärme der Unter- suchung unterworfen worden. Die auffallendste und physiologisch interessanteste Erscheinung, welche das 38°— 40" C. warme Blut unter dem Mikroskop darbietet, ist die ausserordentlich lebhafte Bewegung eines Theiles der sogenannten farblosen Blutkörperchen. Pag. 97. Herr Prof. Sachs sprach über die Auflöslichkeit ver- schiedener Mineralien durch die sie berührenden Pflanzenwurzeln u. s. w. Pag. 106. Herr Medicinalrath Dr. Mohr hielt einen eingehen- den Vortrag über die Abplattung der Erde an den Polen und ent- wickelte erhebliche Gründe für seine Theorie. Pag. 110. Herr Prof. Sachs theilte seine Beobachtungen mir, woraus hervorgeht, dass die Neubildung von Adventivwurzeln an oberirdischen Stammtheilen verschiedener Pflanzen durch Dunkel- heit befördert werde. Löhr. Hofbuchdrnckerei der Gebr. Jänscke zu Hannover. ARCHIV DERJHARMACIE. CLXXIV. Bandes drittes Heft. I. Physik, Chemie und praktische Pharmacie. Ueber einige Eigentümlichkeiten in dem Verhalten des Amylens; von Professor Dr. Erlenmever in Heidelberg*). JVurze Zeit nachdem Wurtz aus Amylen und Jod- wasserstoff sein Amylenjodhydrat und aus diesem durch Silberoxyd und Wasser das Amylenhydrat, respective den Pseudoamylalkohol, dargestellt hatte, versuchte ich diesen Körper in analoger Weise zu erzeugen, wie Berthelot den Pseudoalkohol vom Propylen und ich mitWanklyn denjenigen vom Hexylen gewonnen hatte. Ich brachte Amylen mit Schwefelsäurehydrat und später auch mit Gemischen dieses mit Wasser nach verschiedenen Ver- hältnissen zusammen, aber in keinem Falle erhielt ich das gewünschte Resultat ; das Amylen hatte sich, wenn die Schwefelsäure nicht zu sehr verdünnt war, zwar verändert und einen weit über 100° steigenden Siede- punet bekommen, aber es konnte keine Spur Pseudo- alkohol aufgefunden werden. Ich war damals genÖthigt, meine Versuche zu unterbrechen. Mittlerweile hat nun Berthelot in einer Abhand- lung unter dein Titel: Untersuchungen über die Amyl- alkohole, folgend»- Aeusserung gethan: „Fast die ganze •) AI» Beparatebdruck vom Herrn Verfaaaer eiogetaudt I). Red. Arch.d. Pharm. CLXX1V. IM». 3. Ilft. 12 170 Erlenmeyer, Menge des Carbürs (Amylens) bildet beim Zusammen- bringen mit Schwefelsäure entweder polymere Körper oder eine der Isäthionsäure analoge, complicirt zusam- mengesetzte und beständige Säure und ich erhielt eine so geringe Menge von Amylenhydrat, dass mir ein ge- naueres Studium desselben nicht möglich war." Dies veranlasste mich, meine Versuche wieder aufzunehmen, einerseits weil ich früher zum Zwecke der Darstellung eines Homologen des Taurins die Darstellung der Isä- thionsäure durch Hrn. Dr. Ernst ohne Erfolg hatte ver- suchen lassen und nun dachte, nach der Bemerkung von Berthelot eine Methode zu deren Darstellung zu ge- winnen; andererseits aber weil ich mir vorstellte, dass wenn eine kleine Quantität von Amylen in Pseudoalkohol übergeführt werden könne, sich auch die Bedingungen finden lassen müssten, unter denen sich grössere Quan- titäten oder alles Amylen in diesen Körper umwandele. Ich will die Versuche, welche ich anstellte, nicht alle einzeln beschreiben, sondern nur allgemein Folgendes anführen: Ich verwendete ausser a) Schwefelsäurehydrat folgende Verdünnungen: b) 5 Vol. SCMH* : 1 Vol. HH); c) 4 Vol. S04H2 . i Vol. H20; d) 3 Vol. SCHH* : 1 Vol. H20; e) 2 Vol. SO*H2 : 1 Vol. IPO; f) 1\ Vol. SCMH* : lVol. H2 0; g) 1 Vol. S04H2 : l Vol H2Q. Sowohl die Säure, als auch das Amylen *) war vor- her in Eis abgekühlt, um gelbe bis braune Färbung und Bildung von Schwefligsäure zu vermeiden; das Amylen wurde nach und nach unter heftigem Schütteln und ste- ter Abkühlung in die Säure eingetragen, und dann ent- weder sogleich nach dem Eintragen oder nach ein- bis mehrstündigem Schütteln oder nach ein- bis zweitägiger Berührung die schwerere Flüssigkeit von der aufschwim- *) Das zu meinen Versuchen verwendete Amylen war mit Chlor- zink aus Amylalkohol bereitet und zuerst durch fiactionirte Destillation und Chlorcalcium, dann durch Destillation über Natrium, so lange bis dieses nicht mehr angegriffen wurde, gereinigt worden. Eigenthümlichkeiten in dem Verhalten des Amylens. 171 menden durch die Glashahnbürette getrennt. Die saure Flüssigkeit wurde verdünnt und zum Theil destillirt, zum Theil mit kohlensaurem Baryt gesättigt, das Filtrat vom schwefelsauren Baryt auf dem Wasserbade erwärmt, um den kohlensauren Baryt abzuscheiden, und dann über Schwefelsäure vollständig verdampft. Die leichtere Flüssigkeit wurde mit Wasser gewa- schen, bis dieses keine saure Reaction mehr annahm, von dem Wasser getrennt, mit geschmolzenem Chlorcalcium getrocknet und der fractionirten Destillation unterworfen. Ich habe so dreissig bis vierzig Versuche mit ver- schiedenen Abänderungen angestellt, indem ich von einer Säure das gleiche, das doppelte, 4 fache, ja oft 10 fache Volum von dem des Amylens anwendete. Bei einigen Versuchen wurde auch gleich nach der Mischung die ganze Flüssigkeit sofort in mit Wasser angerührten koh- lensauren Baryt gegossen. Aber in allen Fällen konnte weder die Bildung einer der Isäthion- säure ähnlichen Säure, noch die von Amylen- h v d r a t beobachtet werden*). Anfangs glaubte ich eine geringe Menge eines Baryt- salzes aus der Mischung von Amylen mit Schwefelsäure bekommen zu haben, denn es blieb ein Abdampfungs- rückstand von gelber Farbe, welcher der Hauptmasse nach ein gummiartiges Aussehen zeigte und an der Luft feucht wurde. Bei näherer Untersuchung desselben ergab sich jedoch, dass er salpetersauren Baryt und Chlorba- ryum enthielt und ausserdem noch eine barythaltige or- ganische Masse, die in schwachem W r eingeist löslich war. Von 15 C.C. Amylen, welches mit 15 C.C. Schwefelsäure chüttelt worden war, wurden so beispielsweise 0,1817 Gramm Rückstand erhalten. Als nun eine entsprechende Mrngc Schwefelsäure; ohne vorherige Vermischung *; Wurtz hat früher bei der Behandlung seines Amylenhydrats mit Schwefelsäure die Beobachtung gemacht, dass .sich keine spur einer gepaarten Schwefelsaure bildete, und das Amylen- hydrat in Polyamylen übergeführt wurde. 12* 172 Erlenmeyer f mit Amylen direct verdünnt und hierauf mit kohlen- saurem Baryt gesättigt wurde, so blieb nach dem Ab- dampfen der vorher von noch ausgeschiedenem kohlen- sauren Baryt abfiltrirten Flüssigkeit ein Rückstand von ganz gleichem Aussehen und Gehalt zurück, der sogar noch eine Kleinigkeit mehr wog als im vorigen Falle. Der angewendete kohlensaure Baryt war -aus einer che- mischen Fabrik als chemisch rein bezeichnet bezogen worden *). Die verwendete Schwefelsäure war frei von Stickstoffverbindungen, aber sie war, obwohl als chemisch reine Säure frisch bezogen, nicht ganz vollkommen farb- los. Ich vermuthe, dass die Schwefelsäure selbst irgend welche hineingefallene organische Substanzen schon vor- her in irgend eine gepaarte Säure umgewandelt, oder irgendwie befähigt hatte, eine lösliche Barytverbindung zu bilden. Wenn man den in Weingeist gelösten Verdampfungs- rückstand wieder zur Trockne brachte und mit einer Säure übergoss, so zeigte sich ein unangenehmer Schweiss- geruch, der demjenigen sehr ähnlich ist, welcher sich bei der Destillation von Runkelrübenmelasse mit Wasser ent- wickelt. Was nun die Natur der über der Schwefelsäure schwimmenden Flüssigkeit betrifft, so war dieselbe un- löslich in Wasser, selbstverständlich auch in Schwefelsäure, und zeigte bei der Destillation je nach der Concentra- tion der mit ihr in Berührnng gewesenen Säure verschie- dene Siedepuncte. Bei Anwendung der Säure (a) fing die Flüssigkeit bei 150° an zu sieden, der grösste Theil ging bei 200 — 240° über, bei 260° war das Gefäss trocken und etwas koh- lige Masse im Rückstand. Die Flüssigkeit von Säure (b) kam bei 150° ins Sie- *) Ich habe mich öfter überzeugt, dass es ungemein schwer hält, vollkommen reinen kohlensauren Baryt in einiger- maassen erheblichen Quantitäten darzustellen. Eigentümlichkeiten in dem Verhalten des Amylens. 173 den, der grösste Theil ging um 200° über, bei 230° war das Gefäss trocken. Von Säure (c) gingen einige Tropfen vor 100° über, die Hauptmasse bei 150 — 180°, noch wenig bis 220°, wobei das Gefäss trocken. Von Säure (d) bei 140° anfangendes Sieden, die Haupt- masse bei 157 — 170°, bei 220° das Gefäss trocken. Von Säure (e) fast Alles bei 150—1600. Von Säure (f) ungefähr die Hälfte bis 40°, die an- dere Hälfte bei 148<>. Von Säure (g) waren nur Spuren umgewandelt, der grösste Theil zeigte den Siedepunct von unverändertem Amylen. Von den Fractionen 150 — 160° war eine grössere Menge bei 155° gesammelt und eine Analyse davon ge- macht worden. Dieselbe gab Zahlen, welche genau mit der Zusam- mensetzung eines Olefins stimmen. Diese Flüssigkeit^ welche einen kampferähnlichen Geruch zeigte, war wahr- scheinlich der von Bauer Diamylen *) genannte Koh- lenwasserstoff, welcher sich fast vollständig frei von hö- heren Polymeren durch Einwirkung der Säure (e) auf Amylen darstellen lässt. (Ich behalte mir vor, diesen Körper nach der angegebenen Methode in grösserer Menge darzustellen und einem genaueren Studium zu unterwerfen.) Aus den hier mitgetheilten Beobachtungen geht her- vor, dass das Amylen schon von einer ziemlich verdünn- ten Schwefelsäure bei 0° polymerisirt wird, also nicht, wie manche Chemiker ausgesprochen haben, höherer Tempe- raturen dazu bedarf; es geht weiter hervor, dass das Amylen nicht wie Propylen und Ilexvlen mit Schwefel- [aefa 'lern Entdecker dee Diamylens: Gaultier H° destillirte, bei 60° war d. iss trocken. Die Menge derselben be- trug 8 C.C, die Analysen, sowie die übrigen Eigenschaf- ten Hessen keinen Zweifel, dass die erhaltene Flüssigkeit reines gewöhnliches Aceton C 3 H®0 war. rr 178 E/rlenmeyer, Das noch unzersetzte Amylen wurde von Neuem mit der Oxydationsflüssigkeit zusammengebracht und wie frü- her behandelt. Es wurden so noch nahezu 2 C.C. Ace- ton erhalten *). Die Oxydationsflüssigkeit wurde jetzt aus dem Asbest- bad unter Einleiten von Wasserdampf der Destillation unterworfen, bis das Destillat nicht mehr sauer reagirte. Dieses wurde dann mit kohlensaurem Natron neutralisirt und die Lösung zur Trockne verdampft. Der bei 100° ge- trocknete, 41 Grm. betragende Salzrückstand wurde mit Schwefelsaure (2 Vol. Hydrat : 1 Vol. Wasser) im Ueber- schuss destillirt. Es wurde eine Säure erhalten, die nach dem Schütteln mit Bleihyperoxyd den charakteristischen Essigsäuregeruch ohne jeglichen Beigeruch zeigte. Sie wurde aus einem Fractionirkölbchen mit in ge- wöhnlicher Weise eingesetztem Thermometer (so dass des- sen Kugel nur bis an das Dampfableitungsrohr reichte) der Destillation unterworfen. Es ereignete sich dabei, dass das Thermometer gegen das Ende bis 135° hinaufging, und als das üefäss trocken war, auf 138° stand. Man hätte danach annehmen können, dass wirklich eine der Essigsäure höhere Säure, vielleicht Propionsäure, zugegen wäre. Als aber die sämmtlichen Fractionen gemischt und einer zweiten Destillation aus dem Asbestbad unter- worfen wurden, gingen zwei Drittheile bei 100 — 110° über, das letzte Drittel destillirte bei 110 — 118° und bei 120°, während bei 122° das Gefäss trocken war. Die erste und letzte Fraction wurde jede für sich *) Bei dieser Oxydation schwammen auf dem noch wässerigen Destillat einige weissliche Flocken, die sich unter der Loupe als Oeltröpfchen zu erkennen gaben, sie zeigten einen kräf- tigen Krauseminzölgeruch. Ganz derselbe Geruch wurde be- merkt, als Amylen mit trockenem Silberoxyd in einem zuge- schmolzenen Rohre einige Stunden bis zu 190° erhitzt worden war. Das Silberoxyd war dabei vollkommen zu weissem me- tallischen Silber reducirt worden, aber die Menge des Kör- pers, welcher den genannten Geruch zeigte, war so gering, dass er nicht isolirt werden konnte EigentJiümlichkeiten in dem Verhalten des Amylens. 179 mit kohlensaurem Silberoxyd gesättigt. Die in den erhal- tenen Salzen vorgenommenen Silberbestimmungen stellen die vollkommene Reinheit der erhaltenen Essigsäure un- zweifelhaft fest *). Nachdem ich so mit Bestimmtheit nachgewiesen zu haben glaube, dass bei der Oxydation des Amy- lens das gewöhnliche Aceton wesentliches Zer- setzungsproduct ist und dass keine Propion- säure und keine andere der Essigsäure höhere Säure gebildet wird, will ich es versuchen, die an- geführten Beobachtungen zur Aufstellung einer Hypo- these über die relative Constitution des Amylens zu ver- wenden. Ehe ich dazu übergehe, glaube ich bemerken zu sol- len, dass ich mich hier nicht auf die Erörterung der Frage, ob die bisher näher untersuchten Olefine im freien Zustande vollkommen geschlossene Verbindungen sind, oder ob sie zwei freie Kohlenstoffäquivalente besitzen, einlassen werde. Ich will diese Frage nicht zur Discus- sion bringen, 1) weil ich den letzteren Fall eben so gut für möglich halte wie den ersteren, nachdem eine, wenn auch nur eine Verbindung des Kohlenstoffes im freien *) Von der bei der Oxydation gebildeten Kohlensäure wurde derjenige Theil als kohlensaurer Baryt gewogen, welcher sich in der Kälte entwickelt hatte. Er betrug 0,8 CO 2 . Der Theil aber, welcher sich während der Destillation entwickelte, wurde leider durch ein Versehen nicht bestimmt. Da das Aceton in der wasserigen Oxydationsflüssigkeit weit leichter löslich ist als das Amyleu und erhöhte Temperatur, wie der frühere Versuch gezeigt hat, die weitere Oxydation des Acetons sehr begünstigt, so ist es sehr wahrscheinlich, dass sich während der Destillation eine grössere Menge von Kohlensäure bildete, als während der Einwirkung in der Kälte. Ich halte es nach diesen Erwägungen für unzweifelhaft, dass bei der Oxydation iih die Kohlensäure ein Hauptproduct (von der Oxy- dation des Acetons) und nicht ein Nebenproduct oder letztes produet ausmacht, als welches sie bei der Behand- lung aller kohlenstoffhaltiges Substanzen mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure aufzutreten pflegt. 180 Erlenmeyer, Zustande existirt, welcher zwei freie Aequivalente nun einmal nicht weggeleugnet werden können, ich meine das Kohlenoxyd; 2) weil ich für jetzt kein Mittel sehe die Frage zu entscheiden. Dagegen möchte ich aber die Behauptung aufstellen, dass zum Mindesten die drei Ole- fine, das Aethylen, das Propylen und das Hexylen (in der Form, in welcher sie sich bisher der Untersuchung dargeboten haben) in dem Augenblicke, in wel- chem sie als z weiäqui valentige Radicale wir- ken, so constituirt sind, dass ihre beiden freien Aequi- valente nicht zwei verschiedenen Atomen, sondern einem einzigen Atom Kohlenstoff angehören. Schon in früheren Zeiten haben manche Chemiker das Aethylen mit dem Ammoniak verglichen, und das Jodäthyl mit dem Jodammonium. Indem ich diesen Ver- gleich für ganz sachgemäss erachte, möchte ich densel- ben noch bestimmter dahin präcisiren, dass ich das Ra- di cal Aethylen mit dem Dimethylamin in Parallele stelle. Das letztere ist eine Verbindung des 5 äquivalentigen Stickstoffs, von dessen 5 Aequivalenten zwei un ver- bunden und Eins mit Wasserstoff verbunden gedacht werden muss, während die beiden übrigen mit Methyl vereinigt sind. Das Radical Aethylen denke ich mir als eine Verbindung des 4 äquivalentigen Kohlen- stoffs, in weichem 2 Aequivalente unverbunden und Eins mit Wasserstoff vereinigt, das eine noch übrige Aequivalent aber mit Methyl in Verbindung angenommen werden kann. Der ersten Verbindung, de'm Dimethylamin, ent- sprechen zwei empirisch -homolog zusammengesetzte Ver- bindungen von ganz verschiedenen Eigenschaften. Die eine ist Dimethylamin, in welchem an die Stelle von 1 Methyl, 1 Aethyl eingetreten ist (Methyläthylamin), die zweite ist Dimethylamin, in welchem an die Stelle des einzelnstehenden Wasserstoffs 1 Methyl eingetreten ist (Trimethylamin). Dem Radical Aethylen entsprechend denke ich mir Eigenthümlichkeiten in dem Verhalten des Amylens. 181 in analoger Weise zwei verschiedene neue mit ihm em- pirisch- homologe Radicale als möglich, je nachdem in ihm das Radical Methyl durch Aethyl oder der einzeln- stehende Wasserstoff durch Methyl substituirt ist. In der letzteren Weise denke ich mir dasjenige Radical Piopylen constituirt, welches bisher den Chemikern bei den Untersuchungen der Propylenverbindungen zu Gebote gestanden hat. Man kann auch diese Beziehung des in Rede ste- henden Radicals Propylen zu dem Radical Aethylen mit der Relation in Parallele stellen, in welcher das gewöhn- liche Aceton nach einer jetzt wohl ziemlich allgemein adoptirten Annahme zu dem gewöhnlichen Aethylaldehyd steht. CH3 CH3 H CU CH3 uu Aldehyd Aceton CH3 n CH3 H u CH3° Radical Aethylen Radical Propylen Wenn sich Jodwasserstoff oder überhaupt ein Halo- genwasserstoff mit den Radicalen Aethylen, Propylen (oder Hexylen) vereinigt, so geschieht dies meiner Mei- nung nach so, dass sich die beiden Aequivalente des einen Atoms Kohlenstoff mit dem Wasserstoff und dem Halogen sättigen. Wenn ich dagegen in Betracht ziehe, dass Aldehyd und Aethylenoxyd, andererseits Aethyliden- und Aethylenchlorür verschiedene Körper sind, und wenn ich deren Entstehungsweise berücksichtige, so komme ich zu der Annahme, dass die freien Halogene in der Art auf die oben genannten Olefine einwirken, dass zunächst 1 Atom Wasserstoif, das mit einem anderen Kohlenstoff- atom verbunden ist, durch 1 Atom Halogen substituirt wird, und dass dann erst der erzeugte Halogenwasser- stoff in der oben gedachten Weise sein Wasserstoff- und sein Halogenatom an die beiden freien Aequivalente des einen Atoms Kohlenstoff in den Olefinradicalen absetzt. 182 Erlenmeyer, Wenn ich mir nun auch das Hexylen aus dem Man- nit nach meinen mit Wanklyn ausgeführten Experi- menten als ein Ketonolefin (im Gegensatz zu dem Aethy- len, welches ich Aldehydolefin nennen möchte) denke, so komme ich damit zu der Frage, in welcher Relation das Amylen als Radical zu den genannten Olefinradicalen steht. Das Amylen ist eigentlich das einzige *) von den bisher näher untersuchten Olefinen, das in analoger Weise aus dem Amylalkohol dargestellt ist, wie das Aethylen aus dem Aethylalkohol, und man hätte erwarten sollen, dass es sich analog diesem mit Jodwasserstoff zu Amyl- jodür und mit Schwefelsäure zu Amylschw efelsäu re verbände. Es verhält sich aber nach den Untersuchungen von Wurtz und von mir in beiden Beziehungen ganz anders. Wenn man auch die Ansicht von Wurtz, das Amyljodür unterscheide sich von dem Amylenjodhydrat nur dadurch, dass in dem letztem Jod und Wasserstoff bei der Vereinigung mit Amylen nicht in so feste Verbindung mit C 5 trete, als diese beiden Elemente mit dieser Kohlenstoffgruppe in dem Amyljodür verbunden sind, als Erklärung des ver- schiedenen Verhaltens des Amylenjodhydrats gelten las- sen wollte, so würde man aber doch nicht verstehen, warum das Aethylenjodhydrat nicht in analoger Weise verschiedenes Verhalten von dem Aethyljodür zeigt. Man wird vielmehr zu dem Gedanken geleitet, dass die Con- stitution des Amylenjodhydrats eine von der des Amyl- jodürs nicht bloss physikalisch, sondern wirklich ch e m i s ch verschiedene ist. Vergleicht man andererseits das Verhalten des Amy- *) Das Butylen ist zwar von Wurtz aus dem Butylalkohol ebenfalls in analoger Weise wie Aethylen dargestellt, aber es ist meines Wissens nicht näher studirt in seinem Verhal- ten zu Schwefelsäure und Halogensäuren. Wurtz giebt bloss an, dass es aus dem Gemisch mit Butylwasserstoff durch eine mit Schwefelsäure befeuchtete Cokekugel entfernt werden könne, dass es sich also mit Schwefelsäure verbindet. Eigenthilmlichkeiten in dem Verhalten des Amylens. 183 lenjodhydrats mit demjenigen von Propylenjodhydrat und Hexylenjodhydrat, so findet man in mancher Beziehung eine so überraschende Analogie, dass sich schon manche Chemiker veranlasst gesehen haben, die drei genannten Körper für Glieder einer homologen Reihe zu halten und man hätte danach erwarten sollen, das Amylenoxyhydrat liefere bei der Oxydation analog dem Propylen- und Hexy- lenoxyhydrat ein Keton von der Zusammensetzung C 5 H l0 O, welches sich weiter zersetze in Essigsäure und Propion- säure. Wenn man die Homologie dieser Hydrate an- nehmen wollte, so könnte man sich ihre Zusammensetzung durch folgende Formeln ausgedrückt denken. Propylenhydrat qj^ 3 CH, OH. PH 3 (Butylenhydrat Q2H5 ^' OH.) Amylenhydrat nimr OH, OH. Hexylenhydrat Q4fj9 OH, OH. Aus den bis jetzt in dieser Beziehung vorliegenden Beobachtungen geht jedenfalls das Eine hervor, dass der Körper C 5 H 10 O, wenn er sich überhaupt als erstes Oxy- dationsproduct des Amylenhydrats, beziehungsweise des Amylens bildet, sehr leicht weiter zersetzt wird in Essig- säure und gewöhnliches Aceton und dieses wieder in K ^igsäure und Kohlensäure. Gerade die Bildung von gewöhnlichem Aceton, statt der Bildung von Propylaldehyd resp. Propionsäure, welche man bei Annahme der Homologie von Propylen-, Amy- len- und Hexylenhydrat hätte erwarten sollen, veranlasst mich zu der Hypothese, dass zwar das Amylen- hydrat nach der oben angegebenen Formel zu- sammengesetzt ist, dass aber das darin enthal- tene Radical (.'•'* II 7 nicht das des gewöhnlichen br ungtpropylalkohole, sondern dasjenige des Propy lenhydrats oder P s e udopmp v lal kohols ist, 1 84 Erlenmeyer 7 dessen relative Constitution durch folgendes Schema ver- sinn licht wird: C C C MeH Me C^ — 3 Gewth. Kohlenstoff Me — Methyl). Mit dieser Annahme ist es leicht verständlich, wie das Amylenhydrat resp. Amylen die beobachteten Oxy- dationsproducte liefern konnte. Die folgenden Gleichun- gen werden die verschiedenen Phasen, welche die Oxy- dation des Amylens nach meiner Hypothese durchläuft, übersehen lassen : 1) C H3 C H3 C3H 7 "• "~" C 3 H 7 Radical Amylen Acetylpseudopropylür *) 2) H3 _ CH3 CH3 C3H7 lU + ° = H O °° + CH3 °° Essigsäure Aceten 3) CH3 C0 + ° 2 = K^O C0 + CH2 ° 4) 0H2O + O2 = CO24. H20. Jedenfalls scheint mir diese Hypothese mehr im Ein- klang zu stehen mit den bisherigen Beobachtungen, als die Anschauungsweise von Wurtz, nach welcher man weit eher erwarten sollte, dass das Amylenhydrat resp. Amylen ebenso wie Amylalkohol bei der Oxydation Amyl- aldehyd und Baldriansäure lieferten, da ja nach Wurtz die Gruppe C 5 H 10 in dem Amylenhydrat ebenso con- stituirt ist, wie in dem Amylalkohol. Mit der Anschau- ungsweise von Wurtz muss man es allerdings als etwas Ausserordentliches betrachten, dass diese *) Ich glaube hier nicht unerwähnt lassen zu sollen, dass ich es unter Verschiedenen Bedingungen versucht habe, dieses Keton durch Einwirkung sowohl von Natrium als Kalium auf ein Gemisch von gleichen Molecülen Acetylchlorür und Pseudo- propyljodür künstlich zu erzeugen. Meine Versuche scheiter- ten aber an der schon von Freund beobachteten Resistenz des Acetylchlorürs gegen die Alkalimetalle bei gemässigten Temperaturen, während höhere Temperaturen unter explosion- artiger Erscheinung tiefere Zersetzungen herbeiführten. Eigentümlichkeiten in dem Verhalten des Amylens. 185 Gruppe unter denselben Bedingungen, unter welchen sie in dem Amylalkohol nicht oder doch nur zum aller- geringsten Theil zerfällt, in dem Amylenhydrat in ein- fachere gespalten wird und keine Spur von Baldriansäure liefert. Aber doch bin ich weit entfernt behaupten zu wol- len, dass ich mit meiner Hypothese alle beobachteten Eigenthümlichkeiten in dem Verhalten des Amylens zu erklären im Stande sei. Warum das Amylen nicht mit Schwefelsäure in Verbindung tritt und weit leichter als das Propylen und Hexylen in polymere Körper verwan- delt wird, das wird auch mit der Annahme der Gruppe CMe 2 H vor der Hand nicht verständlich gemacht. Dies liegt freilich im Wesentlichen daran, dass wir für jetzt kaum eine Ahnung haben, in welcher Richtung und in welchem Grade die Eigenschaften analytisch -gleich und analytisch -homolog zusammengesetzter Körper durch die Veränderung der Verbindungsweise ihrer Elementarbe- standtheile zu verschiedenen Radicalen verändert werden. Dieser Mangel in unserem Wissen macht sich ganz besonders fühlbar bei dem Studium der Verbindungen, welche nur Kohlenstoff und Wasserstoff enthalten. Die neueren Untersuchungen der Kohlenwasserstoffe C n H 2 " -(- 2 durch Schlorlemmer und derjenigen von der Formel OH 2n — G durch Fittig und seine Schüler haben so überraschende Resultate geliefert, dass von einem Versuche, dieselben zu erklären, erst dann einiger Nutzen zu erwarten ist, wenn die verschiedenen anderen Reihen von Kohlenwasserstoffen und deren Umwandlungs- produete noch besser untersucht sind. Es ist deshalb wohl auch an der Zeit, die Olefine einem genaueren Stu- dium zu unterwerfen, zumal da die bis jetzt einiger- maassen untersuchten Glieder dieser Körperclasse, welche man als Glieder einer homologen Reihe anzusehen gewohnt ist, ein den bisherigen Dogmen der Chemie viel- fältig widersprechendes Verhalten gezeigt haben. Ich er- innere in dieser Beziehung ausser dem oben angedeuteten Arch.d. I'liarrn. CLXXIV. Bd«. 8. Hft. 1 3 186 Erlenmeyer, noch an die Siedepunctsverhältnisse der bis jetzt dar- gestellten Glykole. Während von dem Amylenglykol herab bis zu dem Aethylenglykol der Siedepunct für einen Mindergehalt von je CH 2 um etwa 6 bis 80 höher wird, erleidet derselbe in dem Hexylenglykol bei einem Mehrgehalt von einmal OH 2 gegen den Amylenglykol eine Erhöhung um 30°. Diese bei homologen Verbindungen bis jetzt einzeln stehende Ausnahme von der Regel lässt sich nicht wohl anders verstehen, als indem man annimmt, die bisher dargestellten Glykole sind nicht Glieder einer homologen Reihe, sondern sie gehören verschiedenen solchen Rei- hen an, deren übrige Glieder noch unbekannt sind. We- nigstens wird der Ausspruch von Wurtz, dass die plötz- liche Umkehr der Siedepunctsdifferenz bei dem Hexylen- glykol „eine leicht begreifliche Thatsache sei, da der Siedepunct dieser Verbindungen mit der Zu- nahme des Moleculargewichts nicht bis ins Un- endliche abnehmen könne", nicht von allen Che- mikern als eine befriedigende Erklärung dieser Anomalie angenommen werden. Bei Gelegenheit meines Vortrages machte Herr Prof. Carius unter anderen die Bemerkung, dass in seinem Laboratorium Herr Dr. Ladenburg die Beobachtung gemacht habe, dass sich das Amylen mit Acetylchlorür zu einer leicht wieder in die Bestandteile zerfallenden Verbindung vereinige. Ich erwiederte damals schon, dass auch in meinem Laboratorium Herr Dr. Ernst vor an- derthalb Jahren Amylen auf Acetylchlorür habe einwir- ken lassen. Da ich mich der Einzelnheiten nicht mehr zu erinnern wusste, so will ich jetzt aus dem Notizbuch des Dr. Ernst Folgendes nachtragen. Acetylchlorür zeigt in der Kälte keine Einwirkung auf Amylen, auch nicht beim Kochen mit aufsteigendem Kühlrohr. Eigenthümlichkeiten in dem Verhalten des Amylens. 187 Gleiche Gewichte Amylen und Acetylchlorür in zu. geschmolzenem Rohre 30 Stunden lang bei 100° erhitzt, lieferten, ohne dass in dem Rohre Druck vorhanden war, eine Flüssigkeit, welche durch fractionirte Destillation in eine Portion, die bei 55° und eine solche, die höher sie- dete, geschieden wurde. -Die letztere hatte keinen be- stimmten Siedepunct, sondern das Thermometer stieg un- unterbrochen bis zu 160°, wobei das Gefäss trocken war. Beim Versetzen desselben mit Wasser schied sich unter Bildung von Salzsäure und Essigsäure eine aromatisch riechende Flüssigkeit ab, welche nach dem Trocknen mit geschmolzenem Chlorcalcium destillirt wurde. Sie fing bei 50° an zu sieden, das Thermometer stieg aber unaufhörlich bis 140°. Derselbe Versuch wurde noch mehrmals wiederholt, eine Portion wurde auch bei 120° längere Zeit erhitzt, aber in keinem Falle konnte eine Flüssigkeit von constantem Siedepunct erhalten werden. Gleichzeitig wurden ähnliche Versuche mit Amylen und Aethyljodür vorgenommen, die aber zeigten, dass sich die beiden Körper wenigstens nicht bei der Tempe- ratur des Wasserbades miteinander verbinden. Herr Dr. Ernst wurde in diesen Versuchen unter- brochen, weil er eine Stelle in einer chemischen Fabrik annahm und ich habe auch bis jetzt diese Versuche nicht von einem Anderen weiter fortsetzen lassen. Künstliches Aachener Badesalz. JÜs vor Kurzem wurde in hiesiger Stadt durch Ab- dampfen des Wassers der Kaiserquelle das Aachener Thermalsalz dargestellt, welches schon vor 28 Jahren von hiesigen Herren Aerzten zu Bädern verordnet wurde, indem in der Apotheke für jedes Bad auch ein Gläschen Sohwefelnatriumlösung beigefügt werden musste. Seit einigen Jahren hat man aufgehört, jenes Aachener Ther- malsalz anzufertigen, und ist der Vorrath desselben nun 188 Victor Monheim, vergriffen; dagegen hat man angefangen, ein ganz lös- liches künstliches Aachener Badesalz zusammen zu mi- schen, und wurde ich veranlasst, dieses ebenfalls darzu- stellen. So war es denn meine Pflicht, das Salz auch so zu liefern, dass die im gehörigen Verhältnisse berei- tete Auflösung desselben so genau wie möglich dem Aachener Thermalwasser gleichkommt. Die Frage war also aufzuwerfen, ob das von Lieb ig publicirte Resultat seiner Analyse der Kaiserquelle als Norm zur Zusammen- setzung des Salzes genommen werden dürfe, und musste ich diese Frage verneinen; denn da die Schwefelbestim- mungen, wie Liebig dieses auch in einer Anmerkung auf Seite 6 der hier bei J. A. Mayer 1851 gedruckten „Chemische Untersuchung der Schwefelquellen Aachens von Professor Justus von Liebig" angiebt, durch Herrn Dr. Hasenclever und mich nach der von Herrn Professor Will vorgeschriebenen Methode ausgeführt sind, so weiss ich recht gut, dass diese Schwefelbestimmungen auf mich gar nicht den Eindruck von Genauigkeit mach- ten. Dieses habe ich aber auch dem Herrn Professor Will, welcher mit Lieb ig zur Untersuchung der Mineral- wässer in Aachen war, dessen Unterstützung bei Vor- nahme der Analysen Liebig Seite 97 des 79. Bandes der Annalen der Chemie und Pharmacie in der Anmer- kung zu seinem Aufsatze „Untersuchung der Aachener Schwefelquellen" gehörig erwähnt, bei Mittheilung der Resultate ausführlich geschrieben; denn nur selten wird man bei Anwendung dieser Methode zur Bestimmung des Schwefels in den Aachener Thermen ein genaues Resul- tat erzielen, weil eine Titrirung mit Jodlösung in war- mem Wasser kein genaues Resultat geben kann, man daher das zu titrirende Wasser zuerst erkalten lassen muss, wobei sich schon leicht etwas Schwefelnatrium zer- setzt. Ich war damals auch gerne bereit, den Herren Professoren Lieb ig und Will die Schwefelbestimmun- gen nach einer anderen Methode zu liefern, wenn sie dieses gewünscht hätten, doch haben sie sich mit den künstliches Aachener Badesalz. 189 ihnen mitgetheilten Resultaten nach der Titrirmethode be- gnügt. Ich muss hier freilich hervorheben, dass Herr Dr- Wings bei drei genauen maassanalytischen (Titrirungs-) Bestimmungen im Jahre 1862 fast dieselbe Menge Schwe- fel gefunden hat, wie Herr Dr. Hasenclever und ich im Jahre 1850. Wir fanden, wenn die Berechnungen dieser Mittheilung nach den von Fresenius 1864 an- genommenen Atomgewichten angestellt werden, in 1000 Theilen Wasser der Kaiserquelle 0,00395 Schwefel; Herr Dr. Wings fand 1862 einmal 0,00384 und zweimal 0,00387 Schwefel in der eigentlichen Kaiserquelle und 0,00394 in der auf dem Büchel vor dem Kaiserbade lie- genden Quelle, die in den gedruckten Berichten stets Quelle Nro. 10 genannt worden ist. Nun sagt aber auch Herr Dr. L er seh Seite 244 seiner im vorigen Jahre er- schienenen Hydro -Chemie, dass Font an in 1000 Thei- len des Thermalwassers circa 0,046, und er selbst ein- mal noch mehr Schwefel gefunden habe. Ferner theilte Herr Dr. Lersch mir eine Notiz des Herrn Dr. N. P. Hamberg aus Stockholm mit, wonach derselbe durch eine Titrirung den Schwefelgehalt in 10000 Theilen des bis 21,5° R. abgekühlten Wassers zu 0,0518 bestimmte. Betrachte ich dann noch die verschiedenen Resultate, welche Mohr Seite 302 seines Lehrbuchs der chemisch- analytischen Titrirmethode bei den Titrirungen mit Jod- lösung behufs Schwefelbestimmungen hervorhebt, so konnte ich meine Ueberzeugung nicht ändern, dass eine neue Schwefelbestimmung nach der älteren Methode durchaus erwünscht sei. Um nun eine neue Gewichtsbestimmung des Schwe- felgehaltes vorzunehmen, habe ich an der Kaiserquelle 13,25 Kilo Wasser nach der von Lyte empfohlenen Me- thode sofort mit einer Auflösung von Chlorsilber in un" terschwefli^saurem Natron nach Zusatz von mehreren Tropfen Salmiakgeist versetzt. Sp^ccr wurde das gebil- dete Sehwefekdlber durch rauchende Salpetersäure in !90 Victor Monheim, schwefelsaures Silberoxyd verwandelt, welches mit dem nöthigen Wasser gelöst und mit salpetersaurem Baryt gefällt wurde. Nach gehörigem Aussüssen des schwefel- sauren Baryts ergab derselbe ein Gewicht von 0,540 Grammen, die sich auf angegebene Weise aus den 13250 Grammen Wasser der Kaiserquelle gebildet hatten. Da nun in 116,5 schwefelsaurem Baryt 16 Schwefel vorhan- den sind, so sind hiernach in 1000 Theilen Wasser 0,0056 Schwefel zugegen, die einem Gehalte von 0,01365 Schwe- natrium entsprechen. Aus den verschiedenen Resultaten der Schwefelbestim- mungen scheint hervorzugehen, dass in der Kaiserquelle eben sowohl, wie in manchen anderen Schwefelquellen, der Schwefelgehalt kein constanter ist, und werde ich die vielen Gründe für diese Annahme anderwärts aus- einander setzen. Ist man aber genöthigt, einen variiren- den Schwefelgehalt in der Kaiserquelle anzunehmen, so versteht es sich von selbst, dass behufs Darstellung des künstlichen Aachener Badesalzes dasjenige Resultat als Norm angenommen werden muss, welches den grössten Schwefelgehalt gegeben hat, weil das Schwefelnatrium im Bade stets in rascher Oxydation begriffen ist, also mit jedem Augenblick abnimmt. In das von Liebig publicirte Resultat der Analyse haben sich aber auch noch manche andere Unrichtig- keiten eingeschlichen, die ich vor der Berechnung, wie das künstliche Salz richtig darzustellen sei, zu ändern verpflichtet war. So folgt z. B. aus der Bestimmung des Chlorlithiums (Seite 6), dass 0,0029, und nicht, wie an- gegeben, 0,00029 kohlensaures Lithion in 1000 Theilen Wasser vorhanden sind. Ferner ist bei der Chlorbestim- mung der ganze Niederschlag mit salpetersaurem Silber- oxyd nach dem Ansäuern mit Salpetersäure als Chlor- silber berechnet, während er Chlorsilber, Bromsilber, Jodsilber und Schwefelsilber enthält. Da auch sonst noch mehrere irrige Annahmen und manche kleine Ungenauig- keiten im Rechnen in dem durch Liebig der Stadt Aachen künstliches Aachener Badesalz. 191 mitgetheilten Berichte, der bei J. A. Mayer 1851 in Druck erschienen ist, vorhanden sind, ebenfalls manche Atomgewichte eine Aenderung erlitten haben, so musste ich die Berechnungen aufs Neue machen, und ergaben diese nun folgende Resultate in 1000 Theilen Wasser der Kaiserquelle, wobei ich mit Lieb ig den Gang der Analyse verfolge. Seite 6, Bestimmung des kohlensauren Lithions. 282 Pfd. = 131900 Grm. Wasser geben 0,442 Grm. Chlorlithium. Da nun 42,46 Chlorlithium entsprechen 37 kohlensaurem Lithion, so sind in 1000 Th. Wasser 0,00292 kohlensaures Lithion zugegen. Seite 7, Bestimmung der Schwefelsäure. 2428,58 Grm. Wasser geben 1,626 schwefelsauren Baryt. Weil in 116,5 schwefelsauren Baryt 40 Schwefel- säure zugegen sind, so sind in 1000 Th. Wasser 0,22988 Th. Schwefelsäure vorhanden. Die Bestimmungen des Chlors und des kohlensauren Katrons muss ich später folgen lassen. Seite 8, Bestimmung des schwefelsauren Kalis und Natrons. a. 607,17 Grm. Wasser geben 0,269 i b. 910,75 „ „ „ 0,391 f Kalium- c. 5646,50 „ „ „ 2,410/ platin- 1 chlond. 7164,42 „ n „ 3,070) 1000 Grm. Wasser geben also durchschnittlich 0,42851 Kaliumplatinchlorid. 244,43 Kaliumplatinchlorid entspre- chen 87,11 schwefelsaurem Kali, folglich sind in 1000 Grm. Wasser 0,15271 schwefelsaures Kali enthalten, worin hwofelsäure. Es sind also noch 0,15976 Schwe- Lure an Natron gebunden zu 0,28357 schwefelsaurem Natron. Seite '.', Kieselerde in 1000 Th., wie angegeben, ßöllj kohlensaure« EiseDOxydul bleibt, wie angegeben, *92 Victor Monheim, Bestimmung des kohlensauren Kalks und kohlensauren Strontians. Diese betragen zusammen die für den kohlensauren Kalk angegebene Menge von 0,15811 in 1000 Th. Wasser. Bestimmung der kohlensauren Magnesia. 2125,09 Grm. Wasser geben 0,142 Grm. pyrophosphor- saure Magnesia, von welcher 111 Th. 84 Th. kohlensaurer Magnesia entsprechen. Es sind mithin in 1000 Th. Wasser 0,05057 kohlensaure Magnesia (Mg 0, CO 2 ) enthalten, worin sich 0,02649 Kohlensäure befinden. Fixe Bestandtheile sind, wie angegeben, 3,9242 in 1000 Th. Wasser. Bei der Bestimmung der organischen Materie berechnet sich der Verlust auf 1000 Th. Was- ser zu 0,10344 und 0,10344 — 0,02649 bleibt 0,07695; da aber beim Abdampfen einer Auflösung von kohlen- saurer Magnesia nicht neutrale kohlensaure Magnesia fällt, sondern kohlensaure Magnesia mit Magnesiahydrat, wovon die constante Zusammensetzung wohl noch nicht hinlänglich ermittelt ist, so kann es auch nicht richtig sein, die Kohlensäure der neutralen kohlensauren Mag- nesia behufs Bestimmung der organischen Materie abzu- ziehen. Es wird indessen Niemand dem künstlichen Salze auch die organische Materie des Aachener Wassers zu- setzen können, daher dieses für die anzustellende Be- rechnung ohne Bedeutung ist. Bromnatrium wird angenommen mit Liebig zu 0,0036. Bestimmung des Jodnatriums: 75300 Grm. Wasser lieferten 0,048 Jodpalladium, wovon 180 Th. 150 Th. Jodnatrium entsprechen. Hieraus berechnet sich, dass 0,00053 Th. Jodnatrium in 1000 Th. Wasser zugegen sind. Das Schwefelnatrium habe ich, wie oben angegeben, neuerdings bestimmt zu 0,01365 in 1000 Th. Wasser. Nun kann die Chlorbestimmung näher betrachtet werden. Da dieselbe mit salpetersaurem Silberoxyd nach dem künstliches Aachener Badesalz. 193 Ansäuern der Flüssigkeit mit Salpetersäure vorgenommen wurde, so geben auf diese Weise 404,364 Grm. Wasser einen Niederschlag von 2,616 Grm., bestehend aus Chlor- silber, Bromsilber, Jodsilber und Schwefelsilber, also 1000 Theile geben 6,46942 Th. dieses Niederschlages. Da nun 0,00360 Bromnatrium geben 0,00657 Bromsilber und 0,00053 Jodnatrium 0,00083 Jodsilber und 0,01365 Schwefelnatrium 0,04339 Schwefelsilber, zusammen also 0,05079 Bromsilber, Jodsilber und Schwefelsilber, so werden 1000 Th. Wasser 6,46942 — 0,05079, also 6,41863 Chlorsilber geben, die einem Gehalte von 2,61614 Chlor- natrium entsprechen. Hierauf kann die Bestimmung des kohlensauren Na- trons folgen, wobei ebenfalls verschiedenartige Berichti- gungen statt finden müssen. 1214,34 Grm. Wasser geben nach dem Einkochen, Abfiltriren der Erden und des gebildeten Eisenoxydhydrats, Verdampfen des Filtrats mit überschüssiger Salzsäure und gelindem Glühen, wobei also alles im Wasser vorhandene kohlensaure Natron, Bromnatrium, Jodnatrium und Schwe- felnatrium in Chlornatrium verwandelt wurde, und das kohlensaure Lithion in Chlorlithium, beim Fällen mit sal- petersaurem Silberoxyd Chlorsilber 9,995, also 1000 Th. Wasser Chlorsilber 8,23081 hiervon mussten vermittelst des im Wasser vor- handenen Chlornatriums gefällt werden Chlorsilber 6,41863 bleiben Chlorsilber 1,81218 Die vorhandenen 0,00292 kohlensaures Li- thion hatten nach Umwandlung in Chlorlithium "ben Chlorsilber 0,01132 mithin war die Differenz von Chlorsilber 1,80( >H6 aus dem kohlensauren Natron, dem Bromnatrium Jodnatrium und Schwefelnatrium entstanden. Auf angeführte Weise behandelt, geben aber: 194 Victor Monheiniy Chlorsilber. . . 1,80086 0,00360 Biomnatrium an Chlorsilber... 0,00501 0,00053 Jodnatrium „ „ ... 0,00051 0,01365 Schwefelnatrium an Chlorsilber 0,05020 zusammen Chlorsilber 0,05572 es hatte mithin das kohlensaure Natron gegeben Chlorsilber 1,74514 woraus die Anwesenheft von 0,64486 kohlensaurem Na- tron hervorgeht. Bestimmung des kohlensauren Strontians. Der Gehalt der Kaiserquelle an kohlensaurem Stron- tian berechnet Liebig aus dem Verhältnisse des koh- lensauren Strontians zum kohlensauren Kalk im Sinter. Bei dieser Bestimmung geht derselbe also von der Vor- aussetzung aus, dass das Wasser bei der Sinterbildung die vermittelst freier Kohlensäure gelösten kohlensauren Salze in demselben Verhältnisse absetze, in welchem sie im Wasser enthalten sind, welche Ansicht indessen eine durchaus irrige ist. Dieses geht schon aus der 1849 im 6. Bande Seite 1—23 der Verhandlungen des naturhisto- rischen Vereins der preussischen Rheinlande und West- phalens gedruckten Abhandlung: „Ueber die Ablagerung der verschiedenen am Altenberge bei Aachen vorkom- menden Galmeispecies und über die künstliche Bildung des Kieselzinkerzes" hervor, und ist dieses auch neuer- dings durch einen Versuch des Herrn Dr. Wings aufs Positivste bestätigt worden. Ich hatte nämlich gesagt, dass im Absätze eines Wassers, welches kohlensauren Kalk und eine ganz kleine Menge kohlensauren Zink- oxyds vermittelst freier Kohlensäure gelöst enthielt, das Verhältniss des Zinks zum Kalk bedeutend grösser sei als im Wasser selbst. Die Richtigkeit hiervon wurde bezweifelt, und Herr Dr. Wings veranlasst, hierüber einen Versuch anzustellen. Dieser Versuch bestätigte, dass, wenn das Wasser bis zum Kochen erhitzt und der dann gebildete Absatz gesammelt wurde, in demselben viermal so viel Zink im Verhältnisse zum Kalk enthal- künstliches Aachener Badesalz. 195 ten war als im Wasser selbst. Eine fernere Bestätigung findet sich Seite 18 der gedruckten Bemerkungen, welche Herr Dr. L er seh und ich als Mitglieder des städtischen Bade-Comites der Stadt Aachen „Ueber die Zweckmäs- sigkeit einer Bohrung im Bereiche der Kaiserquelle zu Aachen" eingereicht haben. Es muss daher eine neue Bestimmung des kohlensauren Strontians nach einer an- deren Methode vorgenommen werden. Für den vorlie- genden Fall handelt es sich aber nur um äusserst geringe Mengen desselben, denn da Lieb ig im Sinter der Kaiser- quelle den kohlensauren Kalk zu 13,46 und den kohlen- sauren Strontian zu 0,0177 bestimmt hat, so war hier- nach nur der 0,00131. Theil des zu 0,15811 bestimmten kohlensauren Kalks und kohlensauren Strontians von letz- rem vorhanden, mithin war nach Liebig's Bestimmungs- weise 0,00021 kohlensaurer Strontian und 0,15790 kohlen- saurer Kalk in 1000 Theilen Wasser zugegen. Dieses wird für ein Bad von 500 Pfd. Wasser circa 1 Gran kohlensauren Strontian ausmachen. Die neue Berechnung ergiebt nun folgende Zusam- mensetzung der Kaiserquelle in 1000 Th. Wasser: Chlornatrium 2,61614 Bromnatrium 0,00360 Jodnatrium 0,00053 Schwefelnatrium 0,01365 Kohlensaures Natron 0,64486 Schwefelsaures Katron 0,28357 Schwefelsaures Kali 0,15271 Kohlensaurer Kalk 0,15790 Kohlensaures Lithion 0,00292 Kohlensaure Magnesia 0,05057 Kohlensaurer Strontian 0,00021 Kohlensaures Eisenoxydul 0,00955 Kieselerde 0,06611 Organische Materie 0,07695 4,07927 196 Künstliches Aachener Badesalz. Das Resultat dieser Berechnung denke ich nun einst- weilen als Norm zu nehmen zur Darstellung des künst- lichen Aachener Thermalsalzes, und werde ich 500 Pfd. Wasser (20 ordentliche Eimer voll) als die zu einem Bade erforderliche Menge betrachten, bin übrigens stets bereit, auch zu kleineren oder grösseren Mengen Wasser das Salz zu verabfolgen. Sollte später im Bereiche der Kaiserquelle eine Boh- rung vorgenommen werden, wozu jetzt noch viel drin- gendere Gründe vorhanden sind, als zu der Zeit, wo Herr Dr. L er seh und ich eine Bohrung beantragten, so wird wahrscheinlich ein an Schwefelnatrium und Schwe- felwasserstoffgas reicheres Wasser zum Vorschein kom- men, welches dann wohl eine neue vollständige Analyse erfordern wird. Uebrigens ist im Gemeinderathe die Frage des Bohrens noch immer nicht zur Sprache ge- kommen, in dieser Angelegenheit also auch noch kein Beschluss gefasst worden. So gut, wie dieses Aachener Badesalz von hiesigen Apothekern so dargestellt werden kann, dass das Salz eine gehörige Auflösung giebt, kann auch jedes andere künstliche Badesalz hier aus den bekannten neuesten Analysen der verschiedenen Badewässer berechnet und zusammengemischt werden. Aachen, den 18. April 1865. Victor Monheim*). *) Als Separatabdruck aus der Kur- und Bade-Liste für Aachen und Burtscheid, Nro. 2. 23. April 1865 vom Hrn. Verfasser eingesandt. D. Red. 197 II. Waturgescliichte und Pharma- kognosie. Ueber die medicinische Bedeutung der Pilze mit besonderer Rücksichtnahme anf ihre toxischen und diätetischen Eigenschaften; von Dr. Tb. Husemaun, Privatdocent in Göttingen. (Fortsetzung und Schluss von Bd. CLXXIV. pag.97.) Weit grösser erscheint die Bedeutung der Pilze da- gegen für eine der Arzneimittellehre eng verbundene Doctrin, für die Nahrungsmitteil ehre, und es ist nicht daran zu zweifeln, dass entgegengesetzt der retro- graden Bewegung, welche die medicamentöse Anwendung der Pilze mit der Zunahme exacterer Kenntnisse über die Wirksamkeit derselben gemacht hat, sich mit der Fort- entwickelung unseres Wissens die Benutzung der Pilze als Nahrungsmittel in hohem Grade steigern wird. Es sind bis jetzt nur wenige Länder vorhanden, deren ge- sammte Bevölkerung Pilze zu ihren Mahlzeiten gebraucht. ►Sehen wir von aussereuropäischen *) ab, so finden wir die ausgedehnteste Anwendung in Russland, wo die Kennt- niss der einzelnen essbaren Arten sich in den Familien von Generation zu Generation weiter erben soll. Hier- auf folgt Frankreich und Italien, in letzterem Lande ist der Gebrauch schon alt, in der Siebenhügelstadt standen *) Die Neuseeländer sollen sich Monate lang von einer einzigen Pilzart, Mylitta tmstralii J'ers. ernähren. PdygtuUr Lampa- duriuH Fries wird in Amhoina und Cochinchina verzehrt. 198 Husemann, einzelne Arten zur Zeit der Cäsaren in hoher Achtung *). Bei den alten Hellenen waren die Pilze weniger beliebt, doch verspeiste man sie schon zur Zeit das Euripides hie und da. In England hat man, wie Berkeley mit- theilt, im Allgemeinen eine Avers